Fontblog Artikel im September 2012

Erik Spiekermann bei Creative Mornings

Letzten Freitag über­nahm Erik Spiekermann einen Creative-Mornings-Auftritt, um das Thema App-Schriften zu behandeln.

Zwanzig lehr­reiche und – wie gewohnt – unter­halt­same Minuten mit Erik Spiekermann

Seit Frühjahr dieses Jahres finden die Berliner Creative Mornings Mitten in Westberlin statt: im Orangelab am Ernst-Reuter-Platz. Der Glaspavillon befindet sich im Erdgeschoss des ehema­ligen IBM-Hauses, in dem heute unter anderem die Kommunikations-Agentur CB.e resi­diert, die uns den Veranstaltungsraum freund­li­cher­weise zur Verfügung stellt. Vielen Dank dafür. Das 9-stöckige Bürogebäude wurde 1962 von dem Stuttgarter Architekten und Hochschullehrer Rolf Gutbrod (1910–1999) erbaut und steht unter Denkmalschutz. Den breiten Stahlbetonskelettbau erkennt man sofort durch seine großen Fenster mit weißer, nach außen gewölbter Alu-Verblendung. Der einst als Verwaltungssitz und Rechenzentrum von IBM genutzte Bau galt wegen seiner dyna­mi­schen Fassade, dem einge­setzten Material und dem kühl gestal­teten Eingangsbereichs in den 60er Jahren als archi­tek­to­nisch erst­ran­gige Leistung.

FontShop Creative Morning Berlin

Im Orangelab gibt es nicht nur mehr Platz für Creative-Morning-Besucher, der Raum erlaubt auch das Einfahren des Elektromobils unseres  Kaffeesponsors Electric Espresso

Creative Mornings ist eine wach­sende Vorlesungsreihe, die vor vier Jahren von der New Yorker Designerin Swissmiss alias Tina Roth Eisenberg ins Leben gerufen wurde: »A monthly break­fast lecture series for crea­tive types. Each event is free of charge, and includes a 20 minute talk, plus coffee!« Die ersten Creative Mornings gab es in New York, Los Angeles, Chicago, Zürich und San Francisco, dann in London und Berlin; es folgten Vancouver, Stockholm, Boston, Mailand und Aukland und inzwi­schen auch Kappstadt und Singapur.

FontShop: Creative Mornings Weltkarte

Alle Creative-Mornings-Veranstaltungen welt­weit finden einmal monat­lich an einem Freitag Morgen um 9:00 Uhr statt. Der Eintritt ist frei, der Vortrag dauert 20 Minuten und ist in Englisch. Es gibt kosten­losen Kaffee. Alle Vorträge werden gefilmt und Online gestellt.

Vor zwei Tagen wurde eine Croudsourcing-Kampagne abge­schlossen und Creative-Mornings verfügt jetzt über ausrei­chend Mittel zur Einrichtungen eines mitwach­senden, durch­such­baren Archivs, das jeden Vortrag der Veranstaltungsreihe aus der ganzen Welt enthält.


Sans Wirbelwind: FF Marselis

Jan Maack, Entwerfer der FF Cube– und der FF Speak-Familie präsen­tiert jetzt FF MarselisErgebnis einer Design-Kreuzung aus geome­tri­schen und huma­nis­ti­schen Formen. Print- und Web-Einsatz sind bei dieser dyna­mi­schen Sans-Familie fein aufein­ander abge­stimmt und ergeben ein geschlos­senes medi­en­über­grei­fendes Gesamtbild.

Wiedererkennbarkeit erzielt die FF Marselis durch offene Endungen. Überflüssige Striche wurden elimi­niert und Maack verzich­tete komplett auf Ausläufer zum Beispiel bei »b« oder »q«.

