Fontblog Artikel im August 2009

Ikea-Katalog 2010: Verdana ersetzt Futura

Der neue Ikea-Katalog wird gerade in Europa ausge­lie­fert. In den USA ist er bereits in den meisten Haushalten ange­kommen. Und von dort schwappen nun die ersten Horrormeldung via Twitter über den Teich: Der Hauptkatalog 2010 ist komplett in der Allerweltsschrift Verdana gesetzt. Drei typi­sche Kommentare: Web-Fonts sehen gedruckt bescheuert aus, Ihr habt meinen Respekt als Designer verloren, typo­gra­fi­sche Identitätskrise.

Damit verab­schiedet sich das Möbelhaus in dieser Saison von der lange verwen­deten Futura. Warum haben die schwe­di­schen Kataloggestalter das getan? Sicher nicht zur Verbesserung der Lesbarkeit: Schon seit Jahren wünsche ich mir eine Serifenschrift fürs Kleingedruckte. Um den gedruckten Auftritt mit dem Internet-Auftritt in Einklang zu bringen? Möglicherweise. Mehr Profil gewinnen: Eher nicht.

Ich glaube … doch das wird die Schweden so nicht zugeben: Verdana ist billig, Verdana ist massen­taug­lich, Verdana ist zeit­gemäß. Sind das nicht die Markenwerte von Ikea?


Face to Face: Frankreich/Deutschland

face2face_2009

Frankreich ist das Partnerland der neunten Konferenz für Wirtschaft und Design, Face to Face (F2F9). Das inter­na­tio­nale Treffen von Designexperten und ihren Auftraggebern aus Industrie, Handel und Dienstleistungsbranchen findet statt vom 12. bis 14. November in Ludwigsburg statt. Partner auf fran­zö­si­scher Seite ist der Designerverband AFD, Alliance Française des Designers.

Der Veranstalter hat jetzt das Programm vorge­stellt. Knapp 50 Experten aus Frankreich und Deutschland, Spanien und Großbritannien werden mit Präsentationen aus unter­schied­li­chen Disziplinen aufwarten. »In diesem Jahr wird das Kommunikationsdesign wieder eine deut­lich stär­kere Rolle spielen,« sagt Henning Horn, Initiator und Gründer von Face to Face e. V., »damit folgen wir dem Wunsch vieler Konferenzteilnehmer.« Die Beiträge kommen zu glei­chen Teilen aus Frankreich und Deutschland.

Weitere Informationen und Anmeldung …


Happy Birthday: 20 Jahre Beowolf

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Vor 20 Jahren program­mierten Erik van Blokland und Just van Rossum in Berlin die legen­däre Schriftfamilie Beowolf, bestehend aus 3 Schnitten. Der »sprin­gende Punkt« von Beowolf basierte auf einem PostScript-Type-3-Algorithmus. Die Programmiersprache stellte nämlich eine Zufallsfunktion bereit, mit deren Hilfe es möglich wurde, die Bézier-Stützpunkte der Buchstaben in defi­nier­baren quadra­ti­schen »Gummizellen« beliebig driften zu lassen – je größer die Zelle, umso drama­ti­scher der Zufallseffekt in den Lettern. Auf diese Art entstanden drei Beowolf-Fonts mit zuneh­menden Random-Graden: Beowolf R21, R22 und R23.

Schon die Nummerierung – ange­lehnt an die Univers-Nomenklatur von Linotype – lässt ahnen: Beowolf war großer Zauber und ein Riesenspaß, die »reine Magie« (HD Schellnack). Das beweist auch die oben repro­du­zierte Anzeige aus dem Jahr 1990, die anläss­lich der TYPO 90 im Emigre-Magazin erschien. Sie zitiert auf blas­phe­mi­sche Art eine Auftaktseite des berühmten Manuale Tipografico von Giambattista Bodoni, erschienen 1818. Just und Erik griffen das bis heute im Corporate Design von FontShop fest veran­kerte Prinzip des vertikal geteilten Formprinzips auf, und gestal­teten die Bodoni-Seite links klas­sisch (aber negativ), rechts rando­mi­siert. Großes typo­gra­fi­sches Kino, ein Klassiker, an den ich mich gerne erinnere.

Was 1989 noch niemand ahnte: Beowolf wurde die Initialzündung für die größte Bibliothek zeit­ge­nös­si­scher Schriften, der FontFont-Library, gegründet 1990. Und weil sich diese Bibliothek ihrem Erbe verpflichtet fühlt, erfreut sich FF Beowolf bester Gesundheit. Die Familie wurde vor 2 Jahren ins zukunfts­träch­tige OpenType-Format trans­fe­riert, von ihren Original-Schöpfern, mit glei­cher Raffinesse und uner­reichtem Charme: Beowolf OT kommt (Fontblog-Ankündigung vom Januar 2007).

Hier geht’s zur FF Beowolf OT im neuen FontShop …


Solide: neuer Webauftritt Deutscher Bundestag

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Bundestagspräsident Lammert präsen­tierte heute Vormittag den neuen Internetauftritt des Deutschen Bundestages. Im Mittelpunkt des Angebots www​.bundestag​.de stehen jetzt bewegte Bilder. Debatten und Ausschusssitzungen mit Hintergrundinformationen werden live über­tragen. Das Parlament möchte sich in Zukunft den Bürgerinnen und Bürger über­sicht­lich und täglich aktuell präsentieren.

Die letzte Überarbeitung fand vor 5 Jahren statt. Ein Grund für die »Investition von rund 300.000 €« war die Anpassung des Webauftritts an das neue Corporate Design des Bundestages: neue Wort-Bild-Marke, über­ar­bei­teter Adler, redu­zierte Farbgebung (über­wie­gend schwarz-weiß-grau), Signalfarbe Orange, die Schrift Melior bzw. Georgia für html-Texte. Der Relaunch-Auftrag ging nach einer sechs­mo­na­tigen Ausschreibung im Frühjahr an die Düsseldorfer Agentur Babiel, die den Web-Auftritt des Bundestages bereits seit 2004 betreut.

Die Navigation wurde komplett reno­viert. Die Datenbanken des Bundestages sind für das Fachpublikum nun besser erreichbar. Informationen für Besucher, Presse, Kunst- und Geschichtsinteressierte sind in Rubriken für Zielgruppen schnell abrufbar. Die aktu­ellen Online-Petitionen sind direkt auf der Startseite sichtbar. Von dort aus können Bürger online öffent­liche Petitionen mitzeichnen oder sie in Foren diskutieren.

Die neue Internetseite erklärt die viel­schich­tigen Arbeitsebenen des Parlaments und erläu­tert diese mit Grafiken, Bildern und Beispielen. Wie sieht die Sitzungswoche eines Volksvertreters aus? Wie viel Geld steht ihm für sein Mandat zu? Welche Auskunftspflichten hat er? Die Onlineredaktion wird noch in der Wahlnacht vom 27. September alle biogra­fi­schen Angaben der neuen Mitglieder des Bundestages in der 17. Wahlperiode aktualisieren.


CDU: Die Kraft der Helvetica

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Was ist denn bei der CDU los. Vor 4 Jahren verlieh ich ihr im Fontblog den Titel Siegerin der TYPO-Herzen. Das amtliche typo­gra­fi­sche Endergebnis der Bundestagswahl 2005 war ein Scherzbeitrag, jedoch mit durchaus realem Hintergrund: Wenn die deut­schen Parteien betonen möchten, dass sie ein klares Profil haben, dann sollte sich das im Wahlkampf durch eine unver­wech­sel­bare Hausschrift ausdrücken.

