Fontblog Artikel im März 2008

Druckfrisch: Halbjahresprogramm 2008 der TGM

Seit über 100 Jahren kümmert sich die Typographische Gesellschaft München e. V. (TGM) um Qualität und Bildung in der schrift­li­chen Kommunikation. Dieses Anliegen verfolgt sie mit einem breiten Angebot an Fortbildungen ,vom Abend- über das Tages- und Wochenendseminar bis hin zum Jahreskurs Typografie. Darüber hinaus bietet die TGM eine Vielzahl weiterer Aktivitäten an, von Studienreisen und Exkursionen über Werksbesuche bis zu typo­gra­fi­schen Ortsbesichtigungen.

Gerade wird das aktu­elle Halbjahresprogramm versendet, gestaltet von Michael Bundscherer und Claudie Elsäßer (aurum:media), mit den Schriften Phoenica (german­type) von Ingo Preuß und Fabiol von Robert Strauch (lazy­dogs). TGM-Mitglieder erhalten das hier abge­bil­dete 96-seitige Programmheft mit einer Titelseite, auf das Motto »Wurzeln & Triebe« nur geprägt und nicht Orange/Gelb gedruckt sind.

Höhepunkte aus dem TGM-Programm: 10 Vorträge (unter anderem von Claudius Lazzeroni, Eckehart SchumacherGebler, Stefan Sagmeister, Erik Spiekermann und Omar Vulpinari), typo­gra­fi­sche Ortsbesichtigungen, TGM-Buchsymposium, Exkursionen, Werksbesuche und zwei­tä­gige Jahreskurse. Mehr auf der TGM-Seite, wo Nicht-Mitglieder das Programm auch per E-Mail-Nachricht können.


Praktische Font-Übersicht in OS X Leopard

Jonathan Hoefler hat heraus­ge­funden, wie man sich am Macintosh unter Leopard mit der Funktion Übersicht (engl: quick loook) ganz schnell einen Eindruck vom Charakter einer großen Schriftfamilie verschaffen kann. Üblicherweise nutzt man die Quick-look-Funktion, um Fotos, PDFs und Texte zu inspi­zieren, ohne die dazu­ge­hö­rigen Programme zu starten. Doch »Übersicht« macht auch den Inhalt von Font-Ordnern transparent.

Man akti­viert im Finder eine Auswahl von Font-Dateien, zum Beispiel eine Familie (oben in der Abbildung sind das die 10 Schnitte der Familie FF Profile OT), tippt die Leertaste um ›Übersicht‹ zu akti­vieren und wählt die Ansicht ›Index-Seite‹ im Fuß des aufpop­penden Fensters. Nun sieht man das Buchstaben-Paar Ag in den verschie­denen Schriften darge­stellt. Klickt man auf einen dieser Ag-Buttons, offen­bart sich der Zeichenvorrat des zugrunde liegenden Fonts. Ein Klick auf das Bildschirmfüllend-Icon vergrö­ßert die Zeichenvorschau auf die gesamte Monitorbreite und versetzt Typo-Junkies in einen Vollrausch … unge­duldig klicken sie sich mit den Pfeiltasten durch die Buchstabenshow.


Arminia Bielefeld mit neuem Logo

Vor dem Heimspiel gegen Schalke 04 am vergan­genen Samstag präsen­tierte der Fußball-Bundesligist DSC Arminia Bielefeld seinen Fans ein neues Logo. Was steckt dahinter? Auf der Webseite des Vereins wird die Renovierung so begründet: »Fakt ist, dass sich heut­zu­tage der Erfolg längst nicht mehr ausschließ­lich auf dem Platz entscheidet. Vielmehr gilt es, auch abseits des grünen Rasens stets nach neuen Wegen und Möglichkeiten zu suchen, die eigene Position zu stärken und zu verbes­sern. Der DSC hat deshalb zusammen mit einer namhaften Markenagentur eine stra­te­gi­sche Markenpositionierung für den Verein erar­beitet. Einen Bruch mit der Tradition bedeutet das keines­wegs. Es geht viel­mehr darum, ›Arminia‹ mit allem Positiven, was den Verein in seiner langen, wech­sel­vollen Geschichte ausmacht, ab sofort – auch über­re­gional – noch stärker in den Fokus zu stellen«.

