Daily Covid-19 Stats Nº 16

Coronavirus spreadsheet

Coronavirus spreadsheet: regis­tered Cases and Deaths in Germany and Berlin today

End of Day Summary (16). The number of regis­tered cases in Germany has increased today by 4,332, with a growth rate iden­tical to that of the last 2 days (×1.5 per 3 days). The number of deaths is incre­asing faster than the number of cases, with a growth rate of ×1.7 per 2 days. In Berlin we recorded the 4 deaths, which means that the reality corre­sponds exactly with the projection.

Coronavirus Curves for Germany, predicted cases vs. confirmed cases, March 25, 2020

The curve of confirmed cases (blue) is flatter than the statis­tical predic­tion (gray) and the growth rate did not change compared to yesterday. Today’s news announced that about 1000 pati­ents are in inten­sive care in Germany. There are curr­ently 4,500 ICUs available, which means that our health system reaches its limits above 100,000 regis­tered cases … but this barrier must still be treated with caution.

Coronavirus Curves for Germany, predicted deaths vs. confirmed deaths, March 25, 2020

The number of deaths is beco­ming more dynamic. It may not double in two days, but it grows ×1.7, just like yesterday.

Author’s note: The above values are purely specu­la­tive esti­ma­tions using simple mathe­ma­tical model­ling (based on regis­tered cases/deaths) and are not confirmed by health autho­ri­ties nor any other national public authority.


Warum eine eigene Coronavirus-Statistik?

Drei schnelle Antworten vorweg:

  1. Weil ich die Vergangenheit fest­halten möchte
  2. Weil ich die Gegenwart verstehen möchte
  3. Weil ich in die Zukunft blicken möchte

Und dies alles zusammen liefern mir weder die Statistiken der Meldestellen, noch der Medien.

Wie so oft begann bei mir alles mit einer Unzufriedenheit über die Gestaltung der „amtli­chen“ Charts: Schrift, Farbe, Übersichtlichkeit. Bald merkte ich, dass die von den Medien gelie­ferten Statistiken auch meine Fragen nicht beant­wor­teten. Schließlich erwachte der Forschergeist in mir, weil ich mich an die tage­langen Messungen und Kurven während meines Physikstudium erin­nerte, aus denen ich belast­bare Ergebnisse heraus­zu­lesen versuchte.

Die erste Visualisierung der Covid19-Entwicklung, die Anfang März die große Runde im Netz machte, war die schwarze Landkarte mit den roten Luftballons, ins Netz gestellt von der Johns Hopkins University (Baltimore, Maryland, USA): COVID-19 tracking map. Diese und andere Statistiken (zum Beispiel des Robert Koch Instituts) nehmen drei Parameter unter die Lupe: (1) die Anzahl der regis­trierten Fälle, die (2) Summe der Verstorbenen und die (3) Zahl der Genesenen, wobei die beiden letz­teren übri­gens Untermengen von (1) sind, also darin enthalten. Was mir bei diesen Karten fehlte, war der zeit­liche Verlauf.

Leider ist gerade die erste Variable (Fallzahl) die unsi­cherste. Sie basiert auf den Ergebnissen von Tests, die in den einzelnen Ländern sehr unter­schied­lich gehand­habt werden. Weil es die Kapazität des Gesundheitswesens nicht leisten kann, alle Menschen (mit oder ohne Symptome) zu testen, muss eine Auswahl getroffen werden. Flussdiagramme helfen bei der Entscheidung, ob man über­haupt eine Chance auf einen Test hat (hier ein Beispiel auf Zeit Online: Habe ich mich mit dem Coronavirus ange­steckt?).

