Fontblog Artikel im April 2009

EU sucht neues Biologo per Wettbewerb

Frisch einge­troffen, passend zum Thema: Die Europäische Kommission ruft Studenten und Jungdesigner in 27 Mitgliedsstaaten per Wettbewerb dazu auf, bei der Schaffung eines euro­pa­weiten Bio-Logos mitzu­wirken. Dem Gewinner winken 6000 €.
Hintergrund 1: Im März 2008 wurde bereits ein Logo vorge­stellt, dass jedoch dem Aldi-Bio-Logo zu ähnlich sah (Fontblog berich­tete). Hintergrund 2: Erik Spiekermann ist EU-Kreativbotschafter.



Crowdsourcing vs Designbüro: Ein Interview

Der »Logo-Fall Steinmeier« wirft erneut die Frage auf: Was bringt Crownsourcing gegen­über der Beauftragung eines erfah­renen Designbüros? Fontblog wollte mehr wissen über die Kreativplattform Jovoto, die sich als Bindeglied zwischen Unternehmen und jungen Kreativen sieht. Im offenen Wettbewerb suchen die einem eine tollen Kampagne, die anderen ein Plakat oder ein Logo für die Kanzlerkandidatur. Fontblog sprach mit dem Jovoto-Mitbegründer und Geschäftsführer Bastian Unterberg.

Fontblog: Jovoto behauptet von sich, dass es nicht mit den übli­chen Crowdsourcing-Experimenten vergleichbar sei. Was ist denn anders?

Bastian Unterberg: Zunächst einmal muss man Crowdsourcing als reine Technik verstehen und erst die Rahmenbedingungen der Anwendung stellen den entspre­chenden Anwendungsfall in Licht oder Schatten. Wikipedia, istock­photo oder Innocentive sind Crowdsourcing-Anwendungen, die meines Erachtens viele rich­tige Rahmenbedingungen gesetzt haben und sicher­lich auch daher eine hohe Akzeptanz erfahren.

Die Rahmenbedingungen bei jovoto unter­scheiden sich von anderen Crowdsourcing-Anwendungen im Kreativumfeld vor allem in der Frage der Vergütung, der Rechtesituation und der Art der Leistung die erbracht wird.

In Bezug auf die Vergütung funk­tio­niert jovoto über zwei unab­hän­gige Entscheidungsebenen. Zunächst ist es allein die Community die entscheidet, welche Ideenbeiträge das Preisgeld, welches sich in der Regel auf mehrere tausend Euro beläuft, unter sich aufteilen. Auf dieser Ebene ist die Community für sich autark und vor allem unab­hängig unter­wegs, da man nicht ausschließ­lich auf das Feedback des Auftraggebers ange­wiesen ist. Diese Unabhängigkeit fördert freies Denken und führt, so erleben wir es häufig zu frischen und außer­ge­wöhn­li­chen Ideen und genau dies wiederum wissen auch die Auftraggeber bei jovoto zu schätzen. Es ist nicht selten, dass man an Ideen inter­es­siert sind, die nicht unbe­dingt »on brief« sind.

Die zweite Entscheidungsebene bei jovoto resul­tiert aus der Situation, dass leider bei den wenigsten Crowdsourcing-Anwendungen ein fairer Umgang mit den Urheberrechten vorzu­finden ist und die Nutzungsrechte nur selten  bei den Ideengebern verbleiben. Auch dies ist bei jovoto anders, wir sind ledig­lich dazu befä­higt die Arbeiten im Namen des Autoren zu präsen­tieren. Will ein Auftraggeber eine Idee nutzen, so müssen die entspre­chenden Lizenzrechte erworben werden. Der Preise für die Lizenzrechte werden mit Beginn eines jeden Contests offen gelegt, und orien­tieren sich an gängigen Honorarkalendern der Branche.

Drittens unter­scheidet sich jovoto, weil wir den Fokus auf Ideen setzen. Es geht nicht um finale Artworks oder rein­ge­zeich­nete Kampagnenmotive, es dreht sich bei jovoto alles allein um die Idee. Manche Wettbewerbe bei jovoto haben einen visu­ellen Schwerpunkt andere nicht, so ist es z.B. nicht selten, dass Ideen in Textform darge­stellt werden. Bei dem aktu­ellen Wettbewerb für die Hamburg-Mannheimer geht es über­haupt nicht um Designideen, sondern um Ideen, die sondieren wie sich eine Versicherung authen­tisch in Social Media bewegen kann.

Übrigens waren Negativ-Beispiele eine starke Motivation die zur Gründung von jovoto geführt hat. Unser Ziel ist es aufzu­zeigen, dass Crowdsourcing in rich­tiger Anwendung mehr als nur Spaß sein kann und für alle Beteiligten einen tatsäch­li­chen Mehrwert bietet.

