Warum wir die Krautreporter brauchen
Der Journalist Stefan Niggemeier hat heute in einer Recherche dargelegt (die Fontblog mit freundlicher Genehmigung übernehmen darf, siehe unten), wie sich Online-Journalismus und -Werbung in eine Sackgasse manövriert haben. Am Beispiel einer Meldung auf der RP-online-Site rechnet er uns vor, mit welchen Tricks die Zeitung einen redaktionellen Beitrag in rund 30 Werbebausteinen vergräbt. Will sagen: Hier werden keine journalistischen Inhalte mehr gepflegt, sondern Werbeformen verflochten, wobei wahrscheinlich niemand mehr in der Onlineredaktion weiß, warum das geschieht, denn »lesen« will und kann das keiner. Und von visueller Gestaltung, also der typografischen Aufbereitung einer Zeitungsmeldung, kann sowieso keine Rede mehr sein …
Niggemeier ist einer von 28 Krautreportern, die der Ansicht sind, dass Journalismus im Netz auch anders gehen muss. Noch 9 Tage kämpfen sie für 15.000 Unterstützer, die ein Jahresabo (60 €) buchen, um bald darauf in den Genuss eines guten, werbefreien Journalismus zu kommen. Fontblog macht da mit, und ich hoffe, eine Menge unserer Leser auch.
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Wie Waldo im Wimmelbild:
Journalismus und die Inflation von Online-Werbung
von Stefan Niggemeier
Nichts gegen Werbung. Werbung ist theoretisch und oft auch praktisch eine wunderbare Art, hochwertige Inhalte zu finanzieren. Das Unternehmen gibt Geld und ich zahle mit meiner Aufmerksamkeit. Das ist oft ein guter, fairer Deal für alle Beteiligten: Leser, Medium, Werbetreibender.
Online aber ist aus Werbung ein Monster geworden, das alles zu fressen und zersetzen droht. Es gibt hier ein solches Überangebot an Werbeflächen, dass Werbung fast nichts kostet. Weil die einzelne Anzeige so wenig einbringt, vervielfältigen die Medien das Angebot an Werbeflächen — auf jeder einzelnen Seite und durch eine Maximierung der Klickzahlen. Durch die Vervielfältigung der Werbung sinkt der Wert jeder einzelnen Fläche weiter, ein Kreislauf: Inflation. Machen wir es konkret.
Nehmen wir die »Düsseldorf«-Seite der »Rheinischen Post«. Ich habe das ganze Werbegedöns mal abgeschnitten; das hier rechts ist die Spalte mit den eigentlichen Inhalten. Könnte man glauben. Nur dass jeder dritte Artikel eine Anzeige ist. Es steht sogar das Wort »Anzeige« darüber, und wenn man es weiß, kann man es an der Dachzeile erkennen, die nicht grau, sondern orange ist. Und am Rhythmus natürlich: Redaktion, Redaktion, Werbung; Redaktion, Redaktion, Werbung … Die bezahlten Inhalte sind gekennzeichnet. Getrennt von den redaktionellen Inhalten sind sie nicht. Sie sehen aus wie Artikel. Sie sind Artikel. Das ist native advertising.
Die ganze Gestaltung ist darauf angelegt, dass man das eine mit dem anderen verwechseln kann und soll. Und selbst wenn man es nicht verwechselt: Dass man bewusst an den als Artikelanrisse gestalteten Werbeinhalten vorbeilesen muss. Für zwei Artikel-Anrisse einen Anzeigen-Anriss lesen.
Das ist der Preis, den derjenige zahlt, der sich bei der »Rheinischen Post« kostenlos und werbefinanziert über Düsseldorf informieren will. (Der Preis, den die »Rheinische Post« dafür zahlt, dass sie die Arbeit ihrer Journalisten verwechselbar mit irgendwelchen Anzeigentexten macht und eine klare gestalterische Trennung für verzichtbar hält, steht auf einem anderen Blatt. Aber für jemanden, der heute möglichst viel Geld verdienen will und sich nicht um sein Image morgen sorgt, ist das kein Problem.)
Nehmen wir an, ein Leser schafft es, auf einen Teaser zu klicken, der tatsächlich zu einem redaktionellen Inhalt führt. Zum Beispiel eine etwas rätselhafte Meldung des nordrhein-westfälischen Landesdienstes von dpa über einen Termin in einem Düsseldorfer Hotel: Udo Lindenberg zeigte hier der Presse, wo er vor vielen Jahren gearbeitet hat.