Die CDU hat mit FF Kievit (oben rechts) eine prägende Schrift. Dass sie nun bei der ersten Plakatwelle zum Wahlkampf 2009 darauf verzichtet und die weit verbrei­tete Helvetica (oben links) einsetzt – gegen die ich nichts habe –, sagt mir als visuell aufmerk­samer Mensch: Die CDU verschlampt ihr Profil.

Fontblog-Leser Gregor Dschung machte mich noch darauf aufmerksam, dass das Verhalten der häufig vorkom­menden kriti­schen Buchstabenkombination FT (KRAFT, WIRTSCHAFT, VERNUNFT, …) nicht durch eine Ligatur gelöst sondern dem Zufall über­lassen werde: alle CDU-Plakate der ersten Welle auf einen Blick.


Gentechnik-Logo … jetzt aber richtig!

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Reprofähige Version (PDF, 1,8 MB; Herstellung: carrois​.com):  auf das Logo klicken …

Wenn wir uns im Fontblog über Logos streiten, geht es entweder um das inhalt­liche Konzept oder die Gestaltungsqualität. Das war gestern anders, beim neuen Kennzeichen für Lebensmittel ohne Gentechnik, vorge­stellt vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die Ausführung der down­load­baren Datei geriet in die Kritik. Was das Ministerium als druck­fä­hige Version bezeichnet, ist eine mise­rabel ausge­führte Reinzeichnung, noch dazu als minder­wer­tige Pixelgrafik abge­legt. Schon bald gab es Verbesserungsvorschläge in den Kommentaren … plus formale Kritik, aber da wollen wir uns mal nicht einmischen.

Seit heute Abend liegt uns eine profes­sio­nell digi­ta­li­sierte Version des Logos vor (oben), wie sie eigent­lich das Ministerium hätte anbieten sollen. Sie stammt aus dem Hause du Carrois, das sind Ralph und Jenny du Carrois, zwei Spitzendesigner, deren Biografie hier nach­zu­lesen ist. Wer Ralph noch nicht über seine Schrift Maurea kannte, wird spätes­tens durch Erik Spiekermanns letzte Schrift Axel auf seinen Namen gestoßen sein. Doch Ralph du Carrois digi­ta­li­sierte nicht nur Axel, sondern auch die Corporate Fonts von Gravis, Kia und die neuen Piktogramme der über­ar­bei­teten heute-Nachrichten fürs ZDF.

Nachfolgend beschreibt Ralph seine rund 2-stün­dige Fontlab-Arbeit am Gentechnik-Logo in allen Details, worum ich ihn ausdrück­lich bat. Fontblog wird nicht nur von Designexperten gelesen, denen die Fehler einer schlechten Digitalisierung sofort ins Auge springen, sondern auch von Laien, die mögli­cher­weise Design beauf­tragen, einkaufen oder vertreiben … wie zum Beispiel Bundesministerien. Ihnen widmen wir diesen Beitrag, nicht ohne zunächst das Original-Logo (links) und die Überarbeitung (rechts) gegen­über zu stellen (Vergrößerung auf Mausklick):

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The Making of Ohne-Gentechnik-Logo-Reinzeichnung, von Ralph du Carrois

Ich habe mir gestern das PDF geladen und war erschüt­tert über die Qualität der Vektoren. Das ist Datenmüll, besten­falls eine Skizze, auf der man aufbauen kann. Der Rhombus und seine Konturen sind nicht vertretbar: Stützpunkte an den Extrema fehlen schlicht, Tangenten kommen hakig aus den Geraden, das ganze Ding ist nicht symme­trisch, in keiner Achse.

Für einen erfah­renen Grafiker oder Typedesigner ist es ein leichtes den, nennen wir ihn Entwurf, zu einen offi­zi­ellen Zeichen zu machen. Dabei geht es gar nicht um inhalt­liche Themen, wie adidas-Ähnlichkeit, lega­lize it, Hanf, MixedCase-T oder Corporate S mal leicht gesperrt, mal eng gesetzt. Es geht schlicht um die hand­werk­liche Qualität des Produkts.

