Fontblog Artikel im Juli 2011

Nichtlesen #32: Medusa scherzkeksia

ürzlich hatte Herr Grabowski einen Mitarbeiter seiner Werbeagentur Auweier Unhold & Partner ins Einzelgespräch bestellt. Man war in einem Café im Schöneberger Kiez verab­redet. Herr Grabowski setzte sich dort ein-Getränk-bestellen-wollender-weise auf die Terrasse.

Grabowski: Eine Tasse Tee mit Milch, bitte.
Kellner: Gern. Tasse oder Kännchen?
Grabowski: Tasse, bitte.
Kellner: Milch dazu oder Zitrone?
Grabowski: Milch, bitte.

Wenig später servierte der Kellner ein Kännchen kalten Kaffee mit Zitrone. Perfekt! Wie Sie sehen, weiß Herr Grabowski dank seiner Jahre währenden Erfahrung als Gast, was und wie man bestellen muss, um in den Genuss des gewünschten Getränks zu kommen.

Und wiederum ein wenig später kam auch schon der besagte Mitarbeiter vorbei. Dazu ein Wort vorab: Es handelt sich dabei um ein lang­jäh­riges Agentur-Mitglied, von dem keiner so richtig weiß, über welche Qualifikation er verfügt und was konkret sein Aufgabenbereich in der Agentur ist. Bekannt ist nur, dass er immer dabei ist und alle ihn kennen. Das einzige auffäl­lige Merkmal des ansonsten unklaren Mitarbeiters ist seine Eigenart, zwei Handys am Gürtel zu tragen. Dieser Tatsache verdankt er auch seinen Spitznamen, der da lautet »Pistolen-Pete«.

Jedenfalls stellte sich dann im Einzelgespräch schnell heraus, dass auch besagter Pistolen-Pete selbst nicht sagen konnte, über welche Qualifikation er verfügt und was sein Aufgabengebiet sein könnte.

Aber – hey! – kein Problem, dachte sich Grabowski und über­trug dem Kollegen den seit kurzem verwaisten Abteilungsleiter-Posten des Bereichs »Forschung & Entwicklung« der Agentur.

Bevor Pistolen-Pete nun bald seinen Dienst als Leiter der Labs antreten wollte, fuhr er mit seiner Frau und dem gemein­samen Kind namens »Kind« an die Ostsee für einen kurzen Urlaub. Dort am Strand war ein reger Quallen-Alarm zu konsta­tieren, wovon insbe­son­dere Kind schwer angetan war und wofür sich gleich auch der Vater begeis­tern sollte. Die beiden baldo­werten nämlich noch am selben Strand ein inter­es­santes Forschungsvorhaben aus.

Das Konzept von Kind und Pistolen-Pete basierte letzt­lich auf dem bekannten und bis heute unge­lösten Problem der welt­weiten, drama­ti­schen Knappheit an Scherzartikelbrillen. Aber dieses Problem ließ sich doch mit einer einzigen kleinen Genmanipulation im Quallenbereich leicht beheben, wie Pistolen-Pete und Kind begeis­tert feststellten!

Eine spek­ta­ku­läre Unterwasser-Aufnahme, die wir Ihnen hier exklusiv präsen­tieren, sollte mit einem wissen­schaft­li­chen Aufsatz von Pistolen-Pete versehen bald für Furore sorgen in der Welt der Wissenschaft. Durch einen dezenten gene­ti­schen Eingriff nämlich können Quallen zur Produktion von Scherzartikelbrillen ange­regt werden. Pistolen-Pete würde die neue Quallen-Art als »Medusa scherz­keksia pistolen-petensia«, bzw. umgangs­sprach­lich »Scherzartikel-Qualle«, in die wissen­schaft­li­chen Verzeichnisse eintragen und paten­tieren lassen.

Hier in einem der ersten Bilder der neuen Spezies sehen Sie eine Scherzartikel-Qualle exakt im Moment der Trennung von Wirtstier und Brille. Während sich das Tier nach der Brillenbildung und Abtrennung erholt, um sich auf einen neuen Zyklus vorzu­be­reiten, treibt die Scherzartikelbrille an die Wasseroberfläche, wo sie abge­erntet werden kann. Die welt­weite Versorgungslücke mit Scherzartikelbrillen kann endlich geschlossen werden. Tolle Sache!

Während sich der neue Forschungsleiter also schon im Urlaub als sehr inno­va­ti­ons­freudig erweist, ist Herr Grabowski in Berlin auch nicht untätig. Gerade eben kam er im Café mit einer Frau ins Gespräch.

Grabowski: Hallo, ich bin Grabowski.
Sie: Hallo, ich bin Susanne. Aber meine Freunde nennen mich Sabine.

