Nichtlesen! (4): »Miezi's«
Long Dong Copy, der alte Text-Nerd, unterrichtet Chef-Praktikantin Eisi Verspeisi neuerdings im Werbetexten. Wie die Aufnahme aus Herrn Copys Texterschule zeigt, üben sie gerade fleißig. Der Schädel gehört übrigens zum wohldurchdachten Unterrichtsmaterial. Long Dong Copy demonstriert damit seinen Schülern, aus ungefähr welchem Körperteil Ideen für Headlines, Slogans und Claims im Idealfall kommen sollten.
Lerninhalt der heutigen Unterrichtsstunde ist das Thema »Länge«. Herr Copy erklärt der wissbegierigen Eisi, dass Headlines, Claims und Slogans möglichst lang sein müssen. Eisi wunderte sich zunächst darüber. Dachte sie doch, dass die Werbezeilen im Gegenteil in der Regel eher kurz ausfallen sollten. Aber mitnichten, klärte ihr Lehrer sie auf. Dieses Streben nach Kürze sei natürlich nichts anderes als unprofessioneller Mainstream, erklärte Long Dong Copy seiner Schülerin. Und wieder was gelernt.
Plötzlich wurden die beiden vom hektischen Tagesgeschäft der Werbeagentur Auweier Unhold & Partner unterbrochen; und zwar von der Email eines Kunden mit wenig erfreulichen Nachrichten. Der Kunde war nämlich gar nicht amüsiert über den Verlauf der aktuellen Kampagne. Letztere war gerade bundesweit auf Großflächen-Plakaten angelaufen – nur nicht ganz in der Form, wie vom Kunden freigegeben.
Zwar war der neue Claim ordnungsgemäß wie folgt ausgeführt: »Miezi’s Katzen Content – Happa Happa, Ersatzteile & Zubehör: alles für die Katz‘ von Miezi’s – die Marke mit dem Deppenapostroph!« (Übrigens sieht man schon an der Länge dieses Slogans sehr deutlich, aus wessen Feder er stammt.) So weit, so geplant.
Aber das Problem lag in der Ausgestaltung der Headline. Anstelle der ursprünglich freigegebenen Version prangte jetzt landauf, landab auf zig tausenden Großplakaten, Citylights und Megabannern die Headline:
»Long Dong hat’s mit Eisi gemacht!«
Diese Änderung hatte Long Dong Copy persönlich kurz vor Produktion der Kampagne und ohne Absprache mit dem Kunden eigenhändig vorgenommen. Warum? Ganz einfach aus Enttäuschung darüber, dass Eisi ihn schon wieder und zum 248. Mal hatte abblitzen lassen.
Nun, das ist verständlich. Aber leider hat die neue Headline ja nun gar keinen Bezug mehr zur Marke oder zum Produkt. Und dies war auch der Anlass der E-Mail, die der Marketing-Leiter von Miezi’s an die Agentur sandte und in der er sich wie folgt äußerte:
»Liebe Auweier Unhold & Partners, wir hätten aber schon gerne unsere Produkt-Werbung etwas mehr im Vordergrund gesehen bei der Kampagne, die uns 23 Mio. Euro kostet. Und auch eine unautorisierte, eigenmächtige Änderung entspricht eigentlich nicht unseren Erwartungen an eine Werbeagentur. Wir sind ein bisschen nicht ganz so glücklich mit der Aktion. Wie seht Ihr das? Herzliche Grüße, Miezi’s Marketing.«
Oha, das roch nach Ärger für die Agentur. Aber erstaunlicherweise ging die Sache glimpflich aus. Denn wenig später kippte die Stimmung unerwartet zugunsten von Auweier Unhold & Partner: Die »Long Dong hat’s mit Eisi gemacht!«-Kampagne wirkte nämlich bombe. Die Medien berichteten, alle hatten Spaß (und wussten bescheid), Miezi’s war in aller und nicht nur Katzen-Munde, Miezi’s Katzen Content Produkte verkauften sich wie geschnitten Brot und bei Auweier Unhold & Partner teilte man Wartemarken aus an die im Agentur-Stammcafé vorstelligen Unternehmen mit der dringenden Bitte, Neukunde werden zu dürfen.