Fontblog: Das Grundprinzip ist jedoch gleich: Ein Heer Kreativer soll zu nütz­li­cheren Ergebnissen kommen, als ein einzelner oder ein Büro. Warum soll im Bereich Design etwas funk­tio­nieren, was in der Fotografie, der Literatur oder im Film unmög­lich ist?

Unterberg: Design ist in der Regel ange­wandt – jovoto ist in der Regel Inspiration, die in Anwendung über­führt werden kann. Mit dem jovoto-Prinzip könnten genau so gut Text-Contests oder Fotografie-Contests durch­ge­führt werden, wenn die Aufgabe dies als Lösung erfor­dert. Wichtig die Zusammenarbeit inner­halb der Community, die gemein­same INteraktion auf den Ideen zeigen schnell mögliche Anwendungsszenarien und hier greift die »Weisheit der Masse« und nicht als Punktlandung über das Communityrating.

Fontblog: Mal ange­nommen, es git einen glück­li­chen Sieger, und eine Handvoll zufrie­dener »zweite Sieger«. 70 bis 80 Prozent der Crowdsourcer haben nicht nur für lau, sondern auch für den Papierkorb gear­beitet. Wie lange hält man so was durch?

Unterberg: Bei der Preisverleihung am Dienstag mit Frank-Walter Steinmeier haben die beiden Communitymitglieder auf die Frage nach der Motivation zur Beteiligung am Contest Herrn Steinmeier geant­wortet, dass es Ihnen haupt­säch­lich um den Spaß und den Austausch geht. Betrachtet man den eher gerin­geren Anteil derje­nigen die »on brie­fing« arbeiten, wird dies insge­samt von der Community unter­stri­chen. So scheint es weniger die Vergütungssituation bei jovoto zu sein (die trotzdem bei weitem besser ist, als bei vielen anderen Crowdsourcing-Anwendungen) sondern durch das geschlos­sene Ecosystem, durch das Feedback der Community und den Austausch mit Gleichgesinnten entsteht viel­mehr ein sozialer Benefit.

Forntblog: Mir erklärt sich die Energiebilanz dieser Methode nicht. Wenn 200 Menschen um einen Etat von 5000 € pitchen anstatt 3 Agenturen … dann kann doch an der Rechnung etwas nicht stimmen.

Unterberg: Worum pitchen den Agenturen, um 5000 € oder um lang­fris­tige Kundenetats? Die Beziehungen zwischen Agenturen und Kunden verän­dern sich und die Auftragsvergabe erfolgt zuneh­mend projekt­be­zogen und trotzdem ist es am Ende meist nicht der Junior Art Direktor, der mit seinen Ideen das große Geld verdient.

Aber jovoto ist keine Agentur, es geht uns um den Kontext der Veränderungen die Arbeitsweisen und Arbeitsbedingungen betreffen. Mit jovoto werden in einem freien Umfeld die Einstiegbarrieren in die Branchenstrukturen über­wunden, die Chance seine Idee, so wie z.B. im Fall maggo zu plat­zieren ist nach­weis­lich vorhanden. Wie sieht es da in den tradi­tio­nellen Branchenstrukturen aus?

Fontblog: Im Moment stellt sich mir Jovoto wie eine Blackbox dar. Ich habe mich zwar ange­meldet, darf aber nicht rein? Ein Mitglied müsste mich einladen. Warum diese Mauerpolitik?

Unterberg: Durch den großen Ansturm sind wir gezwungen, den Zugang in dieser frühen Phase zu beschränken. Wir wollen, dass die Mitglieder unter sich sind und gemeinsam mit uns jovoto weiter aufbauen. Gerade deshalb arbeiten wir auch mit vielen Hochschulen in Europa zusammen und rekru­tieren dort den Plattform-Nachwuchs. Gerade in der Anfangsphase wollen wir, nicht unbe­dingt die Größten sein, es geht uns um die Stimmung auf der Plattform und um den Qualitätsstandard der einge­reichten Ideen. Deshalb limi­tieren wir den Zugang noch. Perspektivisch soll jovoto eine offene Plattform werden, zu der jeder Zugang hat.


Steinmeier-Logo … alles wurde gut

Vor zwei Wochen ging ein Signet durch die Medien, dass für Aufsehen sorgte: Das Siegermotiv des Frank-Walter-Steinmeier-Logo-Crowdsourcings, veran­stal­tete von der Kreativ-Plattform Jovoto (Fontblog berich­tete: Frank-Walter Steinmeier tappt in Crowdsourcing-Falle). Das trep­pen­för­mige Motiv weckte falsche Assoziationen. Was in dem Zusammenhang jedoch nicht gesagt wurde: 1. muss das Gewinnerlogo – anders als bei vielen Wettbewerben –  nicht zum Einsatz kommen und 2. hatte der Designer schon längst eine Überarbeitung ange­fer­tigt, die jedoch erst nach dem Einsendeschluss bei Jovoto eintraf.

