Die Utopie Design-Crowdsourcing ist tot
Der Spreadshirt-Manager Adam Fletcher zerreibt sich am eigenen Logo-Wettbewerb und verlässt nach einem Jahr das Unternehmen, bei Spreeblick wartet die Teilnehmer eines ähnlichen Projekts ungeduldig auf die versprochene Anerkennung. Ein neues Markenzeichen haben beide Unternehmen bis heute nicht gefunden. Die Historie der beiden großen Crowdsourcing-Logo-Wettbewerbe ist in den beiden Fontblog-Beiträgen Spreeblick-Logo-Crowdsourcing gescheitert und Logo-Flächenbombardement bei Spreadshirt zusammengefasst.
Gestern meldete Exciting Commerce: »Adam Fletcher, bei Spreadshirt zuletzt einer der Treiber des Open Logo Project, wird Spreadshirt nach gut einem Jahr wieder verlassen. … Ein ›Open Logo Projekt‹ passte einmal hervorragend zur alten Strategie, wirkte aber unter der neuen Prämisse schon etwas schizophren.« Der Viral-Marketing-Experte Martin Oetting zieht in seinem connectedmarketing.de-Blog folgende Schlüsse: »Wenn ich schon um kostenlose Arbeit für mein Unternehmen bitte, dann sollte ich wenigstens beweisen, dass ich diese Arbeit auch werzuschätzen weiß. Und das geht unter anderem, indem man Preise anbietet, für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt.«
Der wahre Killer der Crowdsourcing-Idee scheint jedoch der organisatorische Aufwand zu sein. Oetting nennt den Zeitkiller: »Gerade die Möglichkeit, über das Web/per E-Mail einen persönlichen Austausch zu beginnen, ist für die Identifikation mit einem solchen Projekt (und für die Mundpropaganda, die man darüber macht) extrem wichtig. Wer also denkt, dass er begeisternde Resultate erzielt, indem auf einer Internetseite ein Wettbewerb ausgelobt wird, der irrt. Erst wenn man mit viel Hingabe und Interesse auf die Leute eingeht, entsteht Momentum«. Einige hundert Teilnehmer können diesem »Drehmoment« jedoch derart viel Fahrt geben, dass der Auslober alleine durch die Verwaltung ins Schwanken kommt. Die durchschnittliche Qualität der zu bewertenden Ergebnisse erhält sich umgekehrt proportional zu Menge der Hobby-Designer.
Meine These: Wenn man den internen Kommunikations- und Verwaltungsaufwand für ein Crowdsourcing – ohne Selbstbetrug – zu den Kosten eines Logo-Redesigns hinzunimmt, dann kann man gleich ein professionelles Designbüro engagieren, spricht mit einem Partner und hat in 4 Wochen garantiert ein passendes Logo.
18 Kommentare
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thomas
danke! es lebe das gespräch MIT dem kunden.
Gerrit
Nja, immerhin hat man mit dem Logowettbewerb eine enorme Kampagne losgetreten, die eine enorme Aufmerksamkeit erzielt hat. Von daher sehe ich das gar nicht so kritisch. Und die Ergebnisse sind hier immerhin ziemlich beindruckend, wie ich finde. Besonders Entwurf Nummer 3 ist großartig.
Dass sowas aber nicht zur Regel werden kann, ist klar – Solche Aktionen leben von der Einzigartigkeit, dem Event-Charakter. Wenn’s jeder machen würde, klappt’s nicht mehr. Siehe Spendengala ;-)
Markus Widmer
Meinen Senf habe ich eh schon abgegeben:
http://www.kreisrot.at/blog/2007/09/crowdsourcing.html
Massen-Demokratie versaut einem jeden Designprozess. Bei Design geht es um sachliche, mutige, wegweisende Entscheidungen. Und die fällen meistens Individuen oder kleine Teams, keine Vollversammlung aller Interessierten.
TCR
Naja, meine Erfahrung ist ja eher das die „Individuen“ oder „kleinen Teams“ am liebsten ihre 08/15 Nummer fahren und damit meist auch dem Kunden entgegenkommen der eigentlich auch lieber keine ausgefallenen Experimente will … Hätte ich für jeden „Das machen wir wie immer“ oder „bloß keinen Aufwand“-Satz in Besprechungen nen Euro bekommen müßt ich auch schon lange nicht mehr arbeiten. Denn die (auch meine) gestalterische Realität ist ja wohl „bloß nicht zuviel Arbeit reinstecken, bringt eh nix.“
ami
ganz so dramatisch würde ich es nicht sehen. die wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen alles crowdsourcing und der eisernen hand des patriarchen. das review ist ja etwas länger, und einen satz sollte man ggf. auch herausheben: wir sind immer sehr selbstkritisch mit unseren projekten. trotzdem denke ich, das ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
ps. kleine berichtigung: adam hatte seine weltreise schon vor dem OLP gebucht.
marcus
»und hat in 4 Wochen garantiert ein passendes Logo.«
ganz dünnes eis :)
robertmichael
@ gerrit, von einer kamapgne habe ich nichts bekommen.
