Fontblog Artikel im September 2011

✭ der Woche: Ambassador Script -20 %

In den 1950er Jahren war der italie­ni­sche Schriftentwerfer Aldo Novarese einer der radi­kalsten seiner Zeit. Die 1952 erschie­nene Microgramma, eine geome­trisch-tech­ni­sche Sans-Serif, Vorläufer der Eurostile (1962), war ihrer Zeit weit voraus und wurde in den frühen 70er Jahren zur Lieblingstype der typo­gra­fi­schen Avantgarde. 1954 trat sein Arbeitgeber Alessandro Butti, künst­le­ri­scher Leiter des Schriftenhauses Nebiolo, mit einer abwe­gigen Bitte an Novarese heran: Weil Nebiolo keine elegante Schreibschrift im Programm habe, wünsche er sich von seinem krea­tivsten Entwerfer eine »tipo inglese«, also eine Englische Schreibschrift. Dieser Vorschlag wäre nicht nur eine ästhe­ti­sche Herausforderung für Novarese, sondern auch eine tech­ni­sche. Er nahm den Auftrag an.

Die Englische Schreibschrift mit ihrer extremen Schräglage ist seit der Renaissance bis heute ein fester Bestandteil der typo­gra­fi­schen Stilmittel. Sie zeichnet sich durch Eleganz und Festlichkeit aus. Ursprünglich wurde sie mit der Spitzfeder geschrieben, wobei sich die Strichstärke durch den Druck auf die Feder ergibt. Später entwi­ckelten Schriftentwerfer diese Art Schreibschrift im Stahlstich weiter, wo ihre Ästhetik sich aber­mals verfei­nerte und perfek­tio­nierte. Doch wie über­trägt man eine solch fili­grane Schrift in den Bleisatz? Aldo Novarese hatte eine simple Idee: er redu­zierte den Neigungswinkel der Schrift radikal, was nicht nur das Leben der Schriftschneider erleich­terte, sondern auch für stabi­lere Lettern sorgte.

Als die neue Juliet 1955 erschien, war sie eine große Überraschung … für die Setzer wie auch die Kalligrafen. Novareses Kompromisslösung brachte einer­seits den Bleisatz auf ein neues Qualitätsniveau, vor allem im Bereich der opti­schen Größen, denn Juliet erschien in Größen von 12 bis 60 Punkt. Typografische Gestalter freuten sich über die stilis­ti­sche Bereicherung durch eine gut lesbare Schreibschrift, mit einem freund­li­chen Grauwert. Juliet inspi­rierte jede Menge anderer Schriftentwerfer und Kalligrafen dazu, ihre Schreibschriften eben­falls für den Bleisatz zu adaptieren.

Ambassador Script ist die erste umfang­reiche Digitalisierung von Aldo Novareses Meisterwerk Juliet. Über 1000 Stunden Arbeitszeit stecken in dem raffi­nierten OpenType-Font, den Rebecca Alaccari und Patrick Griffin nach Nebiolo-Origialvorlagen erstellten. Dabei ließen sie sich von der Möglichkeiten der OpenType-Technik gefangen nehmen, um die Schrift mit einer Unmenge von Alternativzeichen, Schwungbuchstaben, Ligaturen und Verzierungen zu berei­chern. Darüber hinaus unter­stützt Abassador Script fast alle euro­päi­schen Sprachen, die auf latei­ni­schen Buchstaben basieren.

Die OpenType-Version bietet das gesamte Spektrum der Zeichenformen, die im TrueType-Format 12 einzelne Fonts ergeben. Sie enthält über 2300 Zeichen, die auf diese Art nicht nur leichter zugäng­lich sondern mit den Automatiken der OpenType-Technik auch leichter zu verar­beiten sind.

Ambassador Script eignet sich wunderbar für reprä­sen­ta­tive Drucksachen, fest­liche Einladungen, Urkunden, Beschilderung vom Premium-Produkten und klas­si­sches Packaging (Wein-Etikette, …). Als Stern der Woche bietet FontShop den viel­sei­tigen Schreibschrift-Setzkasten bis einschließ­lich Sonntag für nur 40 statt 50 € an. Geben Sie dazu den Promocode de_star_38 bei Ihrer Bestellung auf www​.font​blog​.de ein … 


Mehr Plätze beim 2. Creative Morning am Freitag

Am kommenden Freitag (23. September) findet der 2. Creative Morning in Berlin statt, und ich vermute: Es wird ein heißer Morgen. Das liegt viel weniger am kosten­losen Kaffee oder an den warmen Cup-cakes, sondern am Thema. Wir werden den gestern been­deten Wettbewerb für das Menschenrecht-Symbol unter die Lupe nehmen, den human­rights­logo-Contest. Unsere Gäste, Katrin Schübel und Bastian Unterberg (Jovoto), waren für die tech­ni­sche Durchführung des welt­weiten Wettbewerbs verant­wort­lich. Das klingt auf den ersten Blick nicht sonder­lich aufre­gend, denn immerhin haben wir hier im Fontblog schon mehr­fach über Crowd-Sourcing und auch den Human-Rights-Logo-Contest ausführ­lich disku­tiert. Doch am 23. September wird einiges anders ein, und deshalb stellen wir 20 Prozent mehr Stühle bereit …

Wir ziehen Bilanz! In New York präsen­tieren am glei­chen Abend die Außenminister der betei­ligten Nationen das sieg­reiche Logo. Hat sich der Aufwand gelohnt, rund 16.000 Einreichungen aus 170 Ländern einzu­sam­meln und zu bewerten? Ging beim Voting alles mit rechten Dingen zu? Was geschieht nun mit dem prämierten Signet? Dies sind nur 3 Fragen, die mir dazu einfallen und die ich nach der Präsentation stellen werde. Sicher haben die Besucher des Creative Morning weitere Fragen. Und die Kritiker von Crowd Sourcing sowieso. Wenn dem so ist, kommt alle! Jetzt anmelden, die Plätze sind limitiert …


Selbstverleger-Buchmesse in Frankfurt

Parallel zur Frankfurter Buchmesse zeigen vom 14. bis 15. Oktober auf der First Issue junge Gestalter, Künstler und Autoren gedruckte Publikationen sowie aufwen­dige Sammlerstücke, die sie selbst verlegen und verkaufen. Auf einer beglei­tenden Konferenz spre­chen die Vorreiter der Self-Publishing-Szene aus ganz Europa. Wie der Name vermuten lässt, versteht sich First Issue als erste Ausgabe, der mit Second und Third Issue weitere folgen sollen.

»Print ist ganz und gar nicht tot, sondern erfindet sich gerade neu,« verkündet die Grafikerin Sandra Doeller vom Design-Verein Frankfurt, selbst Jung-Verlegerin und an der Realisierung des Events maßgeb­lich betei­ligt. Darum nähmen die neuen Produzenten selbst das Heft in die Hand. Grafiker, Autoren und Künstler finan­zieren, verlegen und vertreiben ihre Bücher, Fanzines, Kataloge, Magazine und Sammlerstücke selbst. Vertriebsmöglichkeiten bietet die eigene Homepage oder auch Webshops, Blogs und Social Media. Dabei geht es den neuen Verlegern weniger um mögli­chen Profit. Vielmehr sehen sie Gestaltung und Druck als eigen­stän­dige künst­le­ri­sche Ausdrucksform.

Zu den Sprechern der Veranstaltung gehören neben dem stell­ver­tre­tenden Leiter des Frankfurter Museums für Moderne Kunst Peter Gorschlüter auch die deut­schen Verleger Kai Rabenau (mono.kultur) und Jan Wenzel (Spector Books). Ebenfalls mit dabei ist der inter­na­tional renom­mierte Schweizer Designer und Verleger Urs Lehni (Rollo Press) und das berühmte Gestalterteam von Åbäke aus London, die neben Magazinen auch Mode und Musik vertreiben. Für die inhalt­liche Einordnung sorgen die Bloggerin Charlotte Cheetham von Manystuff und die beiden Gestalter Marco Balesteros und Sofia Gonçalves aus Lissabon mit ihrem Vortrag über Samizdat, den einst ille­galen Publikationen aus der Sowjetzeit. Roland Früh stellt gemeinsam mit Studierenden des berühmten Masterstudiengangs »Werkplaats Typografie« in Arnhem das Projekt »Facsimile Library« vor. Weitere Informationen …

Termine: Fr. 14.– Sa. 15. Oktober 2011 (Messe, Ausstellungen, Live-Aktionen 15–21 h). Konferenzprogramm an Fr. und Sa. 16–20 h

Ort: basis e.V., Gutleutstraße 8–12, Frankfurt am Mai


Und jetzt: Weltpremiere …

… der Nichtlesen-Comic von Michael Bukowski, exklusiv hier im Fontblog. Jeden Freitag zur gewohnten Sendezeit um 13 Uhr 30, von heute an bis Ende des Jahres. Viel Spaß!
(Comic-Großdarstellung)

© http://​www​.lektuere​-fuer​-nicht​leser​.de


Das eBook wird uns lange begleiten

Eine Erwiderung von Martin Holland

Vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle die wunder­schöne App des SZ-Magazins gelobt und eBooks wurden in einem zuge­hö­rigen Artikel als »Zwischending« bezeichnet, die von bald Apps abge­löst würden. Dem möchte ich an dieser Stelle wider­spre­chen, anhand eines eigenen Beispiels.

