Fontblog Artikel im Januar 2009

Brauchen wir eine Designkammer?

Cottbus hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Erneut wurden Kommunikationsdesigner an der Nase herum­ge­führt … so wie man es sich bei Architekten, Ingenieuren oder Anwälten nie erlauben würde. Diesen Berufsständen ist eines gemein: Sie haben eine Kammer im Rücken, also eine berufs­stän­di­sche Körperschaft, die öffent­lich-recht­lich orga­ni­siert ist und Aufgaben der berufs­stän­di­schen Selbstverwaltung wahr­nimmt. Solche Kammern sind die Interessenvertretung ihrer Mitglieder. Wikipedia ergänzt dazu: »Auch besitzen sie Satzungsgewalt, welche perso­nell auf ihre Mitglieder und sach­lich auf ihren Aufgabenkreis beschränkt ist. Der Staat hat die Aufsicht (Staatsaufsicht) über die Kammer. Weit über­wie­gend besteht Zwangsmitgliedschaft. … Kammern vergeben Berufszulassungen und können diese bei Fehlverhalten auch wieder entziehen und Strafen erteilen. Sie nehmen Einfluss auf Ausbildung und Prüfungsrichtlinien.«

Johannes Erler (Factor Design, Hamburg) sympa­thi­siert mit der Idee einer Designkammer: »Manchmal muss man etwas auch ganz neu andenken, um der Idee einen Schub zu geben. Also: Verbände vereinen, eine Kammer gründen, etwas Neues machen. Ich bin mir fast sicher, dass sich an der momen­tanen, unbe­frie­di­genden Situation sonst nichts ändern wird. Die exis­tie­renden Verbände haben es in zwanzig Berufsjahren nicht geschafft, mich zu überzeugen.«

Der nächste Schritt?


Ist Cottbus noch zu helfen?


Liebe Leser,
es ist das erste Mal in der Geschichte des Fontblog, dass ich einen älteren Beitrag noch mal hervor­kramen möchte (Ivo ließ mir keine Ruhe »Da muss man doch was machen!«). Am 23 September 2008 schrieb ich unter der Überschrift Cottbus sucht Wort-/Bildmarke: »Diese Ausschreibung dürfte nur etwas für Designer mit dickem Fell sein. Alle Weichen scheinen bereits gestellt: das Markenprofil von Cottbus ist zwischen Energie und Fürst Pückler ange­sie­delt. Jetzt muss ein passendes Markenzeichen her, … Die Wunschliste ist nicht gerade bescheiden, wie in einem PDF nach­zu­lesen ist. Als Preissumme winken 8000 €.«

Die Kommentare schwankten zwischen »Provinzposse…« und »Mensch, nun seid doch nicht gleich von vorn­herein so negativ.« (Oliver Adam) bis »…nur nicht aufgeben, mitma­chen!«. In unre­gel­mä­ßigen Abständen berich­teten Andi (ab Kommentar # 60), Vroni, ml, edgalf und sm über den Fortgang der Ausschreibung und den Entscheidungen. Heute schreibt sm frus­triert, dass es keine öffent­liche Präsentation geben wird und »Ich sage Euch das war das ERSTE und LETZTE MAL, dass ich bei so einem Sch.. mitge­macht habe.« Schade.


»5 Uhr T«: neue typografische Vortragsreihe in Frankfurt

Unter dem Motto »5 Uhr T« finden an der Academy of Visual Arts (AVA) in Frankfurt am Main im Januar und Februar 2009 drei Vorträge zu den verschie­denen Facetten der Typografie statt. Die Veranstaltung richtet sich auch an alle Interessierten außer­halb der AVA und zeigt damit, dass die Akademie ein Treffpunkt zum Austausch über Typografie ist.

