Nichtlesen #30: Eine Liebe in Zeiten von Grabowski
s war eines Tages im Schönebereger Kiez – Agentur-Chef Grabowski ging gerade seinen Pflichten als Stammgast nach und saß demgemäß am Tresen –, als sich auf einmal etwas völlig verrücktes ereignete. Plötzlich nämlich betrat eine hübsche Frau das Lokal und setzte sich an den Tresen.
»Oha, eine Frau!«, werden Sie jetzt denken … und Sie denken richtig. Lassen Sie uns diesen Sachverhalt etwas eingehender beleuchten. Tatsächlich haben sich inzwischen nämlich viele und nicht gerade die unbegabtesten Geister mit dieser Angelegenheit beschäftigt. Bis heute kann man grob zwei verschiedene Gehlehrtengruppen unterscheiden: auf der einen Seite wäre die Frankfurter Schule (Frankfurt/Oder) zu nennen, deren Interpretation sich vereinfacht gesagt mit »Boah, krass! Ne hübsche Frau!« zusammenfassen läßt.
Auf der anderen Seite die Schöneberger Fraktion, deren Kern-These in einem beherzten »Nun ja, so oder ähnlich auch schon mal erlebt!« mündet. Aber lassen wir die Gelehrten sich mal alleine weiter streiten. Interessant ist nämlich, was dann passierte.
Das Szenario »hübsche Frau setzt sich an Tresen« hatte Grabowski nämlich prophylaktisch längst beplant, bzw. er hatte die Mitarbeiter instruiert, was in solchen Fällen zu tun sei; nämlich erstens:
Unauffällig einen der Deckenstrahler auf Grabowski adjustieren. Und zweitens: Eigens für diesen Anlaß angefertigte Hinweispfeile aus Styropor aufstellen und auf Grabowski ausrichten.
Fehlte nur noch eine dritte Maßnahme, die Grabowski persönlich in die Hand nahm. Er holte ein Buch des berühmten Soziologen und Systemtheoretikers Niklas Luhmann aus seiner Tasche und begann, sehr konzentriert und vor allem sehr offensichtlich darin zu lesen. Dieses Exemplar hatte er übrigens eigens deswegen erworben, weil der Name des Autors Luhmann in ungewöhnlich großer Schrift aufgedruckt und somit aus einiger Entfernung lesbar war.
Und nach wenigen Augenblicken war Grabowski höchst zufrieden über das Erscheinungsbild, mit dem er sich gegenüber der Frau präsentierte; also mit eigenem Spot, eigenen Pfeilen und anspruchsvollem Buch in der Hand. Vermeintlich Luhmann lesend, linste er verstohlen zur Dame am Tresen und siehe da: Er meinte ein leichtes Anzeichen von Interesse auszumachen!
Trotzdem: Ein bißchen flau, diese Reaktion, dachte er, und zog in Erwägung, die Polizei zu rufen. Aber er hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Unauffällig gab er dem Barmann ein Zeichen, der daraufhin mit seinem Handy im Café anrief, woraufhin das Telefon an der Bar klingelte, das der Barmann dann persönlich abnahm, woraufhin er einen Augenblick später für alle hörbar laut über den Tresen rief: »Hey Grabowski, ist für dich. Steve Jobs ist dran. Er will mit dir dieses neue Cloud-Projekt besprechen, falls du Zeit hast.«
»Ja, passt schon«, sagte Grabowski und schlenderte betont lässig zum Telefon, an dem er ein paar angeberische Business-Phrasen absonderte – und zwar laut – und das angebliche Gespräch mit Steve Jobs dann euphorisch beendete, während er nebenbei nach der Frau am Tresen spähte. Und siehe da! Anscheinend hatte sie angebissen!
Wenig später saß Grabowski wieder auf seinem Hocker am Tresen, als die Frau sogar direkt auf ihn zukam und ihn ansprach.
– Hallo, ich bin Andrea.
– Guten Tag, ich bin Grabowski. Schön, dich kennenzulernen.
– Ja, freut mich auch.
Daraufhin plauderten die beiden etwas und wenige Minuten später hatte Grabowski – wie er sagt: aus Liebe! – bei Andrea eine TV-Zeitschrift abonniert und sich für das dreiteilige Reisekoffer-Set als Werbeprämie entschieden.
5 Kommentare
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philipp
Wau, der Buchtitel ist so schlau, dass er gar nicht in die Zeile passt. Voll kompress, ey.
thomas junold
is schon ein dummer hund der grabowski. manchmal …
wampo
»Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität« ist mehr erfolgsversprechend.
Stefan S
»Die Logik der Gefühle. Kritik der emotionalen Intelligenz. «
Ich probiere alles was geht! Soll mir keiner kommen *g*
Leider kann ich auf Andreas Rebers nicht verzichten. Der macht halt manches hin, in der Frauenwelt ;-)
Theo
Die einzige Sache, die ich nicht verstehe: wieso Styropor? Es wirkt, billig. ;)