Die Covid-19 Tracking-Karte der Johns-Hopkins-Universität dient vielen Experten als Datenquelle für die Beobachtung der Coronavirus-Pandemie-Entwicklung

Es ist also davon auszu­gehen, dass weit mehr Menschen mit dem Coronavirus infi­ziert sind, als die statis­ti­sche Zahl der regis­trierten Fälle wieder­gibt. Wie hoch diese Dunkelziffer ist, weiß derzeit niemand. Was aller­dings ziem­lich zuver­lässig gezählt wird, ist die Zahl der Verstorbenen. Die aktuell vergleichs­weise geringe Zahl der Toten in Deutschland (heute 159, bei 33.000 regis­trierten Fällen) weist laut Experten darauf hin, dass in Deutschland mehr getestet wird als zum Beispiel in Spanien (2991 Tote, 42.000 Fälle) oder in den USA (801 Tote, 55.000 Fälle); so lässt sich erahnen, in welchen Dimensionen sich die regis­trierten Fälle dieser beiden Länder tatsäch­lich bewegen müssten … sie stehen noch vor großen Herausforderungen.

Wichtig ist auch zu erwähnen, dass die Zahl der regis­trierten Fälle bezüg­lich des Fortschritts der Pandemie immer ein Blick zurück ist. Das ergibt sich aus der Inkubationszeit des Virus (5 – 6 Tage), plus der Zeit für den Test, das Warten auf das Ergebnis, das Melden an die Gesundheitsämter und deren Veröffentlichung … alles in allem 10, wenn nicht gar 12 Tage.

Warum nehme ich die Daten von Johns Hopkins und nicht die vom Robert Koch-Institut?

Mir fiel von Anfang an auf, dass die Zahlen von Johns Hopkins nicht nur die höheren waren, sondern auch übers Wochenende konstant weiter­liefen, wenn Gesundheitsämter nur spär­lich besetzt sind. Der Grund: Johns-Hopkins-Mitarbeiter suchen und zapfen aktiv öffent­lich zugäng­liche Quellen ab, zum Beispiel die Internetseiten von Gesundheitsbehörden, die Website der WHO, und laut welt​.de „auch eine Community von Medizinern, die Medienberichte und Twitteraccounts von Behörden analy­sieren. Damit geben die Zahlen der Johns-Hopkins-Universität nahezu in Echtzeit das Lagebild wieder.“ So ähnlich würden das auch andere Datensammler machen, zum Beispiel Risklayer. Die WHO-Daten stammten von den natio­nalen Behörden und geben den Datenstand von 10 Uhr mittel­eu­ro­päi­scher Zeit wieder.

Um abschätzen zu können, welche Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sinn­voll sind, benö­tigen Politik und Wissenschaft verläss­liche Daten. Doch wie auch der SPIEGEL gestern fest­stellte: Die Fallzahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) hinken der Realität teils mehrere Tage hinterher (Die große Meldelücke). Unser föde­rales System bringt es mit sich, dass in den Bundesländern unter­schied­liche Behörden die Daten erfassen, bündeln und zu verschie­denen Zeiten veröf­fent­li­chen. Generiert werden die Daten in Testlaboren, die Coronafälle inner­halb von 24 Stunden an die örtli­chen Gesundheitsbehörden melden, also Stadt oder Landkreise. „Das geschehe in der Regel per Fax“ zitiert der SPIEGEL einen Behördenmitarbeiter. Daraufhin werden sie händisch in ein digi­tales Meldesystem einge­geben, das sie an die Landesbehörden über­mit­telt. Diese impor­tieren die Fallzahlen in eine Datenbank und senden sie um 15 Uhr an das RKI.

Ich nutze die Zahlen von Johns Hopkins, die ich einer ziem­lich gut gestal­teten und gepflegten inter­ak­tiven Website der Berliner Morgenpost entnehme: Coronavirus Echtzeitkarte. Dort ist auch ein hilf­rei­cher Rückwärts-Schieberegler integriert.

Die Spielregeln der Virus-Pandemie

Ich habe mit meiner Statistik vor rund drei Wochen begonnen, als die ersten Maßnahmen beschlossen wurden: ein Fußball-Bundesligaspiel ohne Zuschauer, die Eishockey-Liga brach gerade ihre Saison komplett ab, Berlin schloß alle Opern und Theater, Businesskonferenzen werden reihen­weise abge­sagt und am Abend gab James Blunt sein Konzert in Hamburg vor leeren Rängen. Alles begann mit einer simplen Tabelle, in der ich die aktu­ellen und zurück­lie­gende Fallzahlen und Todesfälle eintrug, für Deutschland und Berlin. Dem hoch geschätzten Podcast von NDR Info Das Coronavirus-Update mit Christian Drosten habe ich an diesem Tag entnommen, dass sich die Epidemie – basie­rend aus den Erfahrungen in China und Italien – nach folgenden 3 Spielregeln ausbreitet:

