Majestätische Serif: die neue Royalis
Was mich an den Schriften von Julien Fincker immer wieder begeistert: die stilistische Raffinesse und die Ausbaustufe. Das war schon bei Ardena so (℗ 02/2021, 1064 Glyphen/Font; Vorstellung im Fontblog) und auch bei Garino (℗ 09/2021, 1165 Glyphen/Font; FontShop). Übrigens entstand bereits in der Entwurfsphase von Garino der Gedanke, eine charakterstarke Serif zu entwickeln. Die Motivation des Designers: Die Extreme so weit es geht auszureizen. Jetzt ist sie erschienen.
Julien Fincker begann damit, der kräftigsten Strichstärke sehr schmale Punzen zu geben und anschließend zu beobachten, was passiert, wenn die Buchstaben leichter und enger werden – ohne die Charakteristik zu verlieren. Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten verspielten Elemente, wie die langen, hochgezogenen Ausläufe und die angeschnittene Tropfenserife. Beide entwickelten sich zu den unverwechselbaren Eigenschaften der neuen Schrift. Ebenso die ziemlich tiefen Einkerbungen in den Übergängen, eine Art Inktraps. Beim kleinen a kamen alle drei Charakteristika zusammen. Sie gaben der Schrift ihren Schwung und ihre Extravaganz. Die Assoziation zu den Drei Musketieren entstand, und damit auch der Name: Royalis.

Die drei Musketiere (= Stile) von Royalis auf einen Blick: Display, Display Condensed und Text
Noch während des Zeichnens der Basisbuchstaben kam Julien Fincker die Idee, mit den Buchstaben n und o eine Condensed Version anzutesten. „Was ich dabei nicht bedacht habe: Durch diesen fünf Minuten Test, der erstaunlich positiv ausfiel, wuchs mein gesamtes Arbeitspensum für Royalis kurzerhand um das Doppelte an. Denn ich entschied mich dazu, die normale und die Condensed Version zeitgleich zu zeichnen.“ erinnert sich der französische Designer, der in Stuttgart lebt und arbeitet. Damit platzte auch der ursprünglich geplante Veröffentlichungstermin. „Doch inspiriert durch die Musketiere nahm ich die Herausforderung an.“
Doch damit nicht genug: „Bei einer meiner letzten Feedbackrunden mit meinem Freund und Kollegen Marc Lohner, meinte dieser, dass die Lesbarkeit auch in kleineren Größen relativ gut werden könnte. Er wusste nicht, was dieser kurze Kommentar in mir auslösen würde. Denn, wie könnte es anders sein, ich entschied mich, auch eine Textversion zu zeichnen, was die Arbeit an der Schrift um etwa ein Jahr verlängerte.“

Anleitung: Wie sich – dank OpenType-Features – ganz einfach die Pfeile und Dekorziffern von Royalis „schreiben“ lassen
Heute steht fest: Der Extra-Aufwand hat sich gelohnt. Royalis entwickelte sich zu einer Großfamilie mit insgesamt 32 Schnitten und 1027 Glyphen pro Font. In diesen Tagen erscheint sie in drei Ausführungen: als Display-Version mit sechs Strichstärken plus Oblique-Schnitte, dasselbe noch einmal als Condensed-Version, plus vier Text-Schnitte, ebenfalls mit Obliques. Mit dieser Ausstattung wird Royalis vielseitig einsetzbar, insbesondere für Editorial-Design, Packaging, Branding und Advertising.

Typografische Vielfalt und 1027 Zeichen pro Font: Royalis ist eine gut ausgebaute Corporate-Schrift für Marken mit Stil
Die leichten Schnitte überzeugen durch ihre Eleganz, während die kräftigeren Fonts durch ihren starken Kontrast beeindrucken. Weitere Leckerbissen sind alternative Zeichen, Small Caps, automatische Brüche, Pfeile und verschiedene Ziffernsätze. Dank OpenType-Features und einer einfachen Systematik lassen sich die verschiedenen Ausführungen der Pfeile und Ziffern auch einfaches „Schreiben“ abrufen, also ohne eine Suche in der Glyphenpalette.
