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BR stellt deutsche Flagge zur Disposition
Die Fußball-WM benebelt alle. Ausgerechnet der Bayerische Rundfunk stellt jetzt die Frage »Braucht Deutschland eine neue Fahne?« und lässt darüber abstimmen. Die Deutschlandflagge sei »antiquiert, statisch, unsympathisch«, behauptet der Design-Dozent Johannes Hoyer von der Hochschule Ansbach und kreierte eine neue Fahne. Diese ist nun gewellt und hat oben links ein paar Europa-Sternchen. Die Farben Schwarz-Rot-Gold hat Hoyer beibehalten, aber etwas weicher gemischt, wodurch das Rot nicht mehr ganz so leuchtend ist und das Gelb einen leichten Stich ins Orange bekamen.
Die unglaubliche Reise des Mister K.
Julia Sysmäläinen ist genial. Ich muss das mal so simpel formulieren, auch auf die Gefahr hin, dass es als Floskel abgetan wird. Doch anders kann ich mir die Signale nicht mehr erklären, sie sie in den letzten Monaten aussendet. Und wenn man einen Menschen plötzlich nicht mehr versteht, aber fasziniert ist von dem was er tut … kann es einen unstrittigeren Beweis für Genialität geben?
Wer ist Julia Sysmäläinen? Eine sympathische finnische Designerin, die vor einigen Jahren nach Deutschland kam und bei Edenspiekermann arbeitet. Fontblog-Leser werden sie als Schöpferin der Schrift FF Mister K kennen, eine digitalisierte Schreibschrift mit OpenType-Zaubereien, inspiriert von der Handschrift Franz Kafkas, erschienen im Oktober 2008 (siehe typografie.info). Eigentlich hätte die Verbindung zu dem rätselhaften Schriftsteller, dessen Texte eine sirenenhafte Faszination ausüben, bereits eine Vorwarnung sein sollen.
Seit kurzem lässt Sysmäläinen ihre Schrift unter der Identität @ffmisterk twittern. Als Kurzbiografie ist dort vermerkt: »Multilingual Talking Typeface. CAUTION: Not always polite.« In einer Art typografischen Kunstsprache macht ffmisterk seit Wochen Branchenvertreter oder Prominente von der Seite an. Das liest sich zum Beispiel so:
@stewf K-EHDOTUS: More INFORMATION-DENSE depiction for discussed topic ! http://twitpic.com/1wtnlf
oder so:
@BarackObama FULLY understand! When things become НЕУДОБНО later on — use: http://twitpic.com/1vyn2u
Oder die Schrift spricht mit ihrer Entwerferin, wie vor einer Stunde:
@juliasys ME & cookbook ?! Just cut spicy ASCENDERS – best PERPETUALS + mix in СЛАДКИЕ ОСТАТКИ after CLOSING T http://twitpic.com/22w31h
Vor drei Wochen erhielt ich eine E-Mail von Julia zu einer Ausstellung im finnischen Lathi mit dem Titel »Travelling Letters – Letters in Art Tour« (18. Juni – 5. September 2010). Ich verstand zunächst nur Bahnhof. Nach stundenlangem Klicken durch finnische Kunst-Websites bat ich sie um eine verständliche Erläuterung, was dort genau geschehe. Sie schrieb: »Travelling Letters ist eine Serie von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst und Design mit wechselnden Standorten in Nordost Europa. Kontinuierliches Rahmenthema ist das Verhältnis von Text, Schrift, Design und visueller Kunst. Die erste Ausstellung fand 2008 in St. Petersburg statt, gefolgt von Vilnius 2009 und Lahti 2010. Initiiert wurde das Projekt von der Vilnius Academy of Fine Arts zusammen mit dem Lahti Institute of Design.«
Die hier verlinkte Seite enthält eine Liste der 41 teilnehmenden Künstler, darunter der Schriftentwerfer Sami Kortemäki (Underware), die uns durch TYPO-Konferenzauftritte bekannten Philippe Apeloig, Ken Barber (House Industries) und Stefan Sagmeister sowie das Duo Jürgen Sanides & Julia Sysmäläinen mit ihrem Werk »Mister K: Means of Transport (yksityiskohta)«.
