Fontblog Artikel des Jahres 2010

Nichtlesen! (4): »Miezi's«

Long Dong Copy, der alte Text-Nerd, unter­richtet Chef-Praktikantin Eisi Verspeisi neuer­dings im Werbetexten. Wie die Aufnahme aus Herrn Copys Texterschule zeigt, üben sie gerade fleißig. Der Schädel gehört übri­gens zum wohl­durch­dachten Unterrichtsmaterial. Long Dong Copy demons­triert damit seinen Schülern, aus unge­fähr welchem Körperteil Ideen für Headlines, Slogans und Claims im Idealfall kommen sollten.

Lerninhalt der heutigen Unterrichtsstunde ist das Thema »Länge«. Herr Copy erklärt der wiss­be­gie­rigen Eisi, dass Headlines, Claims und Slogans möglichst lang sein müssen. Eisi wunderte sich zunächst darüber. Dachte sie doch, dass die Werbezeilen im Gegenteil in der Regel eher kurz ausfallen sollten. Aber mitnichten, klärte ihr Lehrer sie auf. Dieses Streben nach Kürze sei natür­lich nichts anderes als unpro­fes­sio­neller Mainstream, erklärte Long Dong Copy seiner Schülerin. Und wieder was gelernt.

Plötzlich wurden die beiden vom hekti­schen Tagesgeschäft der Werbeagentur Auweier Unhold & Partner unter­bro­chen; und zwar von der Email eines Kunden mit wenig erfreu­li­chen Nachrichten. Der Kunde war nämlich gar nicht amüsiert über den Verlauf der aktu­ellen Kampagne. Letztere war gerade bundes­weit auf Großflächen-Plakaten ange­laufen – nur nicht ganz in der Form, wie vom Kunden freigegeben.

Zwar war der neue Claim ordnungs­gemäß wie folgt ausge­führt: »Miezi’s Katzen Content – Happa Happa, Ersatzteile & Zubehör: alles für die Katz‘ von Miezi’s – die Marke mit dem Deppenapostroph!« (Übrigens sieht man schon an der Länge dieses Slogans sehr deut­lich, aus wessen Feder er stammt.) So weit, so geplant.

Aber das Problem lag in der Ausgestaltung der Headline. Anstelle der ursprüng­lich frei­ge­ge­benen Version prangte jetzt landauf, landab auf zig tausenden Großplakaten, Citylights und Megabannern die Headline:

»Long Dong hat’s mit Eisi gemacht!«

Diese Änderung hatte Long Dong Copy persön­lich kurz vor Produktion der Kampagne und ohne Absprache mit dem Kunden eigen­händig vorge­nommen. Warum? Ganz einfach aus Enttäuschung darüber, dass Eisi ihn schon wieder und zum 248. Mal hatte abblitzen lassen.

Nun, das ist verständ­lich. Aber leider hat die neue Headline ja nun gar keinen Bezug mehr zur Marke oder zum Produkt. Und dies war auch der Anlass der E-Mail, die der Marketing-Leiter von Miezi’s an die Agentur sandte und in der er sich wie folgt äußerte:

»Liebe Auweier Unhold & Partners, wir hätten aber schon gerne unsere Produkt-Werbung etwas mehr im Vordergrund gesehen bei der Kampagne, die uns 23 Mio. Euro kostet. Und auch eine unau­to­ri­sierte, eigen­mäch­tige Änderung entspricht eigent­lich nicht unseren Erwartungen an eine Werbeagentur. Wir sind ein biss­chen nicht ganz so glück­lich mit der Aktion. Wie seht Ihr das? Herzliche Grüße, Miezi’s Marketing.«

Oha, das roch nach Ärger für die Agentur. Aber erstaun­li­cher­weise ging die Sache glimpf­lich aus. Denn wenig später kippte die Stimmung uner­wartet zugunsten von Auweier Unhold & Partner: Die »Long Dong hat’s mit Eisi gemacht!«-Kampagne wirkte nämlich bombe. Die Medien berich­teten, alle hatten Spaß (und wussten bescheid), Miezi’s war in aller und nicht nur Katzen-Munde, Miezi’s Katzen Content Produkte verkauften sich wie geschnitten Brot und bei Auweier Unhold & Partner teilte man Wartemarken aus an die im Agentur-Stammcafé vorstel­ligen Unternehmen mit der drin­genden Bitte, Neukunde werden zu dürfen.

