Auf den Spuren Gutenbergs
Der britische Autor, Schauspieler (Ein Fisch namens Wanda, Walküre) und Regisseur Stephen Fry hat für die BBC eine wunderbare 60-minütige Dokumentation über die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern gedreht. Das Ziel von Frys Recherche-Reise durch Europa ist das Drucken einer Gutenberg-Bibelseite mit den Werkzeugen von damals. Sie wurde letzte Woche in England ausgestrahlt, auf YouTube ist sie nun in 6 Teilen zu betrachten. Unbedingt ansehen. Im 4. Teil zeigt Fry, wie eine Type Foundry vor 500 Jahren arbeitete.
Danke an Erik Spiekermann für den Hinweis. Der Aufenthalt in San Francisco bekommt ihm gut: Er hat wieder Zeit zum Bloggen. Lest Eriks Geschichte über die älteren Damen mit Einkaufstaschen, die plötzlich an Straßenecken in der Stadt verschwinden.
Qwitter: Rauchen abgewöhnen mit Twitter
Das ist so einfach wie genial: Man ersetzt ein altes Laster durch ein neues, oder?! Warum nicht, wenn es der Gesundheit dient. Quitter ist eine Service, der Raucher mittels sozialem Networking von ihrer Sucht befreien möchte. Kein Instrument ist dafür besser geeignet als das Mikroblogging-Tool Twitter. Probanden begeben sich von der ersten Sekunde an in die öffentliche Obhut ihrer »Verfolger« (Sozialkontrolle), sie werden rund um die Uhr betreut und abgelenkt und ihre Hände haben ständig Beschäftigung. Wenn Quitter nicht gemeinnützig wäre, ich würde sofort Q-Aktien kaufen. (via)
Gastkommentar: Meirés Arch, Starcks Quarck oder …
… Bekenntnis zum brutalstmöglichen Blödsinn. von Alex Branczyk
Kann mal jemand den Mike schütteln? Ist Design das Gegenteil von Aufrichtigkeit? Design hat selten eine andere Aufgabe, als die Dringlichkeit zu gestalten. Alles andere nenne man wie man will, bloß nicht Design. Ich nehme an, dass MM da etwas verwechselt: Wenn er in Arch+ »Schluss mit Design« schreibt, dann kann ich ihm nur entgegen rufen: Schluss mit Stuss!
Anscheinend ist selbstgerechtes Geschwätz jetzt en vougue. Neulich erst drückte sich Philippe Starck ähnliches raus … »Alles, was ich gestaltet habe, ist absolut unnötig.«
Bei MM ist das Gelaber allumfassend: »Von triebgesteuerten Überzeugungstätern, Nerds und Pornografie«; hier als PDF (250 K). Er redet, was ihm gerade so einfällt. Einige Sachen sind ganz richtig (»Der Biedermeier hat tausend Möglichkeiten, sich zu tarnen«), andere ganz falsch (»Der schwarze Balken oben auf der Seite stellt ein radikales Moment dar«), manches denkt er sich halt so (»Die Futura besitzt eine Reinheit … das sieht man z. B. am kleingeschriebenen a«). Das meiste jedoch ist widerlich frisiertes Marketinggeschwätz in eigener Sache – wie toll die Typen von Arch+ sind, die »so viel Idealismus und einen großen wichtigen Teil ihrer Lebenszeit dafür einbringen«.
MM redet zeitgeistiges Zeug (»Was ich wieder einfordere, ist Absichtslosigkeit«) und verkauft sein Publikum für blöde: »Weißraum wird von mündigen Lesern als Design-Geste gelesen … jetzt ist mal Schluss mit Design« (abwertend gemeint). Seine Erkenntnis hindert MM jedoch nicht, seine Aufmacher halbseitig schick weiss zu lassen. Und kess eine schräggestellte Zeile hineinzudesignen. Wer sich dieses »brutale Bekenntnis zum Inhalt« anschauen will: blättern Sie im neuen Heft …
»Brutales Bekenntnis zum Inhalt«
Schon weil das Publikum Architekten sind, die momentan ja offensichtlich lieber Überraschungseier designen und über mangelnde chinesische Steinqualitäten lamentieren (Kollhoff), anstatt vernünftige Stadträume ( »Grauwerte?«) zu gestalten, kann ich Mike Meiré nicht verstehen … wo ist da die Haltung?
In einem Radikalitäts-defizitären Deutschland ohne Design-Avantgarde ist Mike Meiré seit Jahren der oberste Non-Avantgardist. Er wurde für sein Visual Leadership ja des öfteren ausgezeichnet – konsequenterweise! Auf eine fröhliche gestalterische Revolution der frühen 1990er Jahre folgte die Konterrevolution der Rückwärts-Napoleons mit ihren wohlfeilen Phrasen.
