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Nichtlesen #34: Grabowski und die Illuminati

Wie andere Agentur-Chefs sieht sich auch Herr Grabowski in der Pflicht, faszi­nie­rende Umwelt-Sci-Fi-Thriller zu verfassen. Hier sein neues Bestseller-Konzept:

s war eines Tages auf dem Klo, als Herr Grabowski dort saß. Der gutaus­se­hende, sehr attrak­tive und dazu noch mit äußerst anspre­chendem Äußeren gesegnte Geheimbund-Forscher hatte eben beim Blick in den Spiegel fest­ge­stellt, wie ange­nehm, kulti­viert und gepflegt seine Erscheinung doch war. Dazu verlieh ihm sein markantes Kinn eine herbe Männlichkeit, die nicht nur bei Frauen, sondern auch bei ihm selbst gut ankam. Aber in all diese absolut berech­tigten Betrachtungen, mit denen Herr Grabowski sich problemlos über Stunden beschäf­tigen konnte, schlich sich heute plötz­lich eine Irritation. Eine unmiß­ver­ständ­liche Ahnung lenkte seinen Blick auf das Toilettenpapier. Es war drei­lagig! Ein Zeichen! Grabowski zog die drei Lagen eines Blatts ausein­ander – und tatsächlich!

Auf …

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Nichtlesen #33: Toner alle im All

aumschiff-Kommandant Grabowski hielt eine letzte, aufrüt­telnde Rede an seine erschöpfte Mannschaft auf der Brücke des Sternenkreuzers »Leutheuser-Schnarrenberger«, während man sich auf die finale Schlacht vorbe­rei­tete. Nach mehreren Monaten im All war es endlich gelungen, das Nest der Rebellen ausfindig zu machen; einen scheinbar harm­losen Exo-Planeten der Ordnungsamt-Klasse. »Feuer frei!«, ruft Kapitän Grabowski, als plötzlich …

Moment mal? Ach Du Scheiße, falscher Text! Offensichtlich ist uns hier verse­hent­lich eine Passage aus dem bald erschei­nenden Science-Fiction-Thriller »Toner alle im All« in diese Kolumne gerutscht. Wir bitten um Entschuldigung. Jetzt aber weiter im rich­tigen Text … obwohl, noch eine kurze Anmerkung dazu: Wir sind gar nicht so unglück­lich über diesen Fehler. Denn dadurch konnten wir ein wenig werben für das bald erschei­nende neue Buch von Herrn Grabowski, der – wie jeder andere anstän­dige Werbeagentur-Chef – auch faszi­nie­rende Umwelt-Thriller-Bestseller schreibt. Im kommenden Werk geht es um ein ernstes Problem. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind mehrere Lichtjahre von der Erde entfernt irgendwo in den unend­li­chen Weiten des Weltalls unter­wegs und plötz­lich geht Ihnen der Toner aus. Und nu? Sehen Sie! Muß man ernst nehmen, die Sache. Jetzt aber weiter im rich­tigen Text.

Kürzlich war Eisi Verspeisi, die Auf-ne-Art-Direktorin der Agentur, auf dem Weg zur Montagskonferenz bei Auweier Unhold & Partner und spät dran. Ausgerechnet jetzt wurde sie von zwei Ordnungsamt-Mitarbeitern aufge­halten, die sich ihr in den Weg stellten.
»Haltense bitte an. Das ist eine Fahrradkontrolle«, meinte der eine Ordnungsamtsmann.
»Zeigense uns bitte mal Ihre Bremse. Und das Licht. Und die vorge­schrie­benen Katzenaugen für Sicherheit im Straßenverkehr«, meinte der andere.

Eisi geriet in Erklärungsnot und wußte nicht, wie sie sich aus diesem Schlamassel heraus­reden sollte. Was ihre Situation erschwerte, war die Tatsache, daß sie gar nicht mit dem Fahrrad unter­wegs war und dementspre­chend auch gar kein Fahrrad dabei hatte – eine lupen­reine Fahrradnichtdabeihabe quasi. Das kann ja heiter werden, dachte sie, und versuchte es mit einem frechen Ablenkungsmanöver.

»Ich habe doch gar kein Fahrrad dabei«, sagte sie provo­kant. Doch auf diese billige Masche ließen sich die Amtsleute nicht ein.
»Ohne Fahrrad inner Fahrradkontrolle. Und dann auch noch aufm Bürgersteig unter­wegs. Herzlichen Glückwunsch, Frollein. Dit wird teuer.«, sagte der eine Ordnungsamtsmann, während der andere schon seinen Bußgeld-Formularblock zückte.

Aber plötz­lich hatte Eisi die rettende Idee. Ihr fiel gerade ein, daß sie ja zufäl­li­ger­weise eine Tüte dabei hatte, in der Fahrradbremse, Dynamo, Licht, Katzenaugen, Luftpumpe, Flickzeug und Warndreieck verstaut waren. Das alles hatte sie nämlich vorhin – obwohl in Eile – aus einer Vorahnung heraus einge­packt, als sie sich auf den Weg zur Agentur machte. Was für eine glück­liche Fügung!

Sie kramte die Fahrradteile aus ihrer Tüte und zeigte sie den Amtsleuten, die damit halb­wegs besänf­tigt waren. Eisi kam mit einem gering­fü­gigen Bußgeld glimpf­lich davon, das ihr für das Fehlen von Reifen, Rädern, Rahmen und Verbandskasten aufer­legt wurde. Gerade noch mal gutgegangen!

Michael Bukowski


Nichtlesen #32: Medusa scherzkeksia

ürzlich hatte Herr Grabowski einen Mitarbeiter seiner Werbeagentur Auweier Unhold & Partner ins Einzelgespräch bestellt. Man war in einem Café im Schöneberger Kiez verab­redet. Herr Grabowski setzte sich dort ein-Getränk-bestellen-wollender-weise auf die Terrasse.

Grabowski: Eine Tasse Tee mit Milch, bitte.
Kellner: Gern. Tasse oder Kännchen?
Grabowski: Tasse, bitte.
Kellner: Milch dazu oder Zitrone?
Grabowski: Milch, bitte.

Wenig später servierte der Kellner ein Kännchen kalten Kaffee mit Zitrone. Perfekt! Wie Sie sehen, weiß Herr Grabowski dank seiner Jahre währenden Erfahrung als Gast, was und wie man bestellen muss, um in den Genuss des gewünschten Getränks zu kommen.

Und wiederum ein wenig später kam auch schon der besagte Mitarbeiter vorbei. Dazu ein Wort vorab: Es handelt sich dabei um ein lang­jäh­riges Agentur-Mitglied, von dem keiner so richtig weiß, über welche Qualifikation er verfügt und was konkret sein Aufgabenbereich in der Agentur ist. Bekannt ist nur, dass er immer dabei ist und alle ihn kennen. Das einzige auffäl­lige Merkmal des ansonsten unklaren Mitarbeiters ist seine Eigenart, zwei Handys am Gürtel zu tragen. Dieser Tatsache verdankt er auch seinen Spitznamen, der da lautet »Pistolen-Pete«.

Jedenfalls stellte sich dann im Einzelgespräch schnell heraus, dass auch besagter Pistolen-Pete selbst nicht sagen konnte, über welche Qualifikation er verfügt und was sein Aufgabengebiet sein könnte.

Aber – hey! – kein Problem, dachte sich Grabowski und über­trug dem Kollegen den seit kurzem verwaisten Abteilungsleiter-Posten des Bereichs »Forschung & Entwicklung« der Agentur.

Bevor Pistolen-Pete nun bald seinen Dienst als Leiter der Labs antreten wollte, fuhr er mit seiner Frau und dem gemein­samen Kind namens »Kind« an die Ostsee für einen kurzen Urlaub. Dort am Strand war ein reger Quallen-Alarm zu konsta­tieren, wovon insbe­son­dere Kind schwer angetan war und wofür sich gleich auch der Vater begeis­tern sollte. Die beiden baldo­werten nämlich noch am selben Strand ein inter­es­santes Forschungsvorhaben aus.

Das Konzept von Kind und Pistolen-Pete basierte letzt­lich auf dem bekannten und bis heute unge­lösten Problem der welt­weiten, drama­ti­schen Knappheit an Scherzartikelbrillen. Aber dieses Problem ließ sich doch mit einer einzigen kleinen Genmanipulation im Quallenbereich leicht beheben, wie Pistolen-Pete und Kind begeis­tert feststellten!

Eine spek­ta­ku­läre Unterwasser-Aufnahme, die wir Ihnen hier exklusiv präsen­tieren, sollte mit einem wissen­schaft­li­chen Aufsatz von Pistolen-Pete versehen bald für Furore sorgen in der Welt der Wissenschaft. Durch einen dezenten gene­ti­schen Eingriff nämlich können Quallen zur Produktion von Scherzartikelbrillen ange­regt werden. Pistolen-Pete würde die neue Quallen-Art als »Medusa scherz­keksia pistolen-petensia«, bzw. umgangs­sprach­lich »Scherzartikel-Qualle«, in die wissen­schaft­li­chen Verzeichnisse eintragen und paten­tieren lassen.

Hier in einem der ersten Bilder der neuen Spezies sehen Sie eine Scherzartikel-Qualle exakt im Moment der Trennung von Wirtstier und Brille. Während sich das Tier nach der Brillenbildung und Abtrennung erholt, um sich auf einen neuen Zyklus vorzu­be­reiten, treibt die Scherzartikelbrille an die Wasseroberfläche, wo sie abge­erntet werden kann. Die welt­weite Versorgungslücke mit Scherzartikelbrillen kann endlich geschlossen werden. Tolle Sache!

Während sich der neue Forschungsleiter also schon im Urlaub als sehr inno­va­ti­ons­freudig erweist, ist Herr Grabowski in Berlin auch nicht untätig. Gerade eben kam er im Café mit einer Frau ins Gespräch.

Grabowski: Hallo, ich bin Grabowski.
Sie: Hallo, ich bin Susanne. Aber meine Freunde nennen mich Sabine.

Michael Bukowski


Auf vielfachen Wunsch: mein Pecha-Kucha-PDF

Vor drei Wochen fand der 25. Berliner Typo-Stammtisch statt, mit einem amüsanten Pecha-Kucha-Vortragsreigen:

  • Ole Schäfer »Rockdesign«
  • Alex Branczyk »Keine Bahnhofs-, eine Flughafenschrift!«
  • Jürgen Siebert »Die 10 größten Designjobmissverständnisse«
  • Frank Rausch »Money, Money, Money«
  • Georg Seifert »Glyphs (Teil 2)«
  • Andreas Frohloff »Einblicke in meine Federsammlung«
  • Christine Gertsch »Modono Mio«
  • Silke Schaffrath & Ilja Wanka »Kultur gut stärken«

In meinem Beitrag habe ich versucht, binnen 6 Minuten ein über­zeu­gendes Sanierungskonzept für die Kommunikationsdesignbranche anklingen zu lassen. Auf 20 Folien pran­gerte ich – in einem Countdown à la David Letterman – die 10 bestän­digsten Vorurteile der Designszene an, begin­nend mit Platz 10 und endend mit Platz 1, dem Top-Jobmissverständnis der letzten Jahre. Eine Schnellumfrage unter einem Dutzend Design-Koryphäen hat mir dabei geholfen, die Thesen umfas­send zu entwi­ckeln. Jede der 10 Thesen wird auf 2 gespie­gelte Sichtweisen präsen­tiert, als:

  1. entlar­vendes, teils bereits verin­ner­lichtes Selbstbild der Designer
  2. als sprach-takti­sches Manöver des Auftraggebers

Die Erkenntnisse dieser Recherche waren die Basis für meine aktu­elle PAGE-Kolumne, die vor wenigen Tagen in der gedruckten Ausgabe erschien und seit gestern auch online nach­zu­lesen ist. Wer keine Lust zum Lesen langer Texte hat, klicke sich einfach durch das PDF meines Vortrags. Dabei ist ledig­lich zu beachten, dass man die gelbe These heftigst ablehnen sollte, um die darauf folgenden Zitate auf Rot unmit­telbar zu belä­cheln. Nach den 20 Folien seid ihr gerüstet für ein selbst­si­cheres Gespräch mit eurem Auftraggeber.


Nichtlesen #31: Grüße aus dem ruhigen Lübberstedt

Bekanntlich führen die zahl­rei­chen Dienstreisen unseren Herrn Grabowski mit schöner Regelmäßigkeit an die Tresen dieser Welt. Nicht so sein letzter Ausflug. Aus geschäft­li­chen Gründen buchte er eine private Reise zur Familie aufs Land, die er als »Projekt-Besprechung« steu­er­lich absetzen wollte.

Zu einer jeden guten Reise gehört nach der Anfahrt eine Ankunft, und die fand dann auch am Freitag letzter Woche statt. Und zwar in einem 300-Seelen-Dorf namens »Lübberstedt«, das rund 44 Kilometer südlich von Hamburg in der Lüneburger Heide liegt und mit dem Auto in einer halben Stunde Fahrt erreicht ist. In den Bildern dazu sehen Sie Grabowskis Aufnahmen vom Bahnhof Lübberstedt, intern auch »Grand Central Lübber-Station« genannt.

Laut Fahrplan für das Jahr 2010 (siehe Abbildung weiter unten) verkehrt hier auf der einglei­sigen Bummel-Bahn-Trasse ein paar Mal im Jahr der »Heide-Express«, der Ausflügler durch die Lüneburger Heide kutschiert. 

Sodann quar­tierte sich Herr Grabowski im fami­liären Domizil ein und verbrachte ein unge­störtes Wochenende mit Projekt-Besprechungen zu Themen wie »Käffchen?« oder »Kuchen?« und ähnli­chen, bis es plötz­lich in der Nacht von Sonntag auf Montag mit der länd­li­chen Ruhe vorbei gewesen sein sollte.

Kurz nach Mitternacht nämlich – Herr Grabowski arbei­tete mit seinen Geschwistern gerade an der Umsetzung des Konzepts »Kaminfeuer an und Filmchen kieken!« – meinte man, in der Ferne eine Fanfare zu hören. Wenig später vernahm man die Fanfare aus der Nähe. Gleichzeitig wackelte das ganze Haus. Da Herr Grabowski von den Erschütterungen ohnehin schon aus dem Sessel geflogen war, ging er zum Fenster und schaute nach, was da los war.

Tatsächlich war da so einiges los; ein Güterzug immerhin! Und zwar ein echter Kaventsmann von einem Güterzug mit locker 20 bis 30 Waggons, der hier um kurz nach 0:00 Uhr durchs Dorf und etwa 7 Meter am Grabowskschen Haus und Wohnzimmer vorbei­bret­terte. Wieder ertönte die Fanfare, die sich jetzt als Signalhorn des Zuges heraus­stellte, sich deswegen aber nicht unbe­dingt leiser anfühlte.

Wenige Stunden später lag Herr Grabowski tief schlum­mernd im Bett, als er plötz­lich vor Schreck fast aus dem Bett purzelte. Erneut das Signalhorn, wieder das Gerumpel, wieder ein Güterzug. Grabowski schaute auf die Uhr: Es war 3 Uhr 34 mitten in der Nacht von Sonntag zu Montag. Jetzt doch leicht unge­halten über die Störung und ja ohnehin unsanft geweckt, ging Grabowski zum Fenster, wo es ihm gelang, diese spek­t­ak­tu­läre Film-Aufnahme des zweiten durchs Dorf knat­ternden Güterzuges zu machen. (Spektaktulär an diesem Film ist zum Beispiel, dass man fast nichts sieht außer tief­schwarzer Nacht. Dafür hört man aber sehr schön. Wir empfehlen für vollen Film-Genuss, die Lautsprecher Ihres Abspielgerätes auf maxi­male Lautstärke zu stellen.)

Am Montag dann fuhr Herr Grabowski etwas verschlafen nach der zerschos­senen Nacht zurück nach Berlin, wo er in dieser Angelegenheit recher­chierte. Seine Ergebnisse zusam­men­ge­fasst führen uns direkt zur Pointe dieser Geschichte, die da lautet: Es gibt keine. Das alles ist voll­kommen real. Wir betonen das nur deswegen, falls es Ihnen so schwer wie uns fallen dürfte, das zu glauben. Und wie die Recherche weiterhin ergab, handelt es sich beim nächt­li­chen Güterzugverkehr vom letzten Wochenende auch nicht um eine Ausnahme. So sieht’s aus.

Michael Bukowski

P.S.: Falls Interesse, hier ein paar Links zum Thema: eine Bürgerinitiative und das verant­wort­liche Bahn-Unternehmen


Nichtlesen #30: Eine Liebe in Zeiten von Grabowski

s war eines Tages im Schönebereger Kiez – Agentur-Chef Grabowski ging gerade seinen Pflichten als Stammgast nach und saß demgemäß am Tresen –, als sich auf einmal etwas völlig verrücktes ereig­nete. Plötzlich nämlich betrat eine hübsche Frau das Lokal und setzte sich an den Tresen.

