Der neue grafische Auftritt des Deutschen Bundestags

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Der Deutsche Bundestag hatte bis zuletzt kein übergreifend einheit­li­ches Erscheinungsbild. Nach einer deutsch­land­weiten Ausschreibung wurde das Stuttgarter Büro Uebele mit der Entwicklung einer visu­ellen Identität betraut. Der Wettbewerb stellte zunächst die Frage, ob der  direkt gewählte Souverän der Republik über­haupt ein »Logo« brauche. Die Antwort war »Jein«, denn er hat bereits ein Signet mit hohem Bekanntheitsgrad, das aller­dings über Jahre ohne einheit­liche Spielregeln verwendet wurde.

Signet: Der drei­di­men­sio­nale Adler, 1953 entworfen vom Kölner Künstler Ludwig Gies, hält durch formale Abstraktion auf sympa­thi­sche Weise die Balance zwischen hoheit­li­cher Distanz und einer natu­ra­lis­ti­schen Darstellung. Und weil jeder Mitarbeiter und jedes Mitglied der Institution dieses Zeichen mit Stolz trägt oder verwendet, spricht alles dafür, diese ikono­gra­fisch eindeu­tige Marke zu behalten. So wurde das Wappentier von Uebele ledig­lich für die zwei­di­men­sio­nale Benutzung über­ar­beitet, die jedoch eng am Giesschen Adler ange­lehnt ist. Der neue Adler wurde – für die Kleindarstellung – einfa­cher gestaltet. Das Gefieder ist auf eine Lage redu­ziert und die Binnenlinien sind dicker gezeichnet, um den druck­tech­ni­schen und Hinterlicht-Anwendungen gerecht zu werden. Die Schnabelendung ist durch einen klei­neren Radius freund­lich gezeichnet. Alle Teile der Figur weisen ähnliche Radien und Formenmerkmale auf.

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Der Bundestagsadler vorher (Strichzeichnung) und nachher

Farbe: Die Farben der neuen visu­ellen Identität sind schwarz, weiß, silber und grau. Sie entspre­chen dem hoheit­li­chen und seriösen Auftritt. Das Farbklima ist auch die Folge einer grafi­schen Konsequenz, denn die Form des Bundestagsadlers verträgt sich nur schwer mit Farbe, weil sie ihre souve­räne und selbst­ver­ständ­liche Kraft aus dem einge­führten Symbol schöpft. Grautöne ergänzen die Palette zu einem ruhigen, ausdrucks­starken Klang.

Schrift: Der kräf­tigen Bildmarke mit den vielen Radien steht eine feine, aber strenge und klar konstru­ierte Schrift gegen­über: die seri­fen­be­tonte Melior, 1952 entworfen von Hermann Zapf. Ihre Rundungen sind eine Zwischenform von Kreis und Rechteck und ermög­li­chen so eine band­ar­tige Wirkung der Wortbilder, die das Auge beim Lesen unter­stützt. Für digi­tale Anwendungen wie Internet und E-Mail wird als Ersatz die Systemschrift Georgia eingesetzt.

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Design: Nach einer deutsch­land­weiten Ausschreibung wurde das Büro Uebele Visuelle Kommunikation aus Stuttgart, sowie sieben andere Teilnehmer, zu einem Wettbewerb für das Erscheinungsbild des deut­schen Bundestags einge­laden. In dem mehr­stu­figen Verfahren erhielten nach der ersten Präsentation noch drei Büros die Chance zu einer zweiten Präsentation vor dem Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert. Die mit fünf Grafikdesignern kompe­tent besetzte Jury entschied sich einstimmig für den Entwurf von Büro Uebele.

(Abbildungen und Text basieren auf einer Pressemitteilung von Büro Uebele, Stuttgart; Bundesadler © Prof. Ludwig Gies/Überarbeitung Büro Uebele).


37 Kommentare

  1. Michael Jacksn

    Kurz und knapp: Sehr gelungen!!!!

  2. Detlef D. Seiner

    Finde den Adler immer noch zu dick, dachte früher immer, dass er so wegen der fetten Wirtschaftswunderjahre so dick sein muss. Er hat was von einem gerupften dicken Huhn.

  3. James

    Die neue Darstellung war vor einigen Tagen bereits zu einer Debatte im Bundestag zu sehen. Ein läng­li­ches Schild steht auf dem Rednerpult, das den Adler und den Schriftzug zeigt.