Die prägenden Elemente des Logos, die Arminia-Fahne und der Lorbeerkranz, blieben fast unver­än­dert – bis auf eine farb­liche Anpassung (vgl. altes Logo auf Wikipedia). Neu ist der kräf­tige, plaka­tive Versal-Schriftzug »Arminia«, der mit und ohne die Ortsbezeichnung »Bielefeld« einge­setzt werden kann und die Wortmarke stärker betont.


Podcast: Interview mit mp3-Erfinder Brandenburg

Das Berliner Inforadio sendete heute ein Interview mit dem Forscher Karlheinz Brandenburg, der als Vater des Musikformats mp3 gilt. In dem 15-minü­tigen Gespräch mit Johannes Frewel erläu­tert der Mathematiker das Erfolgsgeheimnis seines Formats, warum das Fraunhofer-Institut an Apple iPods mitver­dient, warum ihn DRM nervt und wie der A-Capella-Song Tom’s Diner von Suzanne Vega die mp3-Entwickler zur Verzweiflung brachte. Das Interview down­loaden … (mp3, 14:19 min, 6,6 MB)


Neues von Judith Schalansky

Die Autorin des Typografie-Bestsellers »Fraktur Mon Amour« (FontShop-Link, Interview im Fontblog), Judith Schalansky, macht mich eben auf ihr neues Buch aufmerksam … ein Roman, erschienen im Mare-Buchverlag. »Blau steht dir nicht« (blau​-steht​-dir​-nicht​.de) handelt von Fernweh und Beengung und erzählt Geschichten rund um den Matrosenanzug, der ja – ähnlich wie die Frakturschrift – ambi­va­lent wahr­ge­nommen und verwendet wird. Von kaiser­treu bis revo­lu­tionär, von schwul bis hetero. Das Buch ist seit heute lieferbar (Amazon-Link) und wurde vorzüg­lich von Farnschläder & Mahlstedt gestaltet.

Hier zwei Leseproben aus der kommen­tierten Ausgabe, also aus Judith Schalanskys Diplomarbeit, die nicht iden­tisch sind mit der Verkaufsausgabe:

Anfang des 1. Kapitels in der Diplomarbeit (457.6 KB)
Anfang des 2. Kapitels in der Diplomarbeit (412.2 KB) 


Erste Reaktionen auf »be Berlin« [Update]

»Mit lockeren Sprüchen will Berlin zur Marke werden. Die verarmte Hauptstadt schmückt sich seit heute mit einer millio­nen­schweren Image-Kampagne: ›be Berlin‹ setzt vor allem auf das Mitteilungsbedürfnis lokal­pa­trio­ti­scher Spree-Bürger.« Spiegel Online, Berlin ist eine Sprechblase

»Warum muss es immer so leicht sein, PR-Kampagnen blöd zu finden? Warum kann nicht mal irgend­je­mand von den ganzen betei­ligten Profis etwas fabri­zieren, auf das man wenigs­tens mit einem ›Nun ja, nicht so mein Ding, aber ganz gut gemacht!‹ reagieren kann? Warum wird man als Adressat immer für völlig meschugge erklärt und wie ein Kleinkind behan­delt?« Spreeblick, Sei B-Berlin!

»Endlich kann ich wieder froh sein in Hessen zu wohnen. Hauptsache nicht in Berlin. Denn die mit viel Brain und viel Geld entwi­ckelte Kampagne ›Sei Berlin‹ verströmt den Charme einer Heizdecke. Fremdschämen möchte ich mich. Wohlmeinend kann man den Auftritt immerhin noch für die kleine Zahnspangen-Schwester von ›Du bist Deutschland‹ halten.« Off-the-record, Sei Berlin: Ich kapier’s nicht

»Das erste Mal ist Klaus Wowereit live im Internet aufge­treten. Er stellte die Berlin-Werbekampagne ›be berlin‹ vor – und das wenig werbe­taug­lich: staats­tra­gend vor gelber Wand. Für Auflockerung sorgte nur der Grünen-Fraktionschef, der die Internetkamera übersah.« Berliner Morgenpost, Wie eine Schnecke beim Formel-1-Rennen