»Oha, eine Frau!«, werden Sie jetzt denken … und Sie denken richtig. Lassen Sie uns diesen Sachverhalt etwas einge­hender beleuchten. Tatsächlich haben sich inzwi­schen nämlich viele und nicht gerade die unbe­gab­testen Geister mit dieser Angelegenheit beschäf­tigt. Bis heute kann man grob zwei verschie­dene Gehlehrtengruppen unter­scheiden: auf der einen Seite wäre die Frankfurter Schule (Frankfurt/Oder) zu nennen, deren Interpretation sich verein­facht gesagt mit »Boah, krass! Ne hübsche Frau!« zusam­men­fassen läßt.

Auf der anderen Seite die Schöneberger Fraktion, deren Kern-These in einem beherzten »Nun ja, so oder ähnlich auch schon mal erlebt!« mündet. Aber lassen wir die Gelehrten sich mal alleine weiter streiten. Interessant ist nämlich, was dann passierte.

Das Szenario »hübsche Frau setzt sich an Tresen« hatte Grabowski nämlich prophy­lak­tisch längst beplant, bzw. er hatte die Mitarbeiter instru­iert, was in solchen Fällen zu tun sei; nämlich erstens:

Unauffällig einen der Deckenstrahler auf Grabowski adjus­tieren. Und zwei­tens: Eigens für diesen Anlaß ange­fer­tigte Hinweispfeile aus Styropor aufstellen und auf Grabowski ausrichten.

Fehlte nur noch eine dritte Maßnahme, die Grabowski persön­lich in die Hand nahm. Er holte ein Buch des berühmten Soziologen und Systemtheoretikers Niklas Luhmann aus seiner Tasche und begann, sehr konzen­triert und vor allem sehr offen­sicht­lich darin zu lesen. Dieses Exemplar hatte er übri­gens eigens deswegen erworben, weil der Name des Autors Luhmann in unge­wöhn­lich großer Schrift aufge­druckt und somit aus einiger Entfernung lesbar war.

Und nach wenigen Augenblicken war Grabowski höchst zufrieden über das Erscheinungsbild, mit dem er sich gegen­über der Frau präsen­tierte; also mit eigenem Spot, eigenen Pfeilen und anspruchs­vollem Buch in der Hand. Vermeintlich Luhmann lesend, linste er verstohlen zur Dame am Tresen und siehe da: Er meinte ein leichtes Anzeichen von Interesse auszumachen!

Trotzdem: Ein bißchen flau, diese Reaktion, dachte er, und zog in Erwägung, die Polizei zu rufen. Aber er hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Unauffällig gab er dem Barmann ein Zeichen, der daraufhin mit seinem Handy im Café anrief, woraufhin das Telefon an der Bar klin­gelte, das der Barmann dann persön­lich abnahm, woraufhin er einen Augenblick später für alle hörbar laut über den Tresen rief: »Hey Grabowski, ist für dich. Steve Jobs ist dran. Er will mit dir dieses neue Cloud-Projekt bespre­chen, falls du Zeit hast.«

»Ja, passt schon«, sagte Grabowski und schlen­derte betont lässig zum Telefon, an dem er ein paar ange­be­ri­sche Business-Phrasen abson­derte – und zwar laut – und das angeb­liche Gespräch mit Steve Jobs dann eupho­risch been­dete, während er nebenbei nach der Frau am Tresen spähte. Und siehe da! Anscheinend hatte sie angebissen!

Wenig später saß Grabowski wieder auf seinem Hocker am Tresen, als die Frau sogar direkt auf ihn zukam und ihn ansprach.

– Hallo, ich bin Andrea.

– Guten Tag, ich bin Grabowski. Schön, dich kennenzulernen.

– Ja, freut mich auch.

Daraufhin plau­derten die beiden etwas und wenige Minuten später hatte Grabowski – wie er sagt: aus Liebe! – bei Andrea eine TV-Zeitschrift abon­niert und sich für das drei­tei­lige Reisekoffer-Set als Werbeprämie entschieden.