FontShop: FFMarselis_website
Die vier-schnit­tige FF Marselis Familie bringt frischen Wind in den Print- und Web-Satz, egal ob Corporate Projekt oder Branding Aufgabe: FF Marselis sorgt für ein aktu­elles Erscheinungsbild 
Viele Schriftenentwerfer versu­chen sich an einer iden­ti­schen Form für die Kleinbuchstaben (Minuskeln) »a« und »e«. Die Idee erscheint verlo­ckend: einfach die Form um 180° drehen und fertig! Fast alle Versuche dieser Art schei­tern jedoch in der Praxis. Für FF Marselis hat Jan Maack einen Schlüssel gefunden, damit die Drehung optisch funk­tio­niert: Anstatt der ganzen Buchstabenformen, wieder­holt er die Tropfenform der Punze durch das Alphabet, nicht nur für das kleine (minus­kule) »a« oder »e«, sondern auch für das »k« und den Großbuchstaben  (Majuskel) »Q«. Seine unver­wech­sel­baren Charakter macht FF Marselis eine perfekte Wahl für die heutigen Corporate- und Branding-Projekte.
Punzen in Tropfenform bei der FF Marselis, FontShop
Optischer Trick: die Wiederholung der trop­fen­för­migen Punze verleiht FF Marselis Geschlossenheit
Die OpenType-Familie besteht aus vier Schriftschnitten: Light, Regular, Bold und Black mit passenden Kursiven. Die Pro-Variante unter­stützt zusätz­lich Zentraleuropäische-Sprachen, einschließ­lich Türkisch, Rumänisch und den balti­schen Sprachen. Die Marselis Office- und Web- Variante schließ­lich sorgen für opti­male Unterstützung in der Bürokommunikation und dem Webbrowser.
FontShop: FFMarselis_bags
Wenn tren­diges Branding und erneu­ernde Corporate Aufgaben rufen hilft der Griff zur FF Marselis 
Über den Entwerfer: Als däni­scher Grafiker und Typedesigner über­zeugt Jan Maack (1968) mit klaren Formen und hohem Qualitätsanspruch an seine Entwürfe. Seit 1992 als Art Director und Grafikdesigner tätig, entwirft Maack vor allem Logos, CI-Systeme und Verpackungen. Er erhielt eine Reihe von Auszeichnungen für seine Projekte und war Jurymitglied des The New York Festivals Print 2006.

Hanzer: »Krieg der Zeichen«, kostenloses eBook

Vor drei Jahren erschien im Hermann-Schmidt-Verlag das Buch »Krieg der Zeichen – Spurenlese im urbanen Raum«, verfasst, foto­gra­fiert und gestaltet von Markus Hanzer. Ich habe das Buch damals ausführ­lich bespro­chen (Stadtgespräche: Spurenlese im urbanen Raum), es wurde kommen­tiert, viel gelobt (HD Schellnack: »Das Buch ist gran­dios.«), aber auch kriti­siert. Letzteres mündete in die erste und einzige Leserkritik im Fontblog, verfasst von Fritz Grögel: Krieg der Zeichen — Eine Leserkritik. Sie beginnt: »Dieses Buch stinkt.« Die Verlegerin Karin Schmidt-Friederichs machte in einem Kommentar das Zusammenspiel von Biodruckfarben und Ökopapier dafür verantwortlich.

Zumindest das olfak­to­ri­sche Problem ist jetzt gelöst: Krieg der Zeichen ist soeben als iBook für das iPad erschienen. Kostenlos und geruchlos! Auch inhalt­lich hat Markus Hanzer sein Werk über­ar­beitet. Das tech­ni­sche Lesererlebnis ist durch die Ausnutzung der iBook-Möglichkeiten ein wahrer Genuss. Dazu gleich mehr.

Hauptberuflich betreut der Wiener Designer und Markenentwickler Markus Hanzer große und kleine Medienunternehmen, darunter viele Fernsehanstalten. Von 2006 bis 2010 war er Partner bei der Markenagentur Mira4, seit 2011 ist Hanzer Partner von Qarante Brand Design. Darüber hinaus lehrt er an der FH Salzburg sowie an der Angewandten in Wien.

Privat treibt ihn seit Jahren eine große Leidenschaft an, nämlich Buchstaben und Schilder im öffent­li­chen Raum. Deswegen grün­dete Hanzer des virtu­ellen Typemuseum, aus dem sich später die Internetseite Stadtgespräche entwi­ckelte, mit Fotografien aus dem öffent­li­chen Raum. Auf seinen Reisen liest er die viel­fäl­tige (typo)grafische Zeichen der Städte wie Romane. Seine Sammlung blickt auf die sicht­bare Oberfläche unserer Umwelt und analy­siert syste­ma­tisch, welche Motive das Erscheinungsbild unserer Umwelt prägen. Welche Zeichen und Botschaften lassen wir in unser Bewusstsein dringen? Wie funk­tio­nieren die Selektionsmechanismen unserer Wahrnehmung? Welchen typo­gra­fi­schen Formen messen wir Bedeutung zu? Woran orien­tieren wir uns?

