PdW 51: Whomp, der Lettering-Zauberkasten
Immer Dienstags, das Produkt der Woche (PdW) bei FontShop, ausgesucht und preisreduziert. Heute: das OpenType-Scriptsystem Whomp, entworfen und programmiert von Alejandro Paul (Sudtipos), für 75 € statt 99 €.
Der amerikanische Schilder- und Werbemalers Alf R. Becker stand Pate bei der Entwicklung von Whomp. Seine Berufslaufbahn startete 1932 mit der Gestaltung einer Reihe von Alphabeten, die im christlichen Magazin »Signs of the Times« eingesetzt wurden. Im Durchschnitt entstand auf diese Art ein Entwurf pro Monat. Als Becker 100 solcher Schreibschriften ausgearbeitet hatte, veröffentlichte er diese in einem Buch, das Kult wurde unter den Schildermalern der USA. Doch erst in den späten 1990er seiner Entwürfe wiederentdeckt und teils digitalisiert.
Becker war in erster Linie Kalligraf und Schildermaler. Seine Werke waren – typografisch gesehen – meist unvollständig, aber voller Variationen und Inspirationen. Dies trifft auch auf die Vorlage von Whomp zu, eine Handvoll Wörter aus einer Headline. Der auf Schreibschriften spezialisierte Alejandro Paul baute daraus eine komplette Schreibschrift, wobei er die OpenType-Technik geschickt nutzt, um den digitalen Formen mit vielen Varianten Leben einzuhauchen. So entstanden über 100 Buchstabenalternativen, ungezählte Ligaturen und jede Menge schwungvoller Buchstabenendungen im Stil von Alf R. Becker. Es mag zur Whomp die eine oder andere Script-Alternative auf dem Markt geben, aber keine ist so lebendig und individuell.
»Ale« Paul unterrichtet Grafikdesign und Typografie an der Universität in Buenos Aires. Er wurde mehrfach für seinen Schriften ausgezeichnet.
Weitere Informationen, Schriftmuster und Anregungen in der 10-seitigen Whomp-Broschüre (PDF, 1,9 MB), aus der auch die Abbildungen stammen.
Ein Blütenlogo für die UEFA EURO 2012
In Kiew wurden vor wenigen Minuten das offizielle Signet, das Corporate Design und der Slogan für die Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine vorgestellt. Die beiden Gastgeber wollen »Zusammen Geschichte schreiben«, so das Motto des Turniers. Höhepunkt der Zeremonie war die Enthüllung des Logos vom Präsidenten des Polnischen Fußballverbands, Grzegorz Lato, seinem ukrainischen Amtskollegen Grigoriy Surkis und UEFA-Präsident Michel Platini.
In der offiziellen Verlautbarung der Veranstalters UEFA heißt es: »Mit dem Logo möchte man der UEFA EURO 2012™ eine eigene Persönlichkeit geben. Die visuelle Identität wird sich auch auf Promo-Artikeln, den Eintrittskarten und Internet-Bannern wiederfinden. Ziel ist es, das Turnier – welches zu den größten Sportereignissen der Welt zählt – weiter zu vermarkten und es mit einem Wiedererkennungswert zu versehen.«
Bei der Konzipierung des Logos wurde darauf geachtet, dass die Gastgeber darin fest verankert sind und so orientierte man sich am »wycinanka«, einer traditionellen Art Schnittbilder aus Papier herzustellen, wie es vor allem in den ländlichen Gegenden in Polen und der Ukraine geschieht. Damit soll auch die Tier- und Pflanzenwelt der Region gewürdigt werden. Das Logo besteht aus zwei Blüten, die jeweils eine Gastgebernation repräsentieren, und einem Ball in zentraler Position zur Verdeutlichung der Emotion und der Leidenschaft, die der Wettbewerb mit sich bringt. Der Stiel kennzeichnet den strukturellen Aspekt des Turniers, also die UEFA und den europäischen Fußball. Die Natur diente auch als Inspiration für weitere Eigenschaften des CI, so steht grün für die Waldgebiete, gelb für die Sonne, blau für das Wasser und den Himmel.
