bukowskigutentag 2/12: Masse & Medien
om Bäckereifachverkäufer über die Zahnärztin bis zum Elektrogriller: Heutzutage hält sich jeder für einen ausgekochten Supertopchecker in Sachen Medien. Sogar manche Journalisten meinen, Plan von der Materie zu haben. Auch ich selbst zähle in diesem Segment bekanntlich zu den führenden Chefpeilern der Republik. Es folgt sogleich ein Beweis meiner Kompetenz.
Wir erinnern uns, dass im letzten Jahrhundert zunächst die Werbung entlarvt wurde. Ich fasse mal kurz zusammen. Die Leute so: »Wir wissen, dass Ihr uns etwas verkaufen wollt!« – Die Werbung so: »Verdammt, Sie haben’s gemerkt!« Spätestens in diesem Jahrhundert sind jetzt die Medien dran. Die Leute so: »Wir wissen, dass Ihr uns etwas verkaufen wollt.« – Die Medien so: »Stimmt. Ist aber gar nicht mehr so einfach. Vor allem online. Ätsch!«
Trotzdem sind die Medien noch lange nicht final enttarnt und wir brauchen solche Leute wie mich, die diesen Job übernehmen. Zum Beispiel so: Dieser Tage liest man wieder von Massenentlassungen. Bei Schlecker sind 40.000 Arbeitsplätze in Gefahr, bei Nokia Siemens Networks fliegen 2.900 Mitarbeiter raus. So weit, so bekannt. Was aber auffällt: Schlagzeilen zu Masseneinstellungen fehlen völlig.
Das liegt in der Regel daran, dass es keine Masseneinstellungen gibt. Jedenfalls habe ich noch nie davon gehört, dass zum Beispiel die Unternehmensgruppe Schlusenhuber AG gestern 43.710 neue Mitarbeiter eingestellt hätte. Dabei gibt es Masseneinstellungen auf dem Arbeitsmarkt sehr wohl; nur nicht von Seiten eines einzelnen Unternehmens.
Nun bedienen die Katastrophen-Schlagzeilen aber ganz vorzüglich die Interessen vor allem derjenigen Medien, deren Geschäftsmodell aus Angst und Panikmache besteht. Also quasi alle, wie wir ebenfalls längst gelernt haben. Selbst bei florierender Arbeitsmarktkonjunktur können Medien bei ihrem Publikum mit Horrornachrichten punkten und den Eindruck etablieren, alles würde gerade gründlich den Bach runtergehen, obwohl das Gegenteil der Fall ist.
Natürlich kann man den Medien nicht vorwerfen, dass es keine Masseneinstellungen gibt. Aber man darf munkeln, dass die Sache vielen Medien und ihren Rezipienten gut in den Kram passt. Wäre ich ein Medium, würde ich es auch nicht anders halten mit dem wohldosierten Gebrauch von Massenentlassungsschlagzeilen. Wieder einmal verkauft sich das Schlechte einfach besser als das Gute. Womöglich arbeitet Ersteres einfach mit der kompetenteren PR-Agentur zusammen. Aber dazu ein ander Mal mehr …
Sehen Sie? Wieder souverän was wegentlarvt in Sachen Medienmechanik! Und in diesem Massenzusammenhang möchte ich noch auf folgenden, skandalösen Vorfall hinweisen. Sicher haben die meisten von Ihnen schon davon gehört, dass die führenden deutschen Medien gerade geschlossen eine Kampagne gegen mich reiten. Man wirft mir vor, ich würde bei mir zuhause Massenbierhaltung betreiben. Was für eine Infamie! Aber die Haltlosigkeit dieser Attacke lässt sich leicht beweisen. Ich brauche ja nur eben in meine Küche gehen, den Kühlschrank öffnen und … oh!
Comic des Tages
Für Leute, die du nicht ausstehen kannst: Lehre sie, wie man schlechtes Kerning erkennt.
(© http://xkcd.com/1015/; danke an Jörg für den Tipp)
Jetzt Bewerben für DMY 2012
Noch bis zum 17. Februar können sich Designer, Firmen, Studios und Institutionen für die Jubiläumsedition des DMY International Design Festivals 2012 bewerben. Darüber hinaus kündigen die Veranstalter weitere Neuigkeiten für das 10. Festivaljahr an. So richtet DMY zum Beispiel den offiziellen Designpreis der Bundesrepublik Deutschland aus. Erstmalig werden alle Nominierungen dieses Preises während des DMY Festivals vom 6.-10. Juni im Flughafen Berlin Tempelhof ausgestellt. Der Preis wird seit 1969 für herausragende Leistungen in den Bereichen Produkt- und Kommunikationsdesign verliehen und jährlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgelobt.