Nach vielen Jahren Sammeltätigkeit entstand vor 3 Jahren das gedruckte Buch zu den Stadtgesprächen, das eine Zwischenbilanz zieht. Und dies zu einer inter­es­santen Zeit. Warum? Markus Hanzer verriet es mir in einem Gespräch: »Der öffent­liche Raum stand noch nie so im Mittelpunkt wie heute. Durch die Zersplitterung der Medien Fernsehen und Zeitschriften entwi­ckelte er sich zum einzig verblei­benden Gemeinsamen.« Die Menschen spre­chen nicht mehr über Fernsehsendungen, die am Abend zuvor Millionen gesehen hatten. Die Zeitungen verlieren an Bedeutung, Plattenfirmen gelingt wahr­schein­lich nie mehr ein welt­weiter Megahit. Stattdessen gewinnen Konzerte neu an Bedeutung, Sportfans zeigen mit Fahnen und Bemalung, welche Mannschaft sie unter­stützen, globale Konzerne insze­nieren in den Großstädten haus­hohe Botschaften.

Doppelseite aus dem iBook »Krieg der Zeichen» von Markus Hanzer: Es macht viel Freude, durch die Bildergalerien zu wischen, Großansichten aufzu­rufen und Lesezeichen zu setzen

Durch die digi­tale Aufbereitung hat das Buch noch mal an Präsenz gewonnen. Auch wenn es (in diesem Fall: glück­li­cher­weise) nicht mehr nach Buch riecht und beim Blättern keine Geräusche macht … die Bilder sind bril­lanter als je zuvor, lassen sich beliebig vergrö­ßern, die Texte sind gut lesbar, inter­ak­tive Inhalte befeuern die Ausdauer beim Lesen. Die 12 Kapitel führen auch Laien leicht verständ­lich in die Welt der öffent­li­chen visu­ellen Navigation ein.

Harzers Buch liefert eine tief­sin­nige Betrachtung zur Macht der Zeichen zwischen Information, Orientierung und dem Kampf um Kunden. Er verrät, wie sich urbane Kommunikation durch die Entwicklung der Medientechnik verän­dert. Wie man Aufmerksamkeit erzwingt. Was Formen verraten und wodurch Zeichen Macht ausüben. Wann und wie visu­elle Kommunikation Reviere absteckt und aus der Masse heraus­sticht. Wie Zeichen trotz Reizüberflutung Orientierung geben und welche Bedeutung Zeichen für unter­schied­liche Formen gesell­schaft­li­chen Zusammenlebens haben. Viel Spaß beim Lesen. [Updatehier geht’s zum Hanzer-Buch im iBook-Store]


★ der Woche: FF City Street Type, nur 65,– statt 79,– €

(Abbildung: »Typonauts in Space: 20 Jahre Mauerfall«, Poster vom type Workshop at MCAD)

In Berlin prägten über Jahrzehnte zwei unter­schied­liche Straßenschild-Systeme das Erscheinungsbild von West und Ost. Die West-Variante geht auf Groteskschriften des Berlins der 30er Jahre zurück, im Osten bediente man sich einer 50er-Jahre-Grotesk mit tech­ni­scher Ausprägung. Ole Schäfer und Verena Gerlach haben die Schrifttypen Ende der 1990er Jahre anhand der Originalschilder recher­chiert, also nicht auf Vorlagen zur Schilderherstellung zurück­ge­griffen, und digi­ta­li­siert. So entstanden aus den im Straßenbild verwen­deten Ausprägungen für den Ostteil zwei, für den Westteil eine Originalschrift: FF City Street Type East und FF City Street Type West.

Um die Schriften alltags­taug­lich zu machen, haben Gerlach und Schäfer die in Straßenschildern nicht vorkom­menden Zeichen neu entworfen und stilis­tisch ange­paßt. Zusätzlich haben sie zu den Schrifttypen je eine Headlineschrift entworfen, die mit den Strichstärken Regular, Medium und Bold für typo­gra­fi­sches Arbeiten jenseits der Beschilderung bestens geeignet sind.

Wer mit der ziem­lich weit verbrei­teten DIN-Schrift unzu­frieden ist bzw. an Grenzen stößt, den werden die 9 Schriftschnitte der FF City Street Type glück­lich machen, die sogar Tabellenziffern Pfeile und andere nütz­li­chen Zeichen enthalten.

