Fontblog Artikel im Februar 2012

bukowskigutentag 2/12: Masse & Medien

om Bäckereifachverkäufer über die Zahnärztin bis zum Elektrogriller: Heutzutage hält sich jeder für einen ausge­kochten Supertopchecker in Sachen Medien. Sogar manche Journalisten meinen, Plan von der Materie zu haben. Auch ich selbst zähle in diesem Segment bekannt­lich zu den führenden Chefpeilern der Republik. Es folgt sogleich ein Beweis meiner Kompetenz.

Wir erin­nern uns, dass im letzten Jahrhundert zunächst die Werbung entlarvt wurde. Ich fasse mal kurz zusammen. Die Leute so: »Wir wissen, dass Ihr uns etwas verkaufen wollt!« – Die Werbung so: »Verdammt, Sie haben’s gemerkt!« Spätestens in diesem Jahrhundert sind jetzt die Medien dran. Die Leute so: »Wir wissen, dass Ihr uns etwas verkaufen wollt.« – Die Medien so: »Stimmt. Ist aber gar nicht mehr so einfach. Vor allem online. Ätsch!«

Trotzdem sind die Medien noch lange nicht final enttarnt und wir brau­chen solche Leute wie mich, die diesen Job über­nehmen. Zum Beispiel so: Dieser Tage liest man wieder von Massenentlassungen. Bei Schlecker sind 40.000 Arbeitsplätze in Gefahr, bei Nokia Siemens Networks fliegen 2.900 Mitarbeiter raus. So weit, so bekannt. Was aber auffällt: Schlagzeilen zu Masseneinstellungen fehlen völlig.

Das liegt in der Regel daran, dass es keine Masseneinstellungen gibt. Jedenfalls habe ich noch nie davon gehört, dass zum Beispiel die Unternehmensgruppe Schlusenhuber AG gestern 43.710 neue Mitarbeiter einge­stellt hätte. Dabei gibt es Masseneinstellungen auf dem Arbeitsmarkt sehr wohl; nur nicht von Seiten eines einzelnen Unternehmens.

Nun bedienen die Katastrophen-Schlagzeilen aber ganz vorzüg­lich die Interessen vor allem derje­nigen Medien, deren Geschäftsmodell aus Angst und Panikmache besteht. Also quasi alle, wie wir eben­falls längst gelernt haben. Selbst bei florie­render Arbeitsmarktkonjunktur können Medien bei ihrem Publikum mit Horrornachrichten punkten und den Eindruck etablieren, alles würde gerade gründ­lich den Bach runter­gehen, obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Natürlich kann man den Medien nicht vorwerfen, dass es keine Masseneinstellungen gibt. Aber man darf munkeln, dass die Sache vielen Medien und ihren Rezipienten gut in den Kram passt. Wäre ich ein Medium, würde ich es auch nicht anders halten mit dem wohl­do­sierten Gebrauch von Massenentlassungsschlagzeilen. Wieder einmal verkauft sich das Schlechte einfach besser als das Gute. Womöglich arbeitet Ersteres einfach mit der kompe­ten­teren PR-Agentur zusammen. Aber dazu ein ander Mal mehr …

Sehen Sie? Wieder souverän was wegent­larvt in Sachen Medienmechanik! Und in diesem Massenzusammenhang möchte ich noch auf folgenden, skan­da­lösen Vorfall hinweisen. Sicher haben die meisten von Ihnen schon davon gehört, dass die führenden deut­schen Medien gerade geschlossen eine Kampagne gegen mich reiten. Man wirft mir vor, ich würde bei mir zuhause Massenbierhaltung betreiben. Was für eine Infamie! Aber die Haltlosigkeit dieser Attacke lässt sich leicht beweisen. Ich brauche ja nur eben in meine Küche gehen, den Kühlschrank öffnen und … oh!

Michael Bukowski


Comic des Tages

 
 
 
 
Für Leute, die du nicht ausstehen kannst: Lehre sie, wie man schlechtes Kerning erkennt.

 

(© http://​xkcd​.com/​1​0​15/; danke an Jörg für den Tipp)


Jetzt Bewerben für DMY 2012

Noch bis zum 17. Februar können sich Designer, Firmen, Studios und Institutionen für die Jubiläumsedition des DMY International Design Festivals 2012 bewerben. Darüber hinaus kündigen die Veranstalter weitere Neuigkeiten für das 10. Festivaljahr an. So richtet DMY zum Beispiel den offi­zi­ellen Designpreis der Bundesrepublik Deutschland aus. Erstmalig werden alle Nominierungen dieses Preises während des DMY Festivals vom 6.-10. Juni im Flughafen Berlin Tempelhof ausge­stellt. Der Preis wird seit 1969 für heraus­ra­gende Leistungen in den Bereichen Produkt- und Kommunikationsdesign verliehen und jähr­lich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgelobt.

