Das hat Sepp Herberger nicht verdient
Anlässlich des 125-jährigen Geburtstags des legendären Fußball-Bundestrainers Sepp Herberger (1897–1977) hat das Finanzministerium eine Sondermarke herausgegeben. Deren Gestaltung ist beliebig, der Inhalt ist falsch. Es beginnt beim Zitat Das Runde muss ins Eckige, das nicht auf Herberger zurückgeht, sondern vom ehemaligen Bundesligatrainer Helmut Schulte geprägt wurde. Dieser äußerte während seiner Zeit als Trainer beim FC Schalke 04 (1993–1994) in einem Interview: „Ball rund muss in Tor eckig“. Veredelt und bekannt wurde die abstrakte Anweisung vom Journalist Helmut Schümann, der seinem 2001 erschienenen Buch über die Geschichte der Fußball-Bundesliga den Titel „Das Runde muss ins Eckige“ gab.
Berühmte Zitate von Sepp Herberger sind übrigens: „Der Ball ist rund“, „Ein Spiel dauert 90 Minuten“ oder „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“
Kommen wir zum Foto, das gar kein Foto ist, sondern ein computergenerierter Abbildungsbastard. Ich wusste gar nicht, dass die Herausgeber unserer Briefmarken sich bei 0815-Bildquellen bedienen. Wurden Briefmarken nicht mal geschnitten, gezeichnet oder gemalt? Visuelle Gestalterinnen und Gestalter wissen natürlich, dass Stockfotos arbiträr produziert werden, um (1) keine Markenrechte zu verletzen (in diesem Fall: Ball, Schuhe, …) und (2) keine real existierenden Vereine oder Personen darzustellen (in diesem Fall: Stadion, Stutzen). Alles Konkrete schränkt den Gebrauch vorproduzierter Bilder ein. Nur was maximal neutral ist (also nichtssagend), verkauft sich zahlreich.
Ergebnis: Der Fußball ist kein echter Fußball, sondern eine zu klein geratene Kreuzung aus Hand- und Volleyball. Und die Farben der Hosen und der Stutzen haben nichts mit den Farben der Heim- und Auswärtstrikots der deutschen Nationalelf zu tun. Am schlimmsten sind die Schuhe. Sepp Herberger würde fassungslos den Kopf schütteln. Vielleicht würde er auch sagen: Das Eckige (die Marke) muss ins Runde (Papierkorb).
Neuer Spaß mit dem Versal-Eszett ẞ
Eigentlich eine tolle Aufgabe für das Versal-Eszett … die in Großbuchstaben gesetzte Spitzmarke »Urlaubsspaß mit Urlaubspass«, auf Seite 9 der aktuellen Süwag-Kundenzeitschrift Menschen & Energie (Ausgabe 3/2018; Abb. oben). Doch die Hausschrift des Energieversorgers enthält gar kein Versal-Eszett, und so muss der Kleinbuchstabe herhalten, was natürlich ziemlich Schei… aussieht. Bei der Schrift handelt es sich übrigens um die für RWE entwickelt, was die wirtschaftlichen Verflechtungen der beteiligten Marken typografisch widerspiegelt.
Wie ist es eigentlich aktuell bestellt, um die Verbreitung des 2008 erfundenen versalen ß? Ich denke, wir befinden uns in einer Übergangsphase, in der sich zwei Amateurlager die Waage halten: die einen wissen (nicht mehr), dass im Versalsatz ein Doppel-S das ß ersetzt, die anderen erkennen schlicht nicht den baulichen Unterschied zwischen einem »klein geschriebenen« ß und dem Versal-Eszett. ›Muss man auch nicht‹, denken sich jetzt die Gegner des künstlichen Buchstabens.
Lagerfelds »The Karl Daily« ist da
Karl Lagerfeld liebt Bücher. Seine private Bibliothek soll rund 300.000 Werke umfassen, verteilt auf verschiedene Wohnungen, Häuser und mehreren Lagerplätzen. 1987 begann der Modeschöpfer zu fotografieren und eigene Bücher zu gestalten. Im Jahr 2000 gründete er mit dem Verleger Gerhard Steidl die Edition 7L, benannt nach seinem Buchladen im Pariser Stadtteil St.-Germain-des-Prés: L steht für die Adresse, Rue de Lille Nº 7.
»Meine Lieblingsbücher sind Wörterbücher. In meinem Pariser Haus gibt es einen Raum, da steht fast nichts anderes.« verriet der Modezar 2002 der Tageszeitung Die Welt (»Ich bin ein Papierfresser«). Weitere Werke, die er häufiger zur Hand nimmt, sind Gedichtbücher von Emily Dickens und die Essay-Sammlungen von E. B. White. Man könnte also davon ausgehen, dass eine Zeitung, die seinen Namen trägt und unter seinen Augen entsteht, für Freunde des Gedruckten ein Leckerbissen darstellen sollte. Seit Samstag kann man The Karl Daily am Bildschirm lesen oder das PDF davon drucken.
Aber The Karl ist eine Enttäuschung. Obwohl der Ton der Zeitung beschwingt ironisch ist, mit der Katze Choupette als Gast-Kommentator, ist ihr optischer Auftritt mehr als bieder. Um mal einen Vergleich aus dem Bekleidungsmarkt zu wagen: The Karl ist nicht mal H&M, nein, The Karl ist Kik. Statt hochwertiger Woll- und Seide-Schriften, sind die Karl-Texte aus Helvetica, Cheltenham und Akzidenz Grotesk gesetzt, immerhin mit Nähten aus Gotham und Neutraface. Die Verarbeitung der Texte spottet jeder Beschreibung: technisch erzwungener Blocksatz (ohne Silbentrennung) mit gesperrten Zeilen, Riesenwortabständen und leseunfreundlichem Umbruch. Das Layout ist brettsteif, Bilder und Texte sind streng in Spalten untergebracht, keine Luft, keine Überraschung, nicht mal eine großzügig gestaltete Doppelseite.
The Karl Daily beweist vor allem eins: gutes Editorial Design ist ein harter Job. Lagerfeld hätte sich einen erfahrenen Experten holen sollen. In der aktuellen Form schadet The Karl seinem Ruf als anspruchsvoller Designer. Er hätte es besser zu Papier bringen müssen, denn schließlich war der 81-jährige bereits für eine Ausgabe Chefredakteur der Welt am Sonntag und der Libération. Damals sagte er: »Ich glaube an das Gedruckte, aber nur in hoher Qualität«.
Ed Sheeran’s Album Cover Fail
Links: Original-Cover von ×; Rechts: ungefähr so hätte es eigentlich gestaltet sein müssen (Simulation: Fontblog)
Es gibt jede Menge Musiker und Bands, die ihr 10. Album einfach X getauft haben: Def Leppard (2002), Inxs (1990), Peter Maffay (2000), Air Liquide (2001), Chicago (2003), und andere … Der britische Singer-Songwriter Ed Sheeran hat gerade sein zweites Album herausgebracht, das nicht x heißt sondern ×, also »mal« oder im Englischen »multiply«; sein erstes Album hieß übrigens +. Leider zeigt das Albumcover einen falschen Titel, nämlich ein x.
Ein Paradebeispiel dafür, warum es in der Typografie auf Kleinigkeiten ankommt, die eine große Wirkung haben können.
REGENERIERENDE FUßCREME von Hansaplast
Hansaplast hat eine neue Fußcreme herausgebracht. Sie wurde im Rahmen von dermatologischen Studien getestet. Ihre Formel habe sich zur Pflege bei extrem trockener Haut als äußerst wirksam und hautverträglich erwiesen. Bereits nach einer Woche Anwendungsdauer »erhöht die Creme die Hautfeuchtigkeit signifikant um 67 %« sagt Hansaplast. Weitere Informationen und Tipps gegen trockene Haut und Hornhaut findet ihr unter Harte Zeiten für Ihre Füße?
Was mir zu dem Produkt auf den ersten Blick einfällt:
- Hansaplasts Regenerierende Fußcreme enthält typografische Schadstoffe.
- Kann ich einer dermatologischen Studie trauen, wenn sich ein Schreibfehler durch alle Abteilungen eines Unternehmens schleicht?
- Hat die Einführung des Versal-Eszett zur Beliebigkeit bei der Benutzung des scharfen S geführt?
- Nein, die Schrift Myriad von Adobe enthält kein versales Eszett.
Traditionsbruch: das neue Warsteiner-Logo
Noch ist es die »Königin unter den Bieren«. Oder »das einzige Wahre?« Beim Claim herrscht durchaus Verwirrung, doch das soll 2014 anders werden. Die »Königin« verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Signet und in den Werbeauftritten der westfälischen Biermarke. Stattdessen rücken Jahreszahl und ein vergrößerter Schriftzug ins Blickfeld der Konsumenten. Allerdings werden sich deutsche Schriftkenner wenig über das Facelifting freuen, denn Warsteiner bricht auch mit den Satzregeln für die gebrochenen Schrift. Leserlichkeit geht vor …
Wie das Branchenorgan W&V heute berichtet, hätte der Markenname vor allem im Ausland zu Verständnisproblemen geführt, weil die Menschen mit dem langen deutschen s nicht zurechtkämen und meistens Warfteiner statt Warſteiner läsen. Um die Modulation der Buchstabenkette im Logo zu erhalten, griff der für die Marke verantwortliche Designer John Wiebelitz zu einem typografischen Trick: Er verwendet in der Wortmitte das (an dieser Stelle falsche, aber) besser lesbare Schluss-s und vergrößert zusätzlich das t nach oben und unten. Clever gemacht, aber nicht gern gesehen, wie der Kommentar von Ralf Herrmann auf Twitter zeigt:
Typo-Murks: Wenn man das ſ schlecht lesen kann, tauschen wir es halt gegen ein schlecht lesbares t aus http://t.co/LaIVADO0Rd #warsteiner
— Ralf Herrmann (@TypoJournal) 16. Dezember 2013
Ergänzend heißt es bei W&V: »Der Slogan ›Eine Königin unter den Bieren‹ wird durch einen anderen Hinweis ersetzt: ›Familientradition seit 1753‹ – dafür ließ Warsteiner eine eigene Schriftart anfertigen. Hiermit will das Unternehmen die eigene Geschichte stärker betonen.« Die neue Schrift für den Markennamen »Warsteiner« und der verkürzte Claim tauchen in Flächen außerhalb des Signet auf (siehe Abbildung unten). Der zweite typografische Eingriff wirkt eher unbeholfen. Aus den einst stabilen Antiqua-Kapitälchen entstanden Versalien mit Stummelserifen, mit Buchstaben im Ungleichgewicht (W, S) und teils amputierten Körperteilen. Die Deformationen irritieren nicht nur beim Lesen, man könnte sie auch als Indiz werten, dass ihr Designer Buchstabenberührungen nicht in den Griff bekommen hat.