Michael Bukowski


Ankündigung


Elegant: FontFont-Subsetter entschlackt Webfonts

Gestern star­tete FontShop einen cleveren Service für die Benutzer von Web-FontFonts … das sind inzwi­schen 6400 FontFonts in den Formaten .woff und .eot zum Einmallizenzieren und Selbsthosten (d. h. keine Abokosten): der Subsetter auf www​.subsetter​.com. Das Online-Tool ermög­licht auch Font-Technik-Laien, die Ausstattung ihrer Webfonts für die eigenen Zwecke maßzu­schnei­dern. Dabei lässt sich die Größe eines Webfonts auf bis zu 10 % redu­zieren, was bei den Empfängern eine Website für einen schnel­leren Seitenaufbau sorgt und beim Betreiber der Website für dras­tisch redu­zierten Traffic. Gleich auspro­bieren … wer gerade keinen Web-FontFont zu Hand hat, lädt sich die kosten­lose FF Nuvo Web.

Nachfolgend vier typi­sche Szenarien aus dem Leben eines Webdesigners und wie der FF-Subsetter helfen kann:

Fall 1: Sie möchten die sprach­lich gut ausge­stat­tete Schrift FF Celeste für der Website eines englisch-unga­ri­schen Verlags opti­mieren. Der Pro-Font im .eot-Format enthält die Schriftzeichen für Latin Extended, Cyrillic Extended und Neugriechisch.

Subsetting: Laden Sie die Fontdatei auf die Subsetter-Website, deak­ti­vieren Sie das Kerning (Browser, die EOT unter­stützen, igno­rieren Kerning-Tabellen), wählen Sie die Option »Keep only a Subset of Specified Characters« und deak­ti­vieren sie alle Sprachen außer Ungarisch und Englisch. So wird aus einer 316 K schweren CelesteWebPro-BookIta.eot eine 62 K leichte CelesteWebPro-BookIta_modified.eot … Ersparnis: 81 Prozent.

Fall 2: Sie sind vernarrt in die exzen­tri­schen Ziffern der FF Amman Black und möchten diese im Kalender Ihres Weblogs einsetzen.

Subsetting: Laden Sie Amman SC Web Black in den Subsetter (der Small-Caps-Schnitt enthält die eleganten Mediävalziffern als Standardzahlen), klicken Sie »Keep only a Subset of Specified Characters«, entfernen Sie das Häkchen bei »uncheck all cate­go­ries« und »uncheck all languages« und tippen Sie einfach die Zahlen 0123456789 in die Textbox. Während AmmanSansScWeb-Black.woff 33 K groß war, ist die neu entstan­dene AmmanSansScWeb-Black_modified.woff nur noch 8k groß … Ersparnis: 76 Prozent. Tip: Man kann auch einzelne Schriftzeichen aus der Tabelle im Subsetter in die Textbox kopieren.

Fall 3: Ich brauche eigent­lich auf meiner Website nur die Buchstaben für einen stati­schen Text, dessen Sprache und Inhalt ich aber noch nicht kenne …

Subsetting: Wenn Ihnen der frei­ge­ge­bene Text vorliegt, klicken Sie auf »Keep only a Subset of Specified Characters«, danach »uncheck all cate­go­ries« und »uncheck all languages«. Kopieren sie nun den Text in die Textbox und gene­rieren sie einen mageren Web-FontFont, der genau die Zeichen enthält, die für die Darstellung des Textes benö­tigt werden.

Fall 4: Ich möchte im Moment keinen Web-FontFont modi­fi­zieren, sondern einfach mal nach­schauen, welche Schriftzeichen enthalten sind und wie man auf sie zugreift.

Subsetter hilft: Laden sie den Web-FontFont auf die Subetter-Site, klicken Sie auf »Keep only a Subset of Specified Characters« und durch­forsten Sie nun nach Herzenslust die Glyphentabelle. Beim Überfahren eines Schriftzeichens erscheinen dessen Unicode-Bezeichnung und der Code. Verwenden Sie den Hex-Code um einen html-Schnipsel für das gewünschte Zeichen zu gene­rieren. Zum Beispiel gilt für die nach rechts zeigende weiße Hand in FF Scala: hex_0x261e –> html entity: ☞


25. Bundestreffen des Forum Typografie

Vom 18. bis 20. November wird in St. Gallen das 25. Bundestreffen des Forum Typografie statt­finden. Das Thema ist «Typisch Schweiz?». Mitveranstalter Roland Stieger teilt dazu mit: «Wir freuen uns sehr, dass das Forum Typografie für sein 25. Bundestreffen nach St. Gallen in die Schweiz kommt! Zum einen freut es uns, weil die typo­gra­fi­sche Arbeitsbibliothek von Jan Tschichold erst kürz­lich in die Kantonsbibliothek Vadiana nach St. Gallen kam. Zum andern weil Jost Hochuli ein sehr guter Freund des lang­jäh­rigen Forum-Typografie-Vorsitzenden Hans-Peter Willberg war. Auch wir jüngeren Typografen haben viele Freunde in Deutschland und schätzen den Austausch mit ihnen sehr. 