Michael Bukowski


Nichtlesen #29: »Wind of Change«

Heute morgen dachte sich unser Chefredakteur beim Verfassen dieses Beitrages: »So, jetzt erst mal ein gepflegter szeni­scher Einstieg!« Gesagt, getan:
Der so wolken­ver­hangen begon­nene Tag sandte plötz­lich ein paar zarte Sonnenstrahlen in den Keller des Café Wirleässig in Berlin-Schöneberg und illu­mi­nierte eine uralte Handschrift. In seinen vor Aufregung zitternden Händen hielt dieses Dokument der Text-Chef von Auweier Unhold & Partner, der auch als Leiter der histo­ri­schen Forschungsabteilung der Werbeagentur fungiert. Eben hatte er im Archiv des Café-Kellers ein erstaun­li­ches Dokument entdeckt, das dieses Zitat aus dem frühen 12. Jahrhundert in mittel­hoch­deut­scher Schrift enthält:

»Windmül versauet mîr dehn Dîchters Blik.«

Damit war der histo­ri­sche Beleg für den frühesten Widerstand gegen die Windkraft gefunden. Eine Sensation! Verständlich aller­dings nur, wenn man die Zusammenhänge kennt. Passen Sie auf, was ein popu­lärer deut­scher Dichter der Neuzeit vor einigen Jahren in einem der führenden Nachrichtenmagazine des Landes verlaut­baren ließ:

»Windräder versauen mir den dich­te­ri­schen Blick.« (Quelle: DER SPIEGEL, NR. 3/1999, »Kampf der Verspargelung«)

Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Aussagen ist verblüf­fend. Anscheinend hat unser zeit­ge­nös­si­scher Denker einfach nur Windmühlen durch Windräder ersetzt und den Spruch ohne störende dich­te­ri­sche Freiheiten ansonsten übernommen.

Der wach­sende zeit­ge­nös­si­sche Widerstand gegen die Nutzung der Windenergie folgt also einer hunderte Jahre währenden Tradition. Bis heute war die Forschung von der Gründung der Widerstandsbewegung im 17. Jahrhundert durch den außer­or­dent­lich enga­gierten spani­schen Bürgerprotestler Don Quijotte ausge­gangen. Dessen Kampf gegen die Windnutzung hat der Journalist Cervantes bekannt­lich in einer packenden und bril­lant recher­chierten Reportage fest­ge­halten. Herr Quijottes Feldzug gegen die Windmühlen war aller­dings zum Scheitern verur­teilt, da er als Einzelkämpfer ohne die Gründung einer Bürgerinitiative und ohne jegli­chen juris­ti­schen wie wissen­schaft­li­chen Beistand vorge­gangen war.

Heute ist die Gegenwind-Bewegung erfah­rener, orga­ni­sierter und fundierter. Man kriti­siert nicht mehr nur wie im 12. Jahrhundert die Beeinträchtigungen des dich­te­ri­schen Schaffens durch die Verwindnutzung der Landschaft. Eine kurze Internet-Recherche im Milieu bringt über­ra­schende Erkenntnisse zutage, wie folgende Beispiele zeigen:

Mit dem Wind Turbine Syndrome verfügt die Bewegung über ein eigenes Krankheitsbild mit Symptomen wie Schlafstörungen, Übelkeit, Kopfschmerzen etc. – empi­risch belegt mittels einer Studie an »38 Personen vom Kleinkind bis zum Erwachsenen«. Desweiteren haben zahl­reiche Schriftsteller und Professoren ein grund­le­gendes Papier verfasst und unter­zeichnet, dank dem der Widerstand über eigenes Manifest verfügt; und zwar das Darmstädter Manifest.

Und wissen­schaft­liche Unterstützung erhält die Bewegung vom renom­mierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Hier wurde eine Studie mit diesem Ergebnis verfasst: »Windkraftanlagen können Klima schä­digen: … in einer Klima-Simulation für das Jahr 2100 wurde fest­ge­stellt, dass die Temperatur über Land um mehr als ein Grad steigen könnte, wenn nur 10% des Weltenergiebedarfs aus Windkraft erzeugt werden. Gleichzeitig sinkt die Temperatur über den Ozeanen. Ursache ist die verrin­gerte Luftbewegung; die lokalen Folgen könnten erheb­lich sein und sollten weiter unter­sucht werden.«

Wie man anhand der kompe­tenten Forschungs- und Rechercheleistung von Auweier Unhold & Partner sehen kann, hat die Gegenwind-Bewegung seit dem 12. Jahrhundert eine anhal­tende Professionalisierung durch­laufen. Die Agentur dagegen geht einen ganz eigenen Weg. Bei Auweier Unhold & Partner ist man weder für noch gegen die Windkraft, sondern nutzt sie für eine beein­dru­ckende Innovation. Auf Basis der Grundlagenforschung wurde ein echtes Win-Win-Wind-Wunder entwickelt.