Grabowski persönlich tingelt seitdem als gefragter Vortrags-Redner und, wie er sich selbst gerne nennt, »Excellent Speaker« durch die großen Konferenzhallen des Landes, wo er für teuer Geld über das, wie er das Publikum wiederholt wissen läßt, von ihm erfundene Konzept der »authentischen Werbung« referiert.
Einziger Wermutstropfen: Eisi läßt Long Dong immer noch nicht ran, bzw. jetzt sogar erst recht nicht, wie sie sagt!
P.S.: Schwanger?
Obwohl Eisi Verspeisi den zutiefst darbenden Long Dong Copy seit dieser Geschichte also erst recht nicht mehr ranlässt, fühlt sie sich nicht wohl in letzter Zeit, während der sie täglich mehrmals an den Plakaten mit der Aufschrift »Long Dong hat’s mit Eisi gemacht!« vorbeiläuft.
Sicherheitshalber kauft sie sich einen Schwangerschaftstest – und zwar den neu entwickelten Schwangerschaftstest von Google. Der zeigt nämlich nicht nur an, ob man schwanger ist, sondern auch von wem!
Text: © Michael Bukowski 2010, lektuere-fuer-nichtleser.de
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Farbe des Jahres 2011: Heckenkirsche
Wie jedes Jahr hat Pantone, der Branchenführer in Sachen Farbwissenschaft und -technologie, die Farbe des Jahres gekürt. Sie heißt Pantone 18-2120 oder auch »Honeysuckle« (Heckenkirsche, Geißblatt) und ist ein dynamischer, belebender Rotton. Die Wahl hatte sich schon anlässlich der New Yorker Fashionweek im September angekündigt, wo Honeysuckle eine von 10 Trendfarben war (vgl. Pantone-Presse-PDF).
Während die Farbe des Jahres 2010, Türkis, für viele Zuflucht symbolisierte, ermutige Honeysuckle dazu, »den alltäglichen Herausforderungen mit Schwung und Elan entgegenzutreten« heißt es in der Pressemitteilung von Pantone. Das dynamische Rot-Pink baue auf und hebe die Stimmung. Es symbolisiere Selbstvertrauen und Courage, um den anstrengenden Herausforderungen des Alltags entgegenzutreten.
Diplomanden der FH Mainz im Gutenberg-Museum
Vom 15. bis 19. Dezember präsentieren 38 Diplomanden der Studiengänge Kommunikations- und Mediendesign der Fachhochschule Mainz ihre Abschlussarbeiten im Gutenberg-Museum. So vielfältig wie die Interessen der jungen Mediendesignerinnen und -designer sind die von ihnen gewählten Darstellungsformen: Bücher, Zeitschriften, Comics, Kommunikationskampagnen, interaktive und Multimedia-Anwendungen und viele experimentelle Arbeiten. Ebenso abwechslungsreich sind die Themen, die gestalterische, gesellschaftliche, kulturelle, politische und kommerzielle Aspekte umfassen. Presserundgang: 15. 12. 2010, 18 Uhr. Vernissage: 15.12.2010, 19 Uhr. Weitere Informationen …
Axel Springer sperrt www.bild.de für iPad-Leser
Mit dem Erscheinen der BILD-App hat der Verlag Axel Springer gestern das eigene Online-Angebot unter www.bild.de für iPad-Nutzer gesperrt. Stattdessen leitet der Safari-Browser den Besucher auf die Werbeseite bildgehtapp.bild.de weiter (Abbildung oben). Ein weiterer Fingertip führt direkt in den App Store zur 79 Cent teuren iPad-App. Mit dem Apple iPhone lässt sich die mobile Bild-Website jedoch wie gewohnt mit dem Safari nutzen.
Um die Bild-Website wie gewohnt auf dem iPad zu nutzen, empfiehlt das Computer-Magazin Chip den alternativen Browser Mercury Web Browser Lite (kostenlos). Dieser erlaubt in den Einstellungen die Manipulation der User-ID, indem man bei »Identify Browser as« zum Beispiel Opera, Firefox oder einen anderen Browser eingibt, der bei Axel-Springer als Nicht-iPad-Browser identifiziert wird.