  1. Die Zahl der gemel­dete Fälle verdop­pelt sich alle 3 Tage
  2. Die Zahl der gemel­deten Fälle ist in 3 Wochen die Zahl der Toten und/oder
  3. Die Zahl der Toten verdop­pelt sich alle 2 Tage

Das ist die Ausbreitungsmathematik für eine unge­bremste Entwicklung des Coronavirus. Und sie verläuft expo­nen­tiell, denn nichts anderes bedeutet multiple Verdopplung: 2 hoch n, oder auch 2ⁿ geschrieben. Es fällt uns Menschen schwer, die Dramatik eines expo­nen­ti­ellen Wachstums zu verstehen. Unser Gehirn kann nur linear. Mancher erin­nert sich viel­leicht an die Anekdote vom indi­schen Kaiser Sheram, der den Erfinder des Schachspieles belohnen wollte, weil er großen Gefallen an dem Spiel fand. Der Erfinder sollte einen Wunsch äußern, worauf dieser sagte: „Händige mir für das erste Feld des Schachbrettes 1 Reiskorn aus, 2 Körner für das zweite Feld, 4 für das dritte und für jedes weitere Feld doppelt so viele Körner wie für das vorher­ge­hende“. Der Kaiser fühlte sich gekränkt, da ihm das Ausmaß des Wunsches noch nicht bewusst war. Als digi­ta­li­sierte Menschen, Freunde des Dualsystems und Käufern von Computern ist uns die Zahlenreihe 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512 und 1024 durchaus bekannt und wir wissen daher, dass auf dem 10. Feld des Schachbretts bereits 512 Reiskörner liegen, summiert mit den Feldern davor sind das 1023 Reiskörner. Kurz und gut: die Reiskornzahl des 64. Feldes liegt über 9 Trillionen (eine 19-stel­lige Zahl), die Anzahl der Reiskörner auf allen Feldern ist 20-stellig. Bei 3 g Gewicht pro Reiskorn ergeben sich 540 Milliarden Tonnen Reis, was 873 Jahresernten Reis entspricht. Danke an Jennifer, Theresa, Sabrina, Charlina & Birte von der TU München fürs Ausrechnen (PDF).

Zurück zur Entwicklung der Coronavirus-Fallzahlen in Deutschland. An dem Tag, als ich meine Tabelle begonnen habe (12. März), lag die Zahl der gemel­deten Fälle bei 2.745, drei Tage später bei 5.813, wieder drei Tage später bei 12.327 … ich habe später noch die Woche zuvor erfasst und fest­ge­stellt, dass sich die Zahl der Fälle über zwei bis drei Wochen wie ein Uhrwerk gemäß den Vorhersagen entwi­ckelt hatte.

Das war die Zeit, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn täglich vors Mikrofon trat und sofor­tige Maßnahmen forderte. Was er nicht sagte, aber wusste: Entwickeln sich die Fälle und die Todeszahlen unge­bremst weiter wie bisher, hätten wir in Deutschland am Ende der ersten April-Woche bereits 1 Million gemel­deter Fälle und rund 20.000 Tote. Das sagte mir jeden­falls meine Tabelle, die ich zu dieser Zeit noch nicht mit den April-Zahlen auf Twitter veröf­fent­lichte, sondern nur bis zum 31. März.

Was ich aber tatsäch­lich mit meiner eigenen Tabelle heraus­finden wollte, und das ist keiner mir bekannten Statistik zu entnehmen: Wann und wie stark greifen die Maßnahmen, die zuneh­mend schärfer wurden, bis zur Kontaktsperre vor 3 Tagen? Dazu braucht es nur zwei Kurven (siehe oben), nämlich die unge­bremste und die gemel­dete Entwicklung (vom Fällen und Toden), wobei ich die gemel­deten Zahlen ab jedem Stichtag hoch­rech­nete, mit der gerade geltenden Wachstumsrate. Seit Sonntag liegt die Wachstumsrate unter 2.0 (also keine Verdopplung mehr), aktuell liegt sie bei den Fällen bei 1.5 und bei den Toden bei 1.4.