Die Entscheidung für das endgül­tige Logo fiel gestern im Willy-Brand-Haus in Berlin-Kreuzberg. Am besten kam bei den SPD-Werbern die Idee »Franky goes Web 2.0« von Jovoto-Mitglied Marco Slowik alias maggo an. Seine runde Wortmarke in Rotweiß mit einer über­di­men­sio­nalen fw-Ligatur und einem klei­neren, versal gesetzten »Steinmeier« darunter wird das Wahlkampf-Signet für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Das Motiv war vor der Übergabe mit dem Schöpfer und der Agentur A+B FACE2NET über­ar­beitet worden.

Das Foto oben zeigt die Logo-Übergabe, im Hintergrund weitere Ergebnisse des Jovoto-Wettbewerbs, links der Sonderpreis-Gewinner Diogo da Silva Novaes, in der Mitte der Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, rechts Marco Slowik (Ideengeber). Der SPD-Bundesgeschäftsführer Karl-Josef »Kajo« Wasserhövel (nicht im Bild) über­reichte bei dieser Gelegenheit den Scheck über 3000,– € Lizenzgebühr an maggo für die Nutzung des Signets.

Das jetzt gewählte Signet will die SPD auf ihrer Website wahl​kampf09​.de zum Einsatz bringen, aber der Webseite des Kanzlerkandidaten auch auf Steinmeiers Facebook-Seite und auf anderen Portalen.

(Foto: SPD)


Web Trend Map 4.0: Proud to be ein Umsteigebahnhof

Die 4. Auflage der A0-Internet-Karte »Web Trend Map« steht kurz vor der Drucklegung. Gestern haben die Information Architects Zürich die Betaversion auf Flickr veröf­fent­licht: Web Trend Map 4.0 (6740 x 4768 Pixel). Die Karte basiert auf dem U-Bahn-Plan Tokyos und soll die Relevanz der wich­tigsten Web-Umwälzpumpen visua­li­sieren. Rund 330 Unternehmen, Marken und Einzelpersonen sind in der Grafik berücksichtigt.

Je nach dem auf welcher Haltestation eine Website posi­tio­niert ist und wie groß diese einge­zeichnet ist, spie­gelt dies ihren Erfolg und ihre Relevanz wider. Außerdem gibt die Position auf der Karte den Themenbereich und die Vernetzung zu anderen Unternehmen an. Das FontShop-Netz mit seinen welt­weiten Shops und Blogs und Fontstruct ist stolz darauf, eine Umsteigestation zwischen der Money-Linie und der gleis­ge­bun­denen Social-Linie zu sein. Danke, Information Architects.


Das Redesign der Typoart-Schrift Kis

Da viel speku­liert wird über die Wiederveröffentlichungen der Typoart-Schriften, möchte ich heute mal einen  Blick auf die Schriftfamilie Kis Antiqua von Hildegard Korger werfen, die jetzt bei Elsner+Flake erschienen ist. Für das Redesign ist Erhard Kaiser verant­wort­lich, dem ich die nach­fol­genden Informationen verdanke.

Die neu digi­ta­li­sierte Version der Antiqua Kis, die übri­gens auf Tótfalusi Kis Miklós (1650–1702) zurück­geht, wurde ausge­baut und mit neuer Zurichtung versehen. Hildegard Korger, emeri­tierte Professorin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (und dort die ehema­lige Lehrerin von Erhard Kaiser), hat diese Arbeit kritisch begleitet. Die Kis-Familie umfasst jetzt sechs Mitglieder: Antiqua und Kursive stehen im Text-Design jeweils als Regular- und Semibold-Schnitt, die Regular und Regular Italic auch als Headline-Design zur Verfügung. Die zwischen 1986 und 1990 entstan­dene Typoart-Kis findet sich mit neuer Zurichtung im jetzigen Headline-Schnitt wieder.