Royalis ist bis zum 13. Mai 2023 zu einem 60 % reduzierten Preis bei MyFonts erhältlich; das sind rund 78 € für die gesamte Großfamilie. Ein Schnäppchen!
Weitere Informationen zur Schrift: https://www.myfonts.com/collections/royalis-font-julien-fincker

Mit alternativen Zeichen lädt Royalis zum Spielen und Experimentieren ein
Erstes Standardwerk zum Thema ‚Design und KI‘
Sein Name ist Nikolay Ironov. Er entwirft Logos für Cafés, Shops, Apps und Verpackungen. Kostenpunkt: 290 € für das Basis-, 449 € für das Profipaket. Er ist Mitarbeiter beim russischen Designbüro Art. Lebedev Studio und scheint rund um die Uhr zu schuften, sieben Tage in der Woche. Das macht er auch, denn Ironov ist kein Mensch, sondern ein KI-gestützter Service, der auf digitale Typografie und Vektorgrafik trainiert wurde. Die Technik ist so ausgefeilt wie die von Tero Karras entwickelten Generative Adversarial Networks (Wikipedia, zu Deutsch „erzeugende gegnerische Netzwerke“), die realistische Gesichter von Menschen erzeugen (thispersondoesnotexist.com), nicht existierende Autos zusammenbauen (thisautomobiledoesnotexist.com) oder frei erfundene Kunstwerke schaffen (thisartworkdoesnotexist.com).

Sechs mittels KI erzeugte Demologos aus dem Ironov-System der Arte.Lebedev-Designstudios.
Design und KI
Unsere täglichen Designwerkzeuge bieten längst KI-gestützte Funktionen. Adobe Photoshop bietet neuronale Filter, die es zum Beispiel erlauben, menschliche Gesichter zum Lächeln zu bringen oder Fotos zu animieren. Gestern lancierte Adobe Express die Betaversion eines Trickfilmgenerators, die eine selbst gesprochene Audiospur mit einer animierten Trickfigur synchronisiert.
Für die visuelle Gestaltung und die Gestaltenden hat künstliche Intelligenz, wie diese Beispiele zeigen, weitreichende Konsequenzen. Aktuell stellen sich die folgenden Fragen:
- Welche Wirkung hat KI auf das Design und den Designprozess?
- Wie verändert KI die Rolle und die Arbeitsweisen von Designerinnen und Designern?
- Welche Möglichkeiten ergeben sich durch KI-Designwerkzeuge?
- Wie werden diese Werkzeuge in den Gestaltungsprozess eingebunden?
- Entstehen durch KI neue Gestaltungsmethoden und -prozesse?
- Wem gehören die künstlichen Designprodukte (Urheberrecht)?
- Gelten die aktuellen Prinzipien guter Gestaltung noch?
- Welche neuen Geschäftsmodelle bahnen sich an?
Obwohl künstliche Intelligenz kein neues Phänomen und bereits in vielen digitalen Produkten integriert ist, sind die meisten der oben aufgeworfenen Fragen noch nicht beantwortet. Vor allem fehlt in vielen Bereichen die akademische Auseinandersetzung mit der KI-Technologie im Design.
Das gerade erschienene Buch Design und Künstliche Intelligenz – Theoretische und praktische Grundlagen der Gestaltung mit maschinell lernenden Systemen von Marc Engenhart und Dr. Sebastian Löwe ebnet endlich den Weg für die theoretische Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema. Marc Engenhart ist Kommunikationsdesigner, leitet das Engenhart Design Studio und doziert im Bereich Mensch-Maschine Interaktion, Kommunikationsdesign und Interaktionsgestaltung. Sebastian Löwe ist seit 2018 Professor für Designmanagement an der Berliner Mediadesign Hochschule und Experte für Design- und Innovationsthemen. Beide sind Gründer der Konferenz „Designing With Artificial Intelligence“.
Ihr Buch führt die unterschiedlichsten Stränge und Wissensstände aus den KI-affinen Disziplinen zusammen und macht sie für Gestalterinnen und Gestalter in verständlicher Weise zugänglich.
Nach einer Einführung wird in Kapitel 2 geklärt, was sich hinter der Chiffre ‚künstliche Intelligenz‘ verbirgt, wieso KI-Technologie auf so große Mengen von Daten angewiesen ist und um welche Art von Intelligenz es sich bei KI eigentlich handelt. Es werden zentrale Verfahren der KI vorgestellt, welche Probleme sie lösen und welche Anwendungsgebiete, aber auch welche ethischen, ökonomischen und gestalterischen Implikationen sich daraus ergeben.
Danach beantwortet das Buch die Frage, wie man als Designer die neuen KI-Werkzeuge praktisch nutzt und neue KI-Anwendungen im Team generiert. Im abschließenden fünften Kapitel gibt es praktische Hilfestellungen und Ratschläge, wie ein leichter Einstieg in die Arbeit mit KI-Werkzeugen gelingen kann. Für den Unternehmens- und Beratungskontext stellt das Buch erstmals ein umfängliches visuelles interaktives Innovation-Framework vor, mit dem Designerinnen und Designer im Team KI-Produkte entwickeln können.
Das Buch ist eine sehr empfehlenswerte Einführung in das Thema Design und künstliche Intelligenz und richtet sich vornehmlich an Theoretiker:innen und Praktiker:innen aus den Bereichen Design, Designmanagement und angrenzenden Gebieten, wie der Mensch-Computer-Interaktion, der Medienkunst oder dem Projektmanagement.
Marc Engenhart, Sebastian Löwe: „Design und künstliche Intelligenz – Theoretische und praktische Grundlagen der Gestaltung mit maschinell lernenden Systemen“, 2022, Birkhäuser Basel, 208 S., 205 mm x 257 mm, 53 Abbildungen, 53,00 €. Weitere Informationen …
Yang Liu vergleicht wieder
Alles begann vor 15 Jahren mit „Ost trifft West“. Die deutsch-chinesische Informationsdesignerin Yang Liu verglich in ihrem ersten, selbst verlegten Buch – auf quadratischen Doppelseiten – westliche und östliche Gepflogenheiten miteinander: Pünktlichkeit, Warteschlangen, Schönheitsideale, Duschzeiten oder den Umgang mit Problemen. Für die Visualisierung nutzte sie Piktogramme, die teilweise vom Stil Otl Aichers inspiriert sind.
Das rote Büchlein war so erfolgreich, dass bald weitere Vergleichsbücher erschienen, diesmal allerdings weltweit im Verlag Taschen: „Man meets Woman“, „Today meets Yesterday“ und „Big meets Little“. Jetzt ist ihr fünftes Buch erschienen: „Europe meets USA“. Das Format und die Ausstattung sind immer noch so sympathisch wie bei der ersten Auflage: 13,5 × 13,5 cm, fadengebunden, Leineneinband. Und der Preis nach wie vor fair: 12 €. Unter anderem direkt beim Verlag zu bestellen …
Im fünften Teil ihrer Bestsellerreihe stellt Yang Liu die Unterschiede der Kulturen beidseits des Großen Teichs gegenüber. Wie reagieren Menschen auf ein „Wie geht’s“? Wo verdienen Bosse mehr, in Paris oder in L.A.? Wann wird geheiratet? Wie halten es die Menschen mit dem Patriotismus? Die Unterschiede sind oft überraschend, vor allem, wenn man sich selbst noch nie Gedanken über das Wie und Warum gemacht hat.
Yang Liu wurde 1976 in Peking geboren. Nach ihrem Studium an der Universität der Künste Berlin arbeitete sie als Designerin in Singapur, London, Berlin und New York. Im Jahr 2004 gründete sie ihr eigenes Designstudio, das sie auch heute noch betreibt. Neben Workshops und Vorträgen auf internationalen Konferenzen, unterrichtet sie an zahlreichen Hochschulen im In- und Ausland. Im Jahr 2010 wurde sie zur Professorin an der BTK Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin ernannt. Ihre Arbeiten wurden bei internationalen Wettbewerben mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und sind in Museen und Sammlungen auf der ganzen Welt zu finden. Yang Liu lebt und arbeitet in Berlin.
Das hat Sepp Herberger nicht verdient

Sondermarke „125. Geburtstag Sepp Herberger“ (1. März 2022) © Bundesfinanzministerium, TandemBranding/shutterstock.com
Anlässlich des 125-jährigen Geburtstags des legendären Fußball-Bundestrainers Sepp Herberger (1897–1977) hat das Finanzministerium eine Sondermarke herausgegeben. Deren Gestaltung ist beliebig, der Inhalt ist falsch. Es beginnt beim Zitat Das Runde muss ins Eckige, das nicht auf Herberger zurückgeht, sondern vom ehemaligen Bundesligatrainer Helmut Schulte geprägt wurde. Dieser äußerte während seiner Zeit als Trainer beim FC Schalke 04 (1993–1994) in einem Interview: „Ball rund muss in Tor eckig“. Veredelt und bekannt wurde die abstrakte Anweisung vom Journalist Helmut Schümann, der seinem 2001 erschienenen Buch über die Geschichte der Fußball-Bundesliga den Titel „Das Runde muss ins Eckige“ gab.
Berühmte Zitate von Sepp Herberger sind übrigens: „Der Ball ist rund“, „Ein Spiel dauert 90 Minuten“ oder „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“
Kommen wir zum Foto, das gar kein Foto ist, sondern ein computergenerierter Abbildungsbastard. Ich wusste gar nicht, dass die Herausgeber unserer Briefmarken sich bei 0815-Bildquellen bedienen. Wurden Briefmarken nicht mal geschnitten, gezeichnet oder gemalt? Visuelle Gestalterinnen und Gestalter wissen natürlich, dass Stockfotos arbiträr produziert werden, um (1) keine Markenrechte zu verletzen (in diesem Fall: Ball, Schuhe, …) und (2) keine real existierenden Vereine oder Personen darzustellen (in diesem Fall: Stadion, Stutzen). Alles Konkrete schränkt den Gebrauch vorproduzierter Bilder ein. Nur was maximal neutral ist (also nichtssagend), verkauft sich zahlreich.
Ergebnis: Der Fußball ist kein echter Fußball, sondern eine zu klein geratene Kreuzung aus Hand- und Volleyball. Und die Farben der Hosen und der Stutzen haben nichts mit den Farben der Heim- und Auswärtstrikots der deutschen Nationalelf zu tun. Am schlimmsten sind die Schuhe. Sepp Herberger würde fassungslos den Kopf schütteln. Vielleicht würde er auch sagen: Das Eckige (die Marke) muss ins Runde (Papierkorb).
Kleiner Tipp für Daisy
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben die Typografie ihres Dynamischen Auskunfts- und Informationssystems (DAISY) überarbeitet. Rund 1500 dieser Anzeigen informieren die Fahrgäste über die genaue Abfahrtzeit von U-Bahn, Bus und Tram. Bisher wurde der Countdown bis zum Eintreffen des nächsten Fahrzeugs mit der platzraubenden Bezeichnung „in x min“ dargestellt. Seit Anfang Februar ist nur noch die Zahl mit einem Minutenstrich zu sehen: x′. Das schafft neuen Raum für das Einblenden von Symbolen, z. B. für einen barrierefreien Ein- und Ausstieg, und längere Endstationen (Theodor-Heuss-Platz) könnten sogar ausgeschrieben werden. Bei der Minutenangabe ließen sich sogar noch 2 Pixel oben und 1 Pixel rechts einsparen, wenn die BVG statt des typografischen Apostroph ’ das tatsächliche Minutenzeichen (Prime) ′ verwenden würde, also: 4′ statt 4’ (Fotos: Wikipedia und BVG/ Oliver Lang; Montage: Fontblog).
Hier eine Übersicht der wichtigsten hochgestellten Strichlein:


Buchtipp: Unsichtbar – Frauen gestalten Schrift

Im April 2018 trat Barbara Lüth in München den Jahreskurs „Typografie intensiv“ an (unter der Leitung von Rudolf Paulus Gorbach und Dagmar Natalie Gorbach). Sie war sofort begeistert von der Welt der Schrift. Nachdem sie begann, sich mit verschiedenen Schriftgestaltern auseinanderzusetzen, stellte sich recht bald die Frage: Wo sind eigentlich die Frauen? Sie begann zu suchen und sie fand sie.
Tatsächlich waren am Anfang des 20. Jahrhunderts nur wenige Frauen im Bereich Schriftgestaltung sichtbar tätig. Über die Jahrzehnte traten sie dann immer mehr in Erscheinung, auch als Gründerinnen und Herausgeberinnen typografischer Publikationen. Und auf einmal lieferte diese Recherche das Thema für Barbara Lüths Abschlussarbeit, die in diesem Monat – in überarbeiteter Form – im August Dreesbach Verlag als Buch erschienen ist.
Die Autorin stellt 20 Frauen vor, die von 1918 bis heute Schriften geschaffen haben und dies zum größten Teil noch immer tun. Im ersten Teil des Buches sind diese Frauen zeitlich und thematisch in drei Gruppen unterteilt:
→ Handwerk und Straßenschilder: Gudrun Zapf von Hesse, Hildegard Korger und Margaret Calvert
→ Office Girls, Letraset und Ikarus: Rosmarie Tissi, Patricia Saunders, Kris Holmes, Freda Sack, Fiona Ross, Cynthia Batty, Susan Kare und Carol Twombly
→ Digital, phänomenal, erfolgreich: Sibylle Hagmann, Zuzana Licko, Laura Meseguer, Veronika Burian, Verena Gerlach, Alice Savoie, Nina Stössinger, Natalie Rauch und Christine Hager
Die Frauen wurden auf 2 Doppelseiten kurz vorgestellt, jeweils mit Kurzbiografie und der etwas ausführlicheren Darstellung einer oder zwei ihrer erfolgreichen Schriften.

Im zweiten Teil des Buches beantworten einige der Gestalterinnen 5 Fragen der Autorin zum Thema Schrift und Gestaltung, zum Beispiel „Was fasziniert Sie an Schrift?“ oder „Welches ist Ihr Lieblingsbuchstabe?“. Andere Schriftentwerferinnen kommen mit Zitaten zu Wort, in denen klar wird, dass viele dieser Frauen eine essenzielle Rolle in der Schriftindustrie gespielt haben, die über die sichtbaren Zeugnisse – also ihre Schriften – weit hinaus geht. Zuzana Licko, Kris Holms, Susan Care, Fiona Ross und auch Sibylle Hagmann haben echte Pionierarbeit geleistet, meistens durch eine kreative, unvoreingenommene Herangehensweise an neue Technologien.
Im Vorwort schreibt Barbara Lüth: „Mit meinem Buch möchte ich einen Einblick in das Leben und die Arbeit dieser 20 Frauen geben und ich hoffe, dass es gelingt, sie dadurch sichtbarer zu machen.“ Tatsächlich füllt diese kompakte Übersicht eine Lücke in der populären typografischen Literatur. Viel der vorgestellten Frauen tauchen immer wieder mal im Rahmen von Projekten oder Technologien auf – zum Beispiel Susan Kare, wenn es um den ersten Mac geht, oder Margaret Calvert in der Geschichte der Verkehrsbeschilderung –, wobei ihnen meist nur eine Rolle als Randfigur zugestanden wird. In Lüths Buch spielen sie jetzt eine Hauptrolle.

Gestalterisch und sprachlich ist „Unsichtbar – Frauen gestalten Schrift“ ein Leckerbissen, selbstverständlich gesetzt in der Schrift einer Frau, nämlich der Karina Sans von Veronika Burian. Und was mir besonders gefällt: Barbara Lüth wertet nicht. Sie liefert Fakten und Zusammenhänge aus den Laboren der Schriftentwerferinnen, kompakt und angenehm zu lesen.
Barbara Lüth: „Unsichtbar – Frauen gestalten Schrift“, August Dreesbach Verlag, München, Juni 2021; Hardcover, 128 Seiten, 17 × 24 cm, ISBN 978-3-96395-023-0, 24 €
Die neue Grotesk-Familie „Werksatz“
Manches ist zeitlos, anderes wird sogar besser. Entweder durchs Altern oder den stetigen Gebrauch. Whisky. Die Musik von Stevie Wonder. Schriften. Zum Beispiel das Genre der Grotesk-Schriften. Generationen von Designern entdecken sie immer wieder aufs Neue. Und jede Genration von Schriftentwerfern interpretiert sie aus Neue. Auch Moritz Kleinsorge (Identity Letters), der gerade seine Familie Werksatz herausgebracht hat … „eine ewig aktuelle Grotesk, die altert wie guter Wein.“ Als Inspiration dienten ihm die skurrile Venus und die ewig junge Akzidenz Grotesk.
Auch im Bereich der Schriftgestaltung und -entwicklung steht die Entwicklung nicht still. Werkzeuge, Technik und Standards entwickeln sich unentwegt weiter. Die neue Werksatz spiegelt diese Tatsache wider, indem sie die besten Aspekte der Klassiker von damals aufgreift und mit der Technologie von heute neu belebt.
Mit zehn Strichstärken von Thin bis Black und 940 Zeichen pro Font ist die Familie bestens gerüstet für die typografischen Herausforderungen der Zukunft. Jeder Schnitt wird durch eine sorgfältig manuell ausgeglichene Kursive ergänzt, was 20 klassische Fonts ergibt. Werksatz unterstützt den kompletten Latin Plus-Zeichenumfang, wie er 2014 von Underware konzipiert wurde, so dass 219 Sprachen abgedeckt werden.
Werksatz ist reich bestückt mit OpenType-Features und bietet dabei sowohl grundlegende Funktionen wie Versalspationierung, Case-Sensitive Forms und Ligaturen als auch typografische Leckerbissen wie Kapitälchen, hoch- und tiefgestellte Ziffern und Buchstaben, diverse Ziffernsätze (proportional, tabellarisch, Mediävelziffern, kreisförmige und quadratische Ziffern, Ziffern für Kapitälchen), Null mit Schrägstrich und manches mehr.
Das Erscheinungsbild der Schrift ist neutral, aber weniger formalistisch und verschlossen als das vieler anderer Neogrotesk-Schriften. Werksatz eignet sich demzufolge uneingeschränkt für seriöse, ernsthafte Anwendungen, wie Corporate Design, Branding, Editorial Design oder Webdesign, für Branchen und Themen aus Politik, Management oder Recht, über Technologie und Handel bis hin zu Finanzen. Darüber hinaus hinterlässt der warme, menschliche Charakter der Schrift auch in Themenfeldern wie Kultur, Kunst, Mode, Unterhaltung, Sport, Freizeit und Luxus einen überzeugenden Einsdruck. Selbst für Leitsysteme, Apps, Packaging-Design und alle Arten von Sachbüchern ist Werksatz bestens geeignet.
Passend zu Werksatz entwickelt Moritz Kleinsorge aktuell die metrisch kompatible Serifenschrift Werkdruck, und lässt sich dabei über die Schulter gucken. Noch vor dem offiziellen Erscheinungstermin kann sie im Lab von Identity Letters zu einem deutlich reduzierten Preis lizenziert werden. Die frühe Investition lohnt sich: mit jeder Lab-Lizenz gibt es alle zukünftigen Verbesserungen und Erweiterungen der Schrift gratis per Update.
Werksatz gibt es im eigenen Shop von Identity Letters, aktuell zum Einführungspreis von 119 € (statt 400 €), jeweils inklusive Web- und Desktop-Nutzung (bis 10. Juni). Werkdruck in der Version 0.4 wird mit 9 Schnitten für faire 79 € angeboten.
Ken Garland, 1929–2021

London-based designer, writer, lecturer, editor and publisher Adrian Shaughnessy (Unit Editions) took to Twitter yesterday to inform the international design community: “Sad news. Ken Garland has died. He died peacefully surrounded by family, friends and his wife Wanda. The world of graphic design is poorer without him.“
I first met Ken Garland at TYPO Berlin 2002 “Information”, where he was invited by Erik Spiekermann to talk about “70 Years of Urban Transit Diagrams: A Progress (?) Report“ (TYPO 2002 program sheet). The very title of his talk reflects two key traits of this pioneering design thinker: his humor and his relentless fight for a more progressive world through design.
Ken Garland was born in Southampton, and he grew up in Barnstaple, north Devon, next door to a farm, which he loved exploring as a child. He studied design at London’s Central School of Arts and Crafts, graduating in 1954. His classmates included Derek Birdsall, Alan Fletcher, Colin Forbes, Peter Wildbur and Philip Thompson. Ken’s first job from 1956 to 1962 was Art Editor of Design magazine, the trade journal of the Society of Industrial Arts. It was during this time that the spirit for Ken’s future work developed – human-centred, elegantly simple and rigorously conceived. In 1962 he left the magazine to form his own studio, Ken Garland & Associates, a small rotating group of designers who shaped British design for nearly 50 years. The studio’s clients included Galt Toys, Race Furniture, the Butterley Group, Dancer & Hearne, Barbour Index, the Labour Party and Paramount Pictures.
Ken’s entire career was marked by political activity. It began in 1962 with his work for the Campaign for Nuclear Disarmament (CND). He produced material for CND from until 1968. During this time he redrew the world famous peace symbol ☮ into the clean-lined graphic familiar around the world today.
In 1963 Ken Garland wrote and proclaimed the The First Things First manifesto “in favour of more useful and more lasting forms of communication“ and demanded “Reversal of priorities in favour of the more useful and more lasting forms of communication.” Ken claims for a ”society that will tire of gimmick merchants, status salesman and hidden persuaders”. The manifesto was backed by over 400 designers and artists and also received the backing of Tony Benn, radical left-wing MP and activist, who published it in its entirety in The Guardian. It was later updated and republished with a new group of signatories as the First Things First 2000 manifesto.
10 years after his appearance in Berlin, I had the great pleasure of meeting Ken again at TYPO London “Social”. Here you can find the video of his talk Word and Image … but beware, it’s on a veeeery slow server. In this talk, Ken is dealing with the original conjunction of spoken word and image: First come the spoken word; then the image; later, the written word; even later, the printed word.
One year later, Ken Garland opened TYPO Berlin 2013 “Touch”. Six years after the launch of the iPhone, which completely redefined visual communication, the term “touch” came to represent a whole new way of grasp information. But Ken kicked off the conference with an entirely different perspective on “touch”. He approached the subject with a visual exploration of what this word actually means to us. Is touch best visualised as a scene from Michelangelo’s Creation of Adam fresco on the Sistine chapel? Or, a picture of a a lion mother and cub. Or a picture of the touch of a loving parent holding the foot of a child? Or, a more poignant interpretation, the hand of a starving African hand, in the hand of a Westerner? Ken brought the audience through these, and a range of other images, in a captivating and genuinely moving talk that seemed all too short.
Our TYPO blog editor at the time, Paul Woods, now CEO & CCO of Edenspiekermann Los Angeles and acclaimed book author, captured the moment this way: “The main hall was in total silence for this legendary figure of design, as the audience hung onto every word. And, except for one slide showing an image of an infant touching an iPad, the presentation was free of any reference to technology or design, which made for a refreshing start to TYPO, given the theme.“
In September 2020, Ken Garland was awarded the London Design Festival’s Medal for Lifetime Achievement at a virtual ceremony. In doing so, the organizers recognized his influence and impact over 7 decades of tirelessly teaching, writing, speaking, photographing, and creating some of the most powerful and playful designs of the era. Oliver Wainwright of the Guardian reviewed Ken’s life on the occasion of the award ceremony … an article worth reading.