Fontblog Artikel im Februar 2012

bukowskigutentag 3/12: Werbung vs. Social-Media

ürzlich habe ich etwas über­spitzt dieses getwit­tert: »Kleine Näherung: 75 % der Leute leben heute gedank­lich im 19. Jh., 20 % im 20. und der Rest jetzt.« Das trifft auch auf Unternehmen zu. Und mehr noch: Die Kommunikation mancher Unternehmen lebt heute gleich­zeitig in verschie­denen Epochen. Das führt zwangs­läufig zu krassen Brüchen. Dazu mehr weiter unten. Zunächst ein Wort zur Zeit.

In welcher Zeit leben wir denn? Eine, wie ich finde, bemer­kens­werte Analogie lässt sich in zwei wesent­li­chen Bereichen unserer Welt ausmachen.

Erstens entwi­ckelt sich die Produktwelt weg vom stati­schen Gegenstand hin zum prozess­ba­sierten und dyna­mi­schen Produkt. Nicht mehr das Ding an sich ist rele­vant, sondern dessen Entstehung im Vorfeld und dessen Umwandlung, nachdem es seinen Zweck erfüllt hat. Die Frage nach der Art der Herstellung (Fair? Ökologisch? Herkunft?) und nach dem Ableben (Recycling) zählen zuneh­mend zum Wesen eines Produktes. Der Prozess rückt in den Vordergrund. Und nicht nur vorher und nachher, sondern auch mitten­drin. Die Tüte Milch wird uns wohl in bishe­riger Form erhalten bleiben, aber eBooks, Smartphones, Sportschuhe, Kühlschränke: alles vernetzbar, updatebar, erwei­terbar, perma­nent modu­lierbar und tral­lala … (Apropos »tral­lala«: Das soll hier kein tumbes Loblied auf die Moderne werden. Auch wir selbst müssen uns andau­ernd anpassen, modu­lieren, updaten etc. Hat sicher­lich alles Vor- und Nachteile, aber das ist eine andere Geschichte.)

Zweitens wandelt sich die Kommunikation von Menschen und Unternehmen weg von Einwegkanälen hin zum kommu­ni­ka­tiven Ping-Pong über Social-Media. Anstatt passiv von Werbebotschaften berie­selt zu werden, findet ein direkter Dialog statt. Sprich: Prozess auch hier.

Genau dieselbe Entwicklung also prägt die gegen­ständ­liche Welt wie die der Kommunikation. Zufall? Möglich. Aber allemal inter­es­sant, die gleiche Dynamik in zwei so substan­zi­ellen Bereichen zu beob­achten – was wir kaufen und wie wir mitein­ander reden. So weit der viel­be­schwo­rene Trend. Jetzt zum Abgleich mit der Realität. Als Beispiel dient ein Unternehmen, dessen Facebook-Page ich für ein paar Tage im Auge behalten habe.

Die Werbung der 1&1 AG ist bundes­weit flächen­de­ckend präsent. Unter anderem wird hier Service groß geschrieben. Und zwar ganz groß. Präsentieren tut uns das Herr Marcel D’Avis als Leiter Kundenzufriedenheit. Die Frage drängt sich auf, welche Zufriedenheit genau der Mann eigent­lich leitet. Bei Twitter hat er es längst zum Running-Gag gebracht, was ja auch schon eine gewisse Werbewirkung beweist.

Nun kolli­diert dieses Werbeversprechen leider dras­tisch mit der Realität. Die Realität lässt sich unter anderem auf der Facebook-Seite des Unternehmens besich­tigen. Auf der Pinnwand postete 1&1 kürz­lich etwas zum Valentinstag. Ich wette, Sie haben es gleich gemerkt: Das Thema ist heiß! Dementsprechend reprä­sen­tierte das Valentins-Posting auch über mehrere Tage bis zum 14.2. die Facebook-Kommunikation von 1&1. Siehe dazu auch in eigenen Worten, was Nico Lumma kürz­lich sagte: Social-Media ist, wenn am Ende doch wieder nur ein iPad verlost wird.