Zunächst aber kurz zu mir: Ich arbeite für das Augsburger Redaktionsbüro Contentplus Communications und wir haben Anfang September den „Contentplus City Guide Augsburg“ veröf­fent­licht, für dessen tech­ni­sche Umsetzung ich zuständig war. Es gibt ihn als ePUB bei iBooks oder ePubli und als leicht ange­passte Kindle-Version.

Aber genug der Werbung: Ich schreibe hier, weil ich weiß, dass ein gut gemachtes und durch­dachtes eBook all die Vorteile bietet, die Jürgen Siebert der App des SZ-Magazins anrechnet. Gleichzeitig leidet es nicht unter dem gravie­renden Nachteil, dass es an ein bestimmtes Gerät oder Betriebssystem gebunden ist:

In einem ePUB (dem Standard schlechthin, der nur von dem in dieser Beziehung anti­quierten Kindle nicht ange­zeigt wird) kann die Bildgeschichte aus »Sagen Sie jetzt nichts« genauso span­nend insze­niert werden wie in der App. Auch einge­bet­tete Videos sind möglich, werden aber bislang nur in iBooks wieder­ge­geben. Genauso kann Axel Hacke per inte­grierter Audiodatei in einem eBook seine Kolumne selbst vortragen. Noch hat iBooks bei der Unterstützung des ePUB-Standards einen immensen Vorsprung, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis ähnlich gute Programme für Android etc. erscheinen. Spätestens dann können ePUBs den großen Vorteil, auf jeder Plattform zu funk­tio­nieren, voll­ständig ausspielen.

Die Vorteile des Schriftenlexikons als App wiegen schon deut­lich schwerer. Vor allem mit der typo­gra­fi­schen Darstellung tun sich einige Reader nämlich noch immer viel zu schwer. Verschiedene Programme (wie Adobe Digital Editions für PC und Mac oder Aldiko für Android) sind aber bereits heute fähig, einge­bet­tete Schriftarten anzu­zeigen, wie im Standard gefor­dert. Ausgerechnet iBooks lässt das aber noch nicht zu. Auch hier bin ich aber der festen Überzeugung, dass es bald Programme für alle Plattformen gibt, die das unterstützen.

Bis auf die leider noch aktu­ellen Probleme hinsicht­lich der korrekten Anzeige, die aber, und das ist wichtig, bei eBooks nicht system­be­dingt sind, hat eine App also keine für immer währenden Vorteile. Dafür gibt es aber schwer­wie­gende Nachteile, die in der Natur einer App wurzeln: Eine App wird immer nur für ein bestimmtes Betriebssystem erstellt und erreicht so nur einen Teil des Marktes. Außerdem ist sie in der Produktion wesent­lich teurer als ein ePUB. Daneben ist auch nie gesi­chert, dass die App ein Update des zuge­hö­rigen Betriebssystems, geschweige denn den Wechsel auf ein Nachfolgegerät mitmacht.

ePUBs dagegen sind leicht zu erstellen (ich habe dafür das kosten­lose Programm Sigil benutzt), komplett durch­suchbar und offen für künf­tige Innovationen wie beispiels­weise Vorlesefunktionen. Sie können bereits jetzt auf vielen Geräten geöffnet werden, wenn auch mit den erwähnten Einschränkungen hinsicht­lich der Anzeige. Ich muss natür­lich einge­stehen, dass heute noch einige Anstrengungen nötig sind, um ein eBook so zu erstellen, dass es in iBooks, in Aldiko für Android und auf dem Kindle gut aussieht. Auf dem PC liefern das Firefox-Plugin EPUB-Reader, der Sony Reader, oder das bereits etwas ältere Adobe Digital Editions dann aber bereits die erwar­teten Resultate.

