Fontblog Artikel im August 2009

Wie die neue Unit-Slab-Schriftfamilie entstand

Achtung, dies ist nur ein raffi­niertes Unit-Slab-Schriftmuster im Schablonen-Look (klicken zum Vergrößern), entworfen von Alexander Roth bei FSI, … tatsäch­lich ist eine echte Unit Slab Stencil weder lieferbar, noch entworfen

Gestern erschien die neue Spiekermann/Schwartz/Sowersby-Schriftfamilie FF Unit Slab im FontShop. Zur schnellen Orientierung stelle ich einfach mal die Frage: Wie ist sie einzu­ordnen? Ihre Entwerfer formu­lieren die Verwandtschaft so: »Wenn FF Unit die große Schwester von FF Meta ist, dann sind Unit Slab und Meta Serif Großcousinen.« Während Meta Serif die splee­nigen Windungen des Sans-Originals aufgreift, sind die Endstriche der Unit Slab kraft­voll und selbst­be­wusst ange­legt. Das stabile, nüch­terne Auftreten der Grundform ruft nach einem massiven Serifenmodell. Zum Teil erin­nert das Ergebnis an Schreibmaschinentypen der 50er und 60er Jahre, speziell jene Formen, deren linke Serifenhälfte aus Platzmangel ampu­tiert wurde.

Ihre Vorpremiere feierte Unit Slab bereits im Frühjahr 2009, als Hausschrift des frisch gegrün­deten Designunternehmens Edenspiekermann (Startseite, mit Unit Slab im Einsatz). Doch die Entwicklung der Schriftfamilie begann bereits vor mehr als 2 Jahren.

Als Erik Spiekermann und Christian Schwartz mit dem Entwurf von Meta Serif begannen, spielten sie bereits mit Ideen für eine Unit Slab, die entweder parallel oder kurz nach der Veröffentlichung von Meta Serif begonnen werden sollte. Weil FF Meta und FF Unit so viele Gemeinsamkeiten haben, lag es nämlich nahe, die beiden Serif-Versionen der Basisschriften so anzu­legen, das sie sowohl mit der einen als auch der anderen Sans harmo­nieren könnten.

Meta, die starke huma­nis­ti­sche Züge aufweist, musste zu einer tradi­tio­nellen Antiqua führen, während Unit die perfekte Ausgangsbasis für eine Egyptienne (Slab Serif) in sich trägt, zumal das i und das j mit ihren Halbserifen bereits die Anlagen in sich trugen. Mit diesem Background machten sich Kris Sowersby und Christian Schwartz daran, die ersten Serif-Testwörter für beide Schriftsippen parallel auszu­ar­beiten. Unit Slab war bereits halb­fertig, als Meta Serif im November 2007 herauskam. Dann begann die Feinarbeit.

Der folgende Protokollausschnitt vermit­telt eine Vorstellung des Abstimmungsprozesses zur kursive Version der Unit Slab:

1. Sogar das f scheint bei dieser Strichstärke etwas zu ›schwer‹ am Kopf.
2. Bogenform: siehe Sans Italic.
3. Größerer Winkel bei Thin, Black, Ultra oder weniger bei Regular. Ich bevor­zuge Black & Ultra, glaube aber, dass sie etwas extrem sind. Lass sie etwas über­hängen und verrin­gere den Winkel an diesem Zeichen – oder mach etwas, was für dich am besten aussieht.
4. Etwas weicher und am Ende ein biss­chen mehr hoch­ziehen. Ich möchte den Winkel eher auf dieser Seite der Innenform spüren.
5. Schau Dir die Alternates in den .vfb-Dateien an und wende es auf alle Strichstärken an. Und: Wenn du in der Roman keinen Schnabel hast, warum in der Italic?
6. Siehe Sans Italic.
7. Den Bogen etwas tiefer? Siehe Sans Italic.

Und so sehen die Testwörter heute aus, gesetzt aus Unit Slab Light Italic und Unit Slab Regular Italic (klicken zum Vergrößern):

Die Arbeit an Unit-Slab dauerte schließ­lich fast 3 Jahre, nicht zuletzt, weil sie – neben ihren 7 Strichstärken (Thin, Light, Regular, Medium, Bold, Black, Ultra) plus 7 Kursive plus 7 Small Caps – zu einem exqui­siten OpenType-Familie ausge­baut wurde, mit breiter Sprachunterstützung (OT Pro) und Features wie: Ligaturen, histo­ri­sche Formen, Kapitälchen, Kapitälchen aus Versalien, kontext­be­dingte Varianten, Versalspationierung, Versalziffern, Proportionalziffern, Tabellenziffern, Brüche, Zähler, Nenner, Ordnungszahlen, wissen­schaft­liche Tiefstellung, Hochstellung, Tiefstellung sowie einem Dutzend stilis­ti­scher Varianten.

