Lobo auf dem Creative Morning: Freiheit [update]
Hier ist das Video von Sascha Lobos Vortrag (59 Minuten, deutsch):
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Am vergangenen Freitag erzählte Netzaktivist Sascha Lobo die Geschichte der Überwachung. Er spannte einen Bogen von Norbert Wieners kybernetischen Experimenten der 1940er Jahre direkt zu Edward Snowden und seinen Enthüllungen über die Überwachung der ganzen Welt mithilfe des Instruments Internet.
Sascha Lobo auf dem 31. Creative Morning im Berliner Orange Lab (Foto: Jens Tenhaeff)
Welche Ausmaße die Sammelwut der im Internet erfassten Datenströme inzwischen angenommen hat, ob man sich gegen das Ausspionieren durch Behörden, Politik oder Unternehmen schützen kann und welche Organisationen sich für die Wahrung digitaler Bürgerrechte einsetzen kann im Fontblog nachgelesen werden: Über-Überwachung.
Wieschers Sherlock-Familie feiert den Meisterdetektiv
London, Ende des 19. Jahrunderts. Das viktorianische Zeitalter steht in voller Blüte. Der genialste und exzentrischste aller Detektive löst mit seinem Freund und Partner, Dr. Watson, mysteriöse Kriminalfälle.
Der neblig-düsteren und atmosphärisch hoch verdichteten Romanreihe von Sir Arthur Conan Doyle widmet Gert Wiescher nun eine Script-Familie und benennt sie nach ihrem Helden: Sherlock.
Erhält fast 120 Jahre nach seinem fiktiven Tod im Schweizer Reichenbachfall eine eigene Schrift: Der Meisterdetektiv Sherlock Holmes, hier seine Statue vor der Baker Street in London, Foto: dynamosquito
Die 10 Fonts der Sherlock-Familie verströmen in Print- und Web-Layout eine geheimnisumwitterte Stimmung. Dafür ist die unregelmäßige Script vortrefflich ausgestattet: Die Lettern können beliebig verbunden werden oder einzeln stehen. Ein Caps-Schnitt und fünf Alternate-, Ligatur- und Swash-Schnitte erzeugen zusätzlich Spannung.
Mit zehn Schriftschnitten geht Gert Wieschers Sherlock-Familie auf Verbrecherjagd
Zierlinien schaffen handgeschriebene Atmosphäre und ein Dot-Schnitt sorgt für überzeugende Kleckse aus Tinte oder – wenn gewünscht – Blut. Schließlich huldigt ein Satz mit Finger- und Handabdrücken dem Vorreiter der forensischen Kriminalistik.
Im Zeichenumfang der Sherlock sind Blutstropfen ebenso enthalten wie Lettern
Ganz im Sinne des Meisters ist Sherlock mit hoher handwerklicher Präzision gezeichnet und digitalisiert. Die Pro-Version enthält über 800 Glyphen mit erweiterter Sprachunterstützung für europäische Sprachen und darüber hinaus vietnamesisch. Mit zahlreichen OpenType-Features versehen, lassen sich aus Script Pro und Stuff Pro eine große Palette kriminalistischer Effekte erzielen.
Sherlock eignet sich für den Einsatz auf Verpackungen, für Poster und Displays, Anzeigen, Web-Banner und versieht eine traditionelle Handschrift aus der „guten alten Zeit“ mit der besonderen Prise Spannung.
Darf im Font für den Vorreiter der Forensik nicht fehlen: Fingerabdrücke
Pakete
• Sherlock OT | 10 Fonts | € 69
• Sherlock OT Pro | 2 Fonts | €69
• Sherlock Web | 10 Fonts | € 69
• Sherlock Web Pro | 2 Fonts | € 69
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Alle Preise zzgl. MwSt., Preisänderungen und Irrtümer vorbehalten.
Die strahlend, bunte Welt von Trafo Pop
Nachts auf den Straßen von Berlin kann es vorkommen, dass ein Schwarm leuchtender und blinkender Fahrradfahrer den Weg kreuzt. Das müssen Trafo Pop sein, ein Kollektiv fahrradbegeisterter Designer und Künstler, die gerne in der Dämmerung gemeinsam durch die Straßen radeln, um ihre selbstgebauten LED-Leuchtjacken spazieren zu fahren. Die LED-Screens auf den Klamotten werden mittels Miniatur-Computern gesteuert und sind frei programmierbar. Wie man sich eine solche Jacke selbst baut, verraten Trafo Pop gerne auch in Workshops.