Passend zur kaum über­biet­baren Uniqueness des Themas Valentinstag wählte man auch ein ultra­ver­schärftes Facebook-Tool: ein Voting-Dingsi! Entsprechend groß war die Resonanz. Innerhalb von vier Tagen antwor­teten 45 Leute zu bren­nenden Fragen wie Pralinen, Rosen oder was man sich sonst so schenkt. Soweit zu den Nachrichten aus der Welt der Hochrelevanz.

Öffnen wir nun den Pinnwand-Bereich für »alle Meldungen«: Hier geht es, was Wunder, nicht um so belang­losen Quatsch wie Valentinstage. Hier wird die dreckige Wäsche gewa­schen, die es laut 1&1-Werbung gar nicht gibt. Es hagelt Beschwerden ohne Unterlass. Ein einziger Haufen »Wann denn endlich … seit Wochen schon nicht … geht nicht … kaputt … kommt nicht … hallo! … Eure Werbung sagt aber, …« spru­delt einem da entgegen. Die Werbeversprechen fungieren hier noch als Brandbeschleuniger, den die Leute nur zu gerne in die Timeline kippen. Auch hier wirkt die Werbung; nur ganz und gar nicht so, wie sie es soll. Mit dieser Heile-Welt-Politur vergan­gener Zeiten kann man heute viel­leicht noch ein paar der letzten, versprengten Offliner beein­dru­cken, aber die Community serviert einem dafür umge­hend die Quittung; und mit der Community sind längst nicht mehr verein­zelte Nerds gemeint, sondern die Masse der Ottonormal-Facebook-Bürger, inklu­sive Oma Krause von nebenan.

Spannen wir den Bogen wieder zurück zum eingangs Gesagten: Die Kommunikation der 1&1 AG lebt gleich­zeitig in zwei zuein­ander komplett inkom­pa­ti­blen Epochen. Die Facebookpage ist von heute. Die Werbung von gestern. Sie arbeitet mit der Methode des letzten Jahrhunderts. Da sie das nicht mehr im luft­leeren Raum tut, eiert sie wort­wört­lich kolossal neben der Spur. Was die Werbung verspricht, das Unternehmen aber nicht hält, das kann keine Facebook-Redaktion online ausbügeln.

Ein Treppenwitz der Geschichte: Die Unternehmen müssen (Diktat des Zeitgeistes) auch noch selbst die Bühne bauen, auf der ihre dreckige Wäsche in aller Öffentlichkeit gewa­schen wird. Und die wirk­lich nicht zu benei­dende Facebook-Redaktion befindet sich in einer perma­nenten Abwehrschlacht, bei der die olle Old-School-Werbung noch Öl ins Feuer gießt. Dank dieser multi­plen Persönlichkeitsspaltung der Kommunikation dürfte 1&1 in der Unglaubwürdigkeits-Champions-League ganz vorne mitspielen können.

Spannen wir auch den zweiten Bogen vom eingangs Gesagten zurück: Die Werbung von 1&1 ist kein Prozess im Sinne von Dialog und auch kein konstruk­tiver Beitrag dazu, da sie die Realität inklu­sive Social-Media-Realität schlicht igno­riert und sich damit voll­um­fäng­lich selbst diskre­di­tiert. Sie nötigt die enttäuschten Kunden gera­dezu, sich mit einem saftigen »Verarscht mich nicht!« bei Facebook auszu­toben oder die Service-Hotline-Mitarbeiter zu bepö­beln. (Cluetrain Manifesto, ick hör Dir trapsen!)