Neues Logo für Tourismusregion Stuttgart gesucht
Das liest sich gut: »Werbe- und Designagenturen sind aufgerufen, sich zur Teilnahme am Wettbewerb für die Entwicklung einer touristischen ›Wort-Bild-Marke‹ der Region Stuttgart zu bewerben. Nachfolgend aufgeführte Kriterien bilden die Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb:
- professionell arbeitende Werber und Gestalter
- Referenzen über Corporate-Design-Projekte
- Auszeichnungsliste (Awards ) der letzten 2 Jahre
Die aussagefähige Bewerbung ist ausschließlich per Mail mit Nachweis oben genannter Kriterien (Anhang als pdf- Datei) bis spätestens Montag, 24. Januar 2011 an nachfolgende Kontaktadresse zu senden: Frau Annett Wirth, logo@stuttgart-tourist.de«
In der Jury sitzen übrigens unter anderem Judith M. Grieshaber, Prof. Niklaus Troxler, Markus Merz, Thomas Rempen und Jochen Rädeker. Und ich dachte schon, dass niemand mehr im Land einen fairen, professionellen Wettbewerb ausschreiben könne. Ich freue mich schon jetzt auf ein professionelles Ergebnis, das ich natürlich hier vorstellen werden. Weitere Informationen …
So wirbt Dittsche für die neue BILD-App
Nachdem gestern die Berliner Morgenpost für das iPad als App erschienen war, schickt Axel Springer heute die BILD-App fürs iPad ins Rennen – nach 8 Monaten Entwicklungsarbeit. Die App bietet deutlich mehr als die bisher erhältliche E-Paper-Variante des Boulevard-Blatts. Sie nutzt die Stärken des multimedialen Apple-Tablets, indem sie die Welten Print, Online und Mobile miteinander verknüpft.
Beim ersten Kontakt orientiert sich BILD HD am gedruckten Objekt, da die gelernte Struktur aus der Zeitung übernommen wird und die Anwendung ein in sich geschlossenes Produkt darstellt. Im Hintergrund werden darüber hinaus die aktuellen Inhalte von Bild.de eingespeist. Um die Applikation in Zukunft tagtäglich zu bestücken, hat Springer ein eigenes Produktionstool entwickelt, das sich Technologien aus der Gaming-Branche bedient. Damit sollen neue Darstellungsformen für Nachrichten entwickelt werden.
Nach dem erstmaligen Laden bietet die BILD-App eine Schnelleinführung in ihre Navigation an (links), danach hat der Leser die Auswahl zwischen iPad-Version (Mitte) und dem PDF der Printausgabe; die rechte Abbildung zeigt die Ansicht aktuellen Meldungen, eingespeist aus bild.de
»Bild HD« kostet als Einzelausgabe 79 Cent und ist damit teurer als das Printprodukt. Für das Monats-Abo verlangt Springer 12,99 €, für drei Monate 34,99 €. Die Fachzeitung Horizont hat darüber hinaus herausgefunden: »Um eine Kannibalisierung der kostenpflichtigen App durch die Gratis-Website zu vermeiden, wurde auf dem iPad der Zugang auf Bild.de gesperrt.« Hört, hört!
Mir gefällt die 7-minütige Werbung von Dittsche für die BILD-App (siehe unten). PAGE meint, dass es der Kunstfigur von Olli Dittrich, »die der Gesellschaft so kritisch und genau aufs Maul schaut und durchaus meinungsbildend ist«, möglicherweise schade, wenn sie auf einmal »BILD dir deine Meinung« jubelt. Ich denke, das Filmchen schadet weder Dittsche, noch Bild … Ich habe die sechs Minuten genossen, denn nie zuvor wurde der Reiz einer digitalen Zeitungsausgabe anschaulicher präsentiert. Dabei ist es mir egal, ob das am Beispiel BILD oder der FAZ geschieht, so lange Dittsche das macht.