Das gesamte Leistungsspektrum der Schrift sowie ihre Entstehungsgeschichte, dazu unge­zählte Schriftmuster und Hintergrundinfos liefert das von FSI konzi­pierte und gestal­tete 28-seitige Schriftmuster-PDF FF Unit Slab (PDF, 28 S, 4,5 MB).

Die Korrekturen und Diskussionen über das Aussehen der Schrift sind auf 4 Seiten doku­men­tiert. Eine Doppelseite widmet sich ausführ­lich den Kombinationsmöglichkeiten von Unit Slab mit der Meta- und der Unit-Sippe. Fazit: Unit Slab wirkt über­zeu­gend stark in Headlines (Präsentationen, Corporate Design, Editorial, Packaging, …) und eignet sich bestens als Auszeichnungsschrift in Texten gesetzt aus FF Meta, FF Unit und sogar FF Meta Serif (hier zum Beispiel als kontrast­reiche, robuste Kursive). Auf weiteren 3 Seiten kommen die OpenType-Features der Schrift zur Sprache, darge­stellt mit anschau­li­chen Beispielen. Den Abschluss der Broschüre bilden Informationen über den Sprachausbau, von Afrikaans bis Yiddish.

Die Flexibilität der FF Unit Slab drückt sich auch in der Vielfalt der Produkte im FontShop aus: 21 Pakete bieten sich an, schon heute – fast maßge­schnei­dert – typo­gra­fi­sche Kommunikationsaufgaben zu lösen. Einzelschnitte gibt es ab 46,– €. Zur FF Unit Slab im FontShop …


Bücher frisch ausgepackt (2): ADC Buch 2009

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Heute ist das letzte ADC-Jahrbuch erschienen. Perfekt gedruckt, solide gebunden und blind­ge­prägt vereint es das Beste aus der deut­schen Werbung, Design, Marketing, Editorial und Co. Löst sich der ADC auf? Ist ›The End of Print‹ (David Carson, 1995) Realität geworden? Weder noch.

Die Medienwelt hat sich geän­dert. Verlegerische Dickschiffe haben keinen ruhigen Hafen mehr inmitten einer Informationsflut, die nach belieben ihre Orientierung ändern kann. Wie muss ein ADC-Jahrbuch aussehen, das zwischen dem Wunsch nach schön gemachten Büchern und kosten­losen Downloads seinen Platz findet? Genau diese Frage stellen sich der Kreativclub und der Verleger im Moment – nach 15 Jahren Zusammenarbeit. Lassen wir uns in 12 Monaten über­ra­schen, was kommt.

Doch nicht nur der ADC, die ganze Werbebranche wird sich in den kommenden Monaten an radi­kale Veränderungen gewöhnen müssen. Die Welt erfährt gerade einen tech­ni­schen, gesell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Wandel, infolge dessen sich fast alle Menschen neu orien­tieren müssen. Auch die Kreativen. Doch wenn sie ihre schöp­fe­ri­sche Fähigkeit wieder als das begreifen, was sie von Natur aus immer war – nämlich für Probleme unge­wöhn­liche, intel­li­gente und über­ra­schende Lösungen anzu­bieten –, dann werden die Kreativen als Gewinner aus der Krise hervorgehen.

Im ADC Wettbewerb geht es um Ideen. Die besten Ideen kommen ins Buch, die aller­besten werden mit dem Ritterschlag geadelt, ein ADC-Nagel. Wenn Ideen prämiert werden, ist die Kraft der Vorstellung König. Darum steht das letzte ADC Jahrbuch unter dem Motto »Du kannst es Dir vorstellen, also kannst Du es …«

Und natür­lich ist auch The Ultimate Edition wieder eine Fundgrube für neue Formen der Marketingkommunikation und Leistungsbeweis der unge­bremsten Vorstellungskraft inter­dis­zi­pli­närer Teams. In 46 Kategorien hat jede gute Idee eine Chance, sich ins geschichts­buch dfer Kreativen zu schreiben … das hat sich herum­ge­spro­chen. So finden man im Buch kaum noch klas­si­sche Werbung, dafür um so mehr intel­li­gente Marketingkommunikation mit allen Mitteln. Da gehören die Schauplätze eines Bestsellers über­ra­schen­der­weise alle zu einem Gastronomieunternehmen, schwe­bende Metallkugeln formieren sich zu Karosserieumrissen, Madonnen werden betteln geschickt, Schuhkartons mit Innenleben ausge­stattet und Liebesschmöker… ach schaut doch selbst.