Meine tägliche Coronavirus-Tabelle für Deutschland und Berlin stellt die bestä­tigten Fälle (blau) und Tode (schwarz) den inter­na­tio­nalen Erfahrungswerten für unge­bremste Ausbreitung gegen­über (grau); in magenta die Hochrechnungen, basie­rend auf den am Stichtag geltenden (gebremsten) Wachstumsraten.

[wird fort­ge­setzt]


Deep Speed Typography


Drei Semester Zeit für ein eigenes Typo­grafie-Projekt. Workshops, Exkursionen, Team­arbeit: Der neue Master der Hoch­schule Mainz startet im Oktober 2020. Virtueller Info-Termin am 1. April 2020.

Es gibt typo­gra­fi­sche Gestaltung für das tiefe Verständnis (Deep Reading) und Typografie für den schnellen Überblick (Speed Reading). Beide Lesearten und ihre visu­elle Aufbereitung sollen in einem neuen Masterstudiengang der Hochschule Mainz intensiv beleuchtet werden. Dabei wird mittels gestal­te­ri­scher Experimente zunächst ermit­telt, worauf sich ein eigenes Master-Projekt fokus­sieren könnte: Ein besseres Instagram, eine eigene Schrift, die Lese-App der Zukunft, ein gene­ra­tives Buch, Typografie für Augmented Reality, Moving-Posters, das Editorial Design von morgen oder das, woran noch niemand gedacht hat.

Der Master richtet sich sowohl an Typografie-/Editorial Design-Nerds als auch an dieje­nigen, die noch etwas nach­holen wollen: typo­grafische Expertise, tech­ni­sche Hinter­gründe, Nachdenken über Gestaltung — oder einfach mehr Projek­terfahrung. Solche Studiengänge dienen darüber hinaus als solide Kontaktbörse für den Einstieg ins Berufsleben.

Mit Workshops von Jakob Runge (Schriftentwerfer), Frank Rausch (Interface-Typograf) und Underware (Foundry).


Neuerscheinung: »100 Jahre Kommunikationsdesign«

Kommunikationsdesign ist überall, und trotzdem schwer zu defi­nieren. Angesiedelt zwischen ange­wandter Kunst und Dienstleistung, Handwerk und Beratung, Avantgarde und Mainstream hat sich diese Sparte des Designs erst in den letzten 20 Jahren zu einem stabilen Industriezweig entwi­ckelt, der endlich auch in den Statistiken von Wirtschaftsverbänden und -minis­te­rien Einzug gehalten hat.

Die neue BDG-Publikation »Avantgarde und Mainstream: 100 Jahre Kommunikationsdesign in Deutschland« beleuchtet die große Erfolgsgeschichte der Disziplin von den Anfängen der Gebrauchsgrafik zu Beginn des letzten Jahrhunderts bis zum UX-Design von heute. Zum 100. Geburtstag des BDG, der die Designerinnen und Designer auf diesem Weg begleitet, widmen sich 16 Fachautorinnen und -autoren dem gesell­schaft­li­chen Kontext und den Wechselwirkung zwischen Entwerfen und Nutzbarmachen von Kommunikationsdesign. Darüber hinaus bieten sie auch einen Ausblick auf den Designberuf der Zukunft.

Avantgarde und Mainstream: 100 Jahre Kommunikationsdesign in Deutschland, Hrsg. von Rainer Funke, Marion Godau, Christa Stammnitz, Stuttgart 2019, 240 Seiten, ISBN 9783899863185, 34 €. Mit Beiträgen von: Wolfgang Baum, Matthias Beyrow, Petra Eisele, Sabine Foraita, Rainer Funke, Marion Godau, Michael Hardt, Boris Kochan, Anita Kühnel, Jakob Maser, Julia Meer, Jens Müller, Florentine Nadolni, Oliver Ruf, Erik Spiekermann und Christa Stammnitz.

