Nichtlesen #32: Medusa scherzkeksia
ürzlich hatte Herr Grabowski einen Mitarbeiