Das offizielle Plakat der 60. Berlinale
Es ist Tradition im Fontblog, alle Jahre wieder einen ausführlicheren Blick auf das Plakat des Berliner Filmfestspiele Berlinale zu werfen. Vor wenigen Stunden wurde das Plakat 2010 vorgestellt, entworfen vom Neuköllner Büro Otto Sauhaus (Michael Fröhlich, Sarah Lamparter, Karl Zech). Das in der Berliner Szene gut vernetzte Designbüro arbeitet überwiegend für Kunden aus dem Kulturbereich (z. B. Deutsches Theater, Babelsberger Filmgymnasium, Schramm Film, dokumentART, Allgäuer Puppenbühne, Verbrecher Verlag, …) und sieht seine Kompetenz im Bereich Grafik, Illustration und Typografie. Sein Aufgabenbereich umfasst Konzeption, Gestaltung und Produktion in den Medien Druck, Animation, Film und Web. Die Webseite von Büro Otto Sauhaus ist für mich ein konzeptionelle, optischer und technischer Genuss.
Für das Geburtstagsplakat der Berlinale haben die Designer die Titel alle Filme, die seit Beginn des Festivals 1951 gezeigt wurden, zusammengestellt und als Textmuster inszeniert (vgl. vergrößerter Ausschnitt am Beginn dieses Artikels). Rund 15 000 Filmtitel aus aller Welt bilden den Hintergrund und das Vordergrundmotiv des zweifarbigen Entwurfs. Weil auch die Chronologie aller Filme berücksichtigt wurde, werden sicherlich die Augen viele Betrachter bei näherem Hinschauen mit dem Lesen beginnen. Damit, so die Berlinale Leitung, biete das Poster einen ganz besonderen Blick auf die Festivalgeschichte. »Mit etwas Geduld wird jeder seine Lieblingsfilme finden. Mit dieser filmhistorischen Reise möchten wir alle Filmkünstler, deren Filme die Berlinale so besonders machten, noch einmal ehren«, kommentiert Festivaldirektor Dieter Kosslick das Konzept.
Wie schon im Jahr 2009 steht auch in diesem Jahr ein einziges Motiv für die gesamte Berlinale. Auf Sektionsplakate wurde zugunsten einer einheitlichen Kommunikation verzichtet. Ab 26. Januar 2010 wird das Plakat im gesamten Berliner Stadtbild zu sehen sein.
Marken-Redesigns 2009
Das Corporate-Designblog Brand New hat sich die wichtigsten Markenüberarbeitungen 2009 angesehen und bewertet: The Best and Worst Identities of 2009. »Es war ein großes Jahr für Brand New mit einer endlosen Flut von Markenüberarbeitungen in aller Welt. Und wir hatten viel Spaß dabei, sie auf ihre Gesundheit hin zu überprüfen – von krank bis kräftig. Heute bringen wir es auf den Punkt: Die Guten und die Schlechten.«
Für jeder Kategorie hat Brand New 12 Kandidaten ausgewählt. Einige sind auch den Fontblog-Lesern bekannt, denn wir habe im vergangenen Jahr ebenfalls heftig mitgestritten. Einige der von Brand New bewerteten Marken sind lediglich von lokaler Bedeutung.
Die 5 schlechtesten Markenüberarbeitungen laut Brand New:
1. Bing 2. msn 3. Xe (vorher: Blackwater), 4. City of Philadelphia und 5. Kraft Foods (zusätzlich Platz 6, weil die Marke zweimal erfolglos überarbeitet wurde)
Die 5 besten Marken-Redesigns laut Brand New:
1. Aol. 2. City of Melbourne 3. Nickelodeon, 4. New York Public Library und 5. Pfizer
Wir gratulierenden Kollegen von Myfonts zu Platz 6 (bei den Guten) und MetaDesign zum Commerzbank-Relaunch auf Platz 10 (ebenfalls unter den Gelungenen).
Ein Blütenlogo für die UEFA EURO 2012
In Kiew wurden vor wenigen Minuten das offizielle Signet, das Corporate Design und der Slogan für die Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine vorgestellt. Die beiden Gastgeber wollen »Zusammen Geschichte schreiben«, so das Motto des Turniers. Höhepunkt der Zeremonie war die Enthüllung des Logos vom Präsidenten des Polnischen Fußballverbands, Grzegorz Lato, seinem ukrainischen Amtskollegen Grigoriy Surkis und UEFA-Präsident Michel Platini.