    Zuvor hatte das Pult einen Schriftzug ohne den Adler jedoch mit einem Font, der der Deutschen Bank auffal­lend ähnlich sah. Vielleicht ist das ja auch der Grund für die jetzige Umstellung.

  4. Dialogeins

    alles schön und gut, an der inter­net­prä­senz nervt mich nun aber doch die kombi­na­tion von georgia in menüs und sidebar und die konse­quente verwen­dung von Arial im content­be­reich. bei dem neben­ein­ander von serif und sans-serif wird mir meis­tens schlecht, das klappt nur selten und in diesem fall sieht die schöne neue grafi­sche linie einfach nur altba­cken aus gegen die glatt­heit des infocontents.

  5. Dialogeins

    @Detlef D. Seiner – das kommt dann zu weih­nachten in die supper ;)

  6. kritzlibaer

    Fette Henne! Nichts, was einen maje­ste­ti­schen Adler ausmacht. Aber dennoch stimmig: zuviele Bundesbürger sind zu dick, im Bundestag wird zu dick aufge­tragen, die Pensionen der Politiker sind auch ziem­lich gut gepols­tert. Zeitgemäß oder gar zukunfts­wei­send sieht anders aus.

  7. Phlip

    Darf der neue Adler auch von MdBs bzw Fraktionen auf Briefköpfen etc. benutzt werden, oder ist der exklusiv für den Bundestag als Institution?

  8. Zwölfuhrmittags

    @ Phlip: der Bundestag sind die MdBs, von daher ist davon auszu­gehen, dass sie das Signet natür­lich verwenden dürfen (oder sogar müssen?).

  9. till1

    die Frage ist, was sympa­thi­scher und ein besseres Bild einer Demokratie ist: eine fette Henne oder ein aggres­siver, unab­hän­giger, majes­tä­ti­scher Adler.
    (vgl. den Ausdruck „Falken“ für poli­ti­sche Hardliner)

    wenn es um bequeme Fettleibigkeit oder Machtfantasien geht, kann ich mich ganz gut entscheiden.

  10. Detlef D. Seiner

    Noch was zum Adler. @Till1: Stimmt schon. Lustig auch, daß er jetzt zu grinsen scheint, zumin­dest schmun­zelt er.

  11. timeout

    Die fetten Jahre sind vorbei…

  12. till1

    das wär doch mal ein schönes, dyna­mi­sches erschei­nungs­bild: je nach bruttosozialprodukt/prokopfverbrauch an fleisch/wahlbeteiligung verän­dert sich der adler ;)

  13. Holand

    Sehr gelun­gene Umsetzung.
    Die Schwaben können eben alles außer Hochdeutsch.

  14. michael

    Die fette Henne ist ein viel sympa­thi­scheres Symbol als jeder schlanke Adler. Passt einfach zu Deutschland. Wie kann man das nur ändern wollen?

  15. Timo

    Wie wohl­tuend nach dem Biodebakel. Und schön zu hören daß eine kompe­tente Jury mitein­ge­bunden wird. Geht doch! Besonders gut gefällt mir auch die Platzierung des Adlers auf z.B. der Pressemitteilung.

  16. guest

    wow, ein dickes hühn­chen. tja, wenn man vom umriss her unbe­dingt auf einen kreis kommen will…

  17. Jan

    Ich finde das Erscheinungsbild sehr gelungen.
    Lediglich der Abstand zwischen Bild- und Wortmarke
    ist mir zu groß. Würde man diesen verrin­gern, würder Bundesadler auch auf dem Briefpapier herr­lich mittig stehen.

  18. Jussi Steudle

    @ Timo: … viele Grüße zurück! ;-)

    Ich finde toll, dass die »fette Henne« im Wesentlichen beibe­halten wurde. Die farbigen Anwendungen bei uebele​.com sind mir auch aufge­fallen, weil sie dem Farbabschnitt der Pressemitteilung ja etwas ewider­spre­chen. Vielleicht sind sie aus dem Entwurfsprozess? Ich finde auch den Abstand so gut, wie er ist.

  19. Michael Wendler

    Ich hatte die Chance – und habe das Briefing zur dama­ligen Ausschreibung gelesen. Ich wundere mich deshalb über das Ergebnis. Schade um die verge­bene Chance – mal ein echtes Erscheinungsbild zu entwerfen. Leider nichts geworden!

  20. Dialogzwei

    es nervt dass das hühn­chen nicht einheit­lich zentriert ist, sondern sich dem drun­ter­ste­henden text anpasst. wirkt unausgewogen

  21. Gegra

    Leider dringen solche Vorgaben nicht bis ins wirk­liche Leben durch. Die Hausausweise werden ganz offen­sicht­lich wohl von der dafür zustän­digen Abteilung, Referat ZR3/ZAS, gestaltet. Die norma­tive Kraft des Faktischen.
    Vielleicht ist ja in der nächsten Legislatur Besserung zu erwarten.

  22. arti

    Fette Henne? Redet Ihr noch von dem Logo oder von unserer Kanzle… … … … …. EOT

  23. Lars

    Ich glaube wir hatten das Thema schon mal hier: Auf der Website könnte ruhig mal das neue Logo pixel­mässig opti­miert werden… Insbesondere die gerupften federn auf dem Körper…

  24. robertmichael

    mich würde mal inter­es­sieren wie man an solche ausschrei­bungen kommt, wo stehen die? bzw. wird da auch der preis­wer­teste anbieter genommen?

  25. Dagger

    Habe mich inzwi­schen dran gewöhnt. Finde es auch gar nicht schlecht. Die MdBs müssen nicht, sollen aber das neue Design nutzen. Die Verwaltung (siehe Beispielbild) muss.

  26. Tobias

    Das Souverän ist aber das Volk, nicht die MdBs…

  27. Fontômas

    Sieht recht ameri­ka­nisch aus der fette Truthahn.

  28. marksu

    finde das Erscheinungsbild gut gelungen, aller­dings stört mich beim Brief, dass das Signet nicht mittig steht, wie beim Notizblock, sondern bündig mit der Textspalte links aus der Mitte.
    Das wirkt ein wenig geküns­telt und unaus­ge­wogen, da auch der Abstand zur Wortmarke unmu­tiviert wirkt.
    Da wurde wohl zu viel Augenmerk auf die Marginalspalte gelegt.

  29. Oliver

    Schon einmal wurde der Adler umgestaltet…
    Seit dem eher bekannt als „Fette Henne“ passte sie fast nicht auf die Wegweiser-Pylone…

    Richtig schlimm finde ich das „Kunstwerk“ im Bundestag. Zu abstrakt.

  30. DANA

    Ich finde, der Adler hätte jetzt endlich ruhig mal lächeln können …

  31. Peter

    Nett. Aber ich glaube das Bedarf keiner genaueren Auseinandersetzung, ist eben solide aber nichts was auffällt, begeis­tert, anspricht. Ist bei so einem Auftrag auch gar nicht möglich. Schöner Weihnachtsbraten!

    Also es ist alles gesagt – next topic please!

  32. Christian

    Die Position des Adlers scheint mir aber unein­heit­lich. Beim Briefbogen etwas nach links aus der Mitte gerückt und beim Block genau auf Mittelachse. Auch die Abstände zum oberen Rand sind uneinheitlich.

    Sehe nur ich darin keinen Sinn?

  33. Christian Speelmanns

    Man sieht jeden­falls den Einfluss von Otl Aicher und Baumann und Baumann. Letztere hatten sich ja auch mal mit dem selben Thema herum­ge­schlagen. Mittlerweile scheint man aber auch im Bundestag erkannt zu haben, daß man sowas braucht. Es gab ja auch die Reichstagskuppel als Logo.

  34. Matze

    Die Position des Adlerklumpens auf dem Briefbogen ist nach meinem Dafürhalten shit. Soll wohl auf dem goldenen Schnitt liegen, aber mit diesem krassen Schwarzwert stört sie, denke ich, an dieser Position ein ausge­gli­chenes Gesamtbild und einen ablen­kungs­freien Lesefluss.

  35. ks

    ich finde das gesamt­bild sehr ausge­wogen! ausge­wo­gen­heit hat auch etwas mit span­nung zu tun. auf jedem medium ist diese span­nung gewahrt und trotzdem ist es nicht too much.
    da hat büro uebele mal wieder was feines hervorgebracht –
    aber das ist ja nichts neues.

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