Das Figurensortiment der neuen Kis ist umfang­reich. Es enthält neben dem Standard-Zeichensatz in allen sechs Schriften:
• Kapitälchen (mit zuge­hö­rigen Währungs- und Satzzeichen),
• zahl­reiche Ligaturen (auch das lange s und dessen Ligaturen),
• Versal-, Minuskel- und Kapitälchenziffern mit jeweils propor­tio­naler und tabel­la­ri­scher Zurichtung,
• Nominatoren und Denominatoren und deren Festbrüche (mit propor­tio­naler und tabel­la­ri­scher Zurichtung sowie zuge­hö­rigen Währungs- und Satzzeichen),
• Superior und Inferior mit den daraus zusam­men­ge­setzten Festbrüchen (mit tabel­la­ri­scher Zurichtung auf Halbgeviert sowie zuge­hö­rigen Währungs- und Satzzeichen),
• Ordinalzeichen (in Fette, Form und Zurichtung speziell angepaßt)
• Rechenzeichen (im Stand den Minuskelziffern ange­paßt und mit tabel­la­ri­scher Zurichtung auf Halbgeviert).

Die beiden mageren Kursiven bieten darüber hinaus Zierbuchstaben (Swashes) an. Diese sind nach histo­ri­schen Quellen verbürgt. In allen drei Kursiven stehen zusätz­lich die Ligaturen gg und gy zur Verfügung. Des weiteren gibt es in allen sechs Schriften Alternativformen zu einigen Figuren. So sind z. B. die wich­tigsten Währungszeichen neben der notwen­digen schmalen Ausführung auf Halbgeviert auch in der Normalversion vorhanden, die gerade beim Euro-Symbol erheb­lich breiter und besser ist. Ein weiteres Beispiel sind fran­zö­si­sche Anführungen für Versalsatz, die deut­lich größer sind und höher stehen als jene für den Mischsatz.

Im umfang­rei­chen Sortiment der Akzentbuchstaben wurde in jeder der sechs Schriften Wert darauf gelegt, die Akzente gut an die Versalien, Kapitälchen und Minuskeln anzu­passen, nämlich jeweils unter­schied­lich in der Größe und manchmal auch in der Form.

Das Kerning der Kis-Schriftfamilie neigt nicht zur Übertreibung. Eine Besonderheit ist, daß im Regular-Text-Schnitt nach Satzpunkt, Komma und weiteren Satzzeichen ein verklei­nerter Wortabstand folgt. Auch vor allen Versalien ist der Wortabstand kleiner, beson­ders vor T, V und W, darüber hinaus vor einigen Ziffern.

Die sechs Schriften der Kis Antiqua Now werden als OpenType Pro Fonts für Apple Macintosh sowie im PC TrueType-Format für Microsoft Windows mit erwei­terter latei­ni­scher Zeichenbelegung ange­boten. Zudem sind Codepage-bezo­gene Belegungen im Format OpenType und TrueType in west- und zentral­eu­ro­päi­scher Belegung erhält­lich. Weitere Informnationen zur Geschichte der Schrift auf dieser Seite …


Typoart-Schriften bei fonts-4-ever

Nur Fachleuten ist die DDR-Firma Typoart sowie die Namen der ostdeut­schen Schriftkünstler um Prof. Dr. Albert Kapr ein Begriff. Selbst als durch Elsner+Flake 1985 im Westen die ersten Typoart-Schriften im PostScript-Format ange­boten wurden, war das Interesse an der Nutzung gering. Zu über­mächtig und präsent war das schnell anwach­sende Schriftangebot west­li­cher Firmen wie Adobe, Linotype und Scangraphic. Doch in den letzten Jahren wuchs das Interesse am Typoart-Erbe.

Daher entschlossen sich die Rechteverwalter 2004, das komplette digi­tale Schriftprogramm auf Basis der bei Elsner+Flake im IKARUS-Format vorlie­genden und von Albert Kapr auto­ri­sierten digi­talen Originaldaten des Jahres 1989/90 wieder verfügbar zu machen. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit ehema­ligen Verantwortlichen und noch tätigen Typoart-Designern. Dazu wurden u. a. Lizenzverträge oder Vereinbarungen mit Gert Wunderlich, Hildegard Korger, Erhard Kaiser, Karl-Heinz Lange, dem »Museum für Druckkunst«, Leipzig, und Eckehart SchumacherGebler geschlossen, um soweit sinn­voll auch den Typoart Bleisatzbestand als Redesign wieder anbieten zu können.

Zur Zeit sind auf der von Elsner + Flake betrie­benen Website font​s4ever​.com 55 Pakete mit Typoart-Schriften lieferbar.


Relaunch bei schrift​ge​stal​tung​.de

Der Schriftentwerfer und Font-Techniker Georg Seifert (Graublau) hat seine Webseite über­ar­beitet. Sie glie­dert sich in die Bereiche Glyphs (ein Font-Editor), Ufo Quicklook (ein Dateiformat, das in der Font-Produkion immer popu­lärer wird) und Fontab-Scripte (z. B. Kernclass to Glyphnote). Ein Forum-Bereich mit RSS-Benachrichtigung lädt zum Wissenstransfer ein.