Grabowski persön­lich tingelt seitdem als gefragter Vortrags-Redner und, wie er sich selbst gerne nennt, »Excellent Speaker« durch die großen Konferenzhallen des Landes, wo er für teuer Geld über das, wie er das Publikum wieder­holt wissen läßt, von ihm erfun­dene Konzept der »authen­ti­schen Werbung« referiert.

Einziger Wermutstropfen: Eisi läßt Long Dong immer noch nicht ran, bzw. jetzt sogar erst recht nicht, wie sie sagt!

P.S.: Schwanger?

Obwohl Eisi Verspeisi den zutiefst darbenden Long Dong Copy seit dieser Geschichte also erst recht nicht mehr ranlässt, fühlt sie sich nicht wohl in letzter Zeit, während der sie täglich mehr­mals an den Plakaten mit der Aufschrift »Long Dong hat’s mit Eisi gemacht!« vorbeiläuft.

Sicherheitshalber kauft sie sich einen Schwangerschaftstest – und zwar den neu entwi­ckelten Schwangerschaftstest von Google. Der zeigt nämlich nicht nur an, ob man schwanger ist, sondern auch von wem!

Text: © Michael Bukowski 2010, lektuere​-fuer​-nicht​leser​.de

Foto 1: © PhotoAlto, via ZOOM by FontShop
Foto 2: © PhotoAlto, via ZOOM by FontShop
Foto 3: © PhotoAlto, via ZOOM by FontShop
Foto 4: © OJO Images, via ZOOM by FontShop
Foto 5: © Image Source, via ZOOM by FontShop


Farbe des Jahres 2011: Heckenkirsche

Wie jedes Jahr hat Pantone, der Branchenführer in Sachen Farbwissenschaft und -tech­no­logie, die Farbe des Jahres gekürt. Sie heißt Pantone 18-2120 oder auch »Honeysuckle« (Heckenkirsche, Geißblatt) und ist ein dyna­mi­scher, bele­bender Rotton. Die Wahl hatte sich schon anläss­lich der New Yorker Fashionweek im September ange­kün­digt, wo Honeysuckle eine von 10 Trendfarben war (vgl. Pantone-Presse-PDF).

Während die Farbe des Jahres 2010, Türkis, für viele Zuflucht symbo­li­sierte, ermu­tige Honeysuckle dazu, »den alltäg­li­chen Herausforderungen mit Schwung und Elan entge­gen­zu­treten« heißt es in der Pressemitteilung von Pantone. Das dyna­mi­sche Rot-Pink baue auf und hebe die Stimmung. Es symbo­li­siere Selbstvertrauen und Courage, um den anstren­genden Herausforderungen des Alltags entgegenzutreten.


Diplomanden der FH Mainz im Gutenberg-Museum

Vom 15. bis 19. Dezember präsen­tieren 38 Diplomanden der Studiengänge Kommunikations- und Mediendesign der Fachhochschule Mainz ihre Abschlussarbeiten im Gutenberg-Museum. So viel­fältig wie die Interessen der jungen Mediendesignerinnen und -desi­gner sind die von ihnen gewählten Darstellungsformen: Bücher, Zeitschriften, Comics, Kommunikationskampagnen, inter­ak­tive und Multimedia-Anwendungen und viele expe­ri­men­telle Arbeiten. Ebenso abwechs­lungs­reich sind die Themen, die gestal­te­ri­sche, gesell­schaft­liche, kultu­relle, poli­ti­sche und kommer­zi­elle Aspekte umfassen. Presserundgang: 15. 12. 2010, 18 Uhr. 
Vernissage: 15.12.2010, 19 Uhr. Weitere Informationen …


Axel Springer sperrt www​.bild​.de für iPad-Leser

Mit dem Erscheinen der BILD-App hat der Verlag Axel Springer gestern das eigene Online-Angebot unter www​.bild​.de für iPad-Nutzer gesperrt. Stattdessen leitet der Safari-Browser den Besucher auf die Werbeseite bild​geh​tapp​.bild​.de weiter (Abbildung oben). Ein weiterer Fingertip führt direkt in den App Store zur 79 Cent teuren iPad-App. Mit dem Apple iPhone lässt sich die mobile Bild-Website jedoch wie gewohnt mit dem Safari nutzen.