Initiiert wurde die Veranstaltungsreihe von Peter Reichard (Typosition) aus Offenbach, der an der AVA als Lehrbeauftragter für Typografie tätig ist. Den Startschuss macht am 21. Januar die Veranstaltung mit Lars Harmsen vom Slanted Magazin, gefolgt vom Vortrag »Schriftwechsel« von Prof. Ralf de Jong am 27. Januar. Am 18. Februar berichtet der Typedesigner Dan Reynolds über die Entstehung einer Schrift.

Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 17 Uhr in der Aula der Academy of Visual Arts, Ostparkstraße 47–49 in Frankfurt am Main. Weitere Informationen: http://​bit​.ly/​9​g84 (dies ist eine verkürzte URL, wie ich sie vorhin in meinem Twitter-Beitrag verwendet habe, dessen Länge auf 140 Zeichen begrenzt ist).


Songsmith, der PowerPoint-Killer?

Microsoft hat eine Rückwärts-Karaoke-Musiksoftware entwi­ckelt. Songsmith (dt: Liedschmied) fügt einem gesun­genen Text mit wenigen Mausklicks die Begleitung hinzu­fügt. Kinderleicht zu bedienen. Und anste­ckend … auch für die betei­ligte Werbeagentur. Gestern Abend dachte ich noch: Folter. Heute kann ich mich nicht mehr satt sehen, an dem Video.

Es ist nicht der erste miss­lun­gene Werbespot in den zurück­lie­genden Monaten aus Redmond. Ein ehema­liger Weltmarktführer hat komplett die Bodenhaftung verloren. Es scheint in dem Unternehmen keine Finanz- und Geschmackskontrolle mehr zu geben. Eine völlig bene­belte Werbeagentur erlaubt sich Kardinalfehler (ein tele­genes, mit Prilblümchen getarntes MacBook Pro spielt die Hauptrolle in dem Clip) und Seitenhiebe auf die haus­ei­gene Cash-cow-Applikation PowerPoint. Die Entwicklungsleiter von Songsmith, Dan Morris und Sumit Basu, können später nicht behaupten, sie seien von alledem über­rascht: beide spielen Hauptrollen in dem Clip »Everyone has a song inside«.


Neue FontShop-Microsite www​.euro​pa​schriften​.de

[Diese Meldung habe ich bereits vor 2 Tagen, um 12:43 Uhr gezwit­schert. Weitere Tipps und Kleinmeldungen erschienen gestern und vorges­tern nur dort. Werdet Fontblog-Twitter-Follower!]

Europa ist in aller Munde, in Moment mit uner­freu­li­chen Themen: Gaskonflikt, Finanzstabilität, Reglementierung. Lassen wir uns davon nicht anste­cken! Europa braucht Geduld. Auf den Gebieten Kommunikationsdesign und der Dokumentverarbeitung trägt unser Durchhaltevermögen endlich Früchte. Das OpenType-Schriftformat mit seiner Unicode-Unterstützung sorgt für typo­gra­fi­sches und multi­l­in­guales Wohlbefinden.

FontShop und FSI FontShop International haben sich in den vergan­genen 12 Monaten intensiv dem Thema Europaschriften gewidmet. Die neu einge­rich­tete Webseite www​.euro​pa​schriften​.de bündelt die inzwi­schen erschie­nenen Informationen, zum Beispiel unsere Europa-Kartenanamorphote »Jenseits von ASCII« und das Faltblatt »Schreiben Sie europäisch«.

Auch wenn Designer nur selten mit Office-Schriften gestalten, müssen sie über das Angebot Bescheid wissen. Nur so können sie das Aussehen der Korrespondenz ihrer Corporate-Design-Kunden mitbe­stimmen. Es gibt nämlich keinen Grund mehr, den typo­gra­fi­schen Auftritt von Rechnungen, Korrespondenzen und Bedienungsanleitungen dem Zufall bzw. Arial & Co zu überlassen.