Leseprobe auf ISSUU …


Reformierte »DIN 16507-2 Schriftgrößen« kann kommentiert werden

Dass sich das Deutsche Institut für Normung mit Schrift und Typografie beschäftig, wissen wir spätes­tens seit April 2013, als die refor­mierte DIN 1450 Leserlichkeit erschien, an der erst­mals auch Typografen und Schriftentwerfer mitwirkten (die ganze Geschichte: Warum eine Norm zur Leserlichkeit von Schrift sinn­voll ist). Der Nutzen einer Norm für gestal­te­ri­sche Arbeit ist umstritten. Unumstritten ist aller­dings auch, dass hier­zu­lande Ingenieure und gewich­tige Auftraggeber großen Respekt vor Industrienormen haben. Wenn also weiche Argumente nicht zünden, können Kommunikationsdesigner, Mediengestalter, Werbetechniker und Textverarbeitender zum DIN-Hammer greifen, um ihre Auftraggeber in Sachen Schriftart und Schriftbenutzung zu überzeugen.

Neben der DIN 1450 gibt es weitere Normen, die sich um Schrift drehen, darunter die DIN 16507 aus dem Jahr 1999 zum Thema Schriftgrößen. Es geht um so grund­le­gende Fragen wie: Welche Größen rund um die Buchstaben gibt es über­haupt? Warum ist der »einfache Zeilenabstand« größer als die Schriftgröße? Wann berühren die Unterlängen die Versalakzente der nächsten Zeile? Welche Schriftgröße muss ich eingeben, um die Leserlichkeit einer Schrift bei einem gege­benen Betrachtungsabstand gewähr­leisten zu können? 

Der Schriftentwerfer Albert-Jan Pool (FF DIN) arbeitet eng mit dem Institut für Normung zusammen und ist inzwi­schen Obmann des DIN-Ausschuss »Schriften«. Seit Jahren kämpft er für eine Reform der DIN 16507. Nun liegt der Entwurf vor und steht zur Diskussion. Gegenüber Fontblog erläu­tert Pool die Notwendigkeit dieser Norm: »Unsere Gesellschaft altert und dementspre­chend wächst die Zahl der Menschen mit verrin­gerter Sehschärfe. Der Bedarf an leser­lich gestal­teten Texten nimmt folg­lich zu und wird in den nächsten Jahrzehnten weiter wachsen.«

Die über­ar­bei­tete DIN 16507-2 Schriften – Schrift­größen dient der Ermittlung, Bestimmung, Festlegung und Angabe von Schriftgrößen und Zeilenabständen. Hierzu beschreibt sie die wich­tigsten Maße einer Schrift in Bezug auf die Schriftgröße. Faustregeln erleich­tern die Berechnung einer Schriftgröße in pt bei einer zu gewähr­leis­tenden Mittellänge oder Ziffernhöhe in mm. Darüber hinaus werden neue Anforderungen an Typometer gestellt: Sie sollen nun auch die Vermessung der Mittellängen und Ziffernhöhen in Printmedien und an Bildschirmen erleich­tern und deren Bezug zur Schriftgröße vermit­teln. Schließlich wurde die refor­mierte Norm an die bereits aktua­li­sierten Fassungen der DIN 1450 Schriften – Leserlichkeit und DIN 1451-1 Schriften — Serifenlose Linear-Antiqua — Teil 1: Allgemeines ange­passt.

Der Entwurf der aktua­li­sierten DIN 16507-2 Schriften – Schrift­größen – Teil 2: Textverarbeitung, Mediengestaltung und verwandte Techniken kann ab sofort über das Norm-Entwurfs-Portal kommen­tiert werden, die Einspruchsfrist endet am 23. Oktober 2019.


OpenMoji 12.0 – jetzt lückenlos

Open-source-Emoji für Designer, Entwickler und den Rest der Welt

Emoji sind für viele Menschen in der tägli­chen Kommunikation unver­zichtbar. Sie beugen Missverständnissen vor 👍, können ziem­lich lustig sein 😆 und manchmal ganz schön bizarr 💩🤪🙀🧟. Für über 50 Studierende an der HfG Schwäbisch Gmünd sind Emoji jedoch weit mehr als bunte Bildchen, die Kurznachrichten aufpeppen. Die Projektgruppe OpenMoji sieht sie als Teil einer wich­tigen und span­nenden Entwicklung, der »Rückkehr der Bildzeichen in die geschrie­bene Kommunikation«. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sei es möglich, mit einer Kombination aus Laut- und Bildzeichen zu kommu­ni­zieren. So ließen sich Dinge sagen und Tonalitäten vermit­teln, wie es bisher nicht möglich war.