Um die Bild-Website wie gewohnt auf dem iPad zu nutzen, empfiehlt das Computer-Magazin Chip den alter­na­tiven Browser Mercury Web Browser Lite (kostenlos). Dieser erlaubt in den Einstellungen die Manipulation der User-ID, indem man bei »Identify Browser as« zum Beispiel Opera, Firefox oder einen anderen Browser eingibt, der bei Axel-Springer als Nicht-iPad-Browser iden­ti­fi­ziert wird.


Neues Logo für Tourismusregion Stuttgart gesucht

Das liest sich gut: »Werbe- und Designagenturen sind aufge­rufen, sich zur Teilnahme am Wettbewerb für die Entwicklung einer touris­ti­schen ›Wort-Bild-Marke‹ der Region Stuttgart zu bewerben. Nachfolgend aufge­führte Kriterien bilden die Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb:

  • profes­sio­nell arbei­tende Werber und Gestalter
  • Referenzen über Corporate-Design-Projekte
  • Auszeichnungsliste (Awards ) der letzten 2 Jahre

Die aussa­ge­fä­hige Bewerbung ist ausschließ­lich per Mail mit Nachweis oben genannter Kriterien (Anhang als pdf- Datei) bis spätes­tens Montag, 24. Januar 2011 an nach­fol­gende Kontaktadresse zu senden: Frau Annett Wirth, logo@stuttgart-tourist.de«

In der Jury sitzen übri­gens unter anderem Judith M. Grieshaber, Prof. Niklaus Troxler, Markus Merz, Thomas Rempen und Jochen Rädeker. Und ich dachte schon, dass niemand mehr im Land einen fairen, profes­sio­nellen Wettbewerb ausschreiben könne. Ich freue mich schon jetzt auf ein profes­sio­nelles Ergebnis, das ich natür­lich hier vorstellen werden. Weitere Informationen …


So wirbt Dittsche für die neue BILD-App

Nachdem gestern die Berliner Morgenpost für das iPad als App erschienen war, schickt Axel Springer heute die BILD-App fürs iPad ins Rennen – nach 8 Monaten Entwicklungsarbeit. Die App bietet deut­lich mehr als die bisher erhält­liche E-Paper-Variante des Boulevard-Blatts. Sie nutzt die Stärken des multi­me­dialen Apple-Tablets, indem sie die Welten Print, Online und Mobile mitein­ander verknüpft.

Beim ersten Kontakt orien­tiert sich BILD HD am gedruckten Objekt, da die gelernte Struktur aus der Zeitung über­nommen wird und die Anwendung ein in sich geschlos­senes Produkt darstellt. Im Hintergrund werden darüber hinaus die aktu­ellen Inhalte von Bild​.de einge­speist. Um die Applikation in Zukunft tagtäg­lich zu bestü­cken, hat Springer ein eigenes Produktionstool entwi­ckelt, das sich Technologien aus der Gaming-Branche bedient. Damit sollen neue Darstellungsformen für Nachrichten entwi­ckelt werden.

Nach dem erst­ma­ligen Laden bietet die BILD-App eine Schnelleinführung in ihre Navigation an (links), danach hat der Leser die Auswahl zwischen iPad-Version (Mitte) und dem PDF der Printausgabe; die rechte Abbildung zeigt die Ansicht aktu­ellen Meldungen, einge­speist aus bild​.de

»Bild HD« kostet als Einzelausgabe 79 Cent und ist damit teurer als das Printprodukt. Für das Monats-Abo verlangt Springer 12,99 €, für drei Monate 34,99 €. Die Fachzeitung Horizont hat darüber hinaus heraus­ge­funden: »Um eine Kannibalisierung der kosten­pflich­tigen App durch die Gratis-Website zu vermeiden, wurde auf dem iPad der Zugang auf Bild​.de gesperrt.« Hört, hört!

Mir gefällt die 7-minü­tige Werbung von Dittsche für die BILD-App (siehe unten). PAGE meint, dass es der Kunstfigur von Olli Dittrich, »die der Gesellschaft so kritisch und genau aufs Maul schaut und durchaus meinungs­bil­dend ist«, mögli­cher­weise schade, wenn sie auf einmal »BILD dir deine Meinung« jubelt. Ich denke, das Filmchen schadet weder Dittsche, noch Bild … Ich habe die sechs Minuten genossen, denn nie zuvor wurde der Reiz einer digi­talen Zeitungsausgabe anschau­li­cher präsen­tiert. Dabei ist es mir egal, ob das am Beispiel BILD oder der FAZ geschieht, so lange Dittsche das macht.