Gerne möchte ich jetzt auch noch kurz auf unser eigenes ePUB eingehen, auch weil es rein tech­nisch meines Wissens wenig Konkurrenz gibt. Bislang beschränken sich die meisten eBooks auf wenige Designelemente, ohne dass die bereits bestehenden Möglichkeiten ausge­nutzt werden, geschweige denn etwas neues probiert wird

Beim »Contentplus City Guide Augsbug« haben wir uns entschieden, eine möglichst große Reichweite zu erzielen. Auch deswegen gibt es noch keine multi­me­dialen Inhalte. Unser Ziel war es, einen Reiseführer im anspruchs­vollen Layout zu erstellen, der vor allem auf dem iPad das Gefühl vermit­telt, ein wirk­li­ches Buch in den Händen zu halten. Probleme, die bei der Erstellung aufge­taucht sind, hatten fast ausnahmslos damit zu tun, dass iBooks die Standards größ­ten­teils einhält, Adobe Digital Editions, auf dem die Android-App Aldiko basiert, aber nur partiell oder fehler­haft. So wurden zum Beispiel hoch­for­ma­tige Bilder auf dem quer gehal­tenen Smartphone abge­schnitten. Für die Kindle-Version habe ich keine Möglichkeit gefunden, die kleinen Icons einzu­bauen und auch die Unterstützung der entspre­chenden ASCII-Symbole folgt keiner Logik, war also nicht hilf­reich. Mitwachsende Icons gibt es deswegen nur im ePUB.

Ein anderes Problem waren die »Hurenkinder« und »Schusterjungen«, die noch immer auf einigen Geräten auftau­chen. Im inte­grierten CSS steht der entspre­chende Befehl für ihre Vermeidung und wird hoffent­lich bald überall umge­setzt. Prinzipiell nur in iBooks proble­ma­tisch war wiederum die Farbe von Verweisen, deren Anpassung Apple noch verhin­dert. Sobald das aber mit einem Update behoben ist, wird die bereits einge­baute, dezen­tere Farbgebung auch ange­zeigt. Die einge­bauten Karten kann man derzeit nur in iBooks auf 200 % vergrö­ßern. In allen Versionen ist aber das hoch­auf­ge­löste Bild einge­baut. Auch dieses Feature wartet also noch auf die allge­meine Umsetzung des Standards.

Das sind verschie­dene tech­ni­sche Probleme, auf die ich im Lauf der Arbeit gestoßen bin. Sie hatten aber fast ausschließ­lich damit zu tun, dass das ePUB auch auf anderen Geräten so aussehen sollte wie in iBooks. Für Bücher, die nur aus Text bestehen, gibt es diese Einschränkungen bei der Anzeige nicht und hier werden die Vorzüge der größeren Reichweite über­deut­lich. Da sie nicht unter den Anzeigeproblemen leiden und die Reader zum Lesen sowieso unge­schlagen sind, profi­tieren heute also ganz beson­ders Romane von den unge­zählten Readern/Programmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das gleiche bald auch für layout­las­ti­gere Bücher gilt und eBooks ihren festen Platz in unserem Leben einnehmen werden.


Das begeisternde Redesign von Bitdefender

Beim Surfen durchs Netz bin ich eben über das Redesign von Bitdefender gestoßen (Brand New: Half Wolf, Half Dragon, a Whole Lot of Awesome). Bitdefender ist der Markenname für eine Serie von Anti-Virus-Programmen, die seit 2001 von dem rumä­ni­schen Unternehmen Softwin (Bukarest) entwi­ckelt und zu inter­na­tio­nalem Erfolg gebracht wurde. Strategische Partnerschaften mit Branchenführern wie IBM und Virgin Media im Jahr 2009 verhalfen der Bitdefender-Software welt­weit zum Durchbruch.

Das Jahr 2011 brachte entschei­dende Veränderungen in der Unternehmensphilosophie, die in einer neuen Corporate Identity ihren Ausdruck fanden. Auf der Bitdefender-Website heißt es dazu: »Es war ein äußerst erfolg­rei­ches Jahr, in dem die Privatanwenderprodukte des Unternehmens von drei der bedeu­tendsten unab­hän­gigen Testinstitutionen welt­weit zur ersten Wahl in Sachen Internet-Sicherheit ausge­zeichnet wurden – eine Leistung, die schon seit Jahren von keinem Produkt mehr errei­chen konnte. Das neue Image bildet den Klebstoff, der die Wurzeln des Unternehmens mit seiner Zukunft verbindet.«