Seit heute im FontShop, versand­kos­ten­frei, das letzte ADC Buch, für schmerz­hafte aber berech­tigte 98 € … (672 S., 2000 Abbildungen, 24 x 29,7 cm, Halbleinenband mit tief geprägter Graupappe)


Die neue Bergmannstraße (Berlin Kreuzberg)

Biege ich morgens in die Bergmannstraße ein, bin ich unmit­telbar gut gelaunt, gerade wenn die Sonne so schön in die Häuserschlucht hinein scheint wie heute. Seit einigen Tagen ist der »Kudamm Kreuzbergs« in Höhe der Baumkronen mit bunten Wimpeln geschmückt – das neue Markenzeichen des Bergmannkiezes. Mir gefällt das. Die Anwohner sagen: »Es soll ein Gefühl der Verbundenheit ausdrücken.«

Die Idee entstand anläss­lich des jähr­li­chen Straßenessens Lange Tafel, eine 2006 von der Schauspielerin Isabella Mamatis initi­ierte soziale Aktion. Ziel ist die Kinder- und Jugendförderung sowie der Ausbau vorhan­dener sozialer Ressourcen im Kontakt mit der älteren Bevölkerung: Beim Pastamahl an einer langen Tafel kommen die Generationen ins Gespräch.

In Hof der Bergmannstraße 102 – der Heimat von FSI, FontShop, fStop und FontFont – eröffnet morgen ein neuer dm-Drogeriemarkt, die Wohlfühl- und Service-Alternative zu Abtörnern à la Schlecker & Co. Die Innenarchitektur ist wegwei­send und kunden­freund­lich, das Sortiment  viel­ver­spre­chend: Digitalfotoservice, Mobilfunk und Prepaid, Haushalt, Müslis, Getränke, Hautanalysestation, Arzneimittelbestellung und -abho­lung, medi­zi­ni­sche Schuheinlagen, Feinstrümpfe, Socken – ich werde Stammkunde.

Ach so, ja: In der Bergmannstraße hängen die spek­ta­ku­lärsten Wahlplakate der Republik. Angefangen vom Busenplakat (Merkel/Lengsfeld, CDU) über Gerd Seyfried (Christian Ströbele, Grüne) bis hin zum »bissjen verrückten« Nachwuchspolitiker (Björn Böhning, SPD).


Infografik: Dein Online-Genom in 60 Sekunden

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Personas is a compo­nent of the Metropath(ologies) exhibit, curr­ently on display at theMuseum by the Sociable Media Group from the MIT Media Lab. It uses sophisti­cated natural language proces­sing and the Internet to create a data portrait of one’s aggre­gated online iden­tity. In short, Personas shows you how the Internet sees you.

Enter your name, and Personas scours the web for infor­ma­tion and attempts to charac­te­rize the person – to fit them to a prede­ter­mined set of cate­go­ries that an algo­rithmic process created from a massive corpus of data. The compu­ta­tional process is visua­lized with each stage of the analysis, finally resul­ting in the presen­ta­tion of a seemingly autho­ri­ta­tive personal profile.

Die Komponenten mili­tary und illegal in meinem Online-Genom machen mir Sorgen.


PdW 34: The Big Book of Logos 5, 46,00 19,00 €

Ein Großteil der rund 2500 vorge­stellten Logos wurde im Rahmen des »Logo 07«-Wettbewerbs einge­reicht. Es handelt sich nicht um eine sterile Logo-Schau, sondern es werden neue, reale Logos gezeigt, also keine fiktiven Selbstaufträge. Daher sieht man viele im Einsatz foto­gra­fisch abge­bildet: auf Packungen, Visitenkarten, in Schaufenstern, an Hauswänden auf Anzeigen und Plakatwänden.

