eBoy: Peter Stemmler geht
Auf der TYPO 2006 traten sie noch zu viert auf … jetzt verlässt Peter Stemmler nach rund 10 Jahren die Designtruppe eBoy (es bleiben: Kai Vermehr, Steffen Sauerteig, Svend Smital). Auf der eBoy-Website heißt es: »Peter is leaving eBoy to focus on his work at Quickhoney. We love you Peter! We love your work and we will all miss you! Good Luck at Quickhoney! Shall the sun shine for you!«Quickhoney sind Nana Rausch & Peter Stemmler. Sie leben und arbeiten in New York.
100 beste Schriften (7)
Der große deutsche Corporate Designer Anton Stankowski (1906 – 1998) verkündete 1989 in einer Anzeige: »Ich akzeptiere nur funktionale Schriften. Die Sie gerade hier lesen ist seit 60 Jahren meine bevorzugte. Sie heißt Akzidenz Grotesk.« Was macht eine Schrift so begehrenswert, dass sich ihr ein emanzipierter Gestalter lebenslänglich unterwirft?
Für die Geburt der Akzidenz Grotesk gibt es kein Datum. Tatsächlich können sich einige als Vater der AG bezeichnen, wie Kenner sie gerne abkürzen. Bereits um 1880 entwarf der deutsche Typograf und Hieroglyphen-Experte Ferdinand Theinhardt (1820–1909) für die Publikationen der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vier Schnitte einer Serifenlosen, die er Royal Grotesk nannte. 1908 übernimmt Hermann Berthold die Theinhardtsche Schriftgießerei und integriert die inzwischen sehr beliebte »Royal« in seine Akzidenz Grotesk-Schriftfamilie unter der Bezeichnung »AG Mager«.
Der spätere Ziehvater der Akzidenz Grotesk, Günter Gerhard Lange, verweist auf Quellen, nach der ihr Normalschnitt 1899 bei Bauer & Co. in Stuttgart zur Welt kam, kurze Zeit später ebenfalls ein Übernahmekandidat der H. Berthold AG. Diese stellte selbst kurze Zeit vorher eine Accidenz-Grotesk in einer Anzeige vor.
Günter Gerhard Lange führte Akzidenz Grotesk zu Zeiten des Fotosatzes zu einer harmonischen Familie zusammen (Foto: Marc Eckardt, TYPO 1999)
Das große Verdienst GG Langes war es, als künstlerischer Direktor der H. Berthold AG zwischen 1966 und 1972 die unterschiedlichen Zweige der Akzidenz-Grotesk für den Fotosatz zu einer harmonischen Familie zusammenzuführen. Dies brachte der AG neue, glühende Anhänger. Und für viele ist sie noch heute die einzig wahre typografische Geliebte, neben der keine andere Schrift eine Chance hat.
100 beste Schriften (8)
Zwei Motive bewegten mich 1988 dazu, der International Typeface Corporation (ITC) eine neue Schrift vorzuschlagen: erstens hatte ich die glatten, ›hübschen‹ Schriften satt, die von allen Herstellern auf den Markt kamen und zweitens fehlte eine moderne Korrespondenzschrift für Laserdrucker. ›Prima‹, sagte ITC ›dann mach das mal.‹
Mein Konzept sah vor, die Schreibmaschinen-Schriften Letter Gothic und Courier als Vorbilder zu nehmen, und daraus etwas neues zu schaffen. Dabei repräsentierte die Letter Gothic die schmallaufende serifenlose Version, Courier die breitlaufende Antiqua. Ich beschäftigte mich mit der Sans, mein Freund Gerard Unger bot an, den Grundstein für eine Serif zu legen.
Erik Spiekermann 1990 mit eine Vorversion der ITC Officina: fettere Punkturen, diskrete Mediävalziffern (Foto: Hanswerner Holzwarth)
Für die ersten Skizzen zur ITC Correspondence (Arbeitstitel) schielte ich mit einem Auge auf die Letter Gothic, mit dem anderen auf meine Post-Schrift (später: FF Meta; die Red.). Gerard Unger lieferte das Serif-Testwort ›Hamburgefonts‹, danach kam ihm ein wichtiges Projekt dazwischen. Auch ich musste die Schrift liegen lassen. Dann war plötzlich Frühjahr 1989.