Nach Auffassung der Leiter von OpenMoji, Daniel Utz undBenedikt Groß, sei die krea­tive Vielfalt der Emoji aktuell eher begrenzt, »vor allem im Vergleich mit der unglaub­li­chen Anzahl an verfüg­baren Schriftarten«. Im Moment gäbe es ledig­lich ein Dutzend Emoji-Sets, die meisten davon werkeln in den mobilen Betriebssystemen der großen Technologie-Unternehmen. Ihr Nachteil: gestal­te­risch orien­tieren sie sich an den grafi­schen Stil der jewei­ligen Software-Umgebung und in Sachen Kompatibilität und Nutzungsrechte sind sie restriktiv ausgestattet.

»Deshalb haben wir OpenMoji als bisher einziges konzern­un­ab­hän­giges Emoji-System entwi­ckelt. Bei der Gestaltung des OpenMoji System haben wir visu­elle Guidelines entwi­ckeln, die nicht an ein bestimmtes Branding gekop­pelt sind. Ausserdem war es unser Ziel, Emoji zu entwerfen, die sich visuell besser in Text inte­grieren.« betont Benedikt Groß, anläss­lich eines Meilensteins seiner Initiative.

Denn einein­halb Jahre nach dem Start des Projekts erfüllen die OpenMoji nun den voll­stän­digen Unicode Emoji 12 Standard. Über 50 Studierende der HfG Schwäbisch Gmünd haben zusammen mit zwei Professoren das gemein­same System mit insge­samt 3180 Emoji entwi­ckelt, inklu­sive sämt­li­cher Flaggen 🇬🇭🏴󠁧󠁢󠁷󠁬󠁳󠁿🇪🇺, Skintones 👨‍🚀 > 👨🏻‍🚀👨🏼‍🚀👨🏽‍🚀👨🏾‍🚀👨🏿‍🚀 und Gendervarianten 👩🧑👨. Jenseits des Standard-Unicode-Spektrums enthält OpenMoji auch Spezial-Kategorien zu Themen wie Technologie und Design.

Und das OpenMoji Projekt geht weiter. Im nächsten Schritt wird sich das Team mit der Weiterentwicklung ihrer Plattform und der Zukunft der Emoji beschäf­tigen. Weltweit haben Menschen ein riesiges Interesse an den Zeichen, mit denen sie täglich kommu­ni­zieren. Mit OpenMoji soll ihnen eine gemein­same, offene Plattform zur Verfügung stehen. Daniel Utz und seine Studierenden hoffen auf viel­fäl­tige Beiträge und Input aus unter­schied­li­chen Disziplinen.


»Kribbeln im Kopf« eBook, kostenlos für Fontblog-Leser


Vor 18 Jahren entwi­ckelte der öster­rei­chi­sche Berater Mario Pricken ein neues Kreativitätsmodell. Kurz zusam­men­ge­fasst: Ideen sind kein Zufall, sie lassen sich syste­ma­tisch herleiten, Kreativität trai­nieren auf Basis von rund vierzig Prinzipien. Sein Buch »Kribbeln im Kopf« verkaufte sich welt­weit in sieben Sprachen, fast 140.000 mal. 2012 erschien die 11. erwei­terte Auflage und dazu das spie­le­ri­sche Arbeitstool »Creative Sessions« (Fontblog berich­tete: Pricken krib­belt wieder). Drei Jahre später folgte unter dem Titel »Trigger me« die iPad-App zum Buch, was uns zum Gespräch mit dem Design-Coach bewegte: »Kreativität lässt sich trai­nieren …«.

Letzte Woche schrieb mir Mario: »Ich möchte den Fontblog Lesern gerne mein ›Kribbeln im Kopf‹ gratis als eBook zur Verfügung stellen. Hier ist ein Link …«. Na wunderbar, warum länger warten: Kribbeln im Kopf für Fontblog-Leser (verknüpft mit der Anmeldung zu Marios Newsletter).