In wenigen Minuten werden sich hier wieder die Ideologen und Demagogen zu Wort melden: Fühlt Euch herz­lich einge­laden, im Fontblog herrscht Meinungsfreiheit.


ARTE Creative: neues Web-TV-Format für Kreative

ARTE Creative ist ein inter­na­tio­nales, redak­tio­nell betreutes und inter­ak­tives Netzwerk für junge Künstler und Kulturproduzenten, das im Januar 2011 live gehen wird (vgl. die beglei­tende ARTE-Creative-Facebook-Seite. Eine Serie auf diesem Kanal heißt »From Sketch« und wird von der Zentrale Intelligenz Agentur betreut. Gegenüber Fontblog beschreibt sie ihre Aufgabe so: »In den jeweils ca. 5-minü­tigen Beiträgen dieses Formats möchten wir Protagonisten der Kunst- und Kulturszene portrai­tieren, indem wir sie bitten, ihren künst­le­ri­schen Ansatz auf einem Blatt Papier grafisch zu skiz­zieren und zu kommen­tieren. Eine Inspiration war für uns u. a. die Idee des Visual Thinking von Dan Roam: www​.theback​of​t​he​n​apkin​.com

Ausgangspunkt sei der Gedanke, dass sich jeder komplexe Zusammenhang und jedes Problem am besten mit einer einfa­chen Zeichnung visua­li­sieren lässt – “On the Back of a Napkin”, wie es ein Bestseller beschreibt. Nach diesem Modell bittet die Redaktion Künstler und Kreative unter­schied­li­cher Herkunft und Genres, ihre Arbeit, ihr Werk, ihr Geschäftsmodell auf einem Blatt Papier zu visua­li­sieren und zu erläu­tern. Diese Interviews und sich langsam aufbau­enden Zeichnungen bilden den Rahmen für das Format, das mit zusätz­li­chem Bildmaterial aus dem Schaffen des/der jewei­ligen Person unter­füt­tert und illus­triert wird.

Ein Video-Trailer soll die ersten Interessierten mobilisieren:


Bitte setzen! – ein Handsatz-Schriftmusterbuch

Nach über zwei Jahren ist es soweit: Band I der »Fliegenprobe«, eines der letzten hand­ge­setzten Schriftmuster, ist soeben in einer limi­tierten Auflage von 150 Stück erschienen.

Unter dem Appell »Bitte setzen!« star­tete die Designschule München in Zusammenarbeit mit der Handsatzwerkstatt Fliegenkopf im Sommer 2008 ein gewagtes Unternehmen: Ein Musterbuch der rund 170 verschie­denen Schriften der Werkstatt sollte entstehen. Was mit Studiernden begann, wurde bald auf weitere Schriftliebhaber ausge­dehnt. Viele entschlossen sich spontan, bei diesem außer­ge­wöhn­li­chen Projekt dabei zu sein und erwei­terten den Kreis der Mitarbeiter weit über die Designschule hinaus; annä­hernd 100 Nachwuchssetzer hatten am Ende mitgewirkt.

In den 20 Jahren seit Gründung der Handsatzwerkstatt Fliegenkopf hatten sich viele Schriften ange­sam­melt, auch unbe­kannte und namen­lose. Die betreu­enden Lehrkräfte, Oliver Linke und Michael Wörgötter recher­chierten akri­bisch die fehlenden Informationen zu den Schriften. Für die Muster wurden Texte aus den Bereichen Dadaismus und Konkrete Poesie sowie alte und verges­sene Wörter verwendet. So präsen­tiert das Schriftmusterbuch nicht nur die Schriften der Werkstatt mit Informationen zu ihrer Herkunft, sondern ist ganz nebenbei auch noch zu einer vergnüg­li­chen Lektüre geworden, die Literatur und Wortschatz der Bleisatz-Ära dokumentiert.

Das komplette Werk mit allen Schriften der Werkstatt wird im Frühjahr 2011 erscheinen und setzt sich aus folgenden Teilen zusammen:

  • Band I (122 Seiten, 35 x 25 cm) enthält die Bleischriften (89 Schriften).
  • Band II (ca. 100 Seiten, 35 x 25 cm) enthält die Plakatschriften (81 Schriften), wobei Schriften in Graden über 12 Cicero zusätz­lich auf 62 großen Schriftblättern (35 x 50 cm) abge­druckt wurden und in einer zusätz­li­chen Kassette erhält­lich sind.

Weitere Informationen …