Hat das Tonbuch Zukunft?

Welch wunder­bare Geschäftsidee: vertonte E-Books … nicht zu verwech­seln mit Hörbüchern. Ein vertontes E-Book liest man selbst, doch dies geschieht nicht in aller Stille sondern wird von einem Soundtrack begleitet. Dass wir uns jetzt richtig verstehen: Es geht nicht um Lesegeräusche, etwa das Rascheln von Papier oder Blätter-Sounds. Nein, hier ist die Rede von einer Vertonung wie wir sie vom Film kennen, also Hintergrundgeräuschen, Sound-Effekten und Begleitmusik. Klingt irgendwie komisch, bereitet mir aber gerade einen Riesenspaß. Während ich dass hier schreibe knis­tert auf meinem iPad der Kamin von Seite 3 des kosten­losen Demo-Buchs Sherlock Holmes – Speckled Band. Wird das stumme E-Book bald ein abge­schlos­senes Kapitel in der Geschichte des Lesens sein, so wie der Stummfilm für das Kino?

Die Lautstärke der drei Tonspuren für Stimmung, Sound-Effekte und Musik lässt sich indi­vi­duell regeln

Die Entwickler von Booktrack sind gut aufge­stellt. Hauptinvestor ist Peter Thiel, Mitbegründer und Ex-Geschäftsführer von PayPal. Seine Partner arbeiten in New York, Hong-Kong und Neuseeland. Sony/ATV stellt sein Musik- und Sound-Archiv zur Verfügung, HarperCollinsPublishing liefert den lite­ra­ri­schen Content und falls maßge­schnei­derte Begleitmusik gewünscht wird, steht das New Zealand Symphony Orchestra zur Verfügung.

An wen wendet sich das Tonbuch? Möglicherweise ist es geeignet, bei einem bestimmten Typ Leser die Aufmerksamkeit bzw. die Leseausdauer anzu­fa­chen. Leseunwillige dagegen lassen sich auch mit Booktracks kaum kurieren. Vielleicht entsteht eine neu Art Buch, bei der eine Klangidee der Ausgangspunkt ist und die geschrie­benen Worte erst später folgen. So könnte ich mir zum Beispiel ein raffi­niertes E-Book über die Geschichte von Motown-Records vorstellen oder die Biografie von Mick Jagger. Ich bin gespannt, wie das erwei­terte Medium Buch von der Leserschaft aufge­nommen wird.

Im nach­fol­genden Werbevideo wird die Booktrack-Idee vorge­stellt und erläutert:


13 Kommentare

  1. Michael Müller-Hillebrand

    Hmm, große Zweifel. Das Buch ermög­licht doch »Kino im Kopf«, weshalb Literaturverfilmungen oft so schlecht wegkommen. Unser Auge kann sich bewegten Bildern nicht entziehen. Zwar sind Töne nicht so aufdring­lich, aber ich befürchte eine Verflachung des Leseerlebnisses, wenn der Soundtrack von jemand anderem vorge­geben wird. Und bezüg­lich der auto­ma­ti­schen Anpassung an die Lesegeschwindigkeit habe ich sehr große Zweifel.
    Kurz: Ich frage mich, was das soll?
    PS: Papierrascheln fände ich (wie Tastaturgeräusche: Trixie!) zwar auch albern, aber wenigs­tens nett.

  2. Me

    Naja, ganz nett würde ich sagen.
    Allerdings für manch ein Leser nichts Neues. Ich lese schon seit Jahren Bücher und höre Soundtrack im Hintergrund (den such ich mir vorher raus). Da muss ich auch nicht Geschwindigkeit etc. einstellen.

  3. Carlos

    Gute Literatur braucht keinen Sound.

  4. Simon Wehr

    Der Vergleich zum Stummfilm hinkt. Der Stummfilm ist nie ein tonloser Film gewesen. In jedem Kino gab es mindes­tens einen Pianisten, der den Soundtrack zum Film gespielt hat. In großen Kinos gab es sogar Orchester. Und es war immer der Wunsch, Ton mit aufzu­nehmen. Lediglich die Technik war anfangs noch nicht reif dafür. 

    Beim Buch liegt die Sache etwas anders. Das Buch an sich wird kein Tonbuch werden. Aber viel­leicht wird es eine eigene Gattung oder ein weiterer Vertriebsweg, (s. Hörbücher) die neben den normalen Büchern exis­tiert. Grundsätzlich finde ich es aber toll, dass dank eBook über das Buch an sich und das Lesen an sich nach­ge­dacht wird. Ich begrüße ausdrück­lich jedes Experiment.