Das Exponat von Sanides/Sysmäläinen basiert auf der durch Kafkas Handschrift inspirierten »FF Mister K«, als Bestandteil einer Installation. Diese besteht aus Drucken, dreidimensionalen Wandtexten und einer Fahrrad-Typoplastik. Sysmäläinen über ihr Werk: »Es versinnbildlicht die Wiederbelebung des literarischen ›K‹ Franz Kafkas als digitalisierte Schreibschrift, die begonnen hat, ihre eigenen Geschichten zu erzählen.«
Vollkommen ratlos aber fasziniert möchte ich zum Schluss dieses Beitrags mit den Lesern einen Blick auf ein Blatt werfen, das mir Julia als PDF sendet: »The Real Travels of Mister K«:
Abschließend noch eine Abbildung aus der Ausstellung und meine dringende Empfehlung, @ffmisterk zu folgen um in den Genuss einer wunderbar surrealen Twitter-Freundschaft zu kommen.
Karl-Heinz Lange (1929 bis 2010)
Ein Nachruf von Ivo Gabrowitsch
Karl-Heinz Lange lernte ich 2007 auf einem unserer ersten Typostammtische kennen. Kurze Zeit später lud er mich in seine Wohnung ein, um seinen ersten Vortrag, den er auf einer der folgenden Veranstaltungen zu halten gedachte, zu besprechen: »Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken«. Anlass für diesen Vortrag war ein Jubiläum der besonderen Art. Lange blickte nämlich gerade zurück auf 60 Berufsjahre. 60 erfolgreiche Jahre des Gestaltens und Schriftentwerfens.
Meine Lieblingsarbeit von ihm: Plakat für das Ballett »Le Papillon« [Der Schmetterling] (© Foto Florian Hardwig)
In seiner mit zahlreichen Grafiken dekorierten Wohnung in Berlin-Mitte zeigte er mir Zeichnungen, die er bereits im Kindesalter anfertigte und sein Talent schon früh erkennen ließen. Er offenbarte faszinierende Arbeiten seines kreativen Schaffens, spielte am Klavier und erzählte genussvoll Anekdoten eines aufregenden Lebens. Eine handelte davon, wie er einmal von seinem Arbeitgeber VEB Typoart den Auftrag bekam, eine Schrift ähnlich der im Westen populären Optima von Hermann Zapf zu zeichnen.
Er übernahm den Auftrag, hoffte aber, dass sich seine eigene Handschrift ausreichend auf die Einzigartigkeit der Formen auswirken würde — schließlich war er eigenständiger Gestalter, kein Plagiator. Anlässlich einer Familienfeier durfte Karl-Heinz Lange nach Frankfurt/Main reisen. Dort traf er sich heimlich mit Zapf, um mit ihm seine Entwürfe zu diskutieren. Nicht ohne Stolz erinnerte er sich, wie sein westdeutscher Kollege sein Einverständnis gab und ihm gar großen Respekt für die geleistete Arbeit zollte. Die Publica war etwas völlig Eigenständiges geworden.
Karl-Heinz Lange an seinem Piano (© Foto Leslie Kuo, Pingmag)
Lange präsentierte mir an seinem Laptop vergnügt seine vorbereiteten Folien, nicht ohne dabei immer weitere Anekdoten zum Besten zu geben. Er lebte jedoch nicht in der Vergangenheit, sondern nahm immer wieder Bezug zum Hier und Jetzt und bekundete ernsthaftes Interesse am aktuellen Geschehen in der Typografieszene sowie an seinem Gast. Lange war intensiv darum bemüht, seine Schriften mit Hilfe jüngerer Kollegen wie zum Beispiel Ole Schäfer in die Zukunft zu retten.
Zum ersten Mal kam ich an diesem Tage mit seiner tiefen Leidenschaft zur Gestaltung von und mit Schrift in Berührung. Sie beeindruckte mich nachhaltig. Das war kein zartes Leuchten in den Augen eines in die Jahre gekommenen Mannes, das war ein Aufflammen in den Augen eines Kind Gebliebenen, das weiterhin die Welt erforscht. Aus einer geplanten Stunde wurde ein ganzer Nachmittag, der mich noch Wochen später beschäftigte. Sein Vortrag schließlich fesselte auch das Publikum auf magische Weise.
Karl-Heinz Lange und Erik Spiekermann im Oktober 2007 beim Berliner Typostammtisch (© Foto Andreas Seidel)
Wann immer der sympathische Gestalter konnte, bereicherte er unsere Veranstaltungsrunde mit seiner Anwesenheit, was ihm aufgrund seiner Gesundheit nicht immer leicht fiel. Lange war um einen ständigen intensiven Diskurs bemüht und genoss die Gemeinschaft von Gleichgesinnten, egal welchen Alters. Er begegnete ihnen respektvoll und interessiert.