Geht man einen Schritt weiter, fällt bei der verwen­deten Schrift auf, dass sie nicht glück­lich gewählt wurde. Die Corporate S verschließt sich sehr und ist für Kleinstanwendungen einfach nicht gemacht. Doch auch hier muss man nicht gleich mit dem Prügel drauf­hauen und eine super opti­mierte Type für sehr kleine Low-quality-prints auswählen. Man kann, mit etwas Feingefühl, viel verbessern:

  • h wird so breit wie n
  • die Schwüngchen am n-Stamm werden entfernt, da sie in den meisten Anwendungen mehr stören als helfen werden
  • e wird unten leicht geöffnet. Die Intarsie wird minimal an den Bogenausgängen der Basis nur über die BCPs vergrößert
  • G wird oben eben­falls leicht geöffnet und der sehr tiefe Querstrich etwas angehoben
  • T ist zu schmal und wenn es breiter wird, zu weit vom e entfernt. So wie es nun nun gelöst ist, passt es besser und bleibt trotzdem ein Störer. Zumindest in unseren latei­ni­schen Augen. Kyrillische Augen sind dieses Zeichen gewöhnt, wenn auch nicht in Verbindung mit dem kleinen latei­ni­schen n ;)
  • Weiter geht es mit den c, das in der Corporate S sehr verschlossen ist und nun auch wenig zum weiter geöff­neten e und G passen mag. Der rechte Teil wird verbrei­tert, die Enden geöffnet und angeschrägt
  • Jetzt kann das h etwas näher an das c. So gewinnen wir Platz zurück, den wir vorher für das T verschwendet haben
  • Der i-Punkt wird etwas größer
  • Zuletzt der Zusammenschluss am k: das ist nicht notwendig, passt aber in meinen Augen viel besser zur Gesamtanmutung und spart Platz, der für T und c benö­tigt wurde

Das Laub-Symbol war zu detail­reich. Das Blattwerk ist nun formal einfa­cher und durch den größeren Abstand der Blätter und das weniger spitze Mittelblatt weiter weg von adidas und Hanf, und zusätz­lich besser in kleinen Anwendungen. Ausserdem piekst es nicht so von unten in den Text. Der Stamm ist dicker. Der war bei der Ausgangsversion zu dünn für die wich­tigsten Anwendungen. Das Blatt wurde auch etwas größer.

Der Rhombus ist nun achsen­sym­me­trisch und seine Ecken sauber, mit allen nötigen Punkten und optisch an die Strichstärke des Rahmens ange­passt. Die seit­li­chen Ecken sind nume­risch etwas dicker als die obere und untere Ecke. Optisch sehen sie so harmo­ni­scher aus.

Fertig.


Icon-Typing, Movicons & Co.

The mini revo­lu­tion mime-attachment-1 of icon design mime-attachment-2 goesmime-attachmentand on …

Funktionieren leider nicht mehr in Apple Mail, aber sonst überall. Mehr dazu auf www​.icon​-font​.net oder www​.movicons​.com.


PdW 33: Metroscript, der schwungvolle Headline-Baukasten

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Metroscript von Michael Doret ist eine Script-Famlie, bestehend aus 2 Fonts, die im Packaging, bei der Logo-Gestaltung sowie in der Headline-Typografie maxi­male Flexibilität liefert, um maßge­schnei­derte Schriftzüge und Wortmarken zu setzen. Sie ist schwung­voll und elegant, dabei stets fröh­lich und variabel. Metroscript wird oft als »Baseball-« oder »Sport-Script« bezeichnet, doch sie eignet sich für weit mehr Einsatzgebiete. Einen Überblick über die vielen Sonderzeichen, Swashes, Ligaturen und Akzente gibt dieses Metroscript-PDF des Entwerfers.

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