Die Beispiele stammen aus allen Teilen der Welt und allen Industriezweigen. Als Musterbuch im Rahmen eines Briefinggesprächs leistet das PdW wert­volle Dienste, weil die Bandbreite der gezeigten Logos groß ist und ein Kunde schnell seine favo­ri­sierte Richtung finden kann. Der 380-Seiten-Wälzer kostet als Produkt der Woche nur noch 19,00 statt 46,00 € (zzgl MwSt., versand­kos­ten­frei). Zur Bestellseite …


Gratulation an Würzburg: Provinz auf Weltniveau

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Kein Drehbuchautor hätte sich die aktu­elle Provinzposse zum Thema »Design als demo­kra­ti­scher Prozess« besser ausdenken können. Dabei ist das Etikett »Provinz« in diesem Fall ausdrück­lich gewünscht, sozu­sagen Bestandteil des Briefings. Es geht um Würzburg, die kreis­freie Stadt im baye­ri­schen Regierungsbezirk Unterfranken, Verwaltungsmetropole, 134.000 Einwohner und damit nach München, Nürnberg und Augsburg die viert­größte baye­ri­sche Stadt.

Anfang des Jahres beschloss die Würzburg AG, die »erste gemein­nüt­zige Regionalmarketing-Aktiengesellschaft Deutschland«, mit einer Werbekampagne das Ansehen der Stadt zu fördern. Im Mai erfolgte der Startschuss für den »neuen Würzburger Weg im Stadtmarketing«. Gemeinsam mit der Online-Kreativ-Community jovoto (Fontblog berich­tete: Frank-Walter Steinmeier tappt in Crowdsourcing-Falle) sollten gute Ideen für eine 360°-Kampagne entwi­ckelt werden, die alle Stärken der Region Würzburg heraus­ar­beitet. Ziel sei die Steigerung der »Attraktivität der Universitätsstadt und ihrer Umgebung für Investoren, Wissenschaftler, Studienanfänger und Gäste gestei­gert werden – regional, national und inter­na­tional.« Dabei stehe sogar das aktu­elle einge­setzte Reizwort »Provinz auf Weltniveau« zur Disposition. Ausgesprochen bemer­kens­wert: Die eigent­lich geschlos­sene jovoto-Site öffnete für diesen Wettbwerb »insbe­son­dere Kreativen aus Würzburg den Zugang zu unserer Community«. Seilschaft, ick hör dir trapsen.

Jovoto-Gründer Bastian Unterberg erläu­tert die Würzburger Wettbwerbsstrategie in einem Sevenload-Video:

Link: Wuerzburg AG: Bastian Unterberg - jovoto.com

Sechs Wochen später lagen rund 400 Entwürfe von 90 Kreativen vor. Ende Juli kam es zu einer Vorauswahl durch eine Findungskommission. Der Slogan »Würzburg, die Provinz auf Weltniveau« wurde als Favorit gefeiert, was unmit­telbar Empörung auslöste, nicht zuletzt weil das vorläu­fige Siegerkonzept von der Agentur Buena la Vista AG stammt, deren Vorstandsmitglied Dieter Schneider auch im Aufsichtsrat des Auftraggebers sitzt. War der jovoto-Wettbewerb eine Scheinveranstaltung?

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Am 31. Juli kam es zum Showdown im Würzburger Vogel Convention Center. Rund 60 der 100 einge­la­denen Vertreter aus Wirtschaft, Politik und des öffent­li­chen Lebens lud die Würzburg AG zur Abstimmung über das beste Konzept. Zuerst galt es, unter den über 80 von jovoto mitge­brachten Vorschlägen eine weitere Vorauswahl zu treffen. Die ausge­wählten neun Vorschläge mussten dann in einer 2. Runde gegen den »Provinz auf Weltniveau«-Slogan antreten.

Am Ende erhielt der Provinz-Slogan mit 157 die meisten Stimmen. Platz zwei ging an »Würzburg – Überraschend anders« mit 123 Punkten, den dritten Rang holte sich die Idee »WürZ.B.urg« mit noch 118 Punkten. (Die Abstimmung aus der Sicht von jovoto).


Morgen, 20:00 Uhr: neues SPIEGEL online

Heute:

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Morgen:

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Wie der SPIEGEL heute ankün­digt, wird seine Online-Seite ab morgen »noch moderner, übersichtlicher, eleganter.« Allerdings bringe der Relaunch Version 8.0, laut Meedia, keine revo­lu­tio­nären Änderungen: Die Seiten wurden neu geglie­dert, Bilder und Schriften vergrö­ßert, Navigationselemente opti­miert. Zur wich­tigen Startseite schreibt der SPIEGEL: »In der rechten Spalte finden Sie aktu­elle Video-Nachrichten, auf Seite 2 die besten Artikel aus 24 Stunden, Leserempfehlungen, neueste Börsendaten, aktu­elles Wetter und vieles mehr.« Die Breite der Website wächst um 130 auf 900 Pixel, Videos werden promi­nenter einge­bunden, und die Artikelseiten bekommen ein neues Layout.