Die Warsteiner Gruppe ist eines der ältesten und bekanntesten Brauereiunternehmen Deutschlands. Zum 1753 gegründeten Familienunternehmen zählen heute weltweit rund 120 Einzelfirmen. Groß geworden ist die Warsteiner Gruppe mit ihrer Stammmarke Warsteiner.
Logo für Kunstschule gegen Besuch im Phantasialand
Die nordrhein-westfälische Stadt Brühl, zwischen Köln und Bonn gelegen, sucht ein Logo … für ihre Kunst- und Musikschule (KuMs). Zu diesem Zweck wendet sie sich nicht an ein Designbüro, sondern an ihre Bürger. Offensichtlich betrachtet die Stadt, in der Max Ernst geboren wurde, das Gestalten eines Logos und die damit zusammenhängenden Corporate-Design-Recherchen als Hobbysache. Das zeigt auch die in Aussicht gestellte Honorierung:
Damit nicht genug. Brühls Bürgermeister Michael Kreuzberg und der neue KuMs-Leiter Bernhard Löffler scheuen sich nicht, den zukünftigen Gewinner – ein Kind ihrer Stadt – in eine juristische Falle zu locken. Nicht genug, dass der Sieger sämtlicher Nutzungsrechte beraubt wird … sollte es urheberrechtliche Probleme mit dem neuen Logo geben, was sogar erfahrenen Gestaltern bisweilen passiert, »haftet der Teilnehmer/die Teilnehmerin für alle Schäden, welche der KuMs – Kunst- und Musikschule der Stadt Brühl hierdurch entstehen.« Nachzulesen im PDF mit dem Titel Ausschreibung Logo-Wettbewerb KuMs – Kunst- und Musikschule der Stadt Brühl.
Hände Weg von diesem Logo-Wettbewerb!
Wie jetzt, Lange Nacht der Wissenschaften …!?
Die Lange Nacht der Wissenschaften in Berlin und Potsdam ist eine Erfolgsgeschichte. Im kommenden Jahr findet sie zum 13. Mal statt. Universitäten, Fachhochschulen, Forschungsinstitute und rund 70 technologieorientierte Unternehmen in Berlin und Potsdam wollen in der »klügsten Nacht des Jahres» einen Besucherrekord aufstellen. Ein neues Corporate Design soll der heterogenen Veranstaltung ein klares Profil verleihen. Hierfür gibt es eine Ausschreibung, die in Designerkreisen für Entsetzen sorgte.
Der Berufsverband der Kommunikationsdesigner (BDG) rät ab von Wettbewerben, die keine Jury bekanntgeben, kein Gesamtbudget und keine Entscheidungskriterien nennen. Allein das Beschaffen der Unterlagen für die Vorauswahl braucht zwei Tage und niemand weiß, wer danach und warum eingeladen wird. Und dann mal schnell die kreative Aufgabe lösen, ohne Honorar?!
Erik Spiekermann twitterte gestern: »Kostenlose Konzepte! Nicht mitmachen!«
Corprate Design (sic!) für die Lange Nacht der Wissenschaften Berlin etc…. Kostenlose Konzepte! Nicht mitmachen!bit.ly/S9NZmW
— erik spiekermann (@espiekermann) November 19, 2012
Gegenüber Fontblog äußert er: »Ein Skandal! Wer sich die Mühe macht, endlose Fakten beizubringen, der wird eingeladen. Unter den Eingeladenen entscheidet dann eine ›Entscheidungsstelle‹, die natürlich zusätzlich zum finanziellen Angebot auch gleich ein ›Grobkonzept‹ mit Skizzen will. Über den Honorarumfang der vom Gewinner zu erwartenden Leistungen wird kein Wort verloren.«
Was meinen die Fontblog-Leser?