Die Werbung ist aber kein Einwegkanal mehr. Stünde sie solitär auf einer Litfaßsäule in der Gegend rum wie im letzten Jahrhundert, kein Problem. Nur sind diese Zeiten vorbei, und das irrever­sibel. Falls sich noch jemand an das Zauberwort der »inte­grierten Kommunikation« erin­nert, das über lange Jahre bei jeder Agentur auf der Fahne prangte, dann haben wir hier ein schönes Beispiel für Kommunikation, wie sie desin­te­grierter gar nicht sein könnte. Ich wage mal die These, dass sich kein Unternehmen lang­fristig mehr solche unrea­lis­ti­schen Werbeversprechen wird leisten können. Das wäre doch mal eine gute Nachricht und das sage ich als alter Texter-Schurke.

Nun ja, wir befinden uns im Experimentierstadium und wir müssen alle erst noch den Social-Media-Führerschein machen. Das gilt nicht nur für Unternehmen. Auch wir »User« sind herz­lich einge­laden, uns an die eigene Nase zu fassen. Denn endlich war der Valentinstag gelaufen, da entkorkte 1&1 plötz­lich ein Fläschchen Relevanz mit einem Beitrag zum Thema ACTA. Wie reagiert die Community? Es kommt irgendso ein Gehirn-Bolide um die Ecke und kommen­tiert das ACTA-Posting mit Gequengel »wo denn sein Handy bliebe« oder so. Man meint, den Nachhall der zurecht auf die Tischplatten knal­lenden Köpfe der 1&1-Redakteure heute noch hören zu können.

So weit zur kleinen Momentaufnahme. Es gibt offen­sicht­lich noch viel zu tun und zu lernen. Hier anhand einer Unternehmenskommunikation, die sich selbst souverän ins Knie schießt. Und jetzt? Wir begeben uns auf die Suche nach posi­tiven Beispielen (oder versu­chen, selbst welche zu basteln). Wenn jemand von erfolg­rei­chen Geschichten weiß, immer her damit! Wir berichten gerne darüber.

Michael Bukowski


»Nicht allein das ABC …« DDR-Fibeln unter der Lupe

In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Design Zentrum IDZ lädt die Stiftung Industrie- und Alltagskultur zu ihrer ersten Veranstaltung im Jahr 2012 ein. In loser Folge werden Themen der visu­ellen Kommunikation in der DDR in Vorträgen und Round-Table-Gesprächen zur Diskussion gestellt. Der Eintritt ist frei.

Am 24. Februar um 19:00 wird Verena Stürmer, wissen­schaft­liche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik der Universität Würzburg, anhand von Texten und Bildern aus den Fibeln den Alltag der Kinder und ihrer Familien in der DDR darstellen. Ergänzend dazu zeigt Prof. Matthias Gubig Beispiele von Arbeiten der Illustratoren für die Fibeln, Hans Baltzer und Werner Klemke. Die Veranstaltung wird von einer kleinen tempo­rären Ausstellung von Fibeln und anderer einfüh­render Lehrbücher begleitet.

Um die Zahl der benö­tigten Stühle unge­fähr einschätzen zu können, bitten die Veranstalter um eine unkom­pli­zierte Online-Anmeldung: http://​www​.tinyurl​.com/​N​i​c​h​t​A​l​l​e​i​n​D​a​s​ABC

24.Februar, 19 Uhr, Literaturwerkstatt Berlin in der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, 10435 Berlin.


iF-Gold für font​font​.com

Am Freitag letzter Woche wurden im Rahmen einer fest­li­chen Preisverleihung die Gewinner des iF Communication Design Award 2012 ausge­zeichnet. Dabei erhielten FontShop International und die Designagentur Edenspiekermann einen Goldenen iF Award für den gemeinsam erar­bei­teten Relaunch der FontFont-Website font​font​.com. Edenspiekermanns Creative Director Robert Stulle und FontFont-Marketing-Direktor Ivo Gabrowitsch nahmen den ange­se­henen Preis, stell­ver­tre­tend für beide Teams, vor 1600 Gästen aus aller Welt in der Münchner BMW Welt entgegen.

