CDU: Die Kraft der Helvetica
Was ist denn bei der CDU los. Vor 4 Jahren verlieh ich ihr im Fontblog den Titel Siegerin der TYPO-Herzen. Das amtliche typografische Endergebnis der Bundestagswahl 2005 war ein Scherzbeitrag, jedoch mit durchaus realem Hintergrund: Wenn die deutschen Parteien betonen möchten, dass sie ein klares Profil haben, dann sollte sich das im Wahlkampf durch eine unverwechselbare Hausschrift ausdrücken.
Die CDU hat mit FF Kievit (oben rechts) eine prägende Schrift. Dass sie nun bei der ersten Plakatwelle zum Wahlkampf 2009 darauf verzichtet und die weit verbreitete Helvetica (oben links) einsetzt – gegen die ich nichts habe –, sagt mir als visuell aufmerksamer Mensch: Die CDU verschlampt ihr Profil.
Fontblog-Leser Gregor Dschung machte mich noch darauf aufmerksam, dass das Verhalten der häufig vorkommenden kritischen Buchstabenkombination FT (KRAFT, WIRTSCHAFT, VERNUNFT, …) nicht durch eine Ligatur gelöst sondern dem Zufall überlassen werde: alle CDU-Plakate der ersten Welle auf einen Blick.
36 Kommentare
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Jürgen Siebert
Nachtrag: Kleinbuchstaben haben auch Kraft … und viel Profil, weil mehr Gestaltungsspielraum für Schriftentwerfer
Jürgen W.
Passt absolut! Helvetica erinnert an Merkels Kleidungsstil. Nur Kraft hat weder sie (Merkel) noch ihre Partei. Helvetica-Versalien im übrigen auch nicht.
Iwo Randoja
Kleiner Textereinwurf: Das fehlende Profil zeigt sich (wie im richtigen Werbeleben) meist nicht nur in der Typoauswahl, sondern auch im Kampagnenclaim.
siehe auch http://b2btexter.wordpress.com/2009/07/31/wahlprogramme-im-texter-titel-test/
Oliver Adam
Erstaunlich, wie unsere Nationalflagge plötzlich Schwarz-Rot-(CDU-) Orange ist … Darf jetzt jeder an unseren Nationalfarben herumpopeln? Oder meinen die ein anderes Land?!
Jürgen W.
@ Iwo: zu Wahlkampfzeiten wünsche ich mir nicht lesen zu können. Die Nullaussagen werden durch die beste Typo nicht besser.
Jürgen W.
@ Oliver: Jamaika!
Uans
Die Versalien passen schon, der Entwurf mit Kleinbuchstaben geht überhaupt nicht, verliert völlig seine Kraft.
thomas junold
ich finde die komplette typo von der gestaltung nicht wirklich optimal. das ist doch beliebig, egal ob kievit oder helvetica. da ist nirgends der richtige bumms, dahinter, denn die aussage textlich verspricht.
Markus Spitzner
Passen dazu auf flickr: cduremix09.
Plamen Tanovski
Das fußlose „b“ wirkt, IMHO, nicht besonders kraftvoll in #1.
Stephan
@thomas:
genau so ist die CDU … konservativ. Sie hat vielleicht die Kraft, aber die konservative Linie verbietet es ihr diese Kraft auszudrücken.
Kilian
Bitte hierzu auch das heutige Schlusslicht auf tagesschau.de beachten. Da wird – ganz ohne Versal-Helvetica – ähnlich unelegant auf den Putz gehauen. Bold.
_Sven
Ich warte sehnlichst auf einen Parteien-zur-Bundestagswahl-Schrift-Barometer ;) Mehr davon.
AndererJürgen
Da die Schriften sich doch recht ähneln finde ich es auch seltsam das hier plötzlich die Helvetica verwendet wird. Als Ausdruck für das Kernthema (Verlässlichkeit, Vertrauen, weiter so, alles was die konservative Seele in der Krise gerne hört…) des Wahlkampfes finde ich das allerdings recht gelungen und eine stimmige Typo.
Positiv überrascht war ich beim ersten Hinsehen von der Qualität der Fotos – die finde ich erfrischend gut! Leider ist die Qualität nicht ganz konsequent durchgehalten, so ist das Jung-Motiv recht Holzhammermässig abgedunkelt damit man auch ja die Typo lesen kann und Frau Merkel hat einen wirklich unschönen Schein am linken Rand ihrer Frisur, hatte die Kanzlerin keine Zeit für ein extra Shooting das man sie so vor den Hintergrund montieren musste? Schade das ausgerechnet das wichtigste Motiv solche Schwächen aufweist…
Felix
Wahrscheinlich liegt es ganz einfach daran, dass die zuständige Agentur die Schrift nicht gekauft hat, oder dafür kein Budget vorgesehen war…
ole
… wer keinen Inhalt hat, braucht diesen auch nicht gut setzen.