Zum neuen Wappentier – halb Wolf, halb Drache – schreibt das Unternehmen: »Wir sind eine einzig­ar­tige Verschmelzung aus Intelligenz, Kraft und Willensstärke. Wir verbinden die scharfen Sinne eines Wolfes mit der Eleganz eines Drachen, die Wachsamkeit eines Alphatiers mit der Unverwüstlichkeit eines Schlangenkörpers.«

Verantwortlich für das Redesign ist das orts­an­säs­sige Designbüro Brandient, dass einen leiden­schaft­li­chen Film über das neue Corporate Design ins Netz gestellt hat (Achtung: bei Minute 0:36 kommt ein gedrucktes FontBook zum Einsatz):

Bitdefender — Global Rebranding from Brandient on Vimeo.

Hier noch ein Vergleich von altem und neuem Logo:


Zwanzig Jahre FF Hands

Als im Jahr 1991 die beiden Handschriften FF Erikrighthand und FF Justlefthand als erste FontFonts auf den Markt kamen, hatten die beiden Scripts zwei (durchaus beab­sich­tigte) Geburtsfehler:
• Sie wurden als »Hands 1« veröf­fent­licht, es erschien aber nie »Hands 2«
• Die zwei Handschriften waren mit heißer Nadel gestrickt

Beide Makel wurden erst heute, nach 20 Jahren ausge­bü­gelt. Beide konnten auch nicht verhin­dern, das die Jugendwerke von Erik van Blokland und Just van Rossum zu welt­weiten Bestsellern wurden und viele Nachahmer fanden.

Ursprünglich waren Erikrighthand und Justlefthand als reine Spaßschriften gedacht, als provo­kante Statements gegen den Perfektionismus, ähnlich wie der Random-Font Beowolf. Ihre Entstehungsgeschichte ist nach­zu­lesen im Buch »Made with FontFont«. Ende 1990 hält sich Erik van Blokland in New York, sein Random-Twin Just van Rossum in Berlin auf. Eines Abends fällt ihnen ein, dass sie auf Wunsch von Joan und Erik Spiekermann für die gerade gegründet FontFont-Bibliothek noch zwei Script-Fonts beisteuern sollen, eine leichte und eine fette. Wegen der Entfernung bzw. der stein­zeit­li­chen Übertragungstechnik (Fax), zeichnet »Erik der Ferne« mit seiner rechten Hand und einem Filzstift kräf­tige Buchstaben auf ein Fax-Formular, Just greift mit seiner linken Hand zu einem Fineliner und tut dasselbe in Light. Anschließend verrichten ein Scanner sowie die Software-Programme Photoshop, Streamline und Fontographer ihren Job, und fertig ist das Schriftpaket FF Hands 1 mit 4 Fonts. Es stößt in die gähnend leere Marktlücke der unge­küns­telten Handschriften und werde weltberühmt.

Da ich seit 20 Jahren Mitglied im FontFont-Typeboard bin und somit mitver­ant­wort­lich für die Veröffentlichung neuer Schriften, möchte ich heute mal einen Traum zerplatzen lassen, den mir Außenstehende schon häufig ange­tragen haben: Die Vorstellung von der Schriftschöpfung als Auftragsarbeit. Es ist ein Märchen zu glauben, das ein Schriftenhaus seine Designerschützlinge – wie es ihm gefällt – Bestseller am Fließband produ­zieren lassen könne. Das funk­tio­niert nicht. Auch Buchverlagen gelingt dies nur in Ausnahmefällen, denn den wenigen Serientätern wie Stephen King oder Joanne K. Rowling steht eine Heerschar von One-Hit-Wondern gegenüber.

Ihr glaubt gar nicht, in wie vielen der bis heute 55 Typeboard-Sitzungen ich bei Erik van Blokland nach­ge­fragt habe – er ist eben­falls Typeboard-Gründungsmitglied –, wann denn nun endlich Hands 2 fertig sei. Es sollte eine Display-Version der Grundschriften werden, mit feineren Buchstabenkonturen, und mehr Stützpunkten. Tatsächlich waren die ersten Fassungen 1991 ja nicht aus Schlampigkeit so grob digi­ta­li­siert: Die dama­lige PostScript-Umgebung (Rechner, Drucker, Adobe Type Manager) ließ es aus Gründen der Stabilität nicht zu, dass man ausge­franste Script-Glyphen bis in die letzte Verästelung digital nach­bil­dete. Die Faustregel damals: mehr als 20 Stützpunkte/Buchstabe können dafür sorgen, dass eine Quark-QPress-Seite abstürzt oder ein Druckjob nicht ausge­führt wird.