In der ersten Ausbaustufe ist die Windnovation für gastro­no­mi­sche Betriebe ange­dacht. In Cafés, Restaurants etc. werden auf den Tischen kleine Windkraftanlagen instal­liert; quasi umge­drehte Tischventilatoren. Alle Gäste, die gerade nicht reden, müssen dann mittels Pusten die Windräder am Laufen halten. Die so erzeugte Energie wird direkt in den Stromkreislauf des jewei­ligen gastro­no­mi­schen Betriebes einge­speist. Mit den mund­be­trie­benen Windrädern wird die Energie für Licht, Musik, Backöfen und andere Verbrauchseinheiten erzeugt – absolut rege­ne­rativ und ökolo­gisch einwand­frei. Ein schöner Nebeneffekt: Sollte einmal unan­ge­nehmes Schweigen zwischen zwei oder mehreren Personen an einem Tisch entstehen, fällt das gar nicht weiter störend auf, da man ja in die Windräder pusten kann und somit beschäf­tigt ist.

Natürlich eignet sich die neue Technologie in der nächsten Ausbaustufe auch für den Hausgebrauch: Anstatt von großen Windrädern mit den besagten Nachteilen wie Verspargelung, Versyndromung und Verklimaschädigung etc. ziehen die Windkraftwerke in entspre­chender Größe in den Haushalt ein: Einfach zuhause im eigenen Wohnzimmer in die hand­li­chen Privatwindräder pusten und so den eigenen Strom erzeugen. Aktuell erwägt man bei Auweier Unhold & Partner schon eine Adaption des Produkts für junge Zielgruppen. Denn in bunt ange­malte Heim-Windkrafträder pustet auch der Nachwuchs gerne rein und da kommen ordent­lich Kilowattstunden in den Kreislauf.

Dieses sensa­tio­nelle Windkonzept von Auweier Unhold & Partner wurde bereits mit zahl­rei­chen Innovationspreisen ausge­zeichnet, mit Fördergeldern versehen und sogar besungen! Die deut­sche Rock-Band »The Scorpions« kompo­nierte eigens für die Auweier-Windkraft den Song »Wind of Change«, der längst als welt­weiter Hit bekannt ist. Geht doch!

Michael Bukowski
Illustrationen: © Radius Images, via ZOOM


Nichtlesen #28: Geheimnis der ungelieferten Pizza

ekannt­lich logiert die Werbeagentur Auweier Unhold & Partner im Café Wirelässig in Berlin-Schöneberg. Diese Adresse dient gleich­zeitig als Hauptstadtrepräsentanz der Agentur, was ordent­lich Kosten an Raum und Personal spart.

Kürzlich saß das Agentur-Team im Café und brütete über einem Problem. In letzter Zeit hatte sich nämlich eine gewisse Pitch-Müdigkeit in der Agentur breit­ge­macht. Dass ab und an ein poten­ti­eller Kunde bei einer AUP-Wettbewerbspräsentation einschlief, war noch legitim. Aber in letzter Zeit fielen immer öfter auch die präsen­tie­renden Agenturvertreter mitten im eigenen Vortrag in tiefsten Büroschlaf. Was tun dagegen?

Einen ganzen Tag saßen die Leute zusammen, um das agen­tur­ei­gene Präsentationsproblem zu lösen. Etwa gegen 22 Uhr abends war es dem Team immerhin gelungen, sich in einem wich­tigen Punkt auf einen Konsens zu einigen. Man verstän­digte sich ohne Gegenstimme darauf, dass inzwi­schen alle richtig Hunger hätten. Also rief einer beim Lieferservice an und bestellte sich Pizza ins Café.

Leider wartete man vergeb­lich auf die Lieferung. Die für das Projekt »Pizza bestellen« verant­wort­liche Auf-ne-Art-Direktorin Eisi Verspeisi rief noch mal beim Pizza-Laden an und fragte nach. Der Pizza-Bote sei schon lange unter­wegs und müsste längst gelie­fert haben, sagte man ihr. Mehr wisse man auch nicht, entschul­digte man sich.