Zu Beginn unserer Idee, das 25. Bundestreffen in St. Gallen auszu­richten, fragten wir uns, was die Typografie in St. Gallen von der in Zürich, Bern, Basel oder Lausanne unter­scheidet. Bald stand die zentrale Frage im Raum: ‹Gibt es eine Schweizer Typografie über­haupt noch?› und ‹Was ist typisch schwei­ze­risch in der heutigen Typografie?› Diesen Fragen möchten wir auf den Grund gehen – mit der Sicht von Aussen wie auch mit der Sicht von Innen.» 

Als Sprecher zuge­sagt haben bisher: Jost Hochuli, Gerrit Noordzij, Bruno Monguzzi, Martin Tiefentaler, Paulus Dreibholz und Ursula Rautenberg.


Auf vielfachen Wunsch: mein Pecha-Kucha-PDF

Vor drei Wochen fand der 25. Berliner Typo-Stammtisch statt, mit einem amüsanten Pecha-Kucha-Vortragsreigen:

  • Ole Schäfer »Rockdesign«
  • Alex Branczyk »Keine Bahnhofs-, eine Flughafenschrift!«
  • Jürgen Siebert »Die 10 größten Designjobmissverständnisse«
  • Frank Rausch »Money, Money, Money«
  • Georg Seifert »Glyphs (Teil 2)«
  • Andreas Frohloff »Einblicke in meine Federsammlung«
  • Christine Gertsch »Modono Mio«
  • Silke Schaffrath & Ilja Wanka »Kultur gut stärken«

In meinem Beitrag habe ich versucht, binnen 6 Minuten ein über­zeu­gendes Sanierungskonzept für die Kommunikationsdesignbranche anklingen zu lassen. Auf 20 Folien pran­gerte ich – in einem Countdown à la David Letterman – die 10 bestän­digsten Vorurteile der Designszene an, begin­nend mit Platz 10 und endend mit Platz 1, dem Top-Jobmissverständnis der letzten Jahre. Eine Schnellumfrage unter einem Dutzend Design-Koryphäen hat mir dabei geholfen, die Thesen umfas­send zu entwi­ckeln. Jede der 10 Thesen wird auf 2 gespie­gelte Sichtweisen präsen­tiert, als:

  1. entlar­vendes, teils bereits verin­ner­lichtes Selbstbild der Designer
  2. als sprach-takti­sches Manöver des Auftraggebers

Die Erkenntnisse dieser Recherche waren die Basis für meine aktu­elle PAGE-Kolumne, die vor wenigen Tagen in der gedruckten Ausgabe erschien und seit gestern auch online nach­zu­lesen ist. Wer keine Lust zum Lesen langer Texte hat, klicke sich einfach durch das PDF meines Vortrags. Dabei ist ledig­lich zu beachten, dass man die gelbe These heftigst ablehnen sollte, um die darauf folgenden Zitate auf Rot unmit­telbar zu belä­cheln. Nach den 20 Folien seid ihr gerüstet für ein selbst­si­cheres Gespräch mit eurem Auftraggeber.


Diplomausstellung 2011 an der HGB Leipzig

Im Anschluss an die dies­jäh­rigen Diplomprüfungen zeigt die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig vom 19. Juli bis zum 13. August 2011 eine Auswahl der Diplomarbeiten. In der Galerie und im Lichthof der HGB sowie erst­mals auch in der Werkschau der Spinnerei können sich Besucher einen Überblick über das weite Spektrum der künst­le­ri­schen Arbeiten der dies­jäh­rigen Absolventinnen und Absolventen verschaffen. Folgende Abteilungen stellen sich in diesen Tagen den Prüfungskommissionen: Malerei/Grafik, Fotografie, Buchkunst/Grafik-Design und Medienkunst.

