Die Technikexperten hinter den FontFonts
Es war 1989, ich war Chefredakteur bei PAGE, als mir die große Ehre zuteil wurde, das Font-Department der damaligen Linotype AG in Eschborn besichtigen zu dürfen. Ihr Leiter Otmar Hoefer führte mich durch einen Saal mit Großbildschirm-Arbeitsplätzen, an denen rund ein Dutzend Mitarbeiter damit beschäftigt war, mit den streng geheimen Tools der Adobe-Labore Original-PostScript-Schriften herzustellen. Ich fragte Hoefer, ob ich diesen Moment fotografisch festhalten dürfe, worauf er nach kurzem Überlegen ein OK gab. Als ich mich einem Arbeitsplatz näherte, stand dort ein Mitarbeiter empört auf – sicherlich ein Kollege der Jahre zuvor übernommenen Frankfurter Stempel AG –, mit den Worten: »Eisch hunn bei Ädobie ’en Vertrach unnerschriwwe, dess so was net läuft …«
Ich erzähle diese Geschichte, weil sich FSI FontShop International, der Hersteller der FontFonts, im obigen Video ziemlich tief in die Karten schauen lässt. Freimütig erzählen die Techniker Andreas Frohloff, Inka Strotmann, Christoph Koeberlin und Jens Kutilek, wie sie die Schriften der angesehenen Library auf ein technisches Niveau bringen, das weltweit geschätzt wird und für viele Wettbewerber Referenz-Charakter hat. Ich darf daran erinnern, dass die Qualität digitaler Schriften (Fonts), durchaus vergleichbar mit modernen Automobilen, auf zwei Säulen ruht: Design und Technik. Sehr oft wird über das erste gesprochen, doch fast nie über die Technik hinter den Schriften.
Ein großes Kompliment und Dankeschön daher an FSI, das sich in die Trickkiste schauen lässt … und dies auch noch in HD-Qualität.
21 Kommentare
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thomas junold
!!! wunderbar. hmm bei so viel support sollte ich vielleicht doch noch mal meine schrift einschicken. du erinnerst dich jürgen, es ist schon laaaange her und sie ist jetzt an einem punkt, der genau hier ansetzt, was ihr anbietet.
die größte hürde wird vermutlich das typeboard sein ;)
Gero Pflüger
Vielen Dank für das hochinteressante Video – aber warum müsst Ihr die Leute (sowohl die Gezeigten als auch die Zuhörer) so quälen?? SPRECHT DEUTSCH! Zeigt doch bitte den Amis, dass die Schriftkompetenz in Deutschland sitzt.
Subtitles wutt bi matsch bätter sän siehs Tschörmän Äksentz, vor sieh Ömerikäns äs well äs vor sieh Tschörmäns.
Beste Grüße,
Gero Pflüger,
mit Ohrenbluten
Yanone
Mir bluten auch die Ohren. Allerdings darf ich mich nicht beschweren, weil ich selbst einen Andreas und Ivo auf Englisch und ohne Untertitel auf Tasche hab.
Wottsch aut!
Nebenbei: Die Arbeit mit dem Technikteam von FSi ist sowohl aus Sicht eines ehemaligen Praktikanten, als auch eines Designers einfach ein Vergnügen! Aus gegebem Anlass: Vielen Dank.
Theo
Sehr interessantes und informatives Video. Danke.
Florian
Ach komm, Gero … ich fühle mich nicht gequält, sondern find’s gerade charmant. Ist doch für ein internationales Publikum – und dass die FontFonts made in Germany sind, merken die Amis doch viel besser so, ohne Untertitel!
Was mich viel mehr interessiert: ist denn der gezeigte Eingriff ins Design (ab 2′ 03″) ein typischer? Kommt mir ziemlich drastisch vor. Nicht, dass es nachher nicht viel besser aussähe!
Andreas Frohloff
Wie heißt es so schön, Florian, in der Übertreibung liegt die Wahrheit :) Also haben wir ein Beispiel gewählt das deutlich eine Veränderung zeigt, aber eigentlich schon eine Ausnahme ist. Wir gehen sehr zurückhaltend und angemessen mit den Schriftentwürfen der FontFont-Designer um. Betonen möchte ich vor allem, dass alles im Abstimmung und Konsens mit den Urhebern des Design geschieht. In den zehn Jahren, die ich bei FSI tätig bin, habe ich nur positives Feedback erhalten. Wir machen Vorschläge, aber die Entscheidung liegt beim Schriftgestalter.
Nur keine Furcht, wenn ein Typedesign, vom TypeBoard bestätigt, unser Type Department durchlaufen hat, haben alle Beteiligten, Autor und Herausgeber ihr Bestes dazu gegeben, dass ein neuer Stern am Fonthimmel strahlt :)
Jan Middendorp
Großartiges Video. Danke!
Passiveblogger
Großartig, danke! Fontblog nervt definitiv nicht …
Sebastian Nagel
Yeah, Fontblog!
ganzunten
Wunderbar. Font-Geeks in freier Wildbahn :)
Herzlichen Dank für die Einblicke.
Yanone
Nein! Animierte Emoticons!
Wo kommen die denn her?!?