@ tcr, das sehe ich genau anderherum. gerade kleine büros knien sich noch richtig in die arbeit, weil es für sie um was geht. die größeren scheinen doch eher mal die schublade aufzumachen oder ideen nur zu adaptieren.
nachdem ich einmal an einem wettbewerb teilgenommen habe, habe ich festgestellt das crowdsourcing eher eine todgeburt ist. da wird meistens mehr versprochen als umgesetzt. oft sieht es auch so aus wie: „das müssen wir auchmal machen“. im endeffekt kommtz aber nix dabei raus. das letzte spreadshirtlogo ist ebenfalls so entstanden und wie lange hat es durchgehalten? und wo ist eigentlich das lady-becks?
Prof. Eku Wand
Die Utopie Design-Crowdsourcing ist tot … viel hilft eben nicht viel, daher nehme ich wenig Anteil an dieser Beerdigung! Dialog und Qualität sollten sich niemals inflationären Strömungen unterwerfen … wenn das die Message und Erkenntnis wiederspiegelt, dann war es ja nicht ganz für die Katz ;-)
Martin Oetting
Ich glaube auch, dass man nur wegen z. T. unklarer Ergebnisse das Kind nicht gleich mit dem Bad auskippen muss. Das oberste Ziel beim Crowdsourcing sollte meiner Auffassung nach der intensive Umgang mit den Fans und Freunden des Unternehmens sein, die auf diese Weise die Möglichkeit haben, sich für ein Unternehmen zu engagieren, an dem sie Interesse haben. Das kann – wenn es denn richtig gemacht wird – Loyalität stärken, Mundpropaganda anregen und insgesamt eine neue Form der Markenkommunikation mittels Dialog darstellen. Natürlich sollte am Schluss auch etwas dabei herauskommen, damit die Leute sehen können, für was das eigentlich alles gemacht wurde. Wer allerdings einen Crowdsourcing-Wettbewerb ausschreibt, um möglichst schnell und einfach an ein neues Logo (o. Ä.) zu kommen, der liegt daneben. Da ist ein schlichter Auftrag an eine Agentur die bessere Idee.
ami
ja, seh ich genauso.
@robert: viel interessanter ist doch, dass wir es „trotzdem“ nochmal so gemacht haben.
und wie oben schon angedeutet:
nur weil wir kritisch mit unserem eigenen projekt umgehen, sind wir mehr als zufrieden mit dem ergebnis.
das ding hieß nicht umsonst „OPEN logo project“ — uns war durchaus bewusst, dass wir unter umständen ein ergebnis bekommen, was wir nicht einfach auf die website und auf die faxvorlagen copy+pasten können ;)
Jürgen
Ami, das ist eine sehr sympathische Umdeutung des Begriffs »Open«: Ausgang offen bzw. kein Ergebnis.
ami
hehehe – also die preise haben wir schon ausbezahlt ;) (und ich denke auch zurecht)
ein ergebnis gibts auch bald, war gestern beim agenturbesuch (und hab da u.a. auch die neue page mit entsprechendem titelthema gesehen) ..
jamie oliver
Das Problem der Crowdsourcing-Idee ist, dass die meisten Leut die mitmachen, die Bedingungen nicht lesen oder sich selber kaum einschätzen können. Viele basteln wie Jürgen in seinem Test ein paar Minuten an was rum, oder nehmen einen modifizierten alten Vorschlag.
Dadurch fällt das Niveau. Die guten rauszufiltern wird da schwierig.
Vielleicht muss man das ganze einfach doch anders angehen.
j.
wenn crowdsourcing -wie im fall von spreadshirt- letztlich zur adaption des logos eines markenherstellers führt, sich -wie bei mister wong- in einem endlosen farb- und formenrausch verliert oder sich sony’s-walkman-logo per wilogo.com erneut der crowd vorstellt- wird »design« mit sicherheit an absurdum geführt. mag sein, dass wir alle künstler sind – nur nicht jedem »designer« sollte man eine öffentliche plattform bieten (wenn man die berufsgruppe schon nicht schützt und insbes. wenn die arbeitsteilung schon in der realen welt nicht funktioniert und gebrauchsgrafik mehr und mehr end-artet), zumindest jede firma auf aktien oder mit stammkapital sollte ihre design-leistungen professionell ausschreiben (lassen müssen) oder man sollte gewisse farbkombinationen, trash-layouts und verzehrte schriften unter strafe stellen oder mit schmerzensgeldansprüchen belegen.
Nico
Hallo,
Ich habe das gelesen, und für mich Crowdsourcing für Logodesign ist nicht tot!
zB. unseren Website „Wilogo“ (http://www.wilogo.com) funktionniert mit diesem System. Und unseren Kunden sind mit Ihrem Logos ganz zufrieden!
non redon-
an unvermögen und respektlosigkeit kaum zu übertreffen • glückwunsch zu:
http://de.wilogo.com/forum/die-gewinner-1908-pquadra-logo-verkauft.html
Ivo
Der Link führt offenbar nur auf die Startseite. Was soll es dort geben?
non redon-
viele bunte würfel + ausgerechnet: Thesis und Avenir:
http://de.wilogo.com/logos/big/2952-3983-2.jpg
http://de.wilogo.com/logos/big/2952-3983-2-6.jpg