Die eigen­nüt­zigen Ziele des Relaunchs, laut Chefredakteur Rüdiger Ditz: die Zahl der Zugriffe um etwa 10 Prozent erhöhen und eine flexi­blere Vermarktung aller Themen durch die Spiegel-Online-Mediaagentur Quality Channel.

Der letzte Relaunch von Spiegel Online fand im September 2006 statt. Ein Tipp für alle Designkritiker: Schnell noch ein paar Screenshots der heutigen Seite schießen, um sie morgen mit der neuen zu vergleichen.


Bücher frisch ausgepackt (1): Branding Identity

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Warum kommen so viele gute Designbücher aus China? Ich glaube zumin­dest, dass Branding Identity dort konzi­piert wurde. Der Verlag Sendpoint sitzt in Guang Zhou, die Liste der 30 Mitwirkenden weist zur Hälfte asia­ti­sche Namen auf. Weil ich vom Verlagsgeschäft wenig verstehe, darf ich mal wild speku­lieren. China wurde inner­halb weniger Jahrzehnte zur welt­weit führenden produ­zie­renden Nation. Dass die Chinesen gut drucken können hat sich auch bei den euro­päi­schen Buchverlagen längst herum­ge­spro­chen. Dass sie Bücher auch inhalt­lich betreuen möchten – über das Abtippen von Telefonbüchern und das Scannen anti­qua­ri­scher Werke hinaus –, scheint die nächste Entwicklungsstufe des chine­si­schen Plans zu sein, vom welt­weiten Buchmarkt zu profitieren.

Wer einen Vorsprung aufzu­holen hat, der beob­achtet erst mal ganz genau seine Vorbilder. So gesehen passt die Beispielschau Branding Identity genau in diese Strategie. Und die Herausgeber haben gut beob­achtet, über welche Marken und Corporate Identities in den vergan­genen Monaten welt­weit disku­tiert wurde. Ganz offen­sicht­lich lesen sie auch Fontblog, denn wir treffen alte bekannte im Buch: die Poster der Berlinale 2007 wie auch das Redesign des Erscheinungsbildes unseres TYPO-Spielstätte Haus der Kulturen der Welt (Haus der Kulturen der Welt wird »das Haus«). Sie werden in der Sektion Kultur als außer­ge­wöhn­lich vorge­stellt. Weitere Themenblöcke des 240-seitigen Bildbandes: Magazine, Bücher, Geschäftspapiere, Ausstellungsdesign, Experimente, Packaging, Labels, Kosmetik und vieles mehr.

Auch in diesem bild­be­tonten Werk spre­chen mir 3 kompakte Textdoppelseiten (englisch) aus dem Herzen. »Strategy and Tips for a Successful Logo Design« enthält zwar nur die aller­sim­pelsten Ratschläge. Trotzdem reichen sie aus, um orien­tie­rungs­lose Auftraggeber (Stichwort Stadtmarketing) auf den rechten Weg zu bringen. »Branding Mistakes« fasst 14 Vorurteile und Stolpersteine zusammen, auf die jeder Designer eine Antwort haben muss, wie zum Beispiel »Mein Produkt verkauft sich von selbst … ich brauche kein Kommunikation« oder »Unsere Webseite macht mein Sohn«. Ein Glücksfall ist die Doppelseite »I Hate my Logo! What You Should Get For Your Money and Why«, das sind Hinweise für Auftraggeber, was sie von ihrer Corporate-Design- oder Brand-Agentur erwarten dürfen. So offen wird kein Auftraggeber mit Designern spre­chen … also wappnet Euch auf diesem Weg mit den essen­zi­ellen Leistungswerten.

Wie von einem Buch aus Übersee fast zu erwarten … es kostet nicht die Welt: 35 € inkl. MwSt. (versand­kos­ten­frei im FontShop). Dabei ist es sehr gut ausge­stattet, mit Fadenheftung, und geprägtem Pappumschlag, desi­gned by Silnt (Projektseite der Agentur). (Foto: Silnt)