»Größtmögliche Einfachheit und Übersichtlichkeit der welt­weit größten digi­talen Schriftenbibliothek.« lautete die Begründung der inter­na­tional besetzten Jury. »Mit neuer inhalt­li­cher Struktur und Suchfunktion können Benutzer sehr komfor­tabel Schriften ansehen. Eine wirk­lich wunder­bare und nütz­liche Website.« Ein Fazit, das die ursprüng­liche Zielstellung des Redesigns als erfüllt zusam­men­fasst. Welch groß­ar­tigen Erfolg dieser Award für beide Partner darstellt, belegen die folgenden Zahlen: Aus 1054 Beiträgen erhielten 275 Einreichungen das rote iF Label – nur 30 davon wurde ein Gold Award für exzel­lentes Kommunikationsdesign zugesprochen.

»Der Gold-Award ist eine groß­ar­tige Anerkennung für die Arbeit alle Beteiligten. Das anspruchs­volle, sechs­mo­na­tige Projekt war eine große Herausforderung für uns.« erin­nert sich Projektleiter Ivo Gabrowitsch am Rande der Münchener Preisverleihung. »Dass unser gemein­sames Ergebnis nun mit dem bedeu­tendsten deut­schen Designpreis gewür­digt wird, macht uns einfach nur stolz. Die goldene Statue wird uns alle täglich daran erin­nern, die hohe Qualität unserer Arbeit zu halten und die Benutzerfreundlichkeit unserer Website weiter zu steigern.«


Poetische Pollen

Jeden Monat erstellt das FontShop-Team eine Liste mit Lieblingsschriften. Darunter fallen sowohl typo­gra­fi­sche Newcomer, als auch Schriften, deren Entwicklung wir mit Freude beob­achtet haben:

Seinen ersten Entwurf entwi­ckelte der brasi­lia­ni­sche Designer und Künstlers Eduardo Berliner in unzäh­ligen kalli­gra­fi­schen Studien mit Pinsel, Feder, dem breit­kan­tigen Filzstift und Bleistiftzeichnungen. Als die  Pollen-Familie schließ­lich 2011 erschien, war es Berliner gelungen eine Schrift zu zeichnen, die tradi­tio­nelles Handwerk und die tech­ni­sche Umsetzung vortreff­lich mitein­ander verbindet.

Pollen Displaysample@FontShop

Die Formen der diago­nalen Buchstaben beruhen auf einem infor­mellen kalli­gra­fi­schen Modell, gezeichnet mit dem breit­kan­tigen Filzstift

Humanistische Schrägachsen, sanfte Kurven und kalli­gra­fisch inspi­rierte Terminals verleihen dem Satz mit Pollen Leichtigkeit und Anmut. Pollen versetzt Layouts in poeti­schen Schwung und  bringt gleich­zeitig huma­nis­ti­sche Tiefe. Sie eignet sich für den Einsatz in Magazinen und Büchern ebenso wie für Werbetexte und Webseiten. Für gute Lesbarkeit sorgen wohl­pro­por­tio­nierte Buchstabenformen.


Pollen letters@FontShop

Der kalli­gra­fi­sche Fluss der Pollen zeigt sich deut­lich in der Konstruktion der spit­zu­lau­fenden oberen Serifen im Kontrast zu den sanft gewölbten unteren Serifen 

Bei der Reinzeichnung wurden Pollens Buchstabenformen zunächst mit dem Bleistift geglättet und erhielten ihre endgül­tige  Fassung als digi­tale Re-Interpretationen. Die Buchstaben „e“ und „c“ wurden aus Bleistiftzeichnungen mit nur einer durch­ge­henden Linie abge­leitet, während der Bleistift immer das Papier berührte. Die Unterlängen der Buchstaben „g“ und „y“ bringen einen verspielten Aspekt in die  Schrift, ohne ihre Lesbarkeit in langen Texten zu beiein­träch­tigen. Pollen besteht aus den drei Grundschnitten Regular, Bold und Italic und verfügt über einen erwei­terten OpenType Pro-Zeichensatz mit 450 Zeichen pro Font. Mit Extra-Sprachunterstützung für Türkisch, Rumänisch und die balti­schen Sprachen, erfüllt Pollen höchste Ansprüche an eine moderne Schrift.