Es ist eben einfacher, auf versuchende Gestalter einzudreschen, als selbst den Versuch einer Gestaltung zu wagen. Und es ist brutal einfach, modernistisches Retrozeug abzuliefern (vergleiche Arch+ 109/110 von 1991 mit Otl Aichers Statement »Die Gestalt liegt in der Sache«) und sich hernach die Sache mit passenden Aicher-Zitaten schönzureden.
»Es geht nicht darum, Grauwerte zu strukturieren, sondern Dringlichkeit zu gestalten«
Wann allein sehen denn die brandeins, die form oder die Arch+ gut aus? Doch nur, wenn die Gala und der Focus neben ihnen liegen. Die deutschen Architektur- und Designhefte messen sich am Boulevard. Nicht an der jeweiligen Kultur! Da nützt es MM nichts, wenn er mögliche Gegenargumente gleich umgepolt mitliefert: »Das Problem ist, dass die Leute zu wenig wagen«.
Es sind ja nicht die Leute, die zu wenig wagen – es sind die lautstarken Retrokaiser unter uns Designern! Die eine bornierte (eingeschränkte) Auffassung von Design haben (»Ich arbeite in der Regel mit drei, vier Schrifttypen, darunter die Helvetica oder die Futura als Grotesk«). Und darauf noch stolz sind: (»Ich bin kein klassischer Typograf«).
»Weißraum wird von mündigen Lesern als Design-Geste gelesen«
Hier hat Sagmeister recht: dass Deutschland das einzige Land sei, in dem die Studenten interessantere Arbeiten machen, als die Profis. Jedenfalls als diese Sorte Profis!
Es ist doch so, lieber Mike Meiré: »Wir leben in einer Kulturgesellschaft und wir machen diese Kultur. Diejenigen, die sich nicht bewusst einbringen, werden letztlich Opfer ihrer eigenen Untätigkeit.«
Schluss mit Design?
Nein – fang doch erst mal damit an!
»… drei, vier Schrifttypen, darunter die Helvetica oder die Futura als Grotesk«
(Alle Abbildungen aus Arch+ No. 186/187)
Erfolgreiches Helvetica-Film-Event in Wiesbaden
Thilo von Debschitz schreibt mir heute: »Gestern hatten wir einen spannenden Abend hier in Wiesbaden: Dr. Walter Greisner (Jahrgang 1928, ehem. Vorstandsvorsitzender der D. Stempel AG und Wegbereiter der Helvetica vom Bleisatz über den Fotosatz in die digitale Welt), Prof. Werner Schneider (Typedesigner, u. a. Vialog, Satero) und Bertram Schmidt-Friderichs (Drucker, Typgraf, Verleger Hermann Schmidt Mainz) diskutierten leidenschaftlich und kontrovers über Wohl und Wehe der Helvetica, den Wursthaken des Arial-Eszetts, Lieblingslettern (1, R, æ) und essenzielle Aspekte zur Lesbarkeit von Schriften. Aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet waren dreihundert Interessierte zusammengekommen und amüsierten sich prächtig darüber, wie die Schriftgelehrten ihre Einschätzungen austauschten. Der historische Spiegelsaal des Walhalla Theaters war überfüllt, so dass wir im gleichen Gebäude noch ein kleines Kino dazumieten mussten, um allen Gästen im Anschluss an das Gespräch den Film ›Helvetica‹ zeigen zu können. Im Bild: Greisner, Schmidt-Friderichs, von Debschitz und Schneider.«
Geht RWE jetzt vorweg oder voran?
Das Corporate Identity Portal meldet: »Der RWE-Konzern gestaltet seinen Markenauftritt neu. Der Vorstand hat das neue Logo ›VoRWEg gehen‹ heute während der Hauptversammlung in Essen vorgestellt. VoRWEg gehen steht für die Neuausrichtung des Konzerns: RWE denkt und geht voraus – RWE übernimmt Verantwortung – RWE ist innovativ.«
Innovativ scheint auch die Benutzung des Adverbs »vorweg«. Man kennt es aus dem (meist negativen) Kontext bevor etwas anderes geschieht: etwas v. klären, um es gleich v. zu sagen, das kann ich v. nicht beantworten. Der Duden kennt jedoch auch die Bedeutung jmdm., einer Sache ein Stck voraus, zum Beispiel: vorweg marschieren. Gleichwohl geht mir ein »voran gehen« leichter über die Zunge als ein »vorweg gehen«. Claim-Spielereien mit Eigennamen führen nur selten zu überzeugenden Ergebnissen, wie wir jüngst bei den neuen Slogans von 4 europäischen Metropolen feststellen konnten.