Zum DMY 2012 werden über 700 Designer, Firmen und Institutionen auf über 14.000 Quadratmetern neue Produkte, Materialinnovationen und zukunftsweisende Prozesse vorstellen. Bereits zum dritten Mal bilden die weitläufigen Hangars des ehemaligen Flughafens Berlin Tempelhof die beeindruckende Kulisse des Festivals. Neben den Ausstellungen reflektieren zahlreiche Veranstaltungen wie Designer Talks, Workshops und Symposien die aktuellen Strömungen des Designs und laden zum Austausch mit internationalen Designergrößen ein.
Bis zum 17. Februar können sich noch Aussteller für das Festival bewerben. Designer, Firmen, Studios und Universitäten sind willkommen, ihre Produkte und Projektvorschläge für die zentrale Ausstellung im Flughafen Berlin Tempelhof einzureichen. Darüber hinaus bietet das Festival Galerien, Museen und Institutionen aus Berlin die Möglichkeit, Satellitenausstellungen an eigenen Orten innerhalb der ganzen Stadt zu präsentieren.
Peinliche ß-Schusseligkeit bei Dr. Schüßler Salze DHU
Vielleicht ist es einfach nur die gerechte Strafe dafür, wenn ein Firmenname ohne Not in Versalien geschrieben wird. Denn eigentlich hat Dr. Schüßler Salze DHU ein ordentliches, einprägsames Logo, gesetzt aus einer durchaus passenden Schreibschrift:
Doch seit einigen Wochen »glänzen DHU Schüßler-Salze in einem neuen Packungsdesign« (Schüßler über Schüßler). Und das im wahrsten Sinne des Wortes, »denn unter dem auffallend großen Logo verläuft eine elegante Goldlinie. Sofort wird klar: Es handelt sich um ein Qualitätsprodukt der DHU, und um die beliebtesten Schüßler-Salze Deutschlands.« Im auffallend großen Logo befindet sich jedoch ein peinlicher Schreibfehler, denn der in Versalien gesetzte Firmenname lautet SCHÜßLER, statt SCHÜSSLER. Sofort wird klar: Hier wurde geschlampt. So was kann fatale Folgen für das Vertrauen in die Marke haben.
Freunde des Versal-ß werden jetzt einwerfen: »Mit Eszett-Großbuchstaben wäre das nicht passiert.« Doch. Wer die Benutzung des gewöhnlichen ß nicht beherrscht, wird auch am Versal-ß scheitern.
Danke an Ben für die Entdeckung. In seinem Blog Typolution zeigt er mehr Bilder und beleuchtet auch die Rückseite der Dr-Schüßler-Tuben.
TV-Sender sortieren, aber wie?
Es gibt Menschen, denen die Reihenfolge der TV-Stationen auf ihrer Fernbedienung komplett egal ist: Sie speichern die Programme so ab, wie sie vom Receiver gefunden werden. Ich gehöre zu der anderen Gruppe, die versucht, dem Sender-Chaos irgendwie eine Ordnung zu geben. Dieses Verhalten könnte angeboren sein, oder eine Sucht … die praktische Komponente am Sortieren ist Bequemlichkeit: Ich will einfach die mir wichtigen Programm auf den 10 Nummerntasten der Fernbedienung ansteuern können. Der unwichtige Kram, den ich nie ansehe, soll ganz hinten hin.
Nach welchen Kriterien sortiere ich nun? Es ist eine Mischung aus Popularität, Neugier und inhaltlichen Kriterien. Einige Sender stehen aus mnemotechnischen Gründen da, wo sie hingehören, zum Beispiel ProSieben. Aber nicht: Das Vierte.
Die nachfolgende persönliche Sortierung bezieht sich auf die in Berlin über TVB-T empfangbaren Sender.