Pollen Print Sample@FontShop

Eine huma­nis­ti­sche Schrägachse, der Kontrast zwischen Geraden und Kurven und kalli­gra­phisch inspi­rierte Terminals kenn­zeichnen die Pollen.

Die erste Version der Pollen erschien in einem Dobra-Katalog (Bresil, une nouvelle de Generation Designer, Frankreich 2004). In Europa ist noch weit­ge­hend unbe­kannt, eroberte die Pollen-Familie im Flug die brasi­lia­ni­sche Modebranche. Nach ihrer Überarbeitung erhielt die Familie 2011 den ISTD Premier Award.

Über den Entwerfer: Eduardo Berliner studierte Schriftdesign an der renom­mierten University of Reading und arbeitet als freier Künstler, Grafikdesigner und Lehrveranstalter an der Katholischen Universität von Rio de Janeiro. Gemeinsam mit dem Designer Cadu erar­bei­tete er erst kürz­lich die grafi­sche Struktur für die Zeitung „muse­u­museu“, ein unge­wöhn­li­ches Projekt des brasi­lia­ni­schen Künstlers Mabe Bethonico, das auf der 27. Biennale in Sao Paulo ausge­stellt wurde.

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★ der Woche: Pollen OT (3 Fonts) 125,00 99 €

Pollen ist der erste Entwurf des brasi­lia­ni­schen Designers und Künstlers Eduardo Berliner. Die Entwicklung der drei­schnit­tigen Familie prägten umfas­sende kalli­gra­phi­sche Studien, mit dem breiten Stift, dem Pinsel und der Feder. Als Pollen schließ­lich 2011 erschien, war es Berliner gelungen eine Schrift zu zeichnen, die hand­schrift­liche Wurzeln mit tech­ni­scher Brillianz verknüpft: eigen­willig und trotzdem extrem leserlich.

Die Formen der Pollen-Buchstaben basieren auf einem infor­mellen kalli­gra­phi­schen Modell, ursprüng­lich mit einem breiten Stift skizziert 

Humanistische Achse, subtile Kurven, modu­lierter Vorbau und kalli­gra­phisch inspi­rierter Strichenden … der unge­zwun­gene Auftritt von Pollen erlaubt den Einsatz in eine breite Palette von Anwendungen, ange­fangen vom Editorial Design über den Buchsatz bis hin zur Werbung.

Beim Entwurf wurden die Buchstabenformen meist mit Bleistift geglättet. Ihre endgül­tige  Fassung erhielten sie erst als digi­tale Re-Interpretationen. Die Buchstaben e und c wurden aus Bleistiftzeichnungen mit nur einer durch­ge­henden Linie abge­leitet, während der Bleistift immer das Papier berührte. Die Unterlängen der Buchstaben g und y bringen einen verspielten Aspekt in die  Schrift, ohne die Lesbarkeit zu beieinträchtigen.

Pollen bietet die drei Grundschnitte Regular, Italic und Bold und enthält über 450 Zeichen pro Font.

Der kalli­gra­fi­sche Fluss der Pollen zeigt sich sowohl in der Konstruktion der Serifen, als auch in den Ausläufen und natür­lich beim Strichstärkenkontrast

Eduardo Berliner erhielt seinen Master of Arts in Type Design an der University of Reading, UK. Derzeit arbeitet er als frei­schaf­fender Künstler und Grafiker. Im Jahr 2004 entwi­ckelte er einen Einführungskurs in die Typografie für die Katholische Universität von Rio de Janeiro.

Pollen OT 3 fonts Regular, Italic, Bold | 3 Fonts |  99 (statt  125 €) mit Promo-code DE_star_2012_07 (gütig bis 19.02.)


