Neue, lebendige »Holzdruck«-Schriftfamilie Kontiki
Meine Begeisterung für die Digitalisierung industrieller Schriften – also Stempel-, Schablonen-, Baukasten-Schriften und ähnliches –, begann an einem Sonntagnachmittag vor 27 Jahren, in den Räumen von MetaDesign/FontShop in der Bergmannstraße in Kreuzberg. Ein Praktikant namens Just van Rossum legte mir einen Plastikstreifen mit Buchstaben aus der Dymo-Prägepistole auf den Schreibtisch und sagte: »Das müsste man mal digitalisieren, oder‽« Ich antwortete: »Ja, mach mal …« und keine zwei Stunden später hatte ich die Dymo-Buchstaben auf meinem Computer.
Das fand ich genial: Kein Prägegerät, keine Kunststoff-Streifen in verschiedenen Farben, kein Fehlprägungen, keine Größenvorgabe … einfach nur ohne Ende Dymo-Schriftzeilen tippen, und nach Belieben weiterverarbeiten. Einige Wochen später haben wir Justs Dynamoe mit 4 weiteren Industrieschriften als FF Instant Types auf den Markt gebracht, und sie begründeten ein neues Genre im Bereich digitalisierter Schriften.
Einen sehr ähnlichen Weg hat jüngst auch der Kölner Schriftentwerfer Felix Braden zur Entwicklung seiner neuen Schriftfamilie Kontiki beschritten, wobei die Vorlagen bei weitem mehr Handwerk und Raffinesse erforderten, als das Bedienen einer Etiketten-Präge-Maschine. Kontiki simuliert einen handgemachten Holzdruck, ist aber im Digitalen weniger aufwändig in der Produktion und besser zu steuern. Den Anwendern bieten sich so die Möglichkeit, ein Druckbild – ähnlich einem traditionellen Holzschnitt – zu schaffen, ohne dass Missgeschicke und Fehldrucke dazwischenfunken. Der Charme von manuell hergestellten Drucksachen hat immer noch einen besonderen Wert und gilt heute als Zeichen »handmade« oder »mit Liebe gemacht«.
Für die Erstellung der Schrift wurden 193 Glyphen per Hand aus fünf Holzplatten geschnitten und manuell gedruckt. Aus unzähligen Testdrucken wurden die interessantesten vier ausgewählt und digitalisiert, um die unterschiedlichen Schnitte von Kontiki zu erstellen. Zu jedem der 560 Zeichen bietet die Schrift vier verschiedene Druckbilder und gibt den Benutzern so die Möglichkeit zu variieren und ein bewegtes Schriftbild nach eigenen Vorstellungen zu schaffen.
Die Kontiki Familie bietet vier Schnitte mit unterschiedlichem Druckbild als separate Schriftdateien mit jeweils 560 Glyphen. Die Pro Version vereint alle 2240 Zeichen in einer Schriftdatei und enthält die einzelnen Varianten als Stylistic Alternates. Außerdem ermöglicht das Opentype Feature Contextual Alternates eine zufällige Variation der Glyphen mit unterschiedlichem Druckbild. Beim Kauf der Pro Version sind die einzelnen Schnitte kostenlos enthalten. Wer mit seiner Layout-Software keinen Zugriff auf diese Opentype Features hat, sollte die Einzelschnitte verwenden. Alle anderen sollten die Pro-Version nutzen, schon wegen des optimierten Kernings bei Glyphen aus unterschiedlichen Schnitten.
Kontiki wird aktuell bei MyFonts zum Einführungspreis (50%) angeboten.
Felix Braden lebt und arbeitet in Köln. Er hat an der Fachhochschule Trier Kommunikationsdesign bei Andreas Hogan studiert und mit Jens Gehlhaar bei Gaga Design gearbeitet. Er war eines der Gründungsmitglieder von Glahaus-Design, und arbeitet zur Zeit als Art Director bei MWK Cologne und als freischaffender Schriftgestalter. Im Jahr 2000 gründete er die Foundry Floodfonts und gestaltete viele Schriften die über Adobe Typekit verfügbar sind (Moby, Bigfish, Hydrophilia, u.a.). Seine kommerziellen Schriften werden vertrieben vom Fontshop (FF Scuba), Floodfonts (Capri, Sadness, Grimoire), URW++ (Supernormale), Volcanotype (Bikini) und Ligature Inc (Tuna als Kooperation mit Alex Rütten). FF Scuba ist einer der Gewinner des Communication Arts Typography Annual 2013.
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