Platz 1 bis 3 müssen bei Sortierfanatikern in meinem Alter, die zu einer Zeit TV gesehen haben, als es nur einen einzigen Kanal gab, historisch sortiert sein:
1. ARD (1950)
2. ZDF (1963)
3. RBB Berlin (1964)
Anschließend gilt es, eine Ordnung in die privaten Sender zu bringen. Bei mir ist es eine Mischung aus Bedeutung (Marktanteil) und Merkbarkeit. Seit einigen Jahren sortiere ich so:
4. RTL
5. Sat.1
6. Vox
7. ProSieben
Arte hat sich bei mir – trotz anderer Prophezeiung (siehe: Warum die arte-Werbung ein Rohrkrepierer ist) – auf Platz 8 eingebrannt:
8. arte
Bevor ich den ARD-Regionalprogrammen einen ganzen Block widme, folgen einige öffentlich-rechtliche Qualitätssender, für die ich seit Jahrzehnten ehrlich meine GEZ-Gebühren zahle:
9. 3sat
10. extra
11. KiKa/ZDF_neo
Dann die Regionalprogramme, sortiert von Nord nach Süd
12. NDR
13. RBB Brandenburg
14. WDR
15. HR
16. mdr
17. SWR
18. BR
Nun die Nachrichtensender:
19. ZDF.info
20. n-tv
21. phoenix
22. Eurosport
23. tv.berlin
24. Euronews/Channel21
25. N24
Dann die »billigen« Privaten:
26. Kabel Eins
27. Super RTL
28. RTL II
29. Tele 5
30. Sixx
31. Music 1
32. Servus TV
33. Anixe
34. Spreekanal/Juwelo
35. Das Vierte
36. bibel.tv
Ganz am Ende die Shopping-Kanäle:
37. QVC
38. HSE24
Wie sortiert ihr?
★ der Woche: Aim High, Keep Moving! 45,00 9,90 €
»Aim High, Keep Moving!« ist ein typisches Objekt-Buch, entstanden aus dem Umfeld der beliebten OFFF-Konferenz (Paris, 2010). Die Autoren haben es als Reisetagebuch inszeniert. Alles, was Spannendes in der Geschichte des Festivals passiert ist, wird auf eine dazu passende Art und Weise wiedererzählt: als Anekdote, Statement, Foto oder Zitat ihres Schöpfers. Zu Wort kommen unter anderem Designer und Künstler wie Erik Natzke, Kyle Cooper, Hi-Res!, Hillman Curtis, Rob Chiu, Michael Paul Young, Digital Kitchen, Fallon, John Maeda, Multitouch Barcelona, Paula Scheer, Tomato, Vasava, Joshua Davis, Alex Trochut oder Neville Brody. Eine sehr emotionale und anregende Lektüre, die zum Abschweifen einlädt, damit der Leser seinen eigenen Horizont erweitert.
In dieser Woche bietet FontShop »Aim High, Keep Moving!« zum absoluten Tiefpreis von 9,90 € statt 45 € an, inkl. MwSt. und versandkostenfrei. Zur Bestellung …
Markus Hanzer »Genesis«, kostenloses iBook [Update]
Wahrscheinlich ist es das erste iBook im Selbstverlag, das von einem professionellen Gestalter mit der neuen Macintosh-Software iBooks Author erstellt wurde, die Apple vor 2 Wochen vorgestellt hat … Der österreichische Designer und mehrfache TYPO-Berlin-Sprecher Markus Hanzer hat es gestern veröffentlicht. Unter dem Titel »Genesis« setzte er sich auf der TYPO Berlin 2011 mit den Veränderungen in seinem Beruf auseinander. Der viel beachtete Vortrag lieferte nun den Inhalt für sein kostenloses e-Book, das im iTunes-Store zum Download bereit liegt.
Das Buch beleuchtet die unterschiedlichen Vorstellungen, die sich im Laufe der Geschichte über den Mensch als Gestalter entwickelt haben und fragt danach, welche dieser Ansätze noch von Bedeutung sind. In jedem Diskurs über Gestaltung taucht früher oder später die Frage auf : Wer hat die Zügel in der Hand? Wer hat die Welt in ihrer uns erfahrbaren Form geschaffen? Ist das Werk gelungen? In welchem Rahmen sind Veränderungen denkbar und wer hat das Recht ein Urteil zu fällen?
Je mehr Gestaltungsarbeit sich von traditioneller Handarbeit entfernt, indem wir mit Programmen und vorgefertigten Templates und Designelementen von der Stange arbeiten, desto komplexer wird die Rechtslage, die uns vorgibt, wie weit unsere Handlungsspielräume noch reichen, welche Rechte den so genannten Urhebern eingeräumt werden, wer, was als sein geistiges Eigentum bezeichnen darf, und somit auch, welche Schranken und Grenzen der Gestaltung gesetzt werden. Wer hat das Recht die Welt umzugestalten und wer darf wann andere zur Kasse bitten, wenn diese vorgefundene Gestaltungselemente benutzen wollen?