Pulpo – sympathische Clarendon für Lesetexte.

Design-Details von Pulpo: mode­rater Kontrast, verti­kale Betonung, hohe, verti­kale Abstriche

Neu aus dem Schriftlabor von Felix Braden (Floodfonts): Pulpo, eine gut lesbare Clarendon, mit dem Skelett von Century Schoolbook, in 5 Strichstärken plus echten Kursiven. Die Familie wurde von Felix auf Lesbarkeit getrimmt, was sich in vielen Designdetails nieder­schlägt. Längere Ober- und Unterlängen geben dem Text Luft zum Atmen und verbes­sern die Lesbarkeit von Fließtexten. Trotz typi­scher Slab-Serif-Stabilität im Design, wirken die Formen freund­lich, wobei sich in vielen Details der hand­ge­machte Charakter offen­bart. Die Buchstaben wecken vertraute Erinnerungen und wirken ein wenig nost­al­gisch – wie aus der guten alten Zeit.

Die komplette Pulpo-Familie besteht aus 10 Schnitten, von Light bis Black (einschließ­lich Kursiven) und eignet sich vor allem für Editorial-Design, Werbung und Verpackung sowie für die Web- und App-Entwicklung. Ein massiver, stabiler Aufbau in Kombination mit einem geringen Strichstärkenkontrast, betont die hori­zon­talen Elemente, und macht Pulpo zur perfekten Wahl für Lesetexte am Bildschirm und kleine Schriftgrößen auf Naturpapier.

Erstaunlich gut lesbar in Lesetexten, eine der Stärken der neuen Slab-Serif Pulpo

Jeder Schnitt enthält 489 Glyphen, Versal- und Mediävalziffern für Fließtext und Tabellensatz sowie mathe­ma­ti­sche Zeichen und gängige Währungszeichen. Um den Bedürfnissen der globalen Kommunikation gerecht zu werden bietet Pulpo eine umfang­reiche Sprachunterstützung für alle west-, ost- und mittel­eu­ro­päi­schen Sprachen

Entstehungsprozess

Wie alles begann, beschreibt Felix Branden so: »2017 entschied ich mich, einen ganzen Satz Glyphen für einen manu­ellen Druckvorgang zu schneiden, der später als digi­ta­li­sierte Schrift namens Kontiki auf Myfonts und als Pulpo Rust bei Adobe veröf­fent­licht wurde (vergl. Fontblog: Neue, leben­dige Holzdruck-Schriftfamilie Kontiki). Als Basis suchte ich eine fette Schrift nach dem Clarendon-Muster, die ich schließ­lich selbst auf der Grundlage einer meiner Lieblingsschriftarten, Century Schoolbook, zeich­nete. Die Skizzen dieser Clarendon gefielen mir dann so gut, dass ich mich dazu entschied, die Zahl der Schnitte auszu­bauen, um Kursiven zu erwei­tern und als eigen­stän­dige Familie mit dem Namen ›Pulpo‹ auf den Markt zu bringen.«

Das merkt man Pulpo an: erst in Holz geschnitten, dann Probedrucke ange­fer­tigt und danach digitalisiert

Die erste Clarendon übri­gens wurde 1845 von der Fann Street Foundry veröf­fent­licht. Sie wurde von Robert Besley entworfen und von Benjamin Fox geschnitten. Als fette Erweiterung für die Textschriften dieser Zeit geplant (eine Alternative zu Kapitälchen oder Kursiven als Hervorhebung) gab es ursprüng­lich keine leichten bzw. Text-Schnitte der Clarendon, und natür­lich auch keine Kursive. Im folgenden Jahrhundert wurde Clarendon zum Modell für eine Vielzahl von Schriften (z.B. der ›Clarendon‹ von Hermann Eidenbenz und Freeman Craws ›Craw Clarendon‹), die für den Bleisatz konzi­piert, für den Fotosatz erwei­tert, und dann im begin­nenden DTP-Zeitalter in den 90er Jahren digi­ta­li­siert wurden.