Zu www​.euro​pa​schriften​.de …


Infografik-Video: wie Open Street Map 2008 wuchs

Open Street Map Itoworld

Itoworld ist eine briti­sches Designbüro, gegründet von Peter Miller und Hal Bertram, das auf die Visualisierung geogra­fi­scher Daten spezia­li­siert ist. Für seine Arbeit nutzen die beiden Grafiker über­wie­gend die Daten von OpenStreetMap, ein 2005 gegrün­detes Projekt mit dem Ziel, eine freie Weltkarte zu erschaffen. OpenStreetMap sammelt mittels Wiki-Logistik welt­weit Daten über Straßen, Eisenbahnen, Flüsse, Wälder, Häuser und alles andere, was gemeinhin auf Karten zu sehen ist.

Rund 20.000 User haben das Projekt im vergan­genen Jahr einen großen Schritt voran gebracht. Dies verdeut­licht Itoworld mit einer Animation, die ich unten einge­bettet habe. Auf der Flickr-Seite von Itoworld kann man hoch­auf­ge­löste Infografik-Standbilder zur Entwicklung von OpenStraatMap bewun­dern. Hier habe ich auch die Aufmacherabbildung gefunden, die Einträge in Zentraleuropa aus den letzten beiden Monaten 2008 visualisiert.

OSM 2008: A Year of Edits from ItoWorld on Vimeo.


Lesen wir heute anders als vor 10 Jahren?

Ein FontShop-Kunde aus dem Verlagsbereich konfron­tiert mich heute mit einer kniff­ligen Frage, die mich ratlos macht. Ich weiß nicht mal, wer in solchen Fällen allum­fas­send weiter­helfen kann. Wahrscheinlich Kommunikationsdesigner …

»Meines Erachtens lesen Erwachsene heute anders als vor 10 Jahren. Man will Informationen in klei­neren Häppchen aufbe­reitet, man will mittels Strukturinformationen sofort sehen, was wichtig für einen ist. Ich würde mir hier gerne profes­sio­nellen Rat holen, viel­leicht einen Fachvortrag für meine Redaktion zum Thema ›Wie lesen Erwachsene heute?‹ buchen. Das ist m. E. ein Fachgebiet der Informationsarchitektur und nicht der Typografie:
• Wie können komplexe Informationen aufge­teilt, aufbe­reitet und ange­ordnet werden?
• Wie liest der Erwachsene des 21. Jahrhunderts?
• Welche Rolle spielen grafi­sche Aufbereitungen, z. B. Netz- oder Flussdiagramme?
• Gibt es proto­ty­pi­sche Informationsaufbereitungen, die man an Nutzern testen kann?
• Welche Lesebiografie bringt der Erwachsene des 21. Jahrhunderts mit, wo muss man ihn abholen?
• Was sind gelernte Signale für gute Informationsaufbereitung?
• Wie müssen Texte geschrieben sein, damit man sie gut erlesen kann (nicht gram­ma­ti­ka­lisch gemeint, sondern textsyntaktisch)?«

Wer kann uns weiterhelfen?


Die Geschichte des Internets in 8 Minuten

[Diese Meldung erschien bereits vor 20 Minuten auf http://​twitter​.com/​F​o​n​t​b​log, andere erschienen nur dort. Werdet Fontblog-Twitter-Follower!]

Der türki­sche Designer Melih Bilgil schloss am 2. Dezember 2008 sein Studium an der FH Mainz mit der Motiongraphics-Animation »History of the Internet« ab. In 8 Minuten erläu­tert der Film 50 Jahre welt­weites Networking. Für die Grafiken setzte Bilgil seinen eigenen Piktogrammsatz Picol ein (picto­rial commu­ni­ca­tion language). Hier der komplette Zeichenvorrat. Einige Icons stehen zum kosten­losen Herunterlad’ bereit.

Und noch was: »I’m now looking for a job. Possible start on January, the 12th.« Da würde ich als Arbeitgeber nicht lange warten.