Carmen hat Feuer

Jeden Monat erstellt das FontShop-Team eine Liste mit Lieblingsschriften. Darunter fallen sowohl typo­gra­fi­sche Newcomer, als auch Schriften, deren Entwicklung wir mit Freude beob­achtet haben: Liegt es am fros­tigen Februar? Carmen hat es uns angetan. Der Mythos der heiß­blü­tigen Zigeunerin Carmen inspier­irte Andreu Balius zum Entwurf dieser Editorial-Familie mit fünf Schriftschnitten (Regular, Italic, Bold und Display) für das spani­sche Schriftenhaus Typerepublic. Carmen bringt Leidenschaft und Eleganz in Texte, Cover und Displays. Der sepa­rate Headline-Font Carmen Fiesta sorgt für zusäzt­li­ches Feuer. Seit Ihrer Entstehung 2008 hat die Carmen-Familie einen Siegeszug durch Bücher, Zeitschriften und Websites angetreten.

Carmen@FontShop

Eine Familie mit Grazie und Temperament: Andreu Baliusuns Carmen enthält vier Schnitte für Texte und Displays, raffi­nierte Ligaturen und einen Extra Zierschnitt   Wie Bizets unver­gess­li­cher Operncharakter, sorgt Carmen für gestal­te­ri­sche Spannung und Sinnlichkeit. Zunächst als Auftrag für eine neue Ausgabe von Prosper Mérimées Buch »Carmen«gezeichnet, ließ sich Andreu Balius von den spani­schen Schriften der  1830er Jahre inspier­iren, die ihrer­seits auf die berühmten Formen des Franzosen Firmin Didot zurück­gingen. Carmen hat das gewisse Etwas. Sie balan­ciert geschickt zwischen dem smart-witzigen Ansatz der Ambroise von Porchez und der formalen Strenge der Frutiger.

CarmenFiesta Abbildung

Wenn der Satz Emotionen wecken soll kommt Carmen: In diesem Sachbuch über Fetisch-Masken (Lucha Loco von Armin Vit) unter­streicht hier der Fiesta-Font der Carmen die knis­ternde Atmosphäre. Der Fiesta-Schnitt verführt mit opulenten Zierserifen und kann mit zwei­far­bigen Effekten zusätz­lich Kontrast und Spannung erzeugen. Es ist kein Zufall, dass die US-ameri­ka­ni­sche Dessous-Marke »Victoria's Seccret« Carmen als Schrift für ihren Online-Katalog wählte. Die Familie wurde ausge­zeichnet als »best type­faces of 2008«von Typographica​.org und »Top Type of 2009« von FontShop International. Über den Entwerfer: Andreu Balius arbeitet als Grafikdesigner in Barcelona. Er studierte Soziologie und Graphic Design und betreibt heute ein eigenes Studio für Grafik und Schriftentwurf. Im Jahr 2003 grün­dete er das Schriftenlabel Typerepublic. Dort veröf­fent­licht seine Entwürfe und maßge­schnei­derte Schriften für Zeitungen und Corporate Typography. Sein Buch »Type at work. The use of Type in Editorial Design«, (BIS, Amsterdam, 2003) setzte neue Standards für den Einsatz von Schrift in Print-Objekten. Balius erhielt inter­na­tio­nale Auszeichnungen, darunter von der Association Typographique Internationale (ATypI) und dem Type Director‘s Club (TDC) und ist seit 2010 Mitglied der Alliance Graphique Internationale (AGI).


TYPO Day Hamburg: bitte beeilen!

Es sind nicht nur bereits 70 % der Tickets für den TYPO Day Hamburg verkauft … in 2 Tagen endet auch noch der Rabatt für Frühbucher. Mehr müssen wir dazu nicht sagen.