Zum DMY 2012 werden über 700 Designer, Firmen und Institutionen auf über 14.000 Quadratmetern neue Produkte, Materialinnovationen und zukunfts­wei­sende Prozesse vorstellen. Bereits zum dritten Mal bilden die weit­läu­figen Hangars des ehema­ligen Flughafens Berlin Tempelhof die beein­dru­ckende Kulisse des Festivals. Neben den Ausstellungen reflek­tieren zahl­reiche Veranstaltungen wie Designer Talks, Workshops und Symposien die aktu­ellen Strömungen des Designs und laden zum Austausch mit inter­na­tio­nalen Designergrößen ein.

Bis zum 17. Februar können sich noch Aussteller für das Festival bewerben. Designer, Firmen, Studios und Universitäten sind will­kommen, ihre Produkte und Projektvorschläge für die zentrale Ausstellung im Flughafen Berlin Tempelhof einzu­rei­chen. Darüber hinaus bietet das Festival Galerien, Museen und Institutionen aus Berlin die Möglichkeit, Satellitenausstellungen an eigenen Orten inner­halb der ganzen Stadt zu präsentieren. 


Peinliche ß-Schusseligkeit bei Dr. Schüßler Salze DHU

Vielleicht ist es einfach nur die gerechte Strafe dafür, wenn ein Firmenname ohne Not in Versalien geschrieben wird. Denn eigent­lich hat Dr. Schüßler Salze DHU ein ordent­li­ches, einpräg­sames Logo, gesetzt aus einer durchaus passenden Schreibschrift:

Doch seit einigen Wochen »glänzen DHU Schüßler-Salze in einem neuen Packungsdesign« (Schüßler über Schüßler). Und das im wahrsten Sinne des Wortes, »denn unter dem auffal­lend großen Logo verläuft eine elegante Goldlinie. Sofort wird klar: Es handelt sich um ein Qualitätsprodukt der DHU, und um die belieb­testen Schüßler-Salze Deutschlands.« Im auffal­lend großen Logo befindet sich jedoch ein pein­li­cher Schreibfehler, denn der in Versalien gesetzte Firmenname lautet SCHÜßLER, statt SCHÜSSLER. Sofort wird klar: Hier wurde geschlampt. So was kann fatale Folgen für das Vertrauen in die Marke haben.

Freunde des Versal-ß werden jetzt einwerfen: »Mit Eszett-Großbuchstaben wäre das nicht passiert.« Doch. Wer die Benutzung des gewöhn­li­chen ß nicht beherrscht, wird auch am Versal-ß scheitern.

Danke an Ben für die Entdeckung. In seinem Blog Typolution zeigt er mehr Bilder und beleuchtet auch die Rückseite der Dr-Schüßler-Tuben.


TV-Sender sortieren, aber wie?

Es gibt Menschen, denen die Reihenfolge der TV-Stationen auf ihrer Fernbedienung komplett egal ist: Sie spei­chern die Programme so ab, wie sie vom Receiver gefunden werden. Ich gehöre zu der anderen Gruppe, die versucht, dem Sender-Chaos irgendwie eine Ordnung zu geben. Dieses Verhalten könnte ange­boren sein, oder eine Sucht … die prak­ti­sche Komponente am Sortieren ist Bequemlichkeit: Ich will einfach die mir wich­tigen Programm auf den 10 Nummerntasten der Fernbedienung ansteuern können. Der unwich­tige Kram, den ich nie ansehe, soll ganz hinten hin.

Nach welchen Kriterien sortiere ich nun? Es ist eine Mischung aus Popularität, Neugier und inhalt­li­chen Kriterien. Einige Sender stehen aus mnemo­tech­ni­schen Gründen da, wo sie hinge­hören, zum Beispiel ProSieben. Aber nicht: Das Vierte.

Die nach­fol­gende persön­liche Sortierung bezieht sich auf die in Berlin über TVB-T empfang­baren Sender.