Oben auf der Seite ist ein Banner mit Autowerbung. Über dem Artikel ist ein Banner mit Werbung einer Fluggesellschaft. Rechts neben dem Artikel ist ein Banner mit Telefonanbieter-Werbung. Im Artikel stehen Textanzeigen für Udo-Lindenberg-Bilder …
… und, ironischerweise, für einen Journalismus-Lehrgang. Unter dem Artikel steht eine Textanzeige für ein Open-Air-Festival. Links neben dem Artikel ist Werbung für ein Jazz-Festival, für eine Medizin-Schule, für Sprachreisen, für das Rheinland. Man kann sie leicht an der orange hinterlegten Zeile und dem Wort »Anzeige« darüber erkennen.
Der graue Kasten darunter hat keine orange hinterlegte Zeile und keine Kennzeichnung als »Anzeige«, ist aber auch eine. Gelb hinterlegte Rubriken scheinen für redaktionellen Inhalt stehen; orange hinterlegte Rubriken für werblichen Inhalt. Könnte man glauben. Unter dem Artikel ist eine gelbe Rubrik »Das könnte Sie auch interessieren« mit redaktionellen Empfehlungen. Danach folgt eine ebenfalls gelbe Rubrik »Mehr aus dem Web« mit Werbelinks, erkennbar nur daran, dass darunter in hellgrau fast zu lesen ist: »Content Anzeigen empfohlen von …«.
Ganz rechts unten schiebt sich gelb ein Kasten »Auch interessant« in die Seite. Eine Anzeige.
Außerdem steht neben und unter dem Artikel noch Werbung für: ein Auto, »Zukunftstechnik aus Asien«, ein Casino, einen Obsthof. Das mitten im Artikel eingebundene Video von center.tv trägt zwar den Titel »Udo Lindenberg in Düsseldorf«, bezieht sich aber auf einen über ein halbes Jahr zurückliegenden Besuch (und beginnt natürlich erst nach einem halbminütigen Werbevideo). Die verlinkte 16-teilige und mit dem Anlass des Artikels nur sehr indirekt verbundene Klickstrecke »Das ist das Hotel Atlantic in Hamburg« besteht ausschließlich aus PR-Fotos des Hotels.
Die verlinkte 13-teilige Klickstrecke »Bildband Udo Lindenberg ›Stark wie zwei‹« ist Jahre alt und nur scheinbar redaktionell: Sie besteht aus Fotos aus dem Buch und demPR-Text des Verlages. Weitere Werbung verbirgt sich auf der Seite im Inhaltskasten oben, der sich öffnet, wenn man mit der Maus darüber fährt: Für einen Autohersteller (»erkennbar« an der orangen Färbung), einen Reiseanbieter, Lotto, noch einen Reiseanbieter.
Ich könnte ewig so weitermachen. In den Menuleisten finden sich manchmal kleine Texte, wie hier »Ihre Meinung NRW«. Man muss den Mauszeiger ein paar Sekunden darüber halten, um vor dem Klick zu erfahren, dass es sich um Werbung handelt. (Echte Profis erkennen es vermutlich daran, dass hinter dem Wort ein kleiner oranger Pfeil ist.)
Inhalte, die auf einer Seite als Anzeige verlinkt sind, kommen auf einer anderen Seite dann als scheinbar redaktionelles »Extra« daher. Und natürlich befindet sich im Fuß der Seiten immer ein branchenüblicher Kasten mit »Top-Services«, wohinter sich, bunt gemischt, redaktionelle Inhalte, bezahlte Werbung und fremde E-Commerce-Angebote verbergen.
Und im Seitenkopf stehen noch Links zu diversen redaktionellen oder E-Commerce-Angeboten, an denen die »Rheinische Post« irgendwie beteiligt ist. 27 Werbelinks habe ich alleine auf der Seite mit dem kleinen dpa-Artikelchen über Udo Lindenberg gezählt, und ich bin sicher, ich habe welche übersehen. Die RP-Online-Seiten sind prachtvolle Wimmelbilder aus werblichen Inhalten, in denen sich der Journalismus fast wie Waldo versteckt.
Hier dient Werbung nicht mehr der Finanzierung von Journalismus; hier ist Journalismus nur noch ein Vorwand dafür, Leser an die werbungtreibende Industrie zu verkaufen, zur Not durch Täuschung. Seien wir ehrlich: Bei RP-Online macht Werbung hochwertige Inhalte nicht möglich, sondern unmöglich. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein nachhaltiges Modell zur Finanzierung von Journalismus ist.
*Offenlegung: Ich bin Autor bei »Krautreporter«, einem Versuch, Journalismus radikal anders zu finanzieren.
29 Kommentare
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<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
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Wolfgang
Die Website der Saarbrücker Zeitung ist auch dermaßen mit Werbung zugeballert, dass sie praktisch unbenutzbar ist. Ich frage mich, ob sich die Journalisten dafür schämen, oder ob es ihnen einfach egal ist.