»Werbung, PR und Slogans braucht immer nur das, was sich nicht verkauft, lügt, Scheiße ist und Leute betrügt. Wer einen Slogan braucht, hat nichts zu gewinnen, der hat schon verloren.« Rebellen ohne Markt, Städteslogans im Vergleich

»Auch wenn man Werbekampagnen dieser Art, die zum Handwerkszeug aller Metropolen gehören, nicht über­be­werten soll. Aber sie können das Image schärfen und das Wir-Gefühl verstärken. Gerade damit haben die Berliner seit Jahrhunderten große Probleme. Die eigene Stadt, na ja. a›Da kann man nicht meckern‹ ist das höchste Lob. Der Tagesspiegel, Dufte, knorke, klasse

»Das Image von Berlin ist eigent­lich gut. Man kann es, wenn man will, mit einer Kampagne noch verstärken. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit lässt sich die Sache in den nächsten zwei Jahren zehn Millionen Euro kosten. Ziemlich viel für so viel Beliebigkeit.« Berliner Zeitung, Be beliebig

[Update]

»›Be Berlin‹, das ist rekord­ver­dächtig kurz. Nach ›Du bist Deutschland‹ und ›Wir sind Papst‹ sollen jetzt alle Hauptstadt sein. Zumindest in Berlin. So lautet der Slogan der neuen Hauptstadtkampagne. Er ist so origi­nell, dass er vier Agenturen gleich­zeitig einge­fallen ist.« jetzt​.de, Sei doch einfach Berlin

»Die ersten Motive der neuen Berlin-Kampagne – so sehen sie aus. ›Ein unge­schminktes, aber faszi­nie­rendes Bild Berlins‹ soll auf diese Weise gezeichnet werden, so Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit. Ich frage mich nur… wenn man Authentizität vermit­teln möchte… warum nur wirkt der Koch in der Küche wie aus einem anderen Bild ausge­schnitten und künst­lich drauf­ge­klebt?« Design-Tagebuch, Sei Berlin! – Erste Motive der Kampagne

»Mit dem Fokus auf das Wir-Gefühl der Berliner hat der rot-rote Senat indi­rekt einge­räumt, wie groß die Probleme sind – nicht nur beim Auseinanderfallen der Quartiere. Seit der Wende haben 1,7 Millionen Berliner die Stadt verlassen. Auch deren Geschichten gehören zu dieser Stadt. Und mit ihnen die wenig launige Botschaft: ›I’ve been Berlin.‹« Tageszeitung, Wir-Gefühl gegen soziale Spaltung


Sei Stadt, sei Wandel, sei Berlin … [Update]

Die Bürger Berlins stehen im Mittelpunkt der neuen Hauptstadtkampagne, die der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit heute mittag der Öffentlichkeit vorge­stellt hat (die gesamte Rede im Fontblog).

Die Kampagne »be Berlin« startet am 11. März 2008 und ist vorerst bis zum Jahr 2009 ange­legt. Im Mittelpunkt steht die Website www​.sei​.berlin​.de, auf der Berlinerinnen und Berliner ihre Erfolgsgeschichten erzählen. Jeder kann sich daran betei­ligen. Laut Senatsmitteilung hebe sich die Kampagne von allen bishe­rigen Standortkampagnen in Deutschland ab: »›be Berlin‹ lebt mit und für die Berlinerinnen und Berliner. Im ersten Jahr wird sich die Kampagne vor allem an die Berliner wenden und will so die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt verstärken.«

Das Key-Visual [Update]: »Als Key Visual dient eine klare und flächig gehal­tene Sprechblase, die mit ihrem nach innen wie außen gerich­teten Pfeil für eine offene, dialog­be­reite Stadt und ihre Einwohner stehen soll. Sie findet von räum­li­chen 3D-Darstellungen bis hin zu Merchandising-Artikeln viel­fäl­tige Anwendung.« (Zitat: Fuenfwerken)

Die Musik zur Kampagne hat der Berliner Musiker Paul van Dyk geschrieben. Sie wird auf sei​.berlin​.de auch als Klingelton fürs Handy angeboten.