Neue Schmidt-Mainz-Seite online
Natürlich sehe ich den neuen Webshop des Verlag Hermann Schmidt Mainz mit gemischten Gefühlen. Schmidt ist der wichtigste Buchverlag für FontShop … da sieht man es als Handelspartner nicht gerne, wenn dieser seine Produkte direkt an die Leserschaft verkauft. Der stationäre Handel wird ähnlich denken. Das wär’s dann auch zu diesem Thema, zu dem ich bis heute noch nie ein Statement von den Schmidts gehört oder gelesen habe.
Ehre wem Ehre gebührt: Die neue Seite fühlt sich toll an. Ich gratuliere neidlos zum neuen Online-Auftritt: Karin und Bertram, sowie den Programmierern von mediaman. Die Suche ist superflott, die Präsentation der Bücher sehr elegant. Auch der Warenkorb hat funktioniert. Der visuellen Flash-Buchnavigation (mutig) wünsche ich etwas mehr Speed; beim zweiten Aufruf ging’s schon etwas schneller, vielleicht weil die Abbildungen gecasht waren. Der Hinweis, dass Bestellungen ab 25 € versandkostenfrei sind, ist in den AGBs versteckt. Ein Glück, dass FontShop Schmidt-Bücher bereits ab dem ersten Cent versandkostenfrei zustellt.
18. Deutsche Fußball-WM der Kunst- und Filmhochschulen
Unter dem Motto »Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär« findet pünktlich zum Start der EM, vom 6. 6. – 8. 6. 2008, zum 18. Mal die sagenumwobene Fußballweltmeisterschaft der Kunst- und Filmhochschulen (oder Medienhochschulen oder was auch immer) statt. Diesjähriger Austräger ist das »Team Hansawelle« der Hochschule für Künste Bremen.
Wenn ihr also an einer Kunsthochschule oder einer artverwandten Schule studiert und eine Fußballteam habt, meldet euch bis zum 18. Mai an! Es gibt nur Platz für 16 Teams! Informationen zum Turnier und Teams gibts auf www.kunstrasen08.de.
100 Beste Band 11: FF Meta OT
Bereits letzte Woche erschien Band 11 der von FontShop ins Leben gerufenen 100 Beste Schriften Edition: FF Meta OT, die erste FontFont-Familie unserer Edition (Bestellseite für Neuabonnenten und Einzelkäufer). Auf der CD befinden sich 4 Meta-OpenType-Schnitte, die 24 (!) Meta-Type-1-Schnitten entsprechen, denn 1 OT-Font = 6 Type-1-Fonts (z. B. Meta Book OT = Meta Book, Book LF, Book Exp, Book Caps, Book Caps LF, Book Caps Exp).
Der Klappentext skizziert die Entstehungsgeschichte der Meta: »Ende 1984 entwickelt das Berliner Büro Sedley Place Design neue Drucksachen für die Bundespost. Als man Hunderte von Post-Drucksachen gesichtet hat, die mit echten und falschen ›Helveticas‹ produziert waren, lautete der Ratschlag für Europas größtem Arbeitgeber (500.000 Angestellte): eine Exklusivschrift muss her, eine zweckmäßige Type, belastbar, ökonomisch und unverwechselbar. Doch woher nehmen, wenn nicht neu entwerfen?
Erik Spiekermann übersetzt die Anforderungen für die neue Schrift: robuste Zeichen, unterscheidbar, schmal-laufend, technisch aktuell und allseits verfügbar. Das Ergebnis ist die serifenlose Linear-Antiqua ›PT 55‹, die bald in den Schnitten Regular, Italic und Bold mit Ikarus digitalisiert wird, so dass sie theoretisch binnen weniger Wochen auf alle Satzmaschinen verfügbar sein kann.
Nach langen Diskussionen entscheidet sich die Post 1986 für die Beibehaltung ihrer ›Helveticas‹ als Hausschrift. Zurück an ›Start‹ und neu lesen …
1991 wird ›PT‹ mit dem Programm Ikarus M auf einen Macintosh fertiggestellt und beim neu gegründeten FontFont-Schriftenlabel als FF Meta veröffentlicht.«
Das Paket für die 100 Beste Edition enthält, wie oben bereits erwähnt, »nur« 4 FF-Meta-Grundschnitte für den Text- und Headlinesatz: Book, Book Italic, Bold und Bold Italic … doch die haben es in sich. Wie viele OpenType-Schriften der FontFont-Bibliothek bieten sie einen großen Zeichenvorrat (zum Beispiel Kapitälchen in allen 4 OT-Fonts) und warten mit sog. OpenType-Features auf. Das sind typografische Funktionen, die man in Programmen wie Adobe InDesign komfortabel »schalten« kann, zum Beispiel: Ligaturen, Tabellenziffern, Hoch- & Tiefstellen, Glyphen-Variante und mehr. Schließlich enthalten alle 4 FF-Meta-OT-Fonts Pfeile, Bullets und Checkboxen. Ein typografisches Schatzkästchen für OpenType-Profis und -Einsteiger.
Siehe auch: www.100besteschriften.de