Platz 1 bis 3 müssen bei Sortierfanatikern in meinem Alter, die zu einer Zeit TV gesehen haben, als es nur einen einzigen Kanal gab, histo­risch sortiert sein:

1. ARD (1950)
2. ZDF (1963)
3. RBB Berlin (1964)

Anschließend gilt es, eine Ordnung in die privaten Sender zu bringen. Bei mir ist es eine Mischung aus Bedeutung (Marktanteil) und Merkbarkeit. Seit einigen Jahren sortiere ich so:

4. RTL
5. Sat.1
6. Vox
7. ProSieben

Arte hat sich bei mir – trotz anderer Prophezeiung (siehe: Warum die arte-Werbung ein Rohrkrepierer ist) – auf Platz 8 eingebrannt:

8. arte

Bevor ich den ARD-Regionalprogrammen einen ganzen Block widme, folgen einige öffent­lich-recht­liche Qualitätssender, für die ich seit Jahrzehnten ehrlich meine GEZ-Gebühren zahle:

9. 3sat
10. extra
11. KiKa/ZDF_neo

Dann die Regionalprogramme, sortiert von Nord nach Süd

12. NDR
13. RBB Brandenburg
14. WDR
15. HR
16. mdr
17. SWR
18. BR

Nun die Nachrichtensender:

19. ZDF​.info
20. n-tv
21. phoenix
22. Eurosport
23. tv​.berlin
24. Euronews/Channel21
25. N24

Dann die »billigen« Privaten:

26. Kabel Eins
27. Super RTL
28. RTL II
29. Tele 5
30. Sixx
31. Music 1
32. Servus TV
33. Anixe
34. Spreekanal/Juwelo
35. Das Vierte
36. bibel​.tv

Ganz am Ende die Shopping-Kanäle:

37. QVC
38. HSE24

Wie sortiert ihr?


★ der Woche: Aim High, Keep Moving! 45,00 9,90 €

»Aim High, Keep Moving!« ist ein typi­sches Objekt-Buch, entstanden aus dem Umfeld der beliebten OFFF-Konferenz (Paris, 2010). Die Autoren haben es als Reisetagebuch insze­niert. Alles, was Spannendes in der Geschichte des Festivals passiert ist, wird auf eine dazu passende Art und Weise wieder­erzählt: als Anekdote, Statement, Foto oder Zitat ihres Schöpfers. Zu Wort kommen unter anderem Designer und Künstler wie Erik Natzke, Kyle Cooper, Hi-Res!, Hillman Curtis, Rob Chiu, Michael Paul Young, Digital Kitchen, Fallon, John Maeda, Multitouch Barcelona, Paula Scheer, Tomato, Vasava, Joshua Davis, Alex Trochut oder Neville Brody. Eine sehr emotio­nale und anre­gende Lektüre, die zum Abschweifen einlädt, damit der Leser seinen eigenen Horizont erweitert.

In dieser Woche bietet FontShop »Aim High, Keep Moving!« zum abso­luten Tiefpreis von 9,90 € statt 45 € an, inkl. MwSt. und versand­kos­ten­frei. Zur Bestellung …


Markus Hanzer »Genesis«, kostenloses iBook [Update]

Wahrscheinlich ist es das erste iBook im Selbstverlag, das von einem profes­sio­nellen Gestalter mit der neuen Macintosh-Software iBooks Author erstellt wurde, die Apple vor 2 Wochen vorge­stellt hat … Der öster­rei­chi­sche Designer und mehr­fache TYPO-Berlin-Sprecher Markus Hanzer hat es gestern veröf­fent­licht. Unter dem Titel »Genesis« setzte er sich auf der TYPO Berlin 2011 mit den Veränderungen in seinem Beruf ausein­ander. Der viel beach­tete Vortrag lieferte nun den Inhalt für sein kosten­loses e-Book, das im iTunes-Store zum Download bereit liegt.

Das Buch beleuchtet die unter­schied­li­chen Vorstellungen, die sich im Laufe der Geschichte über den Mensch als Gestalter entwi­ckelt haben und fragt danach, welche dieser Ansätze noch von Bedeutung sind. In jedem Diskurs über Gestaltung taucht früher oder später die Frage auf : Wer hat die Zügel in der Hand? Wer hat die Welt in ihrer uns erfahr­baren Form geschaffen? Ist das Werk gelungen? In welchem Rahmen sind Veränderungen denkbar und wer hat das Recht ein Urteil zu fällen?

Je mehr Gestaltungsarbeit sich von tradi­tio­neller Handarbeit entfernt, indem wir mit Programmen und vorge­fer­tigten Templates und Designelementen von der Stange arbeiten, desto komplexer wird die Rechtslage, die uns vorgibt, wie weit unsere Handlungsspielräume noch reichen, welche Rechte den so genannten Urhebern einge­räumt werden, wer, was als sein geis­tiges Eigentum bezeichnen darf, und somit auch, welche Schranken und Grenzen der Gestaltung gesetzt werden. Wer hat das Recht die Welt umzu­ge­stalten und wer darf wann andere zur Kasse bitten, wenn diese vorge­fun­dene Gestaltungselemente benutzen wollen?

Es zeigt sich, dass Gestaltung nach wie vor der gemein­schaft­li­chen Konstruktion eines Weltbilds dient. Beim Design werden zentrale Fragen verhan­delt, zum Beispiel wie wir zu unserer Umwelt stehen, wie wir unser Zusammenleben ordnen und welchen Zielen wir unsere Lebensenergien widmen? Es geht gar nicht mehr darum, jeden denk­baren Raum mit Zeichen zu füllen, sondern einen Raum zu schaffen, in dem sich Zusammenleben entfalten kann. Oder wie die von Markus Hanzer zitierten Hans-Joachim Gögl und Josef Kittinger meinen: »Veränderung führt über das Erlebnis der Alternative. Wandel benö­tigt sinn­lich erfahr­bare Modelle anderer Realitäten; Prototypen einer anderen Wirklichkeit. Denn wir verwan­deln uns in das, was wir betrachten, da die Energie der Wahrnehmung folgt. Wir sind somit verant­wort­lich für unsere Aufmerksamkeit.«

Fazit: Das in den letzten Jahrzehnten gewach­sene Heer an Gestalterinnen und Gestaltern wird drin­gend gebraucht, sollte es gelingen, dass jene die Hilfe suchen, diese auch finden.

Ich sprach mit Markus Hanzer über die Produktion seines e-Books:

Fontblog: Markus, wie hast Du das e-Book produziert?

Hanzer: Ich habe die Datei mit iBooks Author gene­riert … und – um ehrlich zu sein – sogar eines der ange­bo­tenen Templates benutzt.

Wie aufwendig war das für dich?

Nach dem ich mit Keynote sehr vertraut bin, bewege ich mich hier auf gewohntem Terrain. Unmittelbare Benutzung ohne jede Gebrauchsanweisung ist über­haupt kein Problem. Das Programm macht viel­leicht Designer die sich primär mit QuarkXPress und Indesign beschäf­tigen nicht sehr glück­lich, da Feinjustierungen in diesem Umfang nicht vorge­sehen sind. Aber so schnell etwas veröf­fent­li­chen zu können, finde ich revolutionär.

Was kostet die Software?

Das Programm ist kostenlos, der Vertrieb meines Buches über den iTunes-Book-Store ebenso.

Was hat Apple davon?

Apple will damit jede Menge Publikationen in seinen Store spülen und damit auch den Verkauf des iPads voran treiben. Die Möglichkeiten die das iPad bietet sind durchaus berau­schend und wir stehen ja hier absolut noch in den Anfangstagen.

Wo werden wir demnächst iBooks sehen?

Vor allem im Bildungsbereich, in dem Apple auch mächtig Gas gibt, sehe ich einschnei­dende Möglichkeiten Unterricht span­nender, leben­diger, einpräg­samer und indi­vi­du­eller zu machen.

Brechen auch für Autoren neue Zeiten an?

Ob es für Autoren auf diesem Weg leichter wird, ein Publikum zu finden, sei dahin­ge­stellt … Die Zeit wird es weisen.

[Update: 2 weitere Fragen]

Hat Apple Dein Buch geprüft?

Ich habe keine Ahnung ob Apple das Buch geprüft hat. Sie haben mit mir in keiner Weise kommu­ni­ziert. Ich habe auch kein Bestätigungsmail oder sonst ein, wie immer gear­tete Nachricht bekommen.

Wie lange dauerte die Freigabe?

Ein paar Stunden. Falls man bei Apple in die Datei schaut, was ich annehme, hängt die Bearbeitung sicher davon ab, wie viele Uploads in einem bestimmten Zeitraum erfolgen.


Creative Morning Berlin: »Rekordeinschaltquote«

Über 1000 mal wurde das gestern (hier im Fontblog) ange­kün­digte Video des 6. Berliner Creative Morning bereits ange­sehen. In ihrem 20-minü­tigen Referat stellen Heike Nehl und Sibylle Schlaich (Moniteurs, Berlin) das Leitsystem des neuen Airport Berlin Brandenburg vor. Ihre Arbeit setzt inter­na­tio­nale Maßstäbe, den erst­mals wurde ein Flughafen-Leitsystem mit allen seinen Komponenten – Design, Material, Schrift, Farbe, … – als zentrales iden­ti­täts­stif­tendes System in die Architektur und die Werbekommunikation eingebunden.