Zirkus (© Foto Florian Hardwig)
Im vergangenen Jahr trat Karl-Heinz Lange mit einer außergewöhnlichen Bitte an mich heran: Anlässlich seines 80. Geburtstages wollte er nach Jahrzehnten der Hörsäle und Konferenzen gern seinen allerletzten Vortrag im Rahmen unserer typografischen Hauptstadtrunde halten. Der Besonderheit und der großen Ehre dieses Momentes bewusst nahmen an jenem Abend im August erstmals mehr als 50 Leute am Typostammtisch teil. Von ihnen bereute niemand die zum Teil weite Anreise. Beginnend mit seinen beschwerlichen Kinderjahren in Westpreußen ließ er sein ganzes aufregendes Leben Revue passieren. Er berichtete auf heitere Weise, wie er jahrelang im Harz eine schwere Tuberkulose kurierte und wie letztlich dort seine ersten künstlerischen Aktivitäten und schließlich die fortan niemals endende Liebe zur Schrift entbrannte.
Doppelseite des Lange-Buchs »Schrift: schreiben, zeichnen, konstruieren, schneiden, malen.« 1965, VEB E.A. Seeman Verlag Leipzig (© Foto Dan Reynolds)
Karl-Heinz Lange hat den visuellen Alltagsausdruck der DDR entscheidend mitgeprägt: vom Telefonbuch über zahlreiche Literatur und verschiedene Unternehmensauftritte. Zweifelsohne zählt der ehemalige Schüler Herbert Tannhaeusers zu den wichtigsten Schriftgestaltern der DDR. Als Beweis dienen auch für spätere Generationen seine Schriften:
Langes Neuzeichnung der Super Grotesk von Arno Drescher für den Fotosatz (© Foto Florian Hardwig)
- 1955 Diplom-Antiqua (bleibt leider unveröffentlicht)
- Seine Schriften für VEB Typoart:
- Bearbeitung der Bleisatzschriften Magna, Primus und Super Grotesk für Fotosatz
- Publica (1983, Silbermedaille »Bienale of Graphic Design Brno 1984«)
- Minima (1984, als Satzschrift für Telefonbücher und Gebrauchsanleitungen)
- Seine Schriften für Elsner+Flake
- Rotola (1985/2007)
- Viabella (2009)
- Seine Schriften für Primetype
- PTL Minimala (2009)
- PTL Publicala (2009, Fontwerk beste Schriften 2009)
- PTL Superla (2009)
Karl-Heinz Lange starb vergangenen Dienstag kurz vor seinem 81. Geburtstag, nach einem – wie er selbst sagte – erfüllten Leben. Die Trauerfeier findet am 16. Juli 2010 um 12 Uhr statt.
»Was ist denn das Weiterleben nach dem Tode? Es funktioniert nur über den Anderen. In den Enkeln. Alle fünf Enkel hatten bei mir Klavierstunde. Jetzt ist die Letzte dran mit Flöte und Klavier. Jeden Montag sitzt sie hier an meinem Flügel. Das ist mein Erbe, das ist mein Weiterleben.« [KHL]
Sein Erbe ist größer. Er lehrte uns, dass Leidenschaft niemals in Rente geht. Er lehrte uns, neuen Herausforderungen aufgeschlossen und interessiert zu begegnen. Im letzten Jahr schrieb er mir im Vorfeld seines Vortrages in einer E-Mail: »Ich bin noch bei der Vorbereitung, die mir viel Freude macht, weil ich dabei durch gute Literatur noch zulerne.« Diese Leidenschaft und dieses Interesse ist Inspiration für unsere Arbeit.
Danke, Karl-Heinz. Du wirst uns fehlen.
Semesterausstellung und Showtime in Aachen
Erstmalig gewährt der Fachbereich Gestaltung der FH Aachen seinen Gästen nicht nur den Blick auf die Abschlussarbeiten im Rahmen der Diploma-Ausstellung, sondern öffnet ab dieser Woche zusätzlich die Türen der laufenden Seminare. Die Ausstellungen und Präsentationen aller Semester zeigen mit ihren Arbeiten aus den Studiengängen Kommunikations- und Produktdesign die ganze Bandbreite und das moderne Verständnis von Designlösungen – von Social Media Aktionen für die Caritas bis hin zu innovativen E-Bike Konzepten der Zukunft. Die Kreationen aus dem Bereich der audiovisuellen Medien können sich interessierte Besucher gleich gebündelt bei der Showtime-Vorführung im Kino Cineplex Aachen anschauen.