Das 2-minütige UEFA-Video »The Brand Story« verrät mehr über die Typografie, Farbgebung und das Zusammenspiel der Formen im Corporate Design der Fußball EM 2012:
Das Motto der Europameisterschaft lautet »Zusammen Geschichte schreiben«. Die Austragung der UEFA-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hat einen Eintrag in den Geschichtsbüchern sicher, weil noch nie zuvor ein Turnier in Zentral- und Osteuropa durchgeführt wurde.
Wie Top-Designer die Nuller ehren
Vielleicht sitzt der ein oder andere Kollege noch am Layout einer Neujahrskarte oder plant einen digitalen Gruß … das aktuelle New-York-Magazin hält einige Anregungen bereit. Mathematisch endet das erste Jahrzehnt zwar erst am 31. 12. 2010, aber die »Nuller Jahre« – also die 10 Jahre von 2000 bis 2009 – laufen tatsächlich in 20 Tagen aus. Zu diesem Anlass hat New York prominente »Imagemaker« dazu eingeladen, das Ende von Doppelnull visuell zu inszenieren. Unter den Teilnehmern sind die TYPO-Sprecher David Carson und Marian Bantjes, sowie Fellow Designers, Jonathan Gray, Mario Hugo, Studio 8, Matt Owens und Alex Trochut. Besonders aufwendig: das Holzmodell von St. John (Abb. oben links). Ein Diashow aller Motive …
(via CR)
Last-Minute-Weihnachtstipps [Update]
Ab heute jeden Tag 2 bis 3 schnelle Design-Geschenktipps für Weihnachten. Nicht nur FontShop-Produkte – ganz im Gegenteil. Doch damit die Kaufanreize die Fontblog-Berichterstattung nicht allzu sehr stören: Nur auf Twitter …
[Update: Schon 5 echte Geschenkgeheimtipps veröffentlicht, alle nicht im Laden erhältlich … Gmund-Papeterie, Pacifico-Kalender, Typo-Zollstock, Museumsbuchstaben, Designer-Bewerber-Ratgeber, …)
Suhrkamp Frankfurter Reihe
»Frankfurt trauert um Suhrkamp. Dieser Tage zieht der Verlag nach Berlin. Die Hauptsstadt soll ihn wieder nach vorne führen, das wünschen ihm sicher alle Frankfurter.
Aus der Frankfurter ›Trauer‹ wurde eine Idee geboren, durch die man weiterhin mit der Stadt verbunden bleiben könnte: die Frankfurter Reihe. Autoren und Themen der Mainmetropole würden den Inhalt bestimmen, dazu bereits vorhandene Titel aus der Backlist und Neuerscheinungen.
Und die Fleckhaus’sche Reihe Bibliothek Suhrkamp würde Pate dafür stehen. Kaum verändert, nur der Balken bliebe stets rot auf weiß = Stadtfarben!
Darf man so mit Legenden umgehen?
Kurzerhand habe ich Fleckhaus’ Tochter, Nelly Fleckhaus kontaktiert. Sie war begeistert. Nur die Witwe, wie sie in Frankfurt genannt wird, ist dagegen. Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin …
Bevor es in der Schublade verschwindet, geht es kurzerhand online nach Berlin zu Fontblog.
Herzliche vorweihnachtliche Grüße aus Frankfurt«
Neu auf fontblog.wpengine.com (2)
Experten empfehlen. Im iTunes-Store heißen sie Playlists, die Lieblingssongs der Stars. FontShops Promicharts heißen Schriftkoffer der Experten. Lesen Sie, was Lukas Kircher (KircherBurkhardt) unter Charakter versteht, warum Fedra Alexander Bartels (Heye & Partner) große Liebe ist und wen Dirk Bartos (BartosKersten) mit auf die einsame Insel nehmen würde.
Neuer Hersteller Büro Dunst. Christoph Dunst wurde 1979 in Berlin geboren. Nach einer Ausbildung bei der Agentur Wir-Design in Braunschweig zog er nach Den Haag, um Schriftdesign zu studieren. Seit 2009 lebt und arbeitet er wieder in Berlin, wo er gerade seine bemerkenswerte Großfamilie Novel veröffentlichte (nominiert für den Designpreis 2010 der Bundesrepublik).
FF Masala von Xavier Dupré. Die neuste Schrift von Xavier Dupré ist ein raffiniertes Lettering-Paket, basierend auf einer »pinseligen« Sans (Regular, Bold, Black) mit 3 kalligrafischen Kursiven. Sie schlagen die Brücke zur schwungvollen Masala Script, ebenfalls in Regular, Bold und Black. Mit dieser Ausstattung ist FF Masala ein einzigartiges Editorial- und Packaging-Script-Paket.
Die ersten digitalen Bezahlzeitungen [Update]
Heute morgen brachte der Axel-Springer-Verlag als erster deutscher Zeitungsverlag zwei seiner Objekte digital und mit Bezahlkonzept ins Netz: BILD und WELT (Kompakt) für das iPhone. Das BILD-Leseprogramm (App-Store-Link) zum Empfangen der Inhalte kostet zur Zeit 0,79 €, der WELT-MOBIL-Reader 1,59 € (App-Store-Link). Beide Programme stellen die Tageszeitung wahlweise interaktiv oder als PDF dar, letzteres ab 22:00 Uhr des Vortrages. Das Abonnement der täglichen Inhalte ist für die kommenden 30 Tage kostenlos. Die BILD kostet danach ohne PDF 1,59 € für 30 Tage, inklusive Vorab-PDF schlägt das Monatsabo mit 3,99 € zu Buche; das WELT-Abo kostet 2,99 € (ohne PDF) bzw. 4,99 (inkl. PDF).
Beide Zeitungskonzepte basieren auf dem gleichen Player, der 5 Ansichten im Schnellzugriff bereit stellt. Bei der BILD-Zeitung sind das die Startseite, der für das iPhone optimierte interaktive iView-Modus, das PDF (16 Seiten), das Mitmachprotal Leserreporter und die erweiterte Menü-Auswahl. Hinter letzterem verbergen sich auch – für das iPhone optimierte – Darstellungsformen, die mancher Nutzer vielleicht auch peinlich findet, zum Beispiel ein BILD-Girl, dem man die Kleidung wegschütteln kann.
WELT MOBIL stellt als PDF die 32-seitige Welt Kompakt dar, statt der Leserreporter gibt es eine Suche. Im erweiterten Menü finden sich über 20 zusätzliche Angebote, u. a. ein Wecker, der direkte Zugang zu den Welt-Tweets, ein 18:00-Uhr-Quiz, das Fernsehprogramm, Wetter und vieles mehr. Hübsch gemacht ist die iWelt, ein virtueller Globus, den man per Fingerzeig rotiert. Alle Orte zu denen die WELT aktuelle Nachrichten bereit hält, sind mit roten Punkten markiert. Klickt man darauf, erscheint ein Pop-up-Fenster mit der Headline des jeweiligen Artikels und einem passenden Bild, ein weiterer Klick führt zur ausführlichen Meldung.
Beide Applikationen bedienen sich, nach Zustimung des User, der iPhone-Dienste Push-Benchrichtigung (für Eilmeldungen) und der Ortsbestimmung (für lokale Nachrichten und das Wetter). Die PDFs lassen sich mittels Vergrößerung (einmal Tippen oder Auseinanderziehen) überraschend gut durchforsten, was bei der BILD-Zeitung an den kompakten Meldungen liegt und bei Welt Kompakt am nativen Kleinformat.
Beide Angebote seien, so der Axel-Springer-Verlag, der Versuch, sich über eine langfristige Investition gegen die »Gratiskultur« im Internet zu stellen. Die Verleger hätten zehn Jahre zugeschaut, wie sich kostenfreie Angebote im Internet breit machen, teilte Axel-Springer-Vorstandsvorsitzender Dr. Mathias Döpfner in einer Pressenotiz mit. Es zeige sich, dass möglicherweise die Online-Werbung nicht ausreiche, um Qualitätsjournalismus im Netz zu finanzieren.
Nicht zuletzt ist der iPhone-Vorstoß auch das Ergebnis einer neuen IT-Philosphie des Berliner Großverlags, der im vergangenen Jahr zum Apple-Großabnehmer wurde. Döpfner begründete diesen Schritt in einer Video-Botschaft an die Mitarbeiter unter anderem mit dem Ziel, neben dem technischen auch »den kulturellen Wandel im Unternehmen zu beschleunigen« (Fontblog berichtete: Axel Springer verappelt den gesamten Konzern).
Vor einigen Monaten hat ein Apple-Fanblogger bei Axel Springer recherchiert und erfahren, mit welcher Neugier der Konzern die neue Technik integriert und für seine Produkte in Erwägung zieht. Einen Zusammenschnitt seiner Recherche habe ich eben auf YouTube gefunden:
[Update: Bei diesem Beitrag scheint es sich nicht um ein Fanblog-Video zu handeln, sondern einen Apple-PR-Beitrag, … wie ein Leser herausgefunden hat.]
Der neue grafische Auftritt des Deutschen Bundestags
Der Deutsche Bundestag hatte bis zuletzt kein übergreifend einheitliches Erscheinungsbild. Nach einer deutschlandweiten Ausschreibung wurde das Stuttgarter Büro Uebele mit der Entwicklung einer visuellen Identität betraut. Der Wettbewerb stellte zunächst die Frage, ob der direkt gewählte Souverän der Republik überhaupt ein »Logo« brauche. Die Antwort war »Jein«, denn er hat bereits ein Signet mit hohem Bekanntheitsgrad, das allerdings über Jahre ohne einheitliche Spielregeln verwendet wurde.
Signet: Der dreidimensionale Adler, 1953 entworfen vom Kölner Künstler Ludwig Gies, hält durch formale Abstraktion auf sympathische Weise die Balance zwischen hoheitlicher Distanz und einer naturalistischen Darstellung. Und weil jeder Mitarbeiter und jedes Mitglied der Institution dieses Zeichen mit Stolz trägt oder verwendet, spricht alles dafür, diese ikonografisch eindeutige Marke zu behalten. So wurde das Wappentier von Uebele lediglich für die zweidimensionale Benutzung überarbeitet, die jedoch eng am Giesschen Adler angelehnt ist. Der neue Adler wurde – für die Kleindarstellung – einfacher gestaltet. Das Gefieder ist auf eine Lage reduziert und die Binnenlinien sind dicker gezeichnet, um den drucktechnischen und Hinterlicht-Anwendungen gerecht zu werden. Die Schnabelendung ist durch einen kleineren Radius freundlich gezeichnet. Alle Teile der Figur weisen ähnliche Radien und Formenmerkmale auf.
Der Bundestagsadler vorher (Strichzeichnung) und nachher
Farbe: Die Farben der neuen visuellen Identität sind schwarz, weiß, silber und grau. Sie entsprechen dem hoheitlichen und seriösen Auftritt. Das Farbklima ist auch die Folge einer grafischen Konsequenz, denn die Form des Bundestagsadlers verträgt sich nur schwer mit Farbe, weil sie ihre souveräne und selbstverständliche Kraft aus dem eingeführten Symbol schöpft. Grautöne ergänzen die Palette zu einem ruhigen, ausdrucksstarken Klang.
Schrift: Der kräftigen Bildmarke mit den vielen Radien steht eine feine, aber strenge und klar konstruierte Schrift gegenüber: die serifenbetonte Melior, 1952 entworfen von Hermann Zapf. Ihre Rundungen sind eine Zwischenform von Kreis und Rechteck und ermöglichen so eine bandartige Wirkung der Wortbilder, die das Auge beim Lesen unterstützt. Für digitale Anwendungen wie Internet und E-Mail wird als Ersatz die Systemschrift Georgia eingesetzt.
Design: Nach einer deutschlandweiten Ausschreibung wurde das Büro Uebele Visuelle Kommunikation aus Stuttgart, sowie sieben andere Teilnehmer, zu einem Wettbewerb für das Erscheinungsbild des deutschen Bundestags eingeladen. In dem mehrstufigen Verfahren erhielten nach der ersten Präsentation noch drei Büros die Chance zu einer zweiten Präsentation vor dem Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert. Die mit fünf Grafikdesignern kompetent besetzte Jury entschied sich einstimmig für den Entwurf von Büro Uebele.
(Abbildungen und Text basieren auf einer Pressemitteilung von Büro Uebele, Stuttgart; Bundesadler © Prof. Ludwig Gies/Überarbeitung Büro Uebele).