Wie im vergan­genen Jahr wird auch 2011 der »DAAD-Preis für auslän­di­sche Studierende« an der HGB Leipzig vergeben. In diesem Jahr wird Christina Werner für ihre heraus­ra­genden Leistungen geehrt. Preisvergabe ist am 15. Juli 2011 im Rahmen der feier­li­chen Verabschiedung der Diplomanden durch die Rektorin Prof. Dr. Ana Dimke

Eröffnung: Zum HGB-Sommerfest am 15. Juli 2011, 17.00 Uhr
Dauer: 19. Juli bis 13. August 2011

Ausstellungsorte:
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Wächterstraße 11, 04107 Leipzig
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 12.00 – 18.00 Uhr, Samstag 10.00 – 15.00 Uhr

Werkschau der Spinnerei, Spinnereistr. 7, 04179 Leipzig
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14.00 – 18.00 Uhr, Samstag, 11.00 – 18.00 Uhr

 


Heute morgen im Bergmann-Kiez

In dieser Stunde startet die Berliner Fashion Week durch. Die Messen öffnen ihre Pforten und die großen Laufstegschauen beginnen. Den Auftakt im Zelt am Brandenburger Tor bestreitet der Nachwuchsdesigner Michael Sontag. Tausende Besucher strömen zu der auf Streetwear spezia­li­sierten Messe Bread & Butter auf dem Flughafen Tempelhof, ein Steinwurf weg vom FontShop.

Die Straßen run um die Bread & Butter sind nicht nur mit Taxen und geschäf­tigen Mode-Menschen über­füllt: außer­ge­wöhn­liche Werbemaßnahmen erregen die Aufmerksamkeit der Passanten. Das spani­sche Young-Fashion-Schuh-Label Coolway hat sich zum Beispiel eine hippe Guerilla-Marketing-Aktion ausge­dacht. In den Fahrradständern des Bergmann-Kiez stecken 1:1-Pappkarton-Fahrradmodelle, beschriftet mit dem Coolway-Logo und dem Hinweis »Scan & Score«, die zum Einlesen eine QR-Codes auffordert.

An Ampeln hängen Karton-Ghettoblaster, an Laternenmasten Skateboards auf Pappe. Allein das Ziel der Barcode-Reise ist eher enttäu­schend. Statt auf einer farbigen Produktseite landen die mobilen Surfer auf einer trost­losen Likify-Landing-Page, die zum Facebook-Liken auffor­dert. Da hätte ich mir aber einen span­nen­deren Abschluss gewünscht.


❤ der Woche: »I Love DIN«, 160 S, nur € 29,90

Beim Verlag ist dieses Buch bereits ausver­kauft … das schrieb mir jeden­falls Grace Chan letzte Woche, die Herausgeberin bei Victionary: »We are excited to inform you that ›I Love DIN‹ is sold out.« Zum Glück haben wir sofort eine größere Menge beim deut­schen Importeur Gingko Press geordert.

I love DIN ist der 4. Band einer Serie, die sich »I Love Type nennt«. TwoPoints​.Net aus Barcelona entwi­ckelt und gestaltet die Buchreihe für den Verlag Viction:ary aus Hong Kong. Zuvor sind bereits erschienen I Love Futura, I Love Avant Garde und I Love Bodoni. Die hand­li­chen Büchlein sind liebe­voll ausge­stattet, mit Farbschnitt, Leuchtfarbe und geprägter Cover-Typografie. Wer sich tiefer mit der Geschichte einer dieser vier Schriften beschäf­tigen möchte, erhält ordent­lich fundierte Informationen für gut inves­tierte 30 Euro. Dabei geht es nicht nur um die Geschichte der vorge­stellten Schriften, sondern auch um wegwei­sende Anwendungsbeispiele.

Der Verlag schreibt über die neueste Ausgabe: »Standing for the German national orga­ni­sa­tion for stan­dar­di­s­a­tion, DIN was first intro­duced in 1923 by Frankfurt foundry, D. Stempel AG, and acclaimed for its legi­bi­lity and blunt­ness that would best repre­sent or suit the fields of engi­nee­ring, tech­no­logy, traffic and admi­nis­tra­tion. The design later lent the basis for the more recent rede­sign, FF DIN, followed by a growing popu­la­rity with inter­na­tional desi­gners and brands.« Und so kommt natür­lich auch »Mister DIN« (so nennen die Herausgeber den FF-DIN-Designer Albert Jan Pool) in einem Interview ausführ­lich zu Wort.

Eine Unmenge von inter­na­tio­nalen DIN-Fans haben Beispiele für das Buch zur Verfügung gestellt, darunter Adrian Newell, Atelier Poisson, Birch Studio Ltd., Blotto Design, Blow, Caroline Fabès, Chris Sherron, Commune, Cypher13, design­liga, Didier Quarroz at Ecal, Estudio Ritxi Ostáriz, form­du­sche, Gaël Hugo & Edwin Sberro, George Strouzas, Joe Hinder, Julien Arts & Maarten van Gent, L2M3 Kommunikationsdesign, Lucy Gibson, martinm­artin, Marvin Boiko, Moshik Nadav, Nano Torres, Neil Wengerd, Neue Design Studio, Paulus M. Dreibholz, Ragged Edge Design, StudioSpass, Superatelier, SuperBruut, thisislove studio, TwoPoints​.Net und Why Not Associates.

Zur Bestellung von »I Love DIN« auf font​shop​.de …