Es zeigt sich, dass Gestaltung nach wie vor der gemeinschaftlichen Konstruktion eines Weltbilds dient. Beim Design werden zentrale Fragen verhandelt, zum Beispiel wie wir zu unserer Umwelt stehen, wie wir unser Zusammenleben ordnen und welchen Zielen wir unsere Lebensenergien widmen? Es geht gar nicht mehr darum, jeden denkbaren Raum mit Zeichen zu füllen, sondern einen Raum zu schaffen, in dem sich Zusammenleben entfalten kann. Oder wie die von Markus Hanzer zitierten Hans-Joachim Gögl und Josef Kittinger meinen: »Veränderung führt über das Erlebnis der Alternative. Wandel benötigt sinnlich erfahrbare Modelle anderer Realitäten; Prototypen einer anderen Wirklichkeit. Denn wir verwandeln uns in das, was wir betrachten, da die Energie der Wahrnehmung folgt. Wir sind somit verantwortlich für unsere Aufmerksamkeit.«
Fazit: Das in den letzten Jahrzehnten gewachsene Heer an Gestalterinnen und Gestaltern wird dringend gebraucht, sollte es gelingen, dass jene die Hilfe suchen, diese auch finden.
Ich sprach mit Markus Hanzer über die Produktion seines e-Books:
Fontblog: Markus, wie hast Du das e-Book produziert?
Hanzer: Ich habe die Datei mit iBooks Author generiert … und – um ehrlich zu sein – sogar eines der angebotenen Templates benutzt.
Wie aufwendig war das für dich?
Nach dem ich mit Keynote sehr vertraut bin, bewege ich mich hier auf gewohntem Terrain. Unmittelbare Benutzung ohne jede Gebrauchsanweisung ist überhaupt kein Problem. Das Programm macht vielleicht Designer die sich primär mit QuarkXPress und Indesign beschäftigen nicht sehr glücklich, da Feinjustierungen in diesem Umfang nicht vorgesehen sind. Aber so schnell etwas veröffentlichen zu können, finde ich revolutionär.
Was kostet die Software?
Das Programm ist kostenlos, der Vertrieb meines Buches über den iTunes-Book-Store ebenso.
Was hat Apple davon?
Apple will damit jede Menge Publikationen in seinen Store spülen und damit auch den Verkauf des iPads voran treiben. Die Möglichkeiten die das iPad bietet sind durchaus berauschend und wir stehen ja hier absolut noch in den Anfangstagen.
Wo werden wir demnächst iBooks sehen?
Vor allem im Bildungsbereich, in dem Apple auch mächtig Gas gibt, sehe ich einschneidende Möglichkeiten Unterricht spannender, lebendiger, einprägsamer und individueller zu machen.
Brechen auch für Autoren neue Zeiten an?
Ob es für Autoren auf diesem Weg leichter wird, ein Publikum zu finden, sei dahingestellt … Die Zeit wird es weisen.
[Update: 2 weitere Fragen]
Hat Apple Dein Buch geprüft?
Ich habe keine Ahnung ob Apple das Buch geprüft hat. Sie haben mit mir in keiner Weise kommuniziert. Ich habe auch kein Bestätigungsmail oder sonst ein, wie immer geartete Nachricht bekommen.
Wie lange dauerte die Freigabe?
Ein paar Stunden. Falls man bei Apple in die Datei schaut, was ich annehme, hängt die Bearbeitung sicher davon ab, wie viele Uploads in einem bestimmten Zeitraum erfolgen.
Creative Morning Berlin: »Rekordeinschaltquote«
Über 1000 mal wurde das gestern (hier im Fontblog) angekündigte Video des 6. Berliner Creative Morning bereits angesehen. In ihrem 20-minütigen Referat stellen Heike Nehl und Sibylle Schlaich (Moniteurs, Berlin) das Leitsystem des neuen Airport Berlin Brandenburg vor. Ihre Arbeit setzt internationale Maßstäbe, den erstmals wurde ein Flughafen-Leitsystem mit allen seinen Komponenten – Design, Material, Schrift, Farbe, … – als zentrales identitätsstiftendes System in die Architektur und die Werbekommunikation eingebunden.