In wenigen Minuten werden sich hier wieder die Ideologen und Demagogen zu Wort melden: Fühlt Euch herzlich eingeladen, im Fontblog herrscht Meinungsfreiheit.
ARTE Creative: neues Web-TV-Format für Kreative
ARTE Creative ist ein internationales, redaktionell betreutes und interaktives Netzwerk für junge Künstler und Kulturproduzenten, das im Januar 2011 live gehen wird (vgl. die begleitende ARTE-Creative-Facebook-Seite. Eine Serie auf diesem Kanal heißt »From Sketch« und wird von der Zentrale Intelligenz Agentur betreut. Gegenüber Fontblog beschreibt sie ihre Aufgabe so: »In den jeweils ca. 5-minütigen Beiträgen dieses Formats möchten wir Protagonisten der Kunst- und Kulturszene portraitieren, indem wir sie bitten, ihren künstlerischen Ansatz auf einem Blatt Papier grafisch zu skizzieren und zu kommentieren. Eine Inspiration war für uns u. a. die Idee des Visual Thinking von Dan Roam: www.thebackofthenapkin.com.«
Ausgangspunkt sei der Gedanke, dass sich jeder komplexe Zusammenhang und jedes Problem am besten mit einer einfachen Zeichnung visualisieren lässt – “On the Back of a Napkin”, wie es ein Bestseller beschreibt. Nach diesem Modell bittet die Redaktion Künstler und Kreative unterschiedlicher Herkunft und Genres, ihre Arbeit, ihr Werk, ihr Geschäftsmodell auf einem Blatt Papier zu visualisieren und zu erläutern. Diese Interviews und sich langsam aufbauenden Zeichnungen bilden den Rahmen für das Format, das mit zusätzlichem Bildmaterial aus dem Schaffen des/der jeweiligen Person unterfüttert und illustriert wird.
Ein Video-Trailer soll die ersten Interessierten mobilisieren:
Bitte setzen! – ein Handsatz-Schriftmusterbuch
Nach über zwei Jahren ist es soweit: Band I der »Fliegenprobe«, eines der letzten handgesetzten Schriftmuster, ist soeben in einer limitierten Auflage von 150 Stück erschienen.
Unter dem Appell »Bitte setzen!« startete die Designschule München in Zusammenarbeit mit der Handsatzwerkstatt Fliegenkopf im Sommer 2008 ein gewagtes Unternehmen: Ein Musterbuch der rund 170 verschiedenen Schriften der Werkstatt sollte entstehen. Was mit Studiernden begann, wurde bald auf weitere Schriftliebhaber ausgedehnt. Viele entschlossen sich spontan, bei diesem außergewöhnlichen Projekt dabei zu sein und erweiterten den Kreis der Mitarbeiter weit über die Designschule hinaus; annähernd 100 Nachwuchssetzer hatten am Ende mitgewirkt.
In den 20 Jahren seit Gründung der Handsatzwerkstatt Fliegenkopf hatten sich viele Schriften angesammelt, auch unbekannte und namenlose. Die betreuenden Lehrkräfte, Oliver Linke und Michael Wörgötter recherchierten akribisch die fehlenden Informationen zu den Schriften. Für die Muster wurden Texte aus den Bereichen Dadaismus und Konkrete Poesie sowie alte und vergessene Wörter verwendet. So präsentiert das Schriftmusterbuch nicht nur die Schriften der Werkstatt mit Informationen zu ihrer Herkunft, sondern ist ganz nebenbei auch noch zu einer vergnüglichen Lektüre geworden, die Literatur und Wortschatz der Bleisatz-Ära dokumentiert.
Das komplette Werk mit allen Schriften der Werkstatt wird im Frühjahr 2011 erscheinen und setzt sich aus folgenden Teilen zusammen:
- Band I (122 Seiten, 35 x 25 cm) enthält die Bleischriften (89 Schriften).
- Band II (ca. 100 Seiten, 35 x 25 cm) enthält die Plakatschriften (81 Schriften), wobei Schriften in Graden über 12 Cicero zusätzlich auf 62 großen Schriftblättern (35 x 50 cm) abgedruckt wurden und in einer zusätzlichen Kassette erhältlich sind.