Century Schoolbook hat sich über Jahrzehnte von den Vorbildern der Scotch-Schriften über eine Zeitungsschrift (Century) zu einem Standard für schu­li­sche Texte in den Vereinigten Staaten entwi­ckelt. Heute ist sie ein Synonym für gute Lesbarkeit geworden und für Felix Braden die Quintessenz der ameri­ka­ni­schen Schrift. Da die Proportionen der Zeichen perfekt ausba­lan­ciert sind, und sie ein freund­li­ches, ange­nehmes Gefühl auslösen, schien sie eine gute Inspirationsquelle für seine Clarendon zu sein.

Korrekturblatt von Pulpo: Nach dem Probedruck begann die Detailarbeit

»Um die aufrechten Schnitte von Pulpo zu erstellen, zeich­nete ich über das Skelett der Century Schoolbook und entwarf eine Clarendon, indem ich den Kontrast redu­zierte und typi­sche Elemente wie lange Aufschwünge und waage­rechte Abschlüsse hinzu­fügte. Einige Buchstaben, z.B. Das a oder das g mussten komplett über­ar­beitet werden, da sich die Buchstabenform von der Clarendon-Tradition unter­scheidet.« erin­nert sich Felix Braden an die Detailarbeit.

Für die Italics sei Jonathan Hoeflers ›Sentinel‹ eine gute Inspirationsquelle gewesen, wobei Felix den Weg ging, seine Italics eher statisch als geschrieben zu entwerfen. Seiner Meinung nach hätte es Aldo Novarese mit seiner ›Egizo Serie Corsiva‹ etwas »zu weit getrieben«, während die Kursiven von Matthew Carters ›New Century Schoolbook‹ genau seine Kragenweite seien. Wichtiges Konstruktionsmerkmal sei der obere linke Abschluss des n in Pulpo Italic, wie in den Aufrechten eine Serife und kein haken­för­miger Abstrich. Auf der anderen Seite wurden die waage­recht geschnit­tenen Aufschwünge abge­mil­dert und an die vom Schreiben abge­lei­tete Form angepasst.

Die Pulpo-Familie im Überblick: 5 Strichstärken plus echte Kursive, inspiriert von Jonathan Hoeflers ›Sentinel‹

Die Pulpo-Familie im Überblick: 5 Strichstärken plus echte Kursive, inspi­riert von Jonathan Hoeflers ›Sentinel‹

Da die Schrift auch in längeren Texten gut lesbar sein sollte, entschloss sich Felix dazu, einige deko­ra­tive Elemente zu entfernen, die bei kleinen Textgrößen nicht wirk­lich funk­tio­nieren. Insbesondere die nüch­ternen Ziffern unter­scheiden sich von den histo­ri­schen Clarendon-Beispielen.

Die neue, sympathische Pulpo: beste Lesbarkeit, zurückhaltende Kursive, raffinierte Details

Die neue, sympa­thi­sche Pulpo: beste Lesbarkeit, zurück­hal­tende Kursive, raffi­nierte Details

Über Felix Braden

Felix lebt und arbeitet in Köln. Er hat an der Fachhochschule Trier Kommunikationsdesign bei Andreas Hogan studiert und mit Jens Gehlhaar bei Gaga Design gear­beitet. Er war eines der Gründungsmitglieder von Glashaus-Design, und arbeitet zur Zeit als Art Director bei MWK Cologne und als frei­schaf­fender Schriftgestalter. Im Jahr 2000 grün­dete er die Foundry Floodfonts und gestal­tete viele kosten­lose Schriften die über Adobe Typekit verfügbar sind (Moby, Bigfish, Hydrophilia, u.a.). Seine kommer­zi­ellen Schriften werden vertrieben vom Fontshop (FF Scuba), Floodfonts (Capri, Sadness, Grimoire), URW++ (Supernormale), Volcanotype (Bikini) und Ligature Inc (Tuna als Kooperation mit Alex Rütten). FF Scuba ist einer der Gewinner des Communication Arts Typography Annual 2013 und wurde in vielen Bestenlisten genannt darunter Typographica, Typefacts, Typecache und FontShop. Kontiki war für den German Design Award 2019 nominiert.