In der offiziellen Verlautbarung der Veranstalters UEFA heißt es: »Mit dem Logo möchte man der UEFA EURO 2012™ eine eigene Persönlichkeit geben. Die visuelle Identität wird sich auch auf Promo-Artikeln, den Eintrittskarten und Internet-Bannern wiederfinden. Ziel ist es, das Turnier – welches zu den größten Sportereignissen der Welt zählt – weiter zu vermarkten und es mit einem Wiedererkennungswert zu versehen.«
Bei der Konzipierung des Logos wurde darauf geachtet, dass die Gastgeber darin fest verankert sind und so orientierte man sich am »wycinanka«, einer traditionellen Art Schnittbilder aus Papier herzustellen, wie es vor allem in den ländlichen Gegenden in Polen und der Ukraine geschieht. Damit soll auch die Tier- und Pflanzenwelt der Region gewürdigt werden. Das Logo besteht aus zwei Blüten, die jeweils eine Gastgebernation repräsentieren, und einem Ball in zentraler Position zur Verdeutlichung der Emotion und der Leidenschaft, die der Wettbewerb mit sich bringt. Der Stiel kennzeichnet den strukturellen Aspekt des Turniers, also die UEFA und den europäischen Fußball. Die Natur diente auch als Inspiration für weitere Eigenschaften des CI, so steht grün für die Waldgebiete, gelb für die Sonne, blau für das Wasser und den Himmel.
Das 2-minütige UEFA-Video »The Brand Story« verrät mehr über die Typografie, Farbgebung und das Zusammenspiel der Formen im Corporate Design der Fußball EM 2012:
Das Motto der Europameisterschaft lautet »Zusammen Geschichte schreiben«. Die Austragung der UEFA-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hat einen Eintrag in den Geschichtsbüchern sicher, weil noch nie zuvor ein Turnier in Zentral- und Osteuropa durchgeführt wurde.
Der neue grafische Auftritt des Deutschen Bundestags
Der Deutsche Bundestag hatte bis zuletzt kein übergreifend einheitliches Erscheinungsbild. Nach einer deutschlandweiten Ausschreibung wurde das Stuttgarter Büro Uebele mit der Entwicklung einer visuellen Identität betraut. Der Wettbewerb stellte zunächst die Frage, ob der direkt gewählte Souverän der Republik überhaupt ein »Logo« brauche. Die Antwort war »Jein«, denn er hat bereits ein Signet mit hohem Bekanntheitsgrad, das allerdings über Jahre ohne einheitliche Spielregeln verwendet wurde.
Signet: Der dreidimensionale Adler, 1953 entworfen vom Kölner Künstler Ludwig Gies, hält durch formale Abstraktion auf sympathische Weise die Balance zwischen hoheitlicher Distanz und einer naturalistischen Darstellung. Und weil jeder Mitarbeiter und jedes Mitglied der Institution dieses Zeichen mit Stolz trägt oder verwendet, spricht alles dafür, diese ikonografisch eindeutige Marke zu behalten. So wurde das Wappentier von Uebele lediglich für die zweidimensionale Benutzung überarbeitet, die jedoch eng am Giesschen Adler angelehnt ist. Der neue Adler wurde – für die Kleindarstellung – einfacher gestaltet. Das Gefieder ist auf eine Lage reduziert und die Binnenlinien sind dicker gezeichnet, um den drucktechnischen und Hinterlicht-Anwendungen gerecht zu werden. Die Schnabelendung ist durch einen kleineren Radius freundlich gezeichnet. Alle Teile der Figur weisen ähnliche Radien und Formenmerkmale auf.
Der Bundestagsadler vorher (Strichzeichnung) und nachher
Farbe: Die Farben der neuen visuellen Identität sind schwarz, weiß, silber und grau. Sie entsprechen dem hoheitlichen und seriösen Auftritt. Das Farbklima ist auch die Folge einer grafischen Konsequenz, denn die Form des Bundestagsadlers verträgt sich nur schwer mit Farbe, weil sie ihre souveräne und selbstverständliche Kraft aus dem eingeführten Symbol schöpft. Grautöne ergänzen die Palette zu einem ruhigen, ausdrucksstarken Klang.
Schrift: Der kräftigen Bildmarke mit den vielen Radien steht eine feine, aber strenge und klar konstruierte Schrift gegenüber: die serifenbetonte Melior, 1952 entworfen von Hermann Zapf. Ihre Rundungen sind eine Zwischenform von Kreis und Rechteck und ermöglichen so eine bandartige Wirkung der Wortbilder, die das Auge beim Lesen unterstützt. Für digitale Anwendungen wie Internet und E-Mail wird als Ersatz die Systemschrift Georgia eingesetzt.
Design: Nach einer deutschlandweiten Ausschreibung wurde das Büro Uebele Visuelle Kommunikation aus Stuttgart, sowie sieben andere Teilnehmer, zu einem Wettbewerb für das Erscheinungsbild des deutschen Bundestags eingeladen. In dem mehrstufigen Verfahren erhielten nach der ersten Präsentation noch drei Büros die Chance zu einer zweiten Präsentation vor dem Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert. Die mit fünf Grafikdesignern kompetent besetzte Jury entschied sich einstimmig für den Entwurf von Büro Uebele.
(Abbildungen und Text basieren auf einer Pressemitteilung von Büro Uebele, Stuttgart; Bundesadler © Prof. Ludwig Gies/Überarbeitung Büro Uebele).