http://www.spreeblick.com/2009/08/11/titten-2/
Severin Wucher
Die Helvetica wurde von der CDU doch schon im Europawahlkampf verwendet. Komischer als die Typo finde ich eigentlich den Text: „WIR HABEN DIE KRAFT“ erinnert mich mehr an Kirche (Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit) denn an Staat. An „KRAFT durch Freude“ denke ich natürlich nicht.
robertmichael
sein wir doch mal ehrlich, wahlplakate sind und bleiben qualplakate. da nützt es auch nichts wenn man die volksschrift helvetica oder die schönere FF Kievit einsetzt. erst gestern habe ich im fernsehen einen beitrag gesehen in dem die cdu mit dekollete wirbt
(foto ddp) „wir haben mehr zu bieten“ ähm. dazu muss man glaube ich nichts mehr sagen. gesetzt ist die typo hier mit FF Kievit, das macht den ‚inhalt‘ aber auch nicht besser.
ansonsten kann ich auch solche gestaltungsünden wie dieses (gesehen bei hd schellnack) http://www.hdschellnack.de/uploads/lepizigsauber.jpg
oder dieses nicht empfehlen: http://www.typografie.info/typoforum/download/file.php?id=474
ich frage mich wieso es keine einheiltliche gestaltung gibt, auch für kleine gemeinden etc.
vielleicht kann jürgen die bilder mal richtig einbinden. danke :)
robertmichael
http://static.rp-online.de/layout/showbilder/47043-ddp_017616001A4F8583.jpg das dekollete-plakat.
der arme horst
Schäuble im Hintergrund und davor dick und fett „Freiheit und Sicherheit“. Da läufts mir eiskalt den Rücken runter. Und dann auch noch die Zensursula. Jede Schrift ist zu schade um durch diesen Kontext in den Dreck gezogen zu werden. Arial würde von der Qualität gut zu den Herren und Damen passen.
Ich freu mich schon, dass diese erzkonservative, populistische Mischpoke weitere 4 Jahre systematisch die Bürgerrechte einschränkt.
Torsten
wenn wir schon über inhalte reden:
wer glaubt eigentlich überhaupt noch an die politik?
ist politik in der jetzigen form nicht ein model welches nur noch abwartet um ersetzt/erlösst zu werden?
esther vilar ihr buch: „der betörende glanz der dummheit“ bingt vieles auf den punkt. darum sind die plakate so wie sie sind.
Ivo
Zugunsten von?
Jürgen W.
Es geht doch nicht um Politik, sondern um die falschen politischen Berater der Damen und Herren.
HD Schellnack.
Das traurige an der Politik ist, dass quasi systematisch in den Parteien die falschen Leute Karriere machen – und das eine sehr unnötige Entkoppelung von Wirklichkeit und Politik stattfindet, eine Situation mit der beide Seiten spürbar unglücklich sind. Letzten Endes wird das bestehende politische Establishment sich überlegen müssen, wie es sich selbst neu erfinden kann, verjüngen kann, wie es engagierte und talentierte Leute in die Politik kriegen kann und wie man die ja durchaus überall vorhandene Lust, etwas zu bewegen, in die Parteien hineinkriegt, die derzeit sicher oft diese Lust leider eher ersticken. Die derzeitige Implosion von Politik, die sich auf unsichere Floskeln und Gesten beschränkt, die offenbar nichts mehr verändern kann oder will und insofern nur noch dem eigenen Machtspiel eine Plattform geben soll, ist ganz banal eine echte aktive Bedrohung der «gefühlten Demokratie». Und ich zumindest fände italienische Zustände hierzulande nicht sexy :-D.
Michael Jackson
So jetzt ist meine Tastatur wieder sauber – musste mich eben übergeben, als ich in den Auschnitt von Frau Dr. Merkel geschaut habe.
Hängt aber nicht damit zusammen, dass ich kleine Jungs toll finde, sondern, dass ich feststellen musste, die Poster sind kein Witz.
Traurig traurig. Schnief.
Paul
ich finde beide Versionen hässlich.
tylerdruden
also der vergleichsentwurf in versal-kievit gesetzt ist ja unglaublich lächerlich. da könnte man auch arial nehmen. da musste also zwangläufig ne andere typo ran. ich find die helvetica-plakate nicht schlecht.
eva
typografisch geht es noch schlimmer! wogegen die inhalte hier doch oft erhellend:
http://www.flickr.com/photos/41336872@N02/
bei diesen beispielen handelt es sich um einen remix-wettbewerb mit immerhin schon 170 einsendungen.
kein schlechter aufmerksamkeitserfolg für die cdu-plakate. nur eben nicht unbedingt cdu-konform ;-)
Jürgen Grabowski
Warum geben sich Parteien so einen Aufriss. Wenn da nur „BLINDTEXT“ oder „Lorem ipsum“ oder „Hamburgeon“ oder „the quick brown fox…“ stehen würde fände ich es um einiges amüsanter. Und wir könnten uns hier alle gediegen nur über die Wirkung des jeweiligen Fonts kümmern. Von der AussageKRAFT her kommt eh immer das gleiche raus, ob nun Blindtext oder „durchdachter“ Wahl-Slogan!
robertmichael
„wir haben die kraft“ ???
