✭ der Woche: Ambassador Script -20 %
In den 1950er Jahren war der italienische Schriftentwerfer Aldo Novarese einer der radikalsten seiner Zeit. Die 1952 erschienene Microgramma, eine geometrisch-technische Sans-Serif, Vorläufer der Eurostile (1962), war ihrer Zeit weit voraus und wurde in den frühen 70er Jahren zur Lieblingstype der typografischen Avantgarde. 1954 trat sein Arbeitgeber Alessandro Butti, künstlerischer Leiter des Schriftenhauses Nebiolo, mit einer abwegigen Bitte an Novarese heran: Weil Nebiolo keine elegante Schreibschrift im Programm habe, wünsche er sich von seinem kreativsten Entwerfer eine »tipo inglese«, also eine Englische Schreibschrift. Dieser Vorschlag wäre nicht nur eine ästhetische Herausforderung für Novarese, sondern auch eine technische. Er nahm den Auftrag an.
Die Englische Schreibschrift mit ihrer extremen Schräglage ist seit der Renaissance bis heute ein fester Bestandteil der typografischen Stilmittel. Sie zeichnet sich durch Eleganz und Festlichkeit aus. Ursprünglich wurde sie mit der Spitzfeder geschrieben, wobei sich die Strichstärke durch den Druck auf die Feder ergibt. Später entwickelten Schriftentwerfer diese Art Schreibschrift im Stahlstich weiter, wo ihre Ästhetik sich abermals verfeinerte und perfektionierte. Doch wie überträgt man eine solch filigrane Schrift in den Bleisatz? Aldo Novarese hatte eine simple Idee: er reduzierte den Neigungswinkel der Schrift radikal, was nicht nur das Leben der Schriftschneider erleichterte, sondern auch für stabilere Lettern sorgte.
Als die neue Juliet 1955 erschien, war sie eine große Überraschung … für die Setzer wie auch die Kalligrafen. Novareses Kompromisslösung brachte einerseits den Bleisatz auf ein neues Qualitätsniveau, vor allem im Bereich der optischen Größen, denn Juliet erschien in Größen von 12 bis 60 Punkt. Typografische Gestalter freuten sich über die stilistische Bereicherung durch eine gut lesbare Schreibschrift, mit einem freundlichen Grauwert. Juliet inspirierte jede Menge anderer Schriftentwerfer und Kalligrafen dazu, ihre Schreibschriften ebenfalls für den Bleisatz zu adaptieren.
Ambassador Script ist die erste umfangreiche Digitalisierung von Aldo Novareses Meisterwerk Juliet. Über 1000 Stunden Arbeitszeit stecken in dem raffinierten OpenType-Font, den Rebecca Alaccari und Patrick Griffin nach Nebiolo-Origialvorlagen erstellten. Dabei ließen sie sich von der Möglichkeiten der OpenType-Technik gefangen nehmen, um die Schrift mit einer Unmenge von Alternativzeichen, Schwungbuchstaben, Ligaturen und Verzierungen zu bereichern. Darüber hinaus unterstützt Abassador Script fast alle europäischen Sprachen, die auf lateinischen Buchstaben basieren.
Die OpenType-Version bietet das gesamte Spektrum der Zeichenformen, die im TrueType-Format 12 einzelne Fonts ergeben. Sie enthält über 2300 Zeichen, die auf diese Art nicht nur leichter zugänglich sondern mit den Automatiken der OpenType-Technik auch leichter zu verarbeiten sind.
Ambassador Script eignet sich wunderbar für repräsentative Drucksachen, festliche Einladungen, Urkunden, Beschilderung vom Premium-Produkten und klassisches Packaging (Wein-Etikette, …). Als Stern der Woche bietet FontShop den vielseitigen Schreibschrift-Setzkasten bis einschließlich Sonntag für nur 40 statt 50 € an. Geben Sie dazu den Promocode de_star_38 bei Ihrer Bestellung auf www.fontblog.de ein …
Mehr Plätze beim 2. Creative Morning am Freitag
Am kommenden Freitag (23. September) findet der 2. Creative Morning in Berlin statt, und ich vermute: Es wird ein heißer Morgen. Das liegt viel weniger am kostenlosen Kaffee oder an den warmen Cup-cakes, sondern am Thema. Wir werden den gestern beendeten Wettbewerb für das Menschenrecht-Symbol unter die Lupe nehmen, den humanrightslogo-Contest. Unsere Gäste, Katrin Schübel und Bastian Unterberg (Jovoto), waren für die technische Durchführung des weltweiten Wettbewerbs verantwortlich. Das klingt auf den ersten Blick nicht sonderlich aufregend, denn immerhin haben wir hier im Fontblog schon mehrfach über Crowd-Sourcing und auch den Human-Rights-Logo-Contest ausführlich diskutiert. Doch am 23. September wird einiges anders ein, und deshalb stellen wir 20 Prozent mehr Stühle bereit …
Wir ziehen Bilanz! In New York präsentieren am gleichen Abend die Außenminister der beteiligten Nationen das siegreiche Logo. Hat sich der Aufwand gelohnt, rund 16.000 Einreichungen aus 170 Ländern einzusammeln und zu bewerten? Ging beim Voting alles mit rechten Dingen zu? Was geschieht nun mit dem prämierten Signet? Dies sind nur 3 Fragen, die mir dazu einfallen und die ich nach der Präsentation stellen werde. Sicher haben die Besucher des Creative Morning weitere Fragen. Und die Kritiker von Crowd Sourcing sowieso. Wenn dem so ist, kommt alle! Jetzt anmelden, die Plätze sind limitiert …
Selbstverleger-Buchmesse in Frankfurt
Parallel zur Frankfurter Buchmesse zeigen vom 14. bis 15. Oktober auf der First Issue junge Gestalter, Künstler und Autoren gedruckte Publikationen sowie aufwendige Sammlerstücke, die sie selbst verlegen und verkaufen. Auf einer begleitenden Konferenz sprechen die Vorreiter der Self-Publishing-Szene aus ganz Europa. Wie der Name vermuten lässt, versteht sich First Issue als erste Ausgabe, der mit Second und Third Issue weitere folgen sollen.
»Print ist ganz und gar nicht tot, sondern erfindet sich gerade neu,« verkündet die Grafikerin Sandra Doeller vom Design-Verein Frankfurt, selbst Jung-Verlegerin und an der Realisierung des Events maßgeblich beteiligt. Darum nähmen die neuen Produzenten selbst das Heft in die Hand. Grafiker, Autoren und Künstler finanzieren, verlegen und vertreiben ihre Bücher, Fanzines, Kataloge, Magazine und Sammlerstücke selbst. Vertriebsmöglichkeiten bietet die eigene Homepage oder auch Webshops, Blogs und Social Media. Dabei geht es den neuen Verlegern weniger um möglichen Profit. Vielmehr sehen sie Gestaltung und Druck als eigenständige künstlerische Ausdrucksform.
Zu den Sprechern der Veranstaltung gehören neben dem stellvertretenden Leiter des Frankfurter Museums für Moderne Kunst Peter Gorschlüter auch die deutschen Verleger Kai Rabenau (mono.kultur) und Jan Wenzel (Spector Books). Ebenfalls mit dabei ist der international renommierte Schweizer Designer und Verleger Urs Lehni (Rollo Press) und das berühmte Gestalterteam von Åbäke aus London, die neben Magazinen auch Mode und Musik vertreiben. Für die inhaltliche Einordnung sorgen die Bloggerin Charlotte Cheetham von Manystuff und die beiden Gestalter Marco Balesteros und Sofia Gonçalves aus Lissabon mit ihrem Vortrag über Samizdat, den einst illegalen Publikationen aus der Sowjetzeit. Roland Früh stellt gemeinsam mit Studierenden des berühmten Masterstudiengangs »Werkplaats Typografie« in Arnhem das Projekt »Facsimile Library« vor. Weitere Informationen …
Termine: Fr. 14.– Sa. 15. Oktober 2011 (Messe, Ausstellungen, Live-Aktionen 15–21 h). Konferenzprogramm an Fr. und Sa. 16–20 h
Ort: basis e.V., Gutleutstraße 8–12, Frankfurt am Mai
Und jetzt: Weltpremiere …
… der Nichtlesen-Comic von Michael Bukowski, exklusiv hier im Fontblog. Jeden Freitag zur gewohnten Sendezeit um 13 Uhr 30, von heute an bis Ende des Jahres. Viel Spaß!
(Comic-Großdarstellung)
Das eBook wird uns lange begleiten
Eine Erwiderung von Martin Holland
Vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle die wunderschöne App des SZ-Magazins gelobt und eBooks wurden in einem zugehörigen Artikel als »Zwischending« bezeichnet, die von bald Apps abgelöst würden. Dem möchte ich an dieser Stelle widersprechen, anhand eines eigenen Beispiels.
Zunächst aber kurz zu mir: Ich arbeite für das Augsburger Redaktionsbüro Contentplus Communications und wir haben Anfang September den „Contentplus City Guide Augsburg“ veröffentlicht, für dessen technische Umsetzung ich zuständig war. Es gibt ihn als ePUB bei iBooks oder ePubli und als leicht angepasste Kindle-Version.
Aber genug der Werbung: Ich schreibe hier, weil ich weiß, dass ein gut gemachtes und durchdachtes eBook all die Vorteile bietet, die Jürgen Siebert der App des SZ-Magazins anrechnet. Gleichzeitig leidet es nicht unter dem gravierenden Nachteil, dass es an ein bestimmtes Gerät oder Betriebssystem gebunden ist:
In einem ePUB (dem Standard schlechthin, der nur von dem in dieser Beziehung antiquierten Kindle nicht angezeigt wird) kann die Bildgeschichte aus »Sagen Sie jetzt nichts« genauso spannend inszeniert werden wie in der App. Auch eingebettete Videos sind möglich, werden aber bislang nur in iBooks wiedergegeben. Genauso kann Axel Hacke per integrierter Audiodatei in einem eBook seine Kolumne selbst vortragen. Noch hat iBooks bei der Unterstützung des ePUB-Standards einen immensen Vorsprung, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis ähnlich gute Programme für Android etc. erscheinen. Spätestens dann können ePUBs den großen Vorteil, auf jeder Plattform zu funktionieren, vollständig ausspielen.
Die Vorteile des Schriftenlexikons als App wiegen schon deutlich schwerer. Vor allem mit der typografischen Darstellung tun sich einige Reader nämlich noch immer viel zu schwer. Verschiedene Programme (wie Adobe Digital Editions für PC und Mac oder Aldiko für Android) sind aber bereits heute fähig, eingebettete Schriftarten anzuzeigen, wie im Standard gefordert. Ausgerechnet iBooks lässt das aber noch nicht zu. Auch hier bin ich aber der festen Überzeugung, dass es bald Programme für alle Plattformen gibt, die das unterstützen.
Bis auf die leider noch aktuellen Probleme hinsichtlich der korrekten Anzeige, die aber, und das ist wichtig, bei eBooks nicht systembedingt sind, hat eine App also keine für immer währenden Vorteile. Dafür gibt es aber schwerwiegende Nachteile, die in der Natur einer App wurzeln: Eine App wird immer nur für ein bestimmtes Betriebssystem erstellt und erreicht so nur einen Teil des Marktes. Außerdem ist sie in der Produktion wesentlich teurer als ein ePUB. Daneben ist auch nie gesichert, dass die App ein Update des zugehörigen Betriebssystems, geschweige denn den Wechsel auf ein Nachfolgegerät mitmacht.
ePUBs dagegen sind leicht zu erstellen (ich habe dafür das kostenlose Programm Sigil benutzt), komplett durchsuchbar und offen für künftige Innovationen wie beispielsweise Vorlesefunktionen. Sie können bereits jetzt auf vielen Geräten geöffnet werden, wenn auch mit den erwähnten Einschränkungen hinsichtlich der Anzeige. Ich muss natürlich eingestehen, dass heute noch einige Anstrengungen nötig sind, um ein eBook so zu erstellen, dass es in iBooks, in Aldiko für Android und auf dem Kindle gut aussieht. Auf dem PC liefern das Firefox-Plugin EPUB-Reader, der Sony Reader, oder das bereits etwas ältere Adobe Digital Editions dann aber bereits die erwarteten Resultate.
Gerne möchte ich jetzt auch noch kurz auf unser eigenes ePUB eingehen, auch weil es rein technisch meines Wissens wenig Konkurrenz gibt. Bislang beschränken sich die meisten eBooks auf wenige Designelemente, ohne dass die bereits bestehenden Möglichkeiten ausgenutzt werden, geschweige denn etwas neues probiert wird
Beim »Contentplus City Guide Augsbug« haben wir uns entschieden, eine möglichst große Reichweite zu erzielen. Auch deswegen gibt es noch keine multimedialen Inhalte. Unser Ziel war es, einen Reiseführer im anspruchsvollen Layout zu erstellen, der vor allem auf dem iPad das Gefühl vermittelt, ein wirkliches Buch in den Händen zu halten. Probleme, die bei der Erstellung aufgetaucht sind, hatten fast ausnahmslos damit zu tun, dass iBooks die Standards größtenteils einhält, Adobe Digital Editions, auf dem die Android-App Aldiko basiert, aber nur partiell oder fehlerhaft. So wurden zum Beispiel hochformatige Bilder auf dem quer gehaltenen Smartphone abgeschnitten. Für die Kindle-Version habe ich keine Möglichkeit gefunden, die kleinen Icons einzubauen und auch die Unterstützung der entsprechenden ASCII-Symbole folgt keiner Logik, war also nicht hilfreich. Mitwachsende Icons gibt es deswegen nur im ePUB.
Ein anderes Problem waren die »Hurenkinder« und »Schusterjungen«, die noch immer auf einigen Geräten auftauchen. Im integrierten CSS steht der entsprechende Befehl für ihre Vermeidung und wird hoffentlich bald überall umgesetzt. Prinzipiell nur in iBooks problematisch war wiederum die Farbe von Verweisen, deren Anpassung Apple noch verhindert. Sobald das aber mit einem Update behoben ist, wird die bereits eingebaute, dezentere Farbgebung auch angezeigt. Die eingebauten Karten kann man derzeit nur in iBooks auf 200 % vergrößern. In allen Versionen ist aber das hochaufgelöste Bild eingebaut. Auch dieses Feature wartet also noch auf die allgemeine Umsetzung des Standards.
Das sind verschiedene technische Probleme, auf die ich im Lauf der Arbeit gestoßen bin. Sie hatten aber fast ausschließlich damit zu tun, dass das ePUB auch auf anderen Geräten so aussehen sollte wie in iBooks. Für Bücher, die nur aus Text bestehen, gibt es diese Einschränkungen bei der Anzeige nicht und hier werden die Vorzüge der größeren Reichweite überdeutlich. Da sie nicht unter den Anzeigeproblemen leiden und die Reader zum Lesen sowieso ungeschlagen sind, profitieren heute also ganz besonders Romane von den ungezählten Readern/Programmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das gleiche bald auch für layoutlastigere Bücher gilt und eBooks ihren festen Platz in unserem Leben einnehmen werden.
Das begeisternde Redesign von Bitdefender
Beim Surfen durchs Netz bin ich eben über das Redesign von Bitdefender gestoßen (Brand New: Half Wolf, Half Dragon, a Whole Lot of Awesome). Bitdefender ist der Markenname für eine Serie von Anti-Virus-Programmen, die seit 2001 von dem rumänischen Unternehmen Softwin (Bukarest) entwickelt und zu internationalem Erfolg gebracht wurde. Strategische Partnerschaften mit Branchenführern wie IBM und Virgin Media im Jahr 2009 verhalfen der Bitdefender-Software weltweit zum Durchbruch.
Das Jahr 2011 brachte entscheidende Veränderungen in der Unternehmensphilosophie, die in einer neuen Corporate Identity ihren Ausdruck fanden. Auf der Bitdefender-Website heißt es dazu: »Es war ein äußerst erfolgreiches Jahr, in dem die Privatanwenderprodukte des Unternehmens von drei der bedeutendsten unabhängigen Testinstitutionen weltweit zur ersten Wahl in Sachen Internet-Sicherheit ausgezeichnet wurden – eine Leistung, die schon seit Jahren von keinem Produkt mehr erreichen konnte. Das neue Image bildet den Klebstoff, der die Wurzeln des Unternehmens mit seiner Zukunft verbindet.«
Zum neuen Wappentier – halb Wolf, halb Drache – schreibt das Unternehmen: »Wir sind eine einzigartige Verschmelzung aus Intelligenz, Kraft und Willensstärke. Wir verbinden die scharfen Sinne eines Wolfes mit der Eleganz eines Drachen, die Wachsamkeit eines Alphatiers mit der Unverwüstlichkeit eines Schlangenkörpers.«
Verantwortlich für das Redesign ist das ortsansässige Designbüro Brandient, dass einen leidenschaftlichen Film über das neue Corporate Design ins Netz gestellt hat (Achtung: bei Minute 0:36 kommt ein gedrucktes FontBook zum Einsatz):
Bitdefender — Global Rebranding from Brandient on Vimeo.
Hier noch ein Vergleich von altem und neuem Logo:
Zwanzig Jahre FF Hands
Als im Jahr 1991 die beiden Handschriften FF Erikrighthand und FF Justlefthand als erste FontFonts auf den Markt kamen, hatten die beiden Scripts zwei (durchaus beabsichtigte) Geburtsfehler:
• Sie wurden als »Hands 1« veröffentlicht, es erschien aber nie »Hands 2«
• Die zwei Handschriften waren mit heißer Nadel gestrickt
Beide Makel wurden erst heute, nach 20 Jahren ausgebügelt. Beide konnten auch nicht verhindern, das die Jugendwerke von Erik van Blokland und Just van Rossum zu weltweiten Bestsellern wurden und viele Nachahmer fanden.
Ursprünglich waren Erikrighthand und Justlefthand als reine Spaßschriften gedacht, als provokante Statements gegen den Perfektionismus, ähnlich wie der Random-Font Beowolf. Ihre Entstehungsgeschichte ist nachzulesen im Buch »Made with FontFont«. Ende 1990 hält sich Erik van Blokland in New York, sein Random-Twin Just van Rossum in Berlin auf. Eines Abends fällt ihnen ein, dass sie auf Wunsch von Joan und Erik Spiekermann für die gerade gegründet FontFont-Bibliothek noch zwei Script-Fonts beisteuern sollen, eine leichte und eine fette. Wegen der Entfernung bzw. der steinzeitlichen Übertragungstechnik (Fax), zeichnet »Erik der Ferne« mit seiner rechten Hand und einem Filzstift kräftige Buchstaben auf ein Fax-Formular, Just greift mit seiner linken Hand zu einem Fineliner und tut dasselbe in Light. Anschließend verrichten ein Scanner sowie die Software-Programme Photoshop, Streamline und Fontographer ihren Job, und fertig ist das Schriftpaket FF Hands 1 mit 4 Fonts. Es stößt in die gähnend leere Marktlücke der ungekünstelten Handschriften und werde weltberühmt.
Da ich seit 20 Jahren Mitglied im FontFont-Typeboard bin und somit mitverantwortlich für die Veröffentlichung neuer Schriften, möchte ich heute mal einen Traum zerplatzen lassen, den mir Außenstehende schon häufig angetragen haben: Die Vorstellung von der Schriftschöpfung als Auftragsarbeit. Es ist ein Märchen zu glauben, das ein Schriftenhaus seine Designerschützlinge – wie es ihm gefällt – Bestseller am Fließband produzieren lassen könne. Das funktioniert nicht. Auch Buchverlagen gelingt dies nur in Ausnahmefällen, denn den wenigen Serientätern wie Stephen King oder Joanne K. Rowling steht eine Heerschar von One-Hit-Wondern gegenüber.
Ihr glaubt gar nicht, in wie vielen der bis heute 55 Typeboard-Sitzungen ich bei Erik van Blokland nachgefragt habe – er ist ebenfalls Typeboard-Gründungsmitglied –, wann denn nun endlich Hands 2 fertig sei. Es sollte eine Display-Version der Grundschriften werden, mit feineren Buchstabenkonturen, und mehr Stützpunkten. Tatsächlich waren die ersten Fassungen 1991 ja nicht aus Schlampigkeit so grob digitalisiert: Die damalige PostScript-Umgebung (Rechner, Drucker, Adobe Type Manager) ließ es aus Gründen der Stabilität nicht zu, dass man ausgefranste Script-Glyphen bis in die letzte Verästelung digital nachbildete. Die Faustregel damals: mehr als 20 Stützpunkte/Buchstabe können dafür sorgen, dass eine Quark-QPress-Seite abstürzt oder ein Druckjob nicht ausgeführt wird.
Nun endlich, mit dem Erscheinen des FontFont-Release 54, liegen FF Erikrighthand und FF Justlefthand in neuer, verbesserter Qualität vor. Verpackungsdesigner, Plakatgestalter, Ladenbeschrifter (typische Anwendungsfelder für die beiden Hands) können aufatmen. Der Grund für die Überarbeitung war der Abschied von PostScript. Dieses Format gibt es bei FontFont nicht mehr, sondern nur noch OpenType (als .otf und .ttf). Erik van Blokland und Just van Rossum haben diese Gelegenheit genutzt, ihren Klassiker nun zu überarbeiten.
Die beiden Schriftentwerfer aus Den Haag sind weiterhin gut befreundet, arbeiten jedoch nicht mehr so eng zusammen wie vor 10 oder 20 Jahren. Daher haben sie ihr jugendlichen Handschriften mit unterschiedlicher Philosophie überarbeitet. Erik van Blokland nutzte den Technologiewechsel, so wie er es bei der FF Trixie bereits meisterhaft vorgeführt hat (siehe Fontblog-Beitrag Neu: FF Trixie OT, von Erik van Blokland), für eine grundlegende Überarbeitung der einzelnen Glyphen. Er verpasst Erikrighthand einen neuen Schwung, der sie noch authentischer nach Filzerschrift aussehen lässt. Dabei hat sie ihren spontanen Charme behalten, so dass man sie weiterhin als Handschrift-Imitation und endlich auch für die großdimensionale Gestaltung einsetzen kann.
Just van Rossum entschied sich für eine werktreue Überarbeitung, keine neue Abmischung … wie die Beatles mit ihrer Musik. Er tastete die einzelnen Glyphen nicht an, baute aber mehrere Hundert Ligaturen und Akzentbuchstaben hinzu, so dass nun auch Justlefthand den modernen Ansprüchen einer OpenType-Typografie genügt – in den Features und der Sprachunterstützung.
Die einst separat erschienen Schnitte Expert und Small Caps sind selbstverständlich im OpenType-Zeichensatz aufgegangen. Damit werden die Schriften auch leichter bedienbar. Mehr über ihre Ästhetik und die technische Ausstattung verraten die beiden Steckbriefe (PDF), die sich hinter den Abbildungen links oben und rechts verbergen.
Neuer Wettbewerb für Informationsdesign
Seit 25 Jahren gehört das International Institute for Information Design (IIID) weltweit zu den wichtigsten Förderern im Bereich Informationsdesign. Zum 25-jährigen Jubiläum ruft das Institut mit Sitz in Wien nun gemeinsam mit dem Axis Magazine und dem Taiwan Design Center die IIID Awards ins Leben. Die Awards zeichnen herausragende Projekte in 15 Kategorien aus und richten sich sowohl an Gestalter/innen und Studierende als auch an Auftraggeber/innen, die ihre Informationsdesigns bis zum 10. Oktober 2011 online einreichen können.
Die Wettbewerbskategorien decken unterschiedlichste Einsatzgebiete für Informationsdesign ab, von Gesundheits- und Finanzwesen über Verkehr und Nachhaltigkeit hin zu Corporate Design oder Pädagogik. Die Expertenjury, bestehend aus internationalen Fachleuten der jeweiligen Disziplinen, nominiert zunächst die fünf besten Beiträge einer jeden Sparte. Bei der Auswahl werden sowohl Funktionalität als auch Ästhetik des Designs berücksichtigt. Die nominierten Projekte werden am 17. Oktober auf der Webseite iiidaward.net bekannt gegeben und haben die Möglichkeit, im Rahmen des IDA Congress in Taipei (24. bis 26. Oktober) mit einem der insgesamt 16 IIID Awards prämiert zu werden.
Alle preisgekrönten und nominierten Designs werden im IIID Award 2011 Book veröffentlicht und als Teil der internationalen IIID Ausstellung zu sehen sein, die im Laufe der nächsten drei Jahre in Taiwan, Japan, Mexico, Österreich, Portugal und vielen anderen Ländern einem weltweiten Publikum zugänglich gemacht wird.