Jürgen Siebert
Es gibt in diesen Online-Redaktionen keine Journalisten mehr, nur noch SEOler und Anzeigenverdrahter. Focus Online schreibt seit Monaten nichts eigenes mehr … nur noch Liveticker und Kopien.
Johannes
Vor einer ganzen Weile wurde hier NZZ-online hochgelobt, mir unverständlich ob der Unübersichtlichkeit und dem Wirrwarr der Hierarchien. Manche Kommentare bezogen sich auf die viele Werbung — ich hatte keine.
So auch hier: wo bitte ist die Werbung im Lindenberg-Artikel und um ihn herum? Gefressen von AdBlock. So einfach ist die Sache.
Übrigens, Jürgen: es gibt durchaus Zeitungen mit Online-Redaktionen, in denen Redakteure arbeiten, die ordentliche Artikel schreiben.
Johannes
Zuviel Werbung zwischen den Artikeln? Da gibt’s doch Adblocker gegen. Hilft fast immer. Dann kann man auch feststellen, ob da noch Redakteure sitzen — und siehe da: es gibt sie noch!
Ralf H.
Immer wieder erstaunlich, wie selbstverständlich und »richtig« die Adblock-Nutzung manchen erscheint. Man scheint fast stolz auf den Einsatz zu sein.
Dabei ist die Nutzung von Adblockern nicht nur purer Egoismus (»ich nehme mir die Leistung des Anbieters und behalte die erwartete Gegenleistung durch technische Tricks heimlich ein«), sondern auch schrecklich kurzsichtig. Denn die Adblock-Nutzer nehmen den Betreibern der Seite, deren Leistungen sie doch eigentlich nutzen wollen, die Finanzierungsgrundlage und machen die zukünftige kostenlose Nutzung der Inhalte somit für sich selbst unmöglich.
Niggemeier erklärt das oben ja sogar: »Werbung ist theoretisch und oft auch praktisch eine wunderbare Art, hochwertige Inhalte zu finanzieren. Das Unternehmen gibt Geld und ich zahle mit meiner Aufmerksamkeit.« Dieser Deal kann aber nur funktionieren, wenn beide Seiten auch etwas »geben«. Wenn die Webnutzer massenhaft nichts mehr geben, dann wird auch der Anbieter über kurz oder lang nichts mehr geben (können) und die Webangebote werden eingestellt oder die Inhalte verschwinden großflächig hinter Paywalls. Und wer will das schon?
Gegen einzelne, reine Bezahlangebote, wie das hier versuchte Krautreporter-Projekt, gibt es natürlich nichts zu sagen. Aber es ist natürlich kein generelles Modell für Webangebote. Man schaue mal am Ende des Tages durch seinen Browser-Verlauf und prüfe, ob man für die 50 aufgerufenen Seiten jeweils ein Bezahl-Abo abschließen würde. Wohl kaum! Und solange das so ist, sollte die Devise nicht sein »Gefressen von AdBlock. So einfach ist die Sache«, sondern »Wer etwas haben will, muss auch etwas geben. So einfach ist die Sache«.
Uhlala
Das macht alles nix, Jürgen, weil wer nur noch solchen Scheiß bietet, der wird einfach weg sterben. Auch im Netz. Print zeigt die ersten Auswirkungen und die Typen schlafen noch immer. Vermutlich, weil sie von den Regierungen noch, was ja besonders mit den Zwangszulagen auch des TVs zutrifft, quersubventioniert werden.
Anders währen diese Demagogenburscherl schon längst weg: tausende davon.
Christian
@Ralf H.:
Ich verstehe ja, dass aus Sicht der Seitenbetreiber AdBlock sehr ungern gesehen wird. Allerdings möchte ich nochmal diesen Satz aus dem Artikel aufgreifen:
Die Werbetreibenden scheinen sich im Nerv-Faktor überbieten zu wollen, um die Aufmerksamkeit der User zu bekommen.
Ich habe nichts gegen Werbung in Textform oder in Form dezenter Grafiken (zumindest solange eine Seite deutlich mehr Content als Werbung enthält) und verstehe auch, dass sich die Seiten durch die Werbung finanzieren.
Leider gibt es viel zu viele Seiten, bei denen die Werbung so aufdringlich ist (in Form von Blinken, Animationen, Layern, Sound etc.), dass sie vom eigentlichen Inhalt extrem ablenkt. Oder die Seite enthält (wie im Artikel beschrieben) so viel Werbung, dass ich den eigentlichen Content mit der Lupe suchen muss.