Erst am nächsten Tag ließ sich das Geheimnis der unge­lie­ferten Pizza klären, bzw. es klärte sich von selbst in Form eines Zettels im Briefkasten vom Café Wirelässig. Auf dem Zettel hieß es, dass man die Bestellung leider nicht zustellen konnte, da man niemanden ange­troffen habe, was natür­lich Quatsch war, da die Leute ja den ganzen Abend konzi­pie­rend im Café Wirelässig verbracht hatten. Dazu folgte noch der Hinweis, dass die Bestellung am nächsten Werktag, aber nicht vor 17 Uhr abge­holt werden könne. Damit war die Sache klar: Eisi Verspeisi hatte verse­hent­lich ausge­rechnet jenen Pizza-Laden ange­rufen, der dafür berühmt ist, dass dort ein Pizza-Bote mit Paketzustellerhintergrund arbeitet.

Der Mann war hatte es auch im Privatleben nicht leicht. Wenn man sich erst mal über Jahre daran gewöhnt hat, anstatt zu klin­geln gleich eine »Nicht angetroffen«-Benachrichtigung in den Briefkasten zu werfen, veran­kert sich dieses Verhalten tief in der Motorik. Die Freundin des Ex-Paket-, jetzt Pizza-Zustellers wartete zum Beispiel manchen Abend vergeb­lich zuhause auf ihren Freund und fand am nächsten Morgen einen Zettel im Briefkasten mit der Nachricht: »Ich konnte mich Dir leider nicht zustellen, da ich Dich gestern nicht ange­troffen habe. Die bestellte Verabredung kann am nächsten Werktag, aber nicht vor 17 Uhr bei mir zuhause abge­holt werden.« Schon pein­lich, auf ’ne Art.

Das soll aber mal nicht unser Problem sein. Denn wie eingangs erwähnt, stand die drin­gende Aufgabe der Pitch-Müdigkeit im Raum, die inzwi­schen gelöst wurde – und zwar mit diesem verblüf­fend simplen Konzept: Wenn die Agentur mitten in einer Wettbewerbspräsentation steht, setzen Auweier Unhold & Partner einfach bei »Pitch-Bet« auf ihre eigene Niederlage. Damit lagen sie bisher immer richtig und auf diesem Wege kommt längst viel mehr Kohle rein, als wenn man sämt­liche Pitches gewinnen würde. Der weitere Vorteil ist, dass man beim Präsentieren guten Gewissens auch ein Nickerchen halten darf, was die Chancen auf den gewünschten nega­tiven Ausgang enorm erhöht.

Das muss jetzt aber unter uns bleiben

Aber ist das nicht illegal, bei Pitch-Bet auf sich selbst zu setzen, meinen Sie? Völlig richtig. Lassen Sie uns das folgende daher bitte im Vertrauen sagen. Also unter uns jetzt: Natürlich darf keine Agentur bei Pitch-Bet auf einen Pitch tippen, in den man selbst invol­viert ist. Auweier Unhold & Partner haben daher einen Mittelsmann einge­schaltet, einen gewissen Joseph B. aus der Schweiz, der sich als sehr zuver­lässig erwiesen hat, obschon er eine recht happige Provision verlangt.

Das muss jetzt aber nicht unter uns bleiben

Davon abge­sehen nutzt man bei AUP die aus den verlo­renen Pitches und Etats gewon­nene Zeit, um sich um die Bestandskunden zu kümmern. Einen beacht­li­chen Erfolg feiert man dieser Tag mit einer SEO-Kampagne für die Lektüre für Nichtleser, die jetzt als eines der welt­weit führenden Such-Ergebnisse im »leck mich«-Segment firmiert. Laut Screenshot vom 10. Juni 2011 rangiert Nichtleser auf einem sensa­tio­nellen 1. Platz bei rund 1,14 Mio. »leck mich«-Ergebnissen.

Auf die Frage, wie dieser schöne Erfolg erzielt wurde, antwor­tete uns Agentur-Chef-Grabowski: »Wie wir das geschafft haben? Ganz einfach, mittels der »Aus Versehen«-Technology. In diesem Fall haben wir es so arran­giert, dass wir verse­hent­lich während der ersten Wochen diese Kolumne hier falsch verlinkt hatten; nämlich auf einen Blog-Artikel mit dem Titel »Leck mich« und nicht auf die Startseite von Lektüre für Nichtleser. Die aus dieser unbe­ab­sich­tigten Fehlverlinkung resul­tie­renden zahl­rei­chen Zugriffe vom Fontblog aus haben uns jetzt zum Marktführer in den »leck mich«-Charts bei Google gemacht. Sie sehen: Manchmal ist es hilf­reich, keine Ahnung zu haben, wenn man etwas errei­chen will.«

Michael Bukowski