„wir haben kein rückrat“ passt eher: http://www.thueringerblogzentrale.de/2009/08/13/ersetzt-die-thuringer-cdu-nach-npd-hetze-wahlplakate/
Hannes Griepentrog
Zum Thema „Ligatur oder Zufall“ sind die Plakate der CDU zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein auch interessant: Bei „STÄRKE“ verschmilzt der linke Ä-Punkt mit dem T…
http://www.cdu-sh.de/index.php/CDU-Landesverband-Schleswig-Holstein/Inhalte/Aktuelles-Presse/Fit-fuer-die-Wahlen-CDU-Schleswig-Holstein-stellt-Plaene-fuer-Landtagswahlkampf-vor – unterstes Plakatmotiv
Tanja
Ich find das eine Schweinerei einfach so das He-Man-Zitat zu klauen.
schlamperei
wieso wurden die versalien denn bitte nicht ausgemittelt?
Stephan Garbe
Wir haben uns diesmal bewusst gegen die Kievit (und nebenbei auch gegen alle wesentlichen Regeln des CDU Corporate Designs) entschieden. Wer an einer echten Diskussion zu dem Thema und nicht nur am ungehinderten Ausspeichern von bekannten Stereotypen und Parolen über die CDU interessiert ist, den lade ich herzlich auf eben diese Diskussion ein. Es ist ist im politischen Bereich naturgemäß schwierig, es allen recht zu machen. Allein schon, weil (fast) jeder eine politische Meinung hat und mal Hand aufs Herz: Das ist einfach etwas anderes, als wenn man über Markenwerbung diskutiert.
Im CD der CDU ist streng genommen vorgesehen, Headlines grundsätzlich weiß auf Orange in einem Kasten linksbündig zu setzen. Das Logo sitzt in diesem Fall ebenfalls in einem orangenen Balken. Dieser beinhaltet dann auch noch den Claim. Dazwischen muss sich das Bildmotiv fügen. In unserem Gestaltungsansatz wollten wir ein größeres Augenmerk auf optimale Lesbarkeit, die Möglichkeit zur Akzentuierung und ein stimmiges Gesamtbild legen. Nebenbei zwingt einen die plakative Größe der Überschriften auch zu einer textlichen Verdichtung, die dem Medium in meinen Augen gut tut. Vielen Plakaten fehlt doch heute das Wichtigste: das Plakative.
Das diese Verdichtung manchem nicht gefällt kann ich verstehen, ich teile diesen Unmut aber natürlich nicht. Was bringt einem ein Plakat, dessen Inhalt (Beispiel: Copytext auf Linkspartei Plakaten) von Passanten oder Autofahrern nicht wahrgenommen werden kann.
Die Helvetica eignet sich für unsere Aufgabe (Volkspartei: Spagat zwischen Schwäbischer Alb Mutti und Berlin Mitte Yuppie) meiner Meinung nach total gut. Sie ist zeitlos und dennoch hat man durch die Verwendung mit Versalien und die Spationierung genügend Gestaltungsspielraum, um einen zeitgenössischen Look zu erzielen. In diesem Sinne: may the force be with her …
Oliver Adam
Hallo Stephan,
danke für die Aufklärung. Dennoch finde ich Deine Begründung leider nicht überzeugend, um zu erklären, warum Ihr die Kievit verworfen habt. Denn es hieße ja im Umkehrschluss, dass die Kievit nicht zeitlos sei und man keinen Gestaltungsspielraum habe, um zeitgenössisch zu wirken. Da das keiner wirklich behaupten kann, gibt es aus meiner Sicht keine rationale Begründung für einen Wechsel.
Auch das Argument »Zeitlosigkeit« ist ein schwaches, denn dann müssten auch die Fotos »zeitlos« sein, die Aussagen etc. Das ist unsinnig. Die Plakate müssen in der Zeit funktionieren, jetzt. Da nun aber jedermann die Helvetica oder deren Klon Arial verwendet und seit Jahrzehnten verwendet hat, kann dies die CDU im Sinne von Differenzierung und Positionierung niemals tun. Das sollte aber seit Domizlaff (Mitte der 30er Jahren des letzten Jahrhunderts) eigentlich Allgemeingut sein. Insofern ist die Kievit sicher die zeitgemäße, auch massenkompatible Variante. Aus dieser Sicht macht die SPD trotz fw-Crowdsourcing den besseren Job.
Ich beziehe mich hier nur auf die Gestaltung und nicht auf den Inhalt. Für den könnt Ihr wahrscheinlich nichts …
Oliver Adam
Ergänzung: Wobei dann auch folgendes passiert (Berlin-Lichterfelde): Kleines Laternen-Plakat Merkel, Deutschlandfahnen-Icon und Helvetica, gleich darunter der Bezirkskandidat in CDU CD mit Kievit und »wehender« Deutschlandflagge. Sieht aus wie von zwei verschiedenen Parteien.