Noch eine gute Nachricht für alle, die sich bereits ange­meldet haben: Der abschlie­ßende TYPO Talk verspricht ein lehr­rei­cher wie unter­halt­samer Leckerbissen zu werden. Erik Spiekermann und Jürgen Siebert servieren mit den Hamburger Art-Direktoren Johannes Erler (stern) und Stefan Kiefer (DER SPIEGEL) eine bunte, wohl­schme­ckene Buchstabensuppe … rein verbal, natürlich.
(Illustration: Matthias Moll)


Drei Buchempfehlungen zum Wochenende

Auf meinem Schreibtisch liegen, teils schon viel zu lange, drei bemer­kens­werte Bücher, die den Fontblog-Lesern garan­tiert gefallen werden.

Der Berliner Designer Markus Nebel hat mir bereits Anfang Januar sein Buch »Psychogramm des Selbständigen« zusammen mit einem netten Brief zuge­stellt. Dort schrieb er unter anderem: »Ich hab dich am 28. Dez im MacDonald’s an der A4 gesehen, doch wäre es mir ein wenig komisch vorge­kommen, dir dort – zwischen BigMac und Konsorten – ein Exemplar zu über­rei­chen.« Ich hätt’s lustig gefunden, Markus. Nun haben wir unsere Begegnung beim letzten Creative Morning am Flughafen nach­ge­holt, und in der Zwischenzeit konnte ich mich etwas inten­siver mit deinem Buch beschäf­tigen, das im letzten Jahr als Diplomarbeit an der FH Mainz entstand, betreut von Prof. Johannes Bergerhausen.

Vielleicht sollte man dies vorweg­schi­cken: Das Buch widmet sich gezielt der Selbständigkeit in der Kreativbranche, was nicht zuletzt die Riege der Gastautoren verrät (Johannes Erler, Andreas Trogisch, Joachim Kobuss und Jan Welke), sondern vor allem die Liste der Interviewpartner: Thomas Ackermann, Gregor Ade, Frank Bannöhr, Ruedi Baur, Daniel Behrens, Roman und Julia Bittner, Daniel Frericks, Juli Gudehus, Lars Harmsen, Fons Hickmann, Stephan König, Eike König, Stephan Lauhoff, Ulrike Meyer , Claudia Mittendorf, Christoph Niemann, Johannes Plass, Anne-Lene Proff, Chris Rehberger, Raban Ruddigkeit, Jan Schaab, Steffen Schuhmann, Jan Schwochow, Jarek Sierpinski, Erik Spiekermann und Andreas Uebele.

»Psychogramm des Selbständigen« ist kein Ratgeberbuch, mit klugen Tipps und gut gemeinten Patentlösungen. Das Buch will viel­mehr zu einer inneren und persön­li­chen Auseinandersetzung anregen, indem es Motivation und Werdegang von 30 selb­stän­digen Gestaltern beleuchtet. Zur Publikation gehört eine kosten­lose iPhone-App, die den gedruckten Inhalt mit einer digi­talen Datenbank verknüpft. In dieser befinden sich – neben vielen Stunden Interviewmaterial – sämt­li­ches digi­tales Recherchematerial, einschließ­lich Bild- und Videoaufnahmen, Internetverweise und Textbeiträge von Co-Autoren. Diese beiden Elemente, Buch und Interface, bilden in ihrer Summe das »Psychogramm des Selbständigen« und machen es zu einem einma­ligen Lese-Erlebnis.

Weitere Informationen und zur Bestellung (19,90 €) auf www​.markus​nebel​.de …

»20+1. Vergleich von ausge­wählten seri­fen­losen Schriften der letzten zwanzig Jahre« ist eine Studie, die im Rahmen des Jahreskurses Typografie bei der tgm München entstand, geleitet von Rudolf Paulus Gorbach. Es ist kein Fachbuch, das fertige Erkenntnisse liefert, sondern dabei hilft, selber Schrift- und Typo-Erkenntnisse zu gewinnen. Wie der ausführ­liche Titel bereits verkündet, widmet sich der Autor Manuel Kreuzer, ein Münchener Multimedia-Designer, 21 bedeu­tenden seri­fen­losen Schriften der letzten zwanzig Jahre – für jedes Jahr eine:

