Die hohe Kunst des SPIEGEL-Titels
Kein anderes deutsches Magazin beherrscht die Kunst der Titelgestaltung so brillant wie der SPIEGEL. »Das Titelbild ist die wöchentlich aktuelle Visitkarte des ›SPIEGEL‹«, so formuliert Chefredakteur Stefan Aust den Anspruch der ersten Seite. Sie wird normalerweise als Gebrauchsgrafik rezipiert und verschwindet nach einer Woche von der Bildfläche. Ist sie gelungen, bleibt sie lange im Gedächtnis haften.
Zur hohen Qualität der SPIEGEL-Titel gehört die vorzügliche Typografie. Das aktuelle Heft widmet sich dem Thema »Verheizte Energie«, der Verschwendung, von Öl, Diesel und Benzin in Deutschland. Welche Schrift würde sich da eher anbieten, als die des Leitsystems eines Flughafens, eine Schrift, die für Reisende gemacht wurde, für das Lesen aus der schnellen, energieverzehrenden Bewegung: FF Info, Display von Erik Spiekermann …
12 Kommentare
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Markus Wulftange
Immer diese subtilen Botschaften.
Jürgen
Ich freue mich (1) über gute Qualität und (2) natürlich auch darüber, wenn FontFonts brillant eingesetzt werden. Seit 1991 darf ich als FontFont-Typeboard-Mitglied an der Entwicklung dieser Schriftenbibliothek mitwirken.
Marco Witte
Herausragend wäre der Titel geworden, hätte der Spiegel nur die Fotomontage und die Headline »Verheizte Energie« eingesetzt. Wozu die zusätzlichen Textteile? Ich würde sogar soweit gehen, dass nur die brennende Glühbirne die Aussage ausreichend transportiert.
Jürgen
Ich kann mich an keinen Spiegel-Titel erinnern, der komplett ohne Worte auftrat. Hielte ich auch für etwas überzogen … der Titel muss verkaufen, in der aktuellen Ausgabe zum Beispiel eine Serie.
Marco Witte
»Ich kann mich an keinen Spiegel-Titel erinnern, der komplett ohne Worte auftrat. Hielte ich auch für etwas überzogen …«
Da hast du recht, für eine Wochenzeitschrift wie den Spiegel wäre sicher zu gewagt. Aber dem Titel wäre trotzdem mehr in seiner gestalterischen Qualität geholfen, hätte die Titelredaktion die merkwürdige Unterzeile weggelassen. Die ist leider nicht von einer *vorzüglichen Typografie*. Ich verstehen nicht wie ein an sich sehr gute Idee drei mal erklärt werden muss.
Simone
Ich finde das super recherchiert von Dir, Jürgen – Danke. Wer macht sich denn sonst die Mühe? Und die fundierten Hintergrund-Infos machen das Bild komplett. So muss ein Sonntag sein (abgesehnvon lange ausschlafen und Zeit zum Kochen, Essen und Freunde treffen und so…)
typolover
Ich würde aber bei den deutschen Magazinen in Sachen Aussagekraft und Originalität des Titels die „brand eins“ dem Spiegel noch vorziehen… was dessen Qualität aber nicht mindern soll. Die Cover sind fast immer extrem gelungen. Ich erinnere mich noch an den Ägypten-Titel vor ein paar Wochen an dessen Headline-Schrift ich mich die ganze Woche lang erfreute.
Jürgen
brand eins ist großartig: monatliche Lektüre im FontShop. Im Vergleich zum Spiegel ist es (noch) egozentrischer (was ich als Stärke empfinde und letztlich für Qualität und Überleben sorgt). Die Titel des Spiegel sind gesellschaftlich relevanter und internationaler.
Heinrich
wie die subline »DAS MEGA-KRAFTWERK ZU HAUSE: SPAREN« da positioniert ist würde ich ich nicht von einer »vorzüglichen Typografie« reden.
Alex
Ja das ist wirklich eine nette Visualisierung.
@ Jürgen: Das Argument der guten Schriftwahl finde ich übrigens sehr interessant. Man könnte umgekehrt auch sagen: „Die FF Info ist sehr energiesparend zu lesen, denn Sie wurde dazu konzipiert, um am Flughafen usw…“
Somit würde Sie also überhaupt nicht zum Kontext passen.^^
Oder will einen starken Kontrast setzen.
Es liegt wie immer alles in der Macht des Sprechers.
Alexander Hahn
Hm, die Unterzeile ist echt daneben, ansonsten stimme ich voll und ganz zu, das die Titel immer wunderbar sind!
Jürgen
Endlich ist die Titelbild-Galerie des SPIEGEL wieder erreichbar:
http://service.spiegel.de/digas/servlet/epaper?AN=TITELGALERIE&Q=SP&JG=2007