EU-Biologo: es darf abgestimmt werden [Update]
Die Europäische Union versucht seit zwei Jahren ein einheitliches Biologo für Lebensmittel einzuführen. Das im März 2008 vorgestellte Signet wurde zurückgezogen, weil es dem Biologo von Aldi zu ähnlich sah (Fontblog berichtete: Neues EU-Biosiegel ähnelt Aldi-Biologo). Ein Jahr später rief die Europäische Kommission zu einem Studentenwettbewerb auf (Fontblog berichtete: EU sucht neues Biologo per Wettbewerb). Nun liegen drei Entwürfe vor, über die wir Bürger abstimmen dürfen (bis 31. Januar 2010). Auf dieser (englischsprachigen) Voting-Seite …
Auf einer News-Seite erfahren wir, das 3422 Vorschläge eingereicht wurden. Eine hochkarätige Jury hat eine Short-List (100 Entwürfe) erstellt, aus der nun die Generaldirektion für Landwirtschaft der EU-Kommission in Brüssel 3 Finalisten ausgewählt hat. Mit dem neuen EU-Logo sollen ab Juli 2010 alle ökologisch produzierten Nahrungsprodukte gekennzeichnet werden. Durch die Online-Abstimmung will die Europäische Kommission sicherstellen, dass das neue Logo »so viele Menschen wie möglich anspricht«. Gleichzeitig trage die öffentliche Auswahl zum Ziel bei, die Menschen für die Bedeutung des biologischen Landbausektors zu sensibilisieren, erklärte EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel (ihr Weblog).
[Update] Da Jury-Mitglied Erik Spiekermann gerade bei FontShop im Haus weilt, habe ich ihn um einen Kommentar gebeten. »Die Jury war einstimmig für das linke Motiv, weil es dynamisch ist und die europäische Flagge – mit einem Augenzwinkern – zitiert. Gleichzeitig meldeten wir gegenüber dem Designbüro Verbesserungsvorschläge: etwas größere Sterne, realistischere Perspektive. Dass nun neben diesem Motiv zwei ziemlich redundante bzw. nichts-sagende Alternativen zur Wahl stehen ist wieder mal typisch EU.«
Branchenschriften (4)
Es gibt Berufszweige, die gerne auf die immer gleiche Schrift zurückgreifen: siehe Branchenschriften, Branchenschriften (2) und Branchenschriften (3). Zur Lieblingsschrift der Gärtnereien hat sich die Cooper Black (nur 19 €) gemausert, vielleicht, weil sie zu Flower-Power-Zeiten – Ende der 60er Jahre – ihren 3 Frühling feierte. Durchaus passend für die Logistiker ist die windschnittige Slipstream, die einzige Schrift mit Rallyestreifen. Antique Olive ist die Type der »großen weiten Welt« (Peter Stuyvesant), weil sie jahrzehntelang bei der Air France im Einsatz war – von diesem Renommee können Reisebüros heute noch profitieren. Die Schrift Broadway passt ganz automatisch zu kleinen und großen Theatern, weil sie ein Kind der Musical-Meile New Yorks ist. Die zerbrechliche, biomorphe Papyrus schließlich ist der Liebling aller Wellness-Einrichtungen.
Wer kennt weitere Branchen, denen es an typografischer Imagination mangelt? Bitte Kommentar mit Bild …
Branchenschriften (3)
Es gibt Berufszweige, die gerne auf die immer gleiche Schrift zurückgreifen: siehe Branchenschriften und Branchenschriften (2). Zur Lieblingsschrift der Print- und Copyshops hat sich die Comic Sans gemausert, wahrscheinlich, weil sie billiger als eine A4-Kopie ist, nämlich kostenlos. Durchaus passend für die Berufsgruppe Gas-Wasser-Sanitär ist die Bauhaus, deren Buchstaben wie Siphons und Leitungsrohre gebogen sind. Der Klassiker im Antiquitätenmarkt ist die Jugenstilschrift Arnold Boecklin. Dem Fontblog-Leser passant verdanken wir den Hinweis auf die Schrift Bertram für das Bowlingcenter am Rande der Stadt, aber auch Spielzeugläden. Opernhäuser schmücken sich, wahrscheinlich wegen des Schriftnamen, zunehmend mit FF Scala. Wer kennt weitere Branchen, denen es an typografischer Imagination mangelt? Bitte Kommentar mit Bild …
Branchenschriften (2)
Es gibt Berufszweige, die gerne auf die immer gleiche Schrift zurückgreifen: siehe Branchenschriften. Die Lieblingsschrift der Kosmetikbranche ist seit vielen, vielen Jahren Optima. Durchaus passend zur pharmazeutischen Industrie ist deren Liebling Rotis Serif und Semi-Serif, zwei Schriften aus der Retorte. Ob Athener Grill, Akropolis oder Restaurant Hellas … eine Lithos an der Hauswand verspricht genau das, was die Küche halten wird. Biomarken und Bioläden erklären die Qualität ihrer Produkte, durchaus angemessen, am liebsten mit der informellen ITC Officina, aber bitte doch nicht alle. Sehr beliebt bei Imbissbuden mit osteuropäischem Einschlag: Algerian. Wer kennt weitere Branchen, denen es an typografischer Imagination mangelt? Bitte Kommentar mit Bild …