  5. R::bert

    Ich begrüße ausdrück­lich jedes Experiment.

    Ja ich auch.
    Aber bisher kann ich mich für das inten­sive Lesen von Mengensatz am Display einfach nicht erwärmen. Egal ob mit oder ohne Sound. Es strengt einfach noch zu sehr an. Vielleicht wird sich das mit einer besseren Auflösung (z.B. Retina-Display beim iPad) ändern. Und dennoch … die Haptik von Papier und Veredelung, das Leseerlebnis bei einem guten (analogen) Buch ist meiner Meinung nach durch nichts zu ersetzen. Und was den Sound betrifft: für mich ist da zur Zeit weniger mehr, zumin­dest was das künst­liche und verkrampfte Erzeugen von Stimmungen betrifft. Wir werden den ganzen Tag mit Informationen zu geschüttet. Das Lesen eines »reinen« Buches hat da etwas wohl­tuend entschleu­ni­gendes. Ich glaube, das geht mit Sound verloren. Aber das ist rein subjek­tives Empfinden.

  6. Henning Krause

    Für mich persön­lich ist das nichts. Ich kann auch beispiels­weise der Musikberieselung in Restaurants oder Einkaufspassagen nichts abgewinnen.

    Andere leiden ohne akus­ti­sche Ermunterung jedoch an beein­träch­tigter Verdauung oder verrin­gerter Entscheidungsfreude im Konsumverhalten. Das ist in Ordnung und im Rahmen profes­sio­neller Arbeit als Designer fließt dieses Wissen selbst­ver­ständ­lich ein. 

    Ich habe eine Vermutung, welche Buchgenres beson­ders von dieser neuen Möglichkeit Gebrauch machen werden bzw. bei welchen Genres der Endkunde diese neue Errungenschaft beson­ders freudig aufnehmen wird. Ich nehme an, dass mir als Freund des Sachbuches (Sachbücher über Musikgeschichte viel­leicht ausge­nommen) dieses Erlebnis vorent­halten bleiben wird, bin jedoch gespannt, welchen Weg die Entwicklung nehmen wird.

  7. Vroni

    Als Kind hätte ich sowas wie E-Books begrüßt:
    leuchten hell, wenn ich sie unter der Bettdecke lese.
    Raschelgeräusche und Hintergrundmucke hätten das heim­liche, eltern­sub­ver­sive Glückserlebnis aber sofort wieder kaputt gemacht. :-)

    Als Erwachsener bin ich zwiegespalten:
    Bei Lyric erwarte ich den Rock ’n‘ Roll vom Text, nicht vom Hintergrund.

  8. R::bert

    PS.: Zum obigen Beispiel – schlechter Blocksatz wird auch durch Schnickschnack nicht besser lesbar ; )

  9. Ole

    … für mich ist das nichts. Wenn ich digital lese, dann tue ich es auf dem Kindle – beim ipad ist der Multimediaeffekt schon durch das Spiegeldisplay einge­baut, da braucht man keine Geräusche mehr …

  10. Marla

    Hm. . wer von den geschätzten Kommentartoren hat denn schon eine tatsäch­liche Erfahrung mit einem Tonbuchs gemacht?
    Ich vermute nicht mehr als 20%. Lasse mich aber gern über­ra­schen. Ich möchte nur gern wissen welche Kommentare ich hier getrost ausblenden kann.

  11. Gregor

    Hatte mal an einem Prototyp gesessen, der mittels Eyetracking genau fest­ge­stellt hat, an welcher Stelle man sich gerade im Text befindet. Und entspre­chende Hintergrundgeräusche abge­spielt hat. War schon ein sehr inter­es­santes Erlebnis!

  12. Joshua K.

    Die Idee finde ich gut. (Ich warte auch immer­noch auf das Kino mit Gerüchen und Wärmeregelung …) Nicht als Ersatz fürs gewöhn­liche Buch, aber als zuzsätz­liche Gattung kann ich mir das gut vorstellen — muß ich unbe­dingt mal ausprobieren.

  13. Polapix

    Ich müsste das mal ausprobieren.
    Es hat auch eine Weile gedauert, bis ich mich mit Hörbüchern anfreunden konnte. Inzwischen ist deren Konsum gleich­wertig wie das Papier-Lesen.
    Bei den Hörbüchern gibt es ja auch solche mit Hintergrundmusik und -Geräuschen.
    Wenn das gut gemacht ist kann das durchaus eine Bereicherung sein.

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