Neben “wearable electronics” bauen Trafo Pop weitere lichtbasierte Gerätschaften, die immer wieder für Aufsehen sorgen. Zum Beispiel den Trafo Stick, der auf der TYPO Berlin seinen großen Auftritt hatte. Der tragbare, blinkende Strick besteht aus einer LED-Leiste, einem Microcontroller und einem SD-Kartenleser. Vereinfacht ausgedrückt verkörpert dieser Stick einen Monitor mit nur einer senkrechten Pixelzeile, der eine horizontale Grafik Zeile für Zeile herausblitzt.
Zum Füttern des 1 m langen Sticks erstellt man zunächst am Rechner eine Grafik mit einer Höhe von 144 Pixeln, sowie in beliebiger Breite. Diese kommt über die SD-Karte in den Stick, der sie auf Knopfdruck Zeile für Zeile ausspuckt, so dass bei Fotos mit Langzeitbelichtungen und horizontaler Stick-Bewegung hologrammartige Licht-Bildern im Raum entsteht. Das auf der TYPO verwendete Gerät haben Trafo Pop mit Studenten von Alexander Branczyk und Lars Harmsen an der FH-Dortmund gebaut. Der Workshop fand im Rahmen des Projektes Bitmob statt, initiiert und geleitet von Branczyk.
Schnappschuss von der TYPO Berlin 2014: Yanone und seine Antithesis-Schrift, in den TYPO-Stage-Raum gestellt mittels Trafo-Stick
Bei allen Entwicklungen von Trafo Pop ist Usability ein wichtiger Punkt. Sie verwenden viel Energie darauf, alle Produkte anwenderfreundlich zu gestalten. Die LED-Jacken lassen sich über eine eigens entwickelte Mac-OS-X-App mit grafischem Interface steuern und programmieren. Dank anschaulicher Benutzerführung können auch technikfremde Trafo-Popper ganz schnell eigene Grafiken auf der Jacke erleuchten lassen. Nur so war es möglich, im Workshop mit Studenten Jacken zu bauen, die einen eigenen Font auf den LEDs darstellen und eine Message abzuspielen konnten.
Achtung: Am Freitag den 18. Juli werden Trafo Pop den Creative Morning mit ihren Jacken und Geräten rocken, im Rahmen des Mercedes-Benz Fashion Design Lab im Bikini Berlin.
Warum wir die Krautreporter brauchen
Der Journalist Stefan Niggemeier hat heute in einer Recherche dargelegt (die Fontblog mit freundlicher Genehmigung übernehmen darf, siehe unten), wie sich Online-Journalismus und -Werbung in eine Sackgasse manövriert haben. Am Beispiel einer Meldung auf der RP-online-Site rechnet er uns vor, mit welchen Tricks die Zeitung einen redaktionellen Beitrag in rund 30 Werbebausteinen vergräbt. Will sagen: Hier werden keine journalistischen Inhalte mehr gepflegt, sondern Werbeformen verflochten, wobei wahrscheinlich niemand mehr in der Onlineredaktion weiß, warum das geschieht, denn »lesen« will und kann das keiner. Und von visueller Gestaltung, also der typografischen Aufbereitung einer Zeitungsmeldung, kann sowieso keine Rede mehr sein …
Niggemeier ist einer von 28 Krautreportern, die der Ansicht sind, dass Journalismus im Netz auch anders gehen muss. Noch 9 Tage kämpfen sie für 15.000 Unterstützer, die ein Jahresabo (60 €) buchen, um bald darauf in den Genuss eines guten, werbefreien Journalismus zu kommen. Fontblog macht da mit, und ich hoffe, eine Menge unserer Leser auch.
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Wie Waldo im Wimmelbild:
Journalismus und die Inflation von Online-Werbung
von Stefan Niggemeier
Nichts gegen Werbung. Werbung ist theoretisch und oft auch praktisch eine wunderbare Art, hochwertige Inhalte zu finanzieren. Das Unternehmen gibt Geld und ich zahle mit meiner Aufmerksamkeit. Das ist oft ein guter, fairer Deal für alle Beteiligten: Leser, Medium, Werbetreibender.
Online aber ist aus Werbung ein Monster geworden, das alles zu fressen und zersetzen droht. Es gibt hier ein solches Überangebot an Werbeflächen, dass Werbung fast nichts kostet. Weil die einzelne Anzeige so wenig einbringt, vervielfältigen die Medien das Angebot an Werbeflächen — auf jeder einzelnen Seite und durch eine Maximierung der Klickzahlen. Durch die Vervielfältigung der Werbung sinkt der Wert jeder einzelnen Fläche weiter, ein Kreislauf: Inflation. Machen wir es konkret.