Der Slogan »be Berlin« wurde im Hinblick auf die inter­na­tio­nale Phase der Kampagne gewählt. Er wird ergänzt durch die deut­sche Übersetzung »sei Berlin«, und den Dreiklang sich ergän­zender Begriffe. Diese je nach Thema und Medium wech­selnden Überschriften folgen einer bestimmten Mechanik, die zum Mitmachen und Mitspielen anregt: Stets bestehen die Überschriften aus zwei Begriffen mit dem Wort »sei«, die sich immer in »sei berlin« auflösen: sei x, sei y, sei berlin.

Die Plakatmotive: Für den Auftakt der Kampagne wurden bewusst nicht nur Prominente ausge­wählt, sondern Geschichten von Menschen, die mit stän­diger Innovation auf dem Weltmarkt Erfolg haben, die kreativ und selbst­be­wusst ihr eigenes Image prägen, die schon in der Schule wissen­schaft­lich arbeiten, oder die eigen­ständig und mit großer Energie ihren Weg nach oben suchen.

Die Agenturen: Rund 300 Agenturen und Einzelpersonen haben am Wettbewerb teil­ge­nommen. Vier Agenturen schlugen den glei­chen Slogan »sei Berlin« bzw. »be Berlin« vor, der für die Kampagnen national und inter­na­tional verwendet werden soll: mapver­tise agentur (Berlin), Namestorm (München), WE DO commu­ni­ca­tion (Berlin) und Embassy (Berlin). Den Zuschlag für Konzeption/Kreation erhielt Embassy, das die rote Sprechblase, Logoidee, Bildkonzept sowie die grund­le­gende Kampagnenmechanik (Planning) entwi­ckelte. Im Bereich Kommunikationsdesign gewann Fuenfwerken Design (siehe auch Fontblog-Beitrag vom 22. Januar). Diese Agenturen haben gemeinsam mit Berlin Partner, der Senatskanzlei und Prof. Jochen Pläcking, der das Auswahlverfahren für den Regierenden Bürgermeister leitete, in einem Kreativteam die Kampagne erar­beitet. An der Kampagne arbeiten noch folgende Spezialagenturen und Teams aus Berlin mit: OMD (Mediaplanung), Code Couture, A&B Face2Net und Jovoto (Internetauftritt), Institute of Electronic-Business an der UDK (Interaktive Medien) sowie klein­un­plä­cking marken­be­ra­tung GmbH (Strategie).

Die Schrift [Update] wurde für die Kampagne von Alessio Leonardi entworfen, heißt BMF Change, und ist eine Weiterentwicklung seiner Schering-Schrift. »In der auffäl­ligen Headline-Systematik wird die Typografie zum eigent­li­chen Hauptdarsteller der Kampagne. Selbstbewusst, sperrig und mit einigen kleinen Eigenheiten demons­triert sie den starken Charakter Berlins und verleiht den appel­la­tiven Inhalten Nachdruck.« (Zitat: Fuenfwerken)


»Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner.«

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, hielt heute zum Start der Markenkampagne »be Berlin« im Roten Rathaus die folgende Rede (laut Redemanuskript auf www​.berlin​.de):

Liebe Berlinerinnen und Berliner,

den ersten Beitrag zur neuen Markenkampagne haben Sie alle geleistet, indem Sie gekommen sind.
Die Gewerkschaften versu­chen, das öffent­liche Leben lahm­zu­legen. Aber die Berlinerinnen und Berliner sind krisen­er­probt – und sie sind soli­da­risch: Sie bleiben gelassen, tun sich zusammen und sind fürein­ander da. Ihnen ist es zu verdanken, dass das große Chaos ausge­blieben ist. Auch das ist Berlin: Das Leben nehmen wie es ist und das Beste daraus machen.

In diesem Sinne freue ich mich beson­ders, dass Sie gekommen sind, und begrüße Sie sehr herz­lich zum Start unserer Markenkampagne!

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