Designklaupreis »Plagiarius« vergeben
Der von Design-Fälschern gefürchtete Negativpreis Plagiarius wurde am gestrigen Freitag auf der Frankfurter Messe Ambiente verliehen. Zum 31. Mal ging der vom Industriedesigner Rido Busse erfundene schwarze Zwerg mit der goldenen Nase an internationale Nachahmer, die »Ideen anderer zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausbeuten.«
»Es ist kein Kavaliersdelikt, die Originalität und die Kreativität eines anderen Menschen zu stehlen, und es ist auch kein Kavaliersdelikt, Konsument nachgemachter Waren zu sein«, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in ihrer Rede auf der Preisverleihung. Sowohl europäisch als auch international habe die Bundesregierung den Schutz geistigen Eigentums auf ihre politische Agenda gesetzt. Ideen und Erfindergeist seien die Grundlagen für die technische Entwicklung.
In diesem Jahr vergab die Jury 3 Preise, 8 Auszeichnungen und 3 Sonderpreise aus insgesamt 58 Einsendungen. Zum ersten Mal wurde der »Hyänenpreis« vergeben: der Einkaufskorb »Carrybag« vom Puchheimer Hersteller Reisenthel wurde gleich von 10 internationalen Firmen abgekupfert (große Abbildung). Der 1. Preis ging an das chinesische Unternehmen He Shan Jia Hui Vacuum Flask & Vessel Co., Ltd., das die Isolierkanne »Sophie« des Herstellers alfi (Wertheim) 1:1 nachbaute, mit der Markenbezeichnung albi. Platz 2 belegt die deutsche ars nova GmbH (Witten), die das bekannte Notizbuch des italienischen Herstellers Moleskine nachproduzierte und mit der fast wortgleichen Produktphilosophie auf der Banderole anbietet. Den 3. Platz errang Wuyi Zhouyi Mechanical & Electrical Co., Ltd. für ihre Ingterpretation der Kehrmaschine »TopSweep 55« (Original: Ing. Haaga Kunststofftechnik GmbH, Kirchheim/Teck).
Alle Plagiarius-2007-Preisträger und hoch aufgelöste Produktvergleichsfotos …
Den erstmals vergebenen Hyänenpreis müssen sich die folgenden Firmen leider teilen:
1) Xin Hang Wujin Tools Dongyang Zhejiang Co., Ltd., Zhejiang, P.R. China, 2) Arbor Handels GmbH, Leonding, Österreich, 3) Edwards Trade Company B.V., Mljdrecht, Niederlande, 4) Berni Irio & Co. S.n.c., Luzzara, Italien, 5) Bed Bath & Beyond Inc., New York, U.S.A., 6) KODI – Diskontläden GmbH, Oberhausen, 7) TOP Marketing, Taipei, Taiwan, 8) Shanghai Light Industrial Products Import & Export Corp., Ltd., Shanghai. P.R. China, 9) Xiamen Helen Industry & Trade Co., Ltd., Xiamen, P.R. China, 10) Yilmaz Güntekin, Gelsenkirchen
16 Kommentare
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Jo
Stimmt es eigentlich, dass auch das große schwedische Möbelhaus bei Designern „abschaut�?“?
Zu Frau Zypries: Natürlich ist es kein Kavaliersdelikt Waren zu kopieren, hier allerdings den Konsumenten zu rügen halte ich dann doch für ein wenig vermessen. Weiß der denn überhaupt das er eine Fälschung erwirbt?
Jürgen
Du hast recht, und deshalb habe ich den zweiten Teil des Zitats aus der Pressemitteilung weggelassen: Da geht es direkt gegen die Wiederverkäufer und Benutzer, was ich auf dem Gebiet des Produktdesign für absolut daneben halte. Das erinnert mich an die Schmidt-Friderichs-Diskussion hier im Blog … war auch nicht nötig.
webicus
In diesem Jahr sind die Plagiate mal wieder sehr dicht am Original. Ich finde es auch immer spannend zu sehen, wie weit man sich einem Design näher kann, ohne daß der […] – gerade keinen passenden Namen parat – als Plagiator wahrgenommen wird. Wie auch beim Thema Ästhetik, gibt es doch keine absoluten Kriterien oder Gesetze, nach denen allgemein geurteilt würde, oder irre ich mich da?
Je komplexer die Form und je „offensichtlicher“, sprich exakter die Nachahmung, desto wahrscheinlicher ist die Situation von Original und Fälschung. Zumindest würde ich das als Ansatzpunkt für ein Regelwerk sehen. Ein interessanter Vergleich, ganz wertungsfrei:
Sofa 1: Genua, Koinor
Sofa 2: Quattro, BoConcept
Ein weiterer Vergleich, mit einem Produkt, das wesentlich reduziertere Formen/Definitionen aufweist (viel einfacher geht es kaum):
Leuchte 1: Kugel, Moonlight
Leuchte 2: Bega ( > Produkte > Gartenleuchten > Kugel-Bodenleuchte )
Wer die Pressemitteilung von 2005 mit der normalen Gewinnerliste von 2005 vergleicht, wird auch eine kleine Abweichung feststellen. Damit wären wir wieder bei den Kriterien (oder Gesetzmässigkeiten nenne ich es einmal), nach denen Produkte als Plagiat eingestuft werden.
Ralf Herrmann
Und wo ist dieser Preis für Fonts? Der »Schusterjunge in Gold, Silber und Bronze«? MyFonts ist voll von vermeintlich neuen Fonts, die auf den digitalen Daten anderer Schriften basieren. Otto Normal kann dies in der Regel kaum ausmachen, aber ein paar Profis aus der Typo-Szene vielleicht schon.
Jürgen
Entweder denken wir uns einen neuen Preis aus … oder wir überzeugen die Plagiaris-Leute, dass Grafikdesign genauso abgekupfert wird. Rido Busse hat Jahrzehnte gebraucht, um mit seinem Pagiarius Gehör zu finden. Ich beobachte sein Wirken seit 1989. Da wurde er noch belacht … Einen neuen Negativ-Preis ins Leben zu rufen kostet viel Energie und Geld. Doch ein Sonderpreis »Schusterjunge« oder »Hurenkind« (so wie der Hyänenpreis) könnte mir gefallen.
microboy
bei fonts kann sowas aber auch nach hinten losgehen. ein sofa unterscheidet sich ausser im preis wahrscheinlich noch im material oder der verarbeitung – bei einem ›kopierten‹ font sind die unterschiede viel marginaler. unter umständen verhilft man dem plagiat durch einen solchen preis nur zu mehr bekannheit. :/
Jürgen
@webicus: Ich glaube, dass erfahrene (aber unbefangene) Designer einem Plagiat die Intention sehr schnell ansehen. Bei der Isolierkanne liefert das nachgemachte Logo den endgültigen Beweis. Auch die zwei anderen Siegerprodukte sind klare Fälle. Beim sog. Hyänenpreis habe ich eher den Verdacht, dass Reisenthel eine neue Produktkategorie geschaffen hat, und die Kopien 2, 4 und 7/8 vielleicht gar keine Plagiate sind.
Jürgen
Die Bedenken von microboy sind absolut berechtigt.
Timo
OT: Geneva, RIP :-/
webicus
Es ging mir gar nicht um die Intention des Nachahmers, sondern um die Bewertungsrichtlinien, nach denen bspw. ein Patentanwalt darüber entscheidet, ob ein Logo, eine Schrift oder eine Leuchte um den Faktor x zu nahe an einem bereits angemeldeten Entwurf ist. Schon ein unerfahrener Designstudent wird in dem Logo auf der Isolierkanne nur eine weitere Täuschung für den potentiellen Käufer sehen. Für mich ist dieses Logo ohnehin der Inbegriff an Dreistigkeit im Zusammenhang mit Plagiaten.
Warum sind nun auch die Körbe 2,4 und 7/8 als „Hyänen“ deklariert worden? Offensichtlich, weil der Gesamteindruck der Produkte zu nahe am Vorbild (Original) von Reisenthel Acessoires ist – und dieser Meinung schliesse ich mich an, auch wenn ich jetzt selbst keine Bewertung à la „23% zu nahe am Vorbild“ vorweisen könnte. Kopiert wurden in ausnahmslos allen Fällen – und das ist für mich persönlich entscheidend – die wesentlichen Gestaltungsmerkmale und Materialeigenschaften dieses Korbs. Die Frage nach einer neuen Produktkategorie stellt sich vielleicht gar nicht, denn Körbe aus Stoff mit einem Griff gibt es schon ein paar Tage länger.
Ausserdem haben alle Körbe eindeutig die gleiche Anzahl an Kerning-Paaren ; )
@Timo
Kann Dir gerade nicht folgen. Ist die Geneva bei System 10.5 nicht mehr dabei, oder wie?
Florian
Markenfälscher kennen keine ›Gestaltungshöhe‹ – falsche Taschentücher aus Marokko:
Mitch
Das die Moleskine-Fälschung Mist ist, erkennt man schon am Zeilenfall :-)
Timo
@webicus
Sie ist leider nicht mehr für die Headlines des Fontblogs zuständig.
Ivo
Ihr macht mich fertig … ;) Wenn ihr nicht von ihr loslassen könnt, will ich auch mal nicht so sein.
Jürgen
Das ist wahre Liebe …
Timo
Juhu! :)