Nehmen wir die »Düsseldorf«-Seite der »Rheinischen Post«. Ich habe das ganze Werbegedöns mal abgeschnitten; das hier rechts ist die Spalte mit den eigentlichen Inhalten. Könnte man glauben. Nur dass jeder dritte Artikel eine Anzeige ist. Es steht sogar das Wort »Anzeige« darüber, und wenn man es weiß, kann man es an der Dachzeile erkennen, die nicht grau, sondern orange ist. Und am Rhythmus natürlich: Redaktion, Redaktion, Werbung; Redaktion, Redaktion, Werbung … Die bezahlten Inhalte sind gekennzeichnet. Getrennt von den redaktionellen Inhalten sind sie nicht. Sie sehen aus wie Artikel. Sie sind Artikel. Das ist native advertising.
Die ganze Gestaltung ist darauf angelegt, dass man das eine mit dem anderen verwechseln kann und soll. Und selbst wenn man es nicht verwechselt: Dass man bewusst an den als Artikelanrisse gestalteten Werbeinhalten vorbeilesen muss. Für zwei Artikel-Anrisse einen Anzeigen-Anriss lesen.
Das ist der Preis, den derjenige zahlt, der sich bei der »Rheinischen Post« kostenlos und werbefinanziert über Düsseldorf informieren will. (Der Preis, den die »Rheinische Post« dafür zahlt, dass sie die Arbeit ihrer Journalisten verwechselbar mit irgendwelchen Anzeigentexten macht und eine klare gestalterische Trennung für verzichtbar hält, steht auf einem anderen Blatt. Aber für jemanden, der heute möglichst viel Geld verdienen will und sich nicht um sein Image morgen sorgt, ist das kein Problem.)
Nehmen wir an, ein Leser schafft es, auf einen Teaser zu klicken, der tatsächlich zu einem redaktionellen Inhalt führt. Zum Beispiel eine etwas rätselhafte Meldung des nordrhein-westfälischen Landesdienstes von dpa über einen Termin in einem Düsseldorfer Hotel: Udo Lindenberg zeigte hier der Presse, wo er vor vielen Jahren gearbeitet hat.
Oben auf der Seite ist ein Banner mit Autowerbung. Über dem Artikel ist ein Banner mit Werbung einer Fluggesellschaft. Rechts neben dem Artikel ist ein Banner mit Telefonanbieter-Werbung. Im Artikel stehen Textanzeigen für Udo-Lindenberg-Bilder …
… und, ironischerweise, für einen Journalismus-Lehrgang. Unter dem Artikel steht eine Textanzeige für ein Open-Air-Festival. Links neben dem Artikel ist Werbung für ein Jazz-Festival, für eine Medizin-Schule, für Sprachreisen, für das Rheinland. Man kann sie leicht an der orange hinterlegten Zeile und dem Wort »Anzeige« darüber erkennen.
Der graue Kasten darunter hat keine orange hinterlegte Zeile und keine Kennzeichnung als »Anzeige«, ist aber auch eine. Gelb hinterlegte Rubriken scheinen für redaktionellen Inhalt stehen; orange hinterlegte Rubriken für werblichen Inhalt. Könnte man glauben. Unter dem Artikel ist eine gelbe Rubrik »Das könnte Sie auch interessieren« mit redaktionellen Empfehlungen. Danach folgt eine ebenfalls gelbe Rubrik »Mehr aus dem Web« mit Werbelinks, erkennbar nur daran, dass darunter in hellgrau fast zu lesen ist: »Content Anzeigen empfohlen von …«.
Ganz rechts unten schiebt sich gelb ein Kasten »Auch interessant« in die Seite. Eine Anzeige.
Außerdem steht neben und unter dem Artikel noch Werbung für: ein Auto, »Zukunftstechnik aus Asien«, ein Casino, einen Obsthof. Das mitten im Artikel eingebundene Video von center.tv trägt zwar den Titel »Udo Lindenberg in Düsseldorf«, bezieht sich aber auf einen über ein halbes Jahr zurückliegenden Besuch (und beginnt natürlich erst nach einem halbminütigen Werbevideo). Die verlinkte 16-teilige und mit dem Anlass des Artikels nur sehr indirekt verbundene Klickstrecke »Das ist das Hotel Atlantic in Hamburg« besteht ausschließlich aus PR-Fotos des Hotels.
Die verlinkte 13-teilige Klickstrecke »Bildband Udo Lindenberg ›Stark wie zwei‹« ist Jahre alt und nur scheinbar redaktionell: Sie besteht aus Fotos aus dem Buch und demPR-Text des Verlages. Weitere Werbung verbirgt sich auf der Seite im Inhaltskasten oben, der sich öffnet, wenn man mit der Maus darüber fährt: Für einen Autohersteller (»erkennbar« an der orangen Färbung), einen Reiseanbieter, Lotto, noch einen Reiseanbieter.