Semesterausstellung: 6. – 9. Juli, Diploma: 16. – 17. Juli. Das Programm im Detail auf dieser Seite …
Beste Geschäftspapiere und Formulare gesucht
Zum 19. Mal schreibt der Bundesverband Druck und Medien (BvDM) den Wettbewerb um die besten Geschäftspapiere und Formulare in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Dieses Jahr startet der Wettbewerb mit einem Relaunch. Dieser betrifft sowohl nur das Design der Ausschreibungs- und Anmeldeunterlagen, die von ehemaligen Preisträgern des Wettbewerbs gestaltet wurden, als auch die digitale Anmwldung unter www.bvdm-online.de/Aktuelles/wettbewerb.
Zwei neue Kategorien bereichern zudem den Wettbewerb in diesem Jahr. Die erste Kategorie richtet sich an Drucker. Erstmals soll besonders gelungene Eigenwerbung mittels Imagebroschüren in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und prämiert werden. In der zweiten neuen Kategorie geht es um vorbildliche PDF- Formulare. Hier sind nicht nur Gestalter angesprochen, sondern auch der Vorstufenbereich. Alle Arbeiten werden nach ihrer kommunikativen Qualität, typografischen Gestaltung, sprachlichen Verständlichkeit, organisatorischen Effizienz und technischen Ausführung beurteilt.
IDZ-Vortrag: Nachhaltige Verpackungsgestaltung
Das Internationale Designzentrum Berlin (IDZ) veranstaltet mit Unterstützung seines Mitglieds Steelcase im Rahmen des Sustainable Design Forum einen Vortragsabend zum Thema »Nachhaltige Verpackungsgestaltung«. Ute von Buch (Creativ Verpacken) geht in ihrem Beitrag »Verpackung als (nachhaltiger) Botschafter« der Frage nach, wo Nachhaltigkeit im Verpackungsdesign anfängt bzw. aufhört, und beleuchtet Aufgaben und Perspektiven von Verpackungen. Nicolas Eilken (Lothar Boehm) gibt im Vortrag »Nachhaltigkeit – Mission und Mehrwert für Marken« Einblick in die Arbeitsweisen seiner Agentur und stellt den Lothar-Böhm-Nachhaltigkeitsreport vor.
Termin: Mittwoch, 14. Juli 2010, 19:00 Uhr, Einlass ab 18:30 Uhr. Für Mitglieder des IDZ ist der Eintritt kostenfrei, ansonsten 7,-/ermäßigt 3,- €. Um Anmeldung wird gebeten unter www.tinyurl.com/idz-sdf .
Papier mit Zukunft
Am Freitag bekam ich Post aus Hamburg. Eine Pappbox, magenta-schwarz, das Begleitschreiben raffiniert hinter einem Fenster eingebettet. Was kann das sein? Eine Videokassette der Telekom über die neuen Roaming-Tarife im Ausland (Kai D. aus B. tappt in Roaming-Falle)? Nein, in der Box befand sich eine weitere – viel kleinere – Box, genauer: ein Schuber. Und in diesem Schuber: 40 edle Visitenkarten, nur bedruckt mit meinem Namen und der Handy-Nummer. Holla, das sieht ja edel aus. Wer, wie, warum ich?
Das Begleitschreiben klärt auf: »Sehr geehrter Herr Siebert, seine Mobilnummer teilt man nicht mit jedem. Wird sie überreicht, handelt es sich um eine besondere Geste – gedacht für Persönlichkeiten, bei denen man einen bleibenden Eindruck hinterlassen möchte. … Die individuellen Papiermeister ›caller ID‹-Visitenkarten, hergestellt im Letterpress-Verfahren auf feinstem Papier, pur – nur mit Ihrem Namen, Ihrer Mobilnummer und E-Mail-Adresse.«
Natürlich führt mich der Weg sofort zur angegeben Webadresse www.papiermeister.com und ich bin sofort begeistert. Die Papiermeister haben sich auf ein Handwerk spezialisiert, dem ich große Zukunft voraussage. Je mehr wir uns digitalisieren, um so mehr steigt die Attraktivität von Papier – und zwar von Feinpapier. Diese wird in Zukunft auf eine Art verarbeitet, wo Computerbildschirme passen müssen: Prägung, Stanzung, Lackieren, in Sonderfarben drucken und dergleichen mehr.
Im Brief steht auch, dass Papiermeister noch gar nicht offiziell gestartet ist. Bis dahin habe ich die Chance, einen Freund oder Bekannten ebenfalls in den Genuss der oben dargestellten Visitenkarten zu bringen. Und so habe ich mir überlegt: Wer mir als erstes den Namen der für meine Karte verwendeten Schrift nennt, den werde ich an Papiermeister für ein Set kostenloser ›caller ID‹-Visitenkarte weiterreichen. Den Schriftnamen ausschließlich per Mail an mich … danach schalte ich hier die Kommentarfunktion wieder ein.