Nun endlich, mit dem Erscheinen des FontFont-Release 54, liegen FF Erikrighthand und FF Justlefthand in neuer, verbes­serter Qualität vor. Verpackungsdesigner, Plakatgestalter, Ladenbeschrifter (typi­sche Anwendungsfelder für die beiden Hands) können aufatmen. Der Grund für die Überarbeitung war der Abschied von PostScript. Dieses Format gibt es bei FontFont nicht mehr, sondern nur noch OpenType (als .otf und .ttf). Erik van Blokland und Just van Rossum haben diese Gelegenheit genutzt, ihren Klassiker nun zu überarbeiten.

Die beiden Schriftentwerfer aus Den Haag sind weiterhin gut befreundet, arbeiten jedoch nicht mehr so eng zusammen wie vor 10 oder 20 Jahren. Daher haben sie ihr jugend­li­chen Handschriften mit unter­schied­li­cher Philosophie über­ar­beitet. Erik van Blokland nutzte den Technologiewechsel, so wie er es bei der FF Trixie bereits meis­ter­haft vorge­führt hat (siehe Fontblog-Beitrag Neu: FF Trixie OT, von Erik van Blokland), für eine grund­le­gende Überarbeitung der einzelnen Glyphen. Er verpasst Erikrighthand einen neuen Schwung, der sie noch authen­ti­scher nach Filzerschrift aussehen lässt. Dabei hat sie ihren spon­tanen Charme behalten, so dass man sie weiterhin als Handschrift-Imitation und endlich auch für die groß­di­men­sio­nale Gestaltung einsetzen kann.

Just van Rossum entschied sich für eine werk­treue Überarbeitung, keine neue Abmischung … wie die Beatles mit ihrer Musik. Er tastete die einzelnen Glyphen nicht an, baute aber mehrere Hundert Ligaturen und Akzentbuchstaben hinzu, so dass nun auch Justlefthand den modernen Ansprüchen einer OpenType-Typografie genügt – in den Features und der Sprachunterstützung.

Die einst separat erschienen Schnitte Expert und Small Caps sind selbst­ver­ständ­lich im OpenType-Zeichensatz aufge­gangen. Damit werden die Schriften auch leichter bedienbar. Mehr über ihre Ästhetik und die tech­ni­sche Ausstattung verraten die beiden Steckbriefe (PDF), die sich hinter den Abbildungen links oben und rechts verbergen.


Neuer Wettbewerb für Informationsdesign

Seit 25 Jahren gehört das International Institute for Information Design (IIID) welt­weit zu den wich­tigsten Förderern im Bereich Informationsdesign. Zum 25-jährigen Jubiläum ruft das Institut mit Sitz in Wien nun gemeinsam mit dem Axis Magazine und dem Taiwan Design Center die IIID Awards ins Leben. Die Awards zeichnen heraus­ra­gende Projekte in 15 Kategorien aus und richten sich sowohl an Gestalter/innen und Studierende als auch an Auftraggeber/innen, die ihre Informationsdesigns bis zum 10. Oktober 2011 online einrei­chen können.

Die Wettbewerbskategorien decken unter­schied­lichste Einsatzgebiete für Informationsdesign ab, von Gesundheits- und Finanzwesen über Verkehr und Nachhaltigkeit hin zu Corporate Design oder Pädagogik. Die Expertenjury, bestehend aus inter­na­tio­nalen Fachleuten der jewei­ligen Disziplinen, nomi­niert zunächst die fünf besten Beiträge einer jeden Sparte. Bei der Auswahl werden sowohl Funktionalität als auch Ästhetik des Designs berück­sich­tigt. Die nomi­nierten Projekte werden am 17. Oktober auf der Webseite iiida​ward​.net bekannt gegeben und haben die Möglichkeit, im Rahmen des IDA Congress in Taipei (24. bis 26. Oktober) mit einem der insge­samt 16 IIID Awards prämiert zu werden.

Alle preis­ge­krönten und nomi­nierten Designs werden im IIID Award 2011 Book veröf­fent­licht und als Teil der inter­na­tio­nalen IIID Ausstellung zu sehen sein, die im Laufe der nächsten drei Jahre in Taiwan, Japan, Mexico, Österreich, Portugal und vielen anderen Ländern einem welt­weiten Publikum zugäng­lich gemacht wird.