Arne
Auch die Freunde des Fontblogs mit „Obstallergie“ sollten auf ihre Kosten gekommen sein: die Technik wird auf der Dose erledigt, nachdem die „Creativen“ auf ihren Macs fertig gemalt haben ;-)
Simon Wehr
Sis is verrie kuul!
Vielen Dank für den Film!
Aber ich finde es auch angenehmer, wenn Menschen in der Sprache sprechen, in der sie alle Feinheiten ausdrücken können, sich wohl fühlen und präzise das sagen können, was sie meinen. Akzente sind da noch ein Punkt dazu. (Es gibt auch Amerikaner, die mit ähnlichem Akzent sprechen.)
Untertitel wären schon angenehmer gewesen. Ist aber auch ne Menge mehr Arbeit, das muss man fairer Weise erwähnen.
Bzgl. Linotype: Ein Freund von mir war mal dort und meinte, es wäre ein Hochsicherheitstrakt. Auch heute noch.
Plamen Tanovski
Mich würde interessieren, mit welcher Motivation all die Dummy-Glyphs in die FF-Fonts reingetan wurden, bzw. immernoch werden.
Andreas Frohloff
Zu aller erst, Zeichen in FontFonts die anders belegt sind als erwartet, sind die Ausnahme.
Vermutlich meinst Du Füllzeichen, Plamen?
Füllzeichen bedeutet, es ist eine Glyphe die dem Nutzer anzeigt, dass diese Position nicht mit dem eigentlichen Buchstaben belegt ist. Das Füllzeichen ist überwiegend das FF-Symbol. Seit einiger Zeit verwenden wir statt der Füllzeichen semantisch richtige, generische Glyphen. Warum wurden diese Platzhalter verwendet?
• Der Schriftentwurf enthält dieses Zeichen nicht, weil das expressive Design keine sinnvolle Darstellung/Umsetzung zuließ, z.B. für die drei Standardbrüche, Superiors oder Ordfeminine (ª) und Ordmasculine (º) in manchen Displayfonts.
• Es handelt sich um einen Symbol- oder Iconfont, für den nur eine bestimmte Anzahl Glyphen gestaltet wurde.
• Es ist ein sehr früher FontFont; die Anforderungen an das Figurenverzeichnis waren damals andere als heute, technische Bedingungen haben sich geändert, z.B. Adobe Standard Encoding statt Mac Roman Encoding … und wir meinen, es ist immer besser, bei einem Tastenanschlag ein Zeichen, statt einer Lücke zu sehen.
Plamen Tanovski
#15
Vielen Dank für die ausführliche Erklärung. Der springende Punkt ist:
Nur, wenn der „Nutzer“ kein Mensch ist, sondern ein Programm, kann es unmöglich feststellen, dass es bei diesem Glyph hinters Licht geführt wird und statt das gewünschte, ein „Füll-Zeichen“ eingesetzt wird. Im Bereich autom. Mengensatz (neudeutsch database-publishing) ist sowas ein KO-Kriterium, wenn auf S. 3256 eines Kataloges plötzlich ein Dummy-Zeichen auftaucht und dieses erst beim Kunden/Leser entdeckt wird. Würde das Zeichen einfach fehlen, würde man wenigstens eine Fehlermeldung beim Satz bekommen. Die Konsequenz wäre, dass man die Fonts vor dem Einsatz sorgfältig analysieren müsste um alle Dummies erstmal rauszusortieren.
Auch hier wird klar, wer die (primäre) Zielgruppe der Fonttechniker ist.
Sebastian Nagel
Tja, da tut sich eine neue potentielle Zielgruppe auf … der Database-Publisher.
Wenns Grafiker-, Office- und Web-Fonts gibt, warum nicht auch die Geschmacksrichtung Databasepublisher-Fonts – vollautomatisiert und fehlertolerant?
Dass *ein* Font alle Bedürfnisse erfüllen kann, ist ja inzwischen widerlegt.
Plamen Tanovski
PS
Zu diesem Zweck wird eigentlich in PostScript das „.notdef“-Zeichen verwendet. Dafür müsste aber all die fehlenden Glyphs im encoding vector mit .notdef ersetzen.
Plamen Tanovski
#17
O, die Webfonts eignen sich eigentlich ganz gut, um die Problematik der Dummy-Zeichen zu verbildlichen: Wenn ein Webfont benutzt wird, das ein Zeichen nicht hat, weißt das der Browser und nimmt sich das Zeichen aus einem fallback-Font. Gaukelt man dem Browser aber das Zeichen vor, dann benutzt er es auch, mit den entsprechenden Folgen.
Außerdem ist „fehlertoleranter Mengensatz“ ein Oxymoron (Stichwort Validierung).
Florian
Auch im Bereich des ›human-basierten Satzes‹ kann das echt ein Problem sein, gerade, wenn die Platzhalterglyphen nicht sofort ins Auge springen, sondern sich im Grauwert harmonisch einfügen. Mir wurde gesagt, dass diese Praxis technische Gründe hat. Wenn dem so ist, finde ich invertierte oder umrahmte Glyphen einen akzeptablen Kompromiss – der allerdings nicht Plamens Problem löst.
Christoph
Plamen, vielleicht solltest Du nochmal genauer sagen, wo Dir etwas unangenehm aufgefallen ist.
In für den Mengensatz bestimmten OpenType-FontFonts wirst Du keine Füllzeichen entdecken, so viel ist mal sicher! Und noch eins: !