Ich könnte ewig so weitermachen. In den Menuleisten finden sich manchmal kleine Texte, wie hier »Ihre Meinung NRW«. Man muss den Mauszeiger ein paar Sekunden darüber halten, um vor dem Klick zu erfahren, dass es sich um Werbung handelt. (Echte Profis erkennen es vermutlich daran, dass hinter dem Wort ein kleiner oranger Pfeil ist.)
Inhalte, die auf einer Seite als Anzeige verlinkt sind, kommen auf einer anderen Seite dann als scheinbar redaktionelles »Extra« daher. Und natürlich befindet sich im Fuß der Seiten immer ein branchenüblicher Kasten mit »Top-Services«, wohinter sich, bunt gemischt, redaktionelle Inhalte, bezahlte Werbung und fremde E-Commerce-Angebote verbergen.
Und im Seitenkopf stehen noch Links zu diversen redaktionellen oder E-Commerce-Angeboten, an denen die »Rheinische Post« irgendwie beteiligt ist. 27 Werbelinks habe ich alleine auf der Seite mit dem kleinen dpa-Artikelchen über Udo Lindenberg gezählt, und ich bin sicher, ich habe welche übersehen. Die RP-Online-Seiten sind prachtvolle Wimmelbilder aus werblichen Inhalten, in denen sich der Journalismus fast wie Waldo versteckt.
Hier dient Werbung nicht mehr der Finanzierung von Journalismus; hier ist Journalismus nur noch ein Vorwand dafür, Leser an die werbungtreibende Industrie zu verkaufen, zur Not durch Täuschung. Seien wir ehrlich: Bei RP-Online macht Werbung hochwertige Inhalte nicht möglich, sondern unmöglich. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein nachhaltiges Modell zur Finanzierung von Journalismus ist.
*Offenlegung: Ich bin Autor bei »Krautreporter«, einem Versuch, Journalismus radikal anders zu finanzieren.
Maschine Grotesk
Die Glyphen digitaler Schriften werden mathematisch über ihre Kontur definiert, auflösungsunabhängig mittels Vektorgleichungen. Der serifenlose Großbuchstabe I ist aus digitaler Sicht also kein senkrechter Strich, sondern ein aufrecht stehendes, langes Rechteck, dessen Fläche eine Farbe zugewiesen wird, meist schwarz. Und genau so interpretieren auch Schneideplotter und Zeichenmaschinen die Lettern eines Wortes, auf dass sie es zehntelmillimetergenau und randscharf ausgeben.
Der Mensch schreibt allerdings anders: Er führt einen Stift oder eine Feder einige Millimeter übers Papier, wobei durch die Strichbreite eine lesbare Form entsteht. Auch die typografische Seele einer digitalisierten Druckschrift basiert letztlich auf der Handschrift, wie uns der große Gerrit Noordzij bis heute lehrt.
Buchstabeneigenschaften wie Strichstärkenkontrast, Anstrich, Abstrich, Winkel, Strichendung sind Eigenschaften, die von der Handschrift herrühren und bis heute die Leserlichkeit einer Satzschrift beeinflussen. Und weil eine konstruierte (statische) Schrift wie Helvetica ihre Herkunft unterdrückt, ihr also die eben aufgezählten Eigenschaften wegoperiert wurden, ist sie eine schlecht lesbare Schrift … selbst wenn sie Apple noch so toll für sein neues Betriebssystem OS X Yosemite bildschirmoptimiert hat (oder gerade deshalb, denn je perfekter die geometrischen Formen, umso verwechselbarer werden sie).
Steffen Hartwig studiert Kommunikationsdesign an der Folkwang UDK in Essen, wo er eine Maschine entworfen hat, die wie ein Mensch schreibt. Gesteuert wird der Apparat von einer Font-Software namens Maschine Grotesk. Dieser Font ist praktische eine Handschrift für Maschinen und Apparate, die mit Zeichenwerkzeugen umgehen können. Auf dem Computer sind die Zeichen praktisch unsichtbar, nur ein abstrakter Pfad, eine Handlungsanweisung. Erst durch die analoge Ausführung werden sie lesbar.
Durch ihre simplen Glyphen bleibt das Schriftbild, selbst bei primitivsten Malwerkzeugen, entzifferbar. Je nach Werkzeug, Geschwindigkeit, Untergrund und anderen Einflüssen entsteht ein lebendiger »Schriftschnitt«, in dem jeder Buchstabe ein Unikat ist. Zwischen exakten Ausführungen mit einem Kugelschreiber auf Papier und mit breitem Tuschepinsel direkt auf den Lithografiestein gemalten Kalligrafien spannt sich ein breites Spektrum auf.
So war unsere »Nachtschicht«, letzten Freitag
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