Was ist Dir bzw. dem Werbetreibenden in diesem Fall lieber?
a) ich setze AdBlock ein (und berufe mich auf Notwehr ;-)
b) ich setze das beworbene Produkt auf meine persönliche „kaufe ich nie“-Blacklist, weil die Werbung so genervt hat
Übrigens: auch offline gibt es nervige Werbung – z. B. hat meine Tageszeitung ein paar Mal Werbe-Post-Its auf die Titelseite geklebt. Reaktion meinerseits: siehe b) ;-) Scheinbar war ich nicht der einzige, diese Werbeform gibt es nämlich schon lange nicht mehr…
CB
»Das Unternehmen gibt Geld und ich zahle mit meiner Aufmerksamkeit.«
korrekt. Ich will aber nicht mit meiner gesamten Aufmerksamkeit zahlen, sondern nur mit einem kleinen Teil. Für die allermeisten Nutzer ist Werbung sehr schnell Hausfriedensbruch, weil dieses Verhältnis weit davon entfernt ist, reell zu sein.
@ Ralf H.: leider ist der Einsatz von Werbeflächen so erodiert, dass alle Webseitenanbieter in Sippenhaft genommen werden und man keinem Betreiber mehr zutraut, ein akzeptables Maß an Werbung zu schalten oder sogar die Werbeformen redaktionell einzuhegen, sprich visuell zu gewichten. Ich habe für deine Seite meinen Adblock deaktviert und sehe erstaunlicherweise keinen Unterschied. Kann also gerne so bleiben :)
Ralf H.
CB
hi Ralf,
immer mit der Ruhe. Eine Vertragsbruch wäre eine Sauerei. Wenn ich jedoch Werbung ausblende, breche ich keinen Vertrag. Ich müsste ja sonst auch mit der gleichen Logik die »Einkauf Aktuell« der Post verpflichtend lesen, damit deren Kalkulation stimmt. Ich werfe die »Einkauf Aktuell« einfach in den Müll – genau so wie ich die Online-Werbung blocke.
Als »Gegenleistung« für meine Aufmerksamkeit will ich ein Mindestmaß an Respekt. Das bieten Seiten wie Spiegel.de oder die Rheinische Post nicht im Ansatz – Typografie.info hingegen sehr wohl, daher fortan gerne ohne Adblocker :)
Ralf H.
Von Vertrag habe ich auch nicht gesprochen. (Obwohl man zumindest bei registrierungspflichtigen Diensten sehr wohl auch entsprechenden Regelungen treffen könnte.) Ich sprach von Sauerei, also eher einer menschlich/moralischen Beurteilung.
Der Vergleich zu einem Werbeheft ist natürlich Unsinn. Denn das Heft ist selbst einfach nur ein Angebot, dass du nutzen kannst oder nicht. Wenn du aber auf Spiegel Online einen Artikel lesen möchtest, dann willst DU etwas. Du beziehst schlicht eine Leistung mit dem »Konsumieren« des Textes. Und es ist eben einfach schlicht egoistisch und kurzsichtig, diese Leistung zu nehmen, die erwartete Gegenleistung – die die bloße Existenz des Artikels überhaupt erst ermöglicht – aber einzubehalten. Es funktioniert nur, solange sich noch genug »Dumme« finden, die wie ich keine Adblocker einsetzen und das System noch aufrechterhalten. Ist die Quote der egoistischen Webnutzer erst einmal groß genug, wird es die Artikel nicht mehr geben. Wovon sollen die Menschen hinter dem Artikel, die jeden Tag zur Arbeit gehen und ihre Familien ernähren wollen, auch bezahlt werden?
Und darum verstehe ich da auch keinen Spaß. Nicht nur, weil ich selbst Webanbieter bin, sondern auch, weil die Adblock-Nutzer den Seiten die Geschäftsgrundlage entziehen, die ich als normaler Webnutzer auch in Zukunft noch kostenfrei besuchen möchte.
Es ist die gleiche Diskussion, die wir bei den Raubkopien schon durchhaben. Da kann sich der egoistische Nutzer auch dumm stellen und sagen: »Das unbezahlte Online-Streaming von Filmen kann ja rechtlich gar nicht verfolgt werden und dann mache ich halt das so. Sollen hunderte Mitarbeiter der Film-Crew doch sehen, woher sie ihr Geld bekommen. Mir doch egal. Die Leistung nehm ich mir aber jetzt erstmal. «
Ich kaufe meine Filme aber einfach bei iTunes und interessiere mich gar nicht dafür, ob ich sie auch irgendwo kostenlos finden würde. Das gehört auch zu dem RESPEKT, den du selbst angesprochen hast. In gleicher Weise besuche ich Webseiten ganz selbstverständlich ohne irgendwelche Manipulationen der Seiteninhalte.
CB
nochmal: mir gehts nicht darum, Werbung komplett zu verhindern. Es geht – wie Stefan Niggemeier schon schrieb – um das Verhältnis von Werbung zu Inhalt und um die Form der Werbung, die es schwer möglich macht, den Inhalt zu erkennen. Dieses Verhältnis ist bei sehr vielen Anbietern in einem Missverhältnis. Die Nutzer würden weniger Werbung (in der Menge und in der Dominanz) akzeptieren und adblocker als Notwehr weniger häufig einsetzen.
So wie iTunes Millionen von Nutzern aus der erzwungenen Illegalität geholt hat, weil es das Kaufen von Musik einfach gemacht hat, fehlt es momentan schlicht an einfachen Bezahlmöglichkeiten für redaktionelle Inhalte. die Krautreporter setzen auf eine ausschließliche Lösung. Das wird es in meinen Augen auf die Dauer nicht sein, ist aber ein guter Beitrag.
Gäbe es ein vernünftiges Mikropayment, die Redaktionen würden nicht mit der Bannerkanone auf ihre Artikel schießen.
Ralf H.
Das mag sein, aber den Werbeanteil muss jeder Anbieter für sich entscheiden und das hat in der Tat etwas mit Respekt gegenüber den Lesern zu tun.
Mit Adblockern darauf zu reagieren, ist aber keine Lösung, sondern macht die ganze Sache ja nur schlimmer. Wie sollen die resultierenden finanziellen Ausfälle denn ausgeglichen werden? Mit noch mehr Werbung? Verschmelzung von Inhalten und Werbung? Einsparungen durch mindere Qualität der Inhalte? …?
Das Spekulieren über alternative Modelle ist immer leicht, wenn man nicht selbst davon leben muss. Die Realität ist eher, dass Werbung nun mal das einzige Standardmodell der Finanzierung von Online-Medien ist, weil es den Nutzer eben nichts kostet und die Inhalte frei zugänglich gehalten werden können. Und ein Springen von Seite zu Seite steckt nun mal tief in der DNA des Internets. Damit das Modell optimal funktioniert, müssen aber beide Seiten mitspielen und gegenseitigen(!) Respekt beweisen.
Johannes
Ralf, damit hast Du Dich selbst für jede Diskussion zu diesem Thema disqualifiziert. Den Rest von Dir lese ich erst gar nicht mehr. Unflätigkeiten haben hier nichts zu suchen, es geht nicht um moralische Fragen (»Sauerei«), sondern um, ja, um Verträge. Und denen müssen beide zustimmen, sie können nicht von einer Seite (hier: Blogbetreiber und Zeitungsverlage) diktiert werden.
Gerade sehe ich im Augenwinkel: Du forderst
— na, denn man tau!
CB
Was mir gerade beim Autofahren einfiel: Ich drehe Radiowerbung immer stumm. Deiner (Ralfs) Argumentation folgend würde ich mich damit auch den Radiobetreibern gegenüber unfair verhalten, oder? Das sehe ich leider nicht so.
Ralf H.
Das ist Unsinn, genauso wie die in der Folge gebrachte Argumentation. Ein Gast auf einer Website schließt im Rechtssinne keinen Vertrag. Weiter steig ich aber nicht auf deinen Kommentar ein, wenn du meine Meinung wegen der enthaltenen Meinungsäußerung (mehr ist es nicht) nicht einmal in Gänze lesen willst. Das ist keine Diskussionsgrundlage.
Nein. Es ist völlig in Ordnung wegzuschalten, stummzuschalten, zu ignorieren usw. Das geht doch im Web genauso. Werbung funktioniert weder in (seriösen) klassischen, noch in neuen digitalen Medien über einen übergebührenden Wahrnehmungszwang. Aber die Werbung muss zur Finanzierung des Angebotes zumindest erst einmal ausgeliefert(!) werden, um dann gegebenenfalls wirken zu können. Das ist das Mindeste. Radio ist insofern auch ein gutes Beispiel, weil es wie das Gros der Webseiten kostenlos ist. Die Menge der Radiostationen in einem Gebiet korreliert direkt mit der Größe der Hörerschaft und des dadurch zu verteilenden Werbekuchens. Wären »Radio-Adblocker« selbstverständlich, würden die privaten Stationen in kürzester Zeit eine nach der anderen dicht machen. Die Vielfalt des Radioangebotes ist eine direkte Folge der Werbefinanzierung. Keine Werbung, keine Vielfalt.
Und so ist es im Internet auch. Rufst du einen Artikel bei Spiegel Online mit Adblocker ab, wird die Werbung gar nicht erst ausgeliefert. Du bekommst deine Leistung garantiert zu 100% aber mit Null Chance für die andere Seite einer Gegenfinanzierung. Und dies gilt dann nicht nur für den einen Artikel, sondern auch für alle zukünftigen. Auf hunderten Seiten.
Das ist keine »nachhaltige« Mediennutzung. Es kann auf Dauer nicht funktionieren und befeuert gegebenenfalls sogar die Situation, die Niggemeier und du selbst auch anprangern.
CB
hm, das würde heißen, der perfekte Adblocker würde simulieren, dass die Werbung abgerufen wird, aber nicht angezeigt, oder? :)
thomas
ralf, auf die gefahr hin, öl ins feuer zu gießen: die tatsache, dass ich auf deiner seite eine fehlermeldung wegklicken muss, stimmt nicht gerade freundlich.
denn: ich bekomme angezeigt, dass du etwas über mich weisst, dass ich einen adblocker benutze. du forderst mich zu einer rücknahme meiner entscheidung auf. immer und immer wieder. du nimmst meine entscheidung nicht enfach zu kenntnis und lebst damit, ich muss, wie christian es bereits gesagt, mit einer defensiven einstellung des adblockers darauf reagieren. eine zahlung lohnt nicht, weil ich nicht soo oft vorbeikomme. würde ich bei jeder max. 10x im jahr angesurften seite eine gebühr entrichten. würdest du das machen ralf? das hat nichts mit der relevanz von inhalten zu tun, auch einfach mit der häufigkeit.
woher weiss ich denn eigentlich, dass du »okaye« werbebanner geschaltet hast?
und mal ehrlich: die flut an blödsinnsbannern im web ist so immens, dass ich es schlicht nicht sehen möchte. besonders SpON hat es irgendwann mal in solcher hässlichkeit hinbekommen einen gekachelten banner einer bekannten reise-seite hinter dem content liegen zu haben. das war wirklich störend. dass die betreiber so etwas dulden und keine richtlinien für bannerwerbung erlassen, wundert mich dann doch. ;)
keine ahnung, ob es hilft eine seite als magazin deklarieren zu können, um dann offiziell über werbeinhalte finanziert zu sein. hat im print ja wunderbar geklappt, bis das internet alles diesbezüglich plattgewalzt hat, was einnahmen versprach. damit meine ich eine abo-funktion, eine echte magazinigkeit in look&feel, mit archiven etc. und weiss der kuckuck nicht noch alles. denk mal selber nach.
so richtig gedanken machen sich die seitenbetreiber wohl wirklich nicht, sonst gäbe es zumindest den ein oder anderen testballon. lieber wird auf adblocker-user mit fehlermeldungen von 1995 geschossen. ;)
Ralf H.
Muss ich ja auch nicht. Die Mehrzahl der Webangebote sind rein private Dienstleistungen und die Anbieter müssen ihre Inhalte nicht jedem ausliefern. Sie können bestimmte Nutzer auch aussperren, genau wie jeder Ladenbesitzer Hausverbot erteilen kann. Wer im Laden klaut, bekommt Hausverbot. Wer auf Websites Leistungen ohne Gegenleistungen bezieht, kann ebenso rausgeworfen oder mit eingeschränkter Nutzbarkeit bestraft werden.
Ob dies dem Anbieter letztlich mehr Schaden oder Nutzen bringt, muss dieser selbst durchrechnen und entscheiden. Legitim wären solche Maßnahmen auf jeden Fall. Bis hin zur kompletten Sperrung der gerade benutzten IP-Adresse.
Damit triffst du den Punkt! Man besucht viel mehr Seiten, als man bereit ist zu bezahlen. Selbst Micropayment-Verteilungen (wie bei Flattr) können dies nicht auf breiter Front lösen. Aber es gibt ein einfaches System, um die gelegentlichen Nutzungen bezahlen zu können: Bannerwerbung.
Aber dauerhaft Inhalte wollen ohne zu bezahlen (»ich komme ja zu selten vorbei. Es lohnt sich nicht«) und ohne Bannerwerbung zu betrachten (»nervt ja nur«) funktioniert einfach nicht. Soweit muss eigentlich auch der Nutzer selbst denken können. Den Ball stattdessen schnell zur anderer Seite zu spielen, ist natürlich immer so viel einfacher – siehe …
Noch ein Tag bis zum Ende des Krautreporter-Testballons. Wir werden sehen, ob jene, die der Werbung im Netz so überdrüssig sind, alternativ lieber direkt bezahlen wollen.
CB
Es gilt für alle Anbieter von Inhalten mit Bannerwerbung, genau denjenigen Grad an Werbedominanz zu finden, der redaktionell haltbar ist und die Inhalte lesbar lässt. Dann wäre es vollkommen legitim, wenn man auf einer Seite aufgefordert wird, den adblock zu pausieren, um die Finanzierung der Seite möglich zu machen.
Ich fürchte, dass die Seiten, die eine gute Balance von Inhalt und Werbung treffen, dauerhaft in der Minderheit bleiben werden. Es ist einfach zu leicht, mal eben eine Fläche freizugeben und mit Werbung volllaufen zu lassen.
Kein Nutzer dürfte wegen eines moralischen Prinzips seinen adblocker dauerhaft ausschalten, aber vielleicht gezielt für einzelne Seiten Ausnahmen einräumen, wenn die Seite einen Mehrwert bietet.
Jürgen
Die Bewertung der Benutzung von Ad-Blockern wird sich doch sicher einfach lösen lassen, in dem die Seitenbetreiber ihre Inhalte, bei vorhandenen aktiven Ad-Blockern ebenfalls blockieren. (Das sollte technisch doch ein leichtes sein?).
Allerdings hege ich Sympathien für all jene die die immer ausufernde Werbefinanzierung boykottieren. Diese ist nichts anderes als eine Sozialisierung von Kosten. Ich pers. glaube nicht daran, dass sich diese Leistungen (Was bekommt der Konsument, und was muss er bezahlen) ausgleichen. Ich, für mich persönlich, weiss, dass wenn die Allianz Versicherung genug Geld hat, um sich den Namen eines Stadions zu kaufen, ihre Tarife zu teuer sind – ich habe kein Interesse daran das zu finanzieren und habe keinerlei Nutzen davon.
Ralf H.
Richtig, aber diese Möglichkeit machst du selbst unmöglich, wenn du Werbung pauschal blockierst. Oder willst du mir allen ernstes sagen, dass der Abblock-Nutzer auf jeder neuen Seite erst einmal testweise den Ablocker ausschaltet, den Werbeanteil prüft, und dann bei einer Überschreitung eines persönlichen Limits, den Adblocker wieder einschaltet? Wohl kaum! Wie soll der Anbieter denn dann den Werbeanteil austarieren, wenn du die Werbung standardmäßig so oder so nicht siehst? Deine Argumentationsweise impliziert eine völlig unrealistische Handlungs- und Lösungsmöglichkeit auf Seiten des Anbieters.
Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Wenn es nicht klappt, dann sind die Folgen in den nächsten Jahren absehbar:
–Seiten schließen, weil die Werbefinanzierung nicht mehr möglich ist
–Werbung wandert noch stärker (wie es ja schon passiert) in die Seiteninhalte, die nicht blockiert werden
–Mehr Inhalte verschwinden hinter Paywalls
–Mehr Seiten werden Adblock-Nutzer gezielt aussperren
Ich habe kein Interesse an all diesen Entwicklungen und daher setze ich keine Plugins ein, die Seiteninhalte manipulieren. Dass es die Anbieter übertreiben und quasi eine Notwehrreaktion in Form von Adblockern nötig machen, kann ich auch persönlich nicht bestätigen. Letztlich ist das eine reine Einstellungsfrage. Da ich die Werbung generell auf kostenlosen Seiten als nötige Finanzierungsform verstehe, habe ich auch keinerlei Probleme sie zu akzeptieren.
Sollte es eine konkrete Seite wirklich für mich persönlich übertreiben (und dass ist höchstselten), dann passt deren Gesamtangebot aus Inhalt + Werbung einfach nicht auf mich und ich werde die Seite einfach zukünftig meiden – das Angebot also nicht mehr in Anspruch nehmen. Mir die Inhalte aber ohne Gegenleistung zu erschleichen, kann ich weder im Einzelfall, noch bezogen auf die oben geschilderten Folgen gutheißen. Es ist meiner Meinung nach egoistisch und kurzsichtig.
thomas
was spricht denn eigentlich gegen eine echte paywall? also eine ernstgemeinte, keine versteckte, verhuschte, wie bei dir ralf? eine zeitung muss ich kaufen, ein buch ebenso und lernvideos, die gut vorbereitet sind ebenfalls. auf einen seite beschwert ihr euch über adblocker und gebt euch (wirklich) sehr stur in der argumentation, auf der anderen seite habt ihr aber auch nicht die eier eine seite richtig hinter einer »first pay«-einrrichtung zu verstecken. dieses lamentieren kann doch keine dauerhafte lösung sein. in redaktionelle inhalte integrierte werbung im übrigen auch nicht!
robertmichael
thoma, na weil keiner bezahlt ohne die inhalte zu kennen. darum hat auch krautreporter nicht funktioniert (okay, es läuft noch 1 tag)
aber freu dich doch das ralf seine inhalte kostenlos verteilt, die werbung auf seiner seite ist wirklich harmlos im gegensatz zu spon und teilweise nicht als werbung zu erkennen (im positiven sinn) ralf WILL die inhalte ja frei anbieten und möchte nur eine kleine gegenleistung dafür. ich find das fair.
Simon Wehr
1. Ich finde die taz löst das schön. Die »Paywahl« erinnert einen immer wieder daran, für gute Inhalte zu zahlen, beschimpft mich aber nicht als Schmarotzer und findet es keine »Sauerei« wenn ich es nicht tue. Diese Entspanntheit im Umgang motiviert mich zum Zahlen. Zwang und Beschimpfung nicht.
2. Ich habe noch nie eine Zeitung für 60€ abonniert, nur auf der Basis von ehrenhaften Versprechungen. Bis heute. Aber ich kaufe die Katze im Sack und fühle mich nach wie vor unwohl dabei.
Aber: Ich finde das Projekt so gut, dass es nicht an mir liegen soll, wenn’s nicht klappt.
3. Ich bin bekennender AdBlocker-Nutzer und somit ein Schmarotzer. Ich werde aber die Seite von Ralf nie wieder besuchen und die von RP-Online auch nicht. Hin und wieder lese ich im Online-Angebot der von mir abonnierten Tageszeitung einen Artikel, der zu Hause auch gedruckt auf dem Küchentisch liegt (mitsamt 10 Werbebeilagen). Mein Gewissen ist flexibel genug, da den AdBlocker aktiviert zu lassen. Da die Seite ähnlich aufgebaut ist, wie Stefan oben beschreibt, berufe ich mich auf die Zahlungen meines Offline-Abos. Und auf Notwehr.
Ralf H.
Im Einzelfall nichts, aber es entspricht nicht dem Wesen des Internets. Soll sich nur der informieren können, der es sich leisten kann? Soll man sich in Streitfragen nicht lieber alle Meinungen von unterschiedlichen Quellen einholen können, statt nur von der Stamm-Online-Zeitung, für die man das Bezahl-Abo hat? Lohnt es sich, noch Links zu setzen, wenn hinter jedem eine Paywall lauert? Wie können neue Angebote von noch unbekannten Leuten aufgezogen werden, wenn mangels Reputation oder vorhandener Inhalte kaum jemand bereit ist, im Voraus zu bezahlen? Und so weiter und so fort.
Finanzierung durch Werbung ist freilich nicht die einzig Finanzierungsform im Internet, aber sie ist prinzipiell ein Motor für Vielfalt und ermöglicht, diese Vielfalt so vielen wie möglich zugänglich zu machen. Dass man dieses System aktiv kaputtmachen will, nur um kurzfristig ein paar Seiten etwas ablenkungsfreier betrachten zu wollen, leuchtet mir nicht ein.
Nur weil eine Argumentation klar geäußert wird, ist sie nicht stur. Aber wenn es stur ist, dass man wiederholt darauf hinweist, dass dauerhaftes Nehmen ohne Geben auf Dauer nicht funktionieren kann – gut, dann bin ich gerne stur.
Die Logik, warum ich das machen sollte bzw. was das mit den hier geführten Diskussionen zu tun hat, leuchtet mir nicht ein.
Johannes
Ralf, Du verweigerst eine Diskussion, nicht ich. Du nutzt dieses Forum nur, mit unsachlichen und diffamierenden Äußerungen Deine Meinung als die angeblich einzig mögliche anderen aufzwingen zu wollen. Und da mache ich nicht mit.
Würdest Du diskutieren wollen, dann könnten wir das. Aber nicht, wenn Du andere Überzeugungen als »Sauerei« und »Unsinn« bezeichnest. In den Rhetorik nennt man so etwas auch »Killerphrase«.
Ralf H.
Nein. Ich habe für meinen Standpunkt argumentiert. Sachlich und ausführlich. »Sauerei« war in diesem Zusammenhang lediglich ein umgangssprachlicher Begriff, der eine Diskussion doch nicht unmöglich macht. Du kannst dir stattdessen gern die formale Bedeutung »moralisch verwerfliche Handlung« (Wiktionary) denken, wenn du mit diesem Begriff solche Probleme hast.
Auch zu dem Begriff »Unsinn« stehe ich. Du hast behauptet, beim Besuch der Seiten von Blogbetreibern und Zeitungsverlagen gehe es um »Verträge«, denen beide Seite zustimmen müssen. Dem ist aber nicht so. Es kommt normalerweise eben gerade KEIN Vertragsschluss zustande. Dazu müsste der Anbieter jeder neuen Besucher zunächst auf eine Seite umleiten, wo dieser Vertrag angezeigt und vom Nutzer aktiv geschlossen werden müsste.
Passiert das? Nein. Deine Aussage war also Unsinn, oder da du es höchstformal magst: schilderte einen »grob falschen Sachverhalt«. http://de.wikipedia.org/wiki/Unsinn
Ob
wir die wirklich brauchen? Bin mir seit dieser Lektüre nicht mehr so sicher!