1990 Quay Sans von David Quay
1991 DTL Argo von Gerard Unger
1992 Myriad von Robert Slimbach und Carol Twombly
1993 FF Scala Sans von Martin Majoor
1994 TheSans von Luc(as) de Groot
1995 FF Din von Albert-Jan Pool
1996 FF Dax von Hans Reichel
1997 Corpid von Luc(as) de Groot
1998 ITC Officina von Erik Spiekermann
1999 Linotype Aroma von Tim Ahrens
2000 FF Fago von Ole Schäfer
2001 Compatil Fact von Olaf Leu
2002 PTL Manual Sans von Ole Schäfer
2003 FF Unit von Erik Spiekermann
2004 FF Nexus Sans von Martin Majoor
2005 Monitor von Fred Smeijers
2006 Phoenica von Ingo Preuß
2007 Candera von Gary Munch
2008 Museo Sans von Jos Buivenga
2009 Secca von Andreas Seidel
2010 Carter Sans von Matthew Carter

Kreuzer beginnt seine Analyse mit einem Proportionsvergleich: er hat die Höhenverhältnisse von Groß- und Kleinbuchstaben sowie Ober- und Unterlängen vermessen und gegen­über gestellt. Anschließend unter­sucht der Autor ausführ­lich Versalien und Minuskeln und präsen­tiert die Unterschiede in über­sicht­li­chen Tafeln mit Anmerkungen. Immer wieder macht er auf Achsen, Rundungen, Strichenden, Schrägen und andere Buchstabendetails aufmerksam, wodurch er den Variantenreichtum der Sans-Serifs aufdeckt.

Ein Buch für alle, die ange­sichts der Flut seri­fen­loser Schriften fast verzwei­feln, oder schon immer mal die kleinen aber feinen Unterschieden in der Anatomie der Buchstaben entde­cken wollten. Erhältlich im Buchhandel oder bei Amazon …

Gestern hat mir Philipp Starzinger sein »Regensburg Sammelsurium« gesendet und schreibt dazu: »Typografisch inspi­riert ist es tatsäch­lich durch Ihren Artikel ›Ich fordere leiden­schaft­liche Tyografie‹, über den ich während des Layouts gestol­pert bin – glück­li­cher­weise!« Es folgt eine Aufzählung der typo­gra­fi­schen und buch­bin­de­ri­schen Quaitätsmerkmale, die ich hier mit großer Freude zitiere:

  • gesetzt aus Fonts von Zuzana Licko (Filosofia) und Ulrike Wilhelm (LiebeDoni)
  • erdacht, geschrieben, gesam­melt, illus­triert, layouted und verlegt vom Autor
  • Buch und Werbematerialien gedruckt auf der histo­ri­schen Heidelberg MO Einfabenmaschine
  • zirka 200 Stichwörter
  • über 50 Illustrationen und Ornamente
  • Titel mit 2 Sonderfarben (HKS 12 und 50),
  • Prägung, Lesebändchen und Kapitalband farb­lich abgestimmt
  • Vorspann in HKS 15 in selbst ange­fer­tigten Regensburger-Dom-Flächenornament …

Wem dies als Kaufargument noch nicht reicht … der rote Reiseführer ist das einzige Regensburg-Buch, auf dessen Titel weder Dom noch Donau abge­bildet sind und er enthält nur kurz­wei­lige Texte. Er erläu­tert, was eine »Mollen«, ein »Siri« und ein »Ratzi« ist, und welches Bier zu welcher Speise passt. Aber schaut doch selbst mal rein … hier gibt es ein Leseprobe-PDF. Wer immer noch nicht über­zeugt ist, sollte die ausführ­liche Rezension der Mittelbayerische lesen. Wer jetzt noch zögert: bei Amazon gibt es nur noch 1 Exemplar, für 14,95 €.