Als Stern der Woche gibt es das komplette FF City Street Type Paket (9 Fonts) im OpenType-Format für nur nur 65,–  statt 79,– € (Preise zzgl. MwSt). Um in den Genuss des Rabattes zu kommen, bitte bei der Bestellung auf www​.font​shop​.com den Promocode DE_star_2012_38 eingeben.


TYPO-Talk-Talk am Freitag, in Köln

Die Talkrunde am Ende des TYPO Day Hamburg: Stefan Kiefer (DER SPIEGEL, Johannes Erler (Stern), Erik Spiekermann und Jürgen Siebert (Moderation)

Wie jeder TYPO Day wird auch der in Köln am kommenden Freitag mit einer unter­halt­samen und lehr­rei­chen Talk-Runde enden. Traditionsgemäß kommen hier eher die Auftraggeber und ihre Designer zu Wort. In der Kölner Versteigerungshalle wird Jürgen Siebert wieder drei Gäste auf dem Podium begrüßen. Jessica Krier ist Kommunikationsdesignerin bei KMS Team in München, einem inter­na­tional führendes Unternehmen für Markenstrategie und Markendesign. Im TYPO-Talk wird sie unter anderem darüber berichten, wie es ihr – alleine durch den Einsatz einer exklu­siven Schrift – gelungen ist, eine deut­sche Marke im Ausland zu etablieren, ohne den Markennamen zu verwenden. Katrin Fomm, beim Dortmunder Maschinenbauer WILO betreut sie die Erstellung von Kommunikations-mitteln für 70 Länder, wird den Besuchern verraten, warum für ihr Unternehmen ein inter­na­tional unver­wech­sel­barer Auftritt höchste Priorität genießt. Felix Braden ist Designer und Schriftentwerfer, seine FF Scuba feierte jüngst Premiere (Fontblog berich­tete: Diese Schrift sollte sich Ikea mal ansehen …). Jürgen Siebert wird ihn befragen, warum die Scuba mit Verdana verwandt ist, obwohl sie ganz anders aussieht, und welche Qualitäten ein Corporate Font mitbringen muss.


Font-Neuerscheinungen auf einen Blick

Jede Woche erscheinen zahl­reiche neue Schriften. Man braucht nicht alle. Manchmal wünscht man sich jedoch eine Schrift mit dem gewissen Etwas. Oder einer ganz beson­ders zeit­ge­mäßen Anmutung. Unser Pinterest Board »Fresh-Fonts« verschafft Ihnen einen zeit­spa­renden Überblick über das inter­na­tio­nale Schriftenschaffen. Finden Sie auf einen Blick inter­es­sante Neuzugänge und verpassen Sie kein Einführungsangebot mehr.

FontShop Pinterest Board »Fresh Fonts«

Frisch gemas­terte Schriften aus der ganzen Welt behalten Sie in diesem Board im Auge, ebenso wie Einführungspreise


So war’s: Creative Morning mit Erik Spiekermann

Kleine Diashow (16 Fotos) vom heutigen Creative Morning Berlin im Orangelab:


»Vom Worte verweht« … 152 min Buchstabengucken

Seit 2005 bereits zeigen Johannes Bergerhausen und Siri Poarangan am Ende ihrer Unicode-Schrift-Präsentation einen 10-minü­tigen Trailer zum hier einge­bet­teten Buchstabenfilms (zum Beispiel auf der TYPO Berlin 2011). Inzwischen ist ihr bemer­kens­wertes Buch Decodeunicode (FontShop-Link) erschienen (Fontblog-Rezension: Das Buch der Zechen ist da). Und so war endlich Zeit, den Hauptfilm zu schneiden, zu vertonen und in die Kinos (= Netz) zu bringen.

Der Director’s Cut zeigt in 2,5 Stunden nun alle Unicode-6.0-Schriftzeichen, das sind genau 109.242 Glyphen, zusam­men­ge­tragen aus 66 verschie­denen Fonts, macht 12 Zeichen/s. Darunter jede Menge Highlights, zum Beispiel die Keilschrift ab Sekunde 1:17:40 oder die ägyp­ti­schen Hieroglyphen ab 1:19:00.

Decodeunicode: The Movie
D, engl, 2012, 152 min, FSK 0
Besetzung: 109.242 Unicode-Schriftzeichen (12 Zeichen/s)
Regie: Johannes Bergerhausen
Design: Daniel A. Becker, Johannes Bergerhausen, Siri Poarangan, Wenzel S. Spingler, Mathias Wollin
Softwareentwicklung: Daniel A. Becker
Ton: Andreas Leo Meyer