Meine Rettung war Just van Rossum, der im Mai bei MetaDesign als Praktikant anfing. Er nahm sich meine Sans, bereinigte die Ikarus-Daten und generierte eine piekfeine Familie. Weil Gerard immer noch beschäftigt war, versuchten Just und ich daraus eine Slab-Serif zu konstruieren. Es sah prima aus. Ende 1989 gingen die Font-Daten zu URW, die per Automatik die abgerundeten Ecken einbauten.
Als im Sommer ’90 die Kontrollabzüge von ITC aus New York kamen, war ich erst mal sauer, weil meine diskreten Mediävalziffern gegen Tabellenziffern ausgetauscht waren, die URW gezeichnet hatte. Außerdem werde ich den Verdacht nicht los, dass jemand unsere kräftigen Punkturen leichter gemacht hat.
Nachtrag: Im Frühjahr 2003 bringt FontShop mit Agfa und von Erik Spiekermann autorisiert ein ITC Officina Komplettpaket im Sinne des Erfinders heraus
Die 100 abgelutschtesten Schriften aller Zeiten
Während sich FontShop gerade mit den 100 besten Druckschriften beschäftigt, wirft Manuel Bieh einen statistischen Blick in die Folterkammer der Schriftenwelt, das Internet. Aus Gründen der Kompatibilität herrscht hier Zwangsjacken-Typografie vor, denn auf die Frage eines jeden Designers – Welche Schriften kann/soll/darf ich verwenden? –, gibt es nur die eine Antwort: Die des Betriebssystem-Monopolisten Microsoft. Hierzu bemerkt der österreichische Designer Jürgen G. Eixelsberger zu recht: »… (so) wird die Eintönigkeit des Webs nie enden.«
Auf Manuel Bieh’s Schriftstatistik-Seite sammelt ein Flash-Applet Informationen über die eigenen installierten Schriften und generiert eine Statistik der am meisten installierten Fonts. Da gibt es keine Überraschungen. Überraschend ist auch nicht, das keine dieser Namen in FontShops 100-beste-Schriften-Liste auftauscht, denn Bewertungszeitraum sind die letzten 500 Jahre und nicht die letzten 15. (Via: Praegnanz und Designblock)
Die Gedanken beim Schriftentwerfen
Immer wieder werde ich gefragt: Warum gibt es so viele Schriften? Oder: Warum werden überhaupt neue Schriften geschaffen? Anders als in der Kunst entstehen Schriften nicht, weil man eine Erleuchtung hat, sondern eine typografische Aufgabe zu lösen ist.
Weil Erik Spiekermann seit kurzem ein lebendiges Tagebuch führt, bekommen wir nun endlich mal Live-Einblicke in die Gedankenwelt eines Schritentwerfers. Es geht um die Hausnummern-Serie, die Spiekermann jüngst entwarf (Bericht im Fontblog mit wunderbarer Diskussion dazu). Gerade hat er veröffentlicht (Neue Nummern), warum die Meta-Hausnummern anders aussehen als die Ziffern der ihnen zugrunde liegenden Schrift. Ein Interview mit Rob Forbes zu dem Thema ist verlinkt.
100 beste Schriften (9)
Als sich Futura in Deutschland Ende der 20er Jahre zum Bestseller entwickelt, sucht Stanley Morison für seinen Arbeitgeber Monotype ein britisches Äquivalent. Irgendwann Ende 1928 fällt ihm der Bildhauer und Zeichner Eric Gill ein, der 7 Jahre zuvor mit Edward Johnston eine beeindruckende Sansserif für die Londoner U-Bahn mitentworfen hat. So ähnlich könnte der »Futura-Killer« aussehen.
Eric Gill als junger Mann, zirka 1908 (© Harry Ransom Center)
Noch am selben Tag reist Morison ins walisische Nest Capel-y-ffin, wohin sich der 42-jährige Gill 1924 zurückgezogen hat, um die Schrift Perpetua fertigzustellen. Morison braucht nicht lange, um den Künstler davon zu überzeugen, dass er der richtige Mann für den Job sei, zumal dieser noch jede Menge Schriftideen in der Schublade liegen hat.
Zwei Wochen später begutachten sie beide in London alte und neue Skizzen von Schriften. Morison war erstaunt, dass viele der Johnston-Buchstaben mit nur wenigen Eingriffen eine vorzüglich lesbares Textschrift ergaben, trotz geringer Mittellänge. Der Grund: die Zeichen der neuen Gill-Schrift basieren zunächst auf Antiqua-Formen und Proportionen; erst in einem zweiten Schritt geometrisierte ihr Entwerfer die Lettern.
Über 36 Garnituren der Gill Sans entstanden in den Jahren 1929 bis 1932 für den Bleisatz. Das besondere an der Grotesk – im Vergleich zur Futura – ist nicht allein der ausgeprägte Strichstärken-Kontrast: ja alle Schnitte weisen einen eigenen Charakter auf, weil sie nicht mechanisch aus einem Entwurf abgeleitet sind.
Das Geheimnis der Gill Sans: erst die Antiqua-Grundform, anschließend die geometrische Konstruktion; eine Zeichnung von Eric Gill von 1933 (Quelle: St Pride Printing Library, London)
Die Light mit einem ausladenden f-Bogen und einem hohen t wirkt offen und elegant. Die Regular ist kompakt und muskulös, mit dem aufsitzenden b, den oben platten p und q sowie dem t mit einem Dreieck als Abschluss. Die fette Gill Sans greift wieder den offenen Stil der Light auf, während Extra Bold und Ultra Bold einen geradezu exzentrischen Stil pflegen. So spiegelt die Gill-Sans-Familie das Verständnis ihre Schöpfers von Handwerk wider.
Die Qualität des bildhauerischen und typografischen Werks von Eric Gill ist in der britischen Kulturgeschichte unbestritten. Gleichwohl wirft die 1989 veröffentlichte Gill-Biografie von Fiona MacCarthy einen Schatten auf das Schaffen des Künstlers. Sein strenger Katholizismus hinderte ihn weder an einem inzestuösen Verhältnis mit der Schwester, noch am sexuellen Missbrauch seiner Kinder; in den Tagebüchern schildert Gill detailliert ein sexuelles Experiment mit dem Familienhund.
100 beste Schriften: Ergebnis Quizfrage
Ein großes Kompliment an den Sachverstand und das Einfühlungsvermögen der Fontblog-Leser. Auf meine Frage vom Freitag gab es 28 auswertbare Antworten, darunter 2 Disqualifikation (1. wegen Anonymität, 2. wegen 20 statt 10 Antworten). Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben mehr als 5 Treffer gelandet:
8 Richtige: 2 x
7 Richtige: 7 x
6 Richtige: 7 x
5 Richtige: 3 x
4 Richtige: 4 x
3 Richtige: 1 x
2 Richtige: 1 x
0 Richtige: 3 x
Von den zwei »8 Richtigen« hat ein/e Teilnehmer/in eine richtige Platzierung getippt, was schließlich zum Sieg führte. Wer gewonnen hat, verrate ich dann Anfang kommender Woche … bis dahin läuft der tägliche Countdown.
100 beste Schriften (10)
Die Schrift, die Adrian Frutiger weltberühmt machte, geht auf Übungen zurück, die er bereits 1949 als 21jähriger an der Kunstgewerbeschule Zürich durchführte. Das eigentlich Neue an Univers war, dass eine Schriftfamilie erstmals als geschlossenes System behandelt wurde.
Ausgangspunkt ist der Normalschnitt (Univers 55), von dem aus sich alle weiteren herleiten. Der Kontrast ist so austariert, dass sich die Schrift auch für lange Texte eignet. Frutiger legte großen Wert auf die Abstimmung der Strichstärkenunterschiede zwischen Versalien und Gemeinen. Für damalige Zeiten ist die Mittellänge ungewöhnlich hoch.
Aufbau der Univers von 1954, weitere Schnitte sind inzwischen hinzugekommen: die erste Ziffer steht für die Strichstärke, die zweite für die Buchstabenbreite, wobei gerade Ziffern »oblique« bedeuten
Univers braucht 15 Jahre, bis sie überall bekannt und auf den unterschiedlichen Geräten (Blei und Fotosatz) verfügbar ist. Dem Ende der 70 Jahre vorherrschenden rationalistischen Stil in der Typografie kommt die kühle, systematisch entwickelte Familie entgegen. Sie entspricht dem Anspruch auf ›Total Design‹, wie Wim Crouwel und Ben Bos ihr Designbüro 1964 taufen. In Holland wird Univers eine Art Nationalschrift, in den USA und Deutschland setzen die Grafiker eher auf Helvetica.
2004 wurde die Univers von Adrian Frutiger und Linotype komplett überarbeitet, auf 59 Schnitte erweitert und dreistellig nummeriert.
(Anmerkung: Der Countdown läuft, der oder die Gewinnerin einer TYPO-Karte steht fest, wird aber noch nicht verraten, bevor die Plätze 10 bis 1 veröffentlicht sind. Wer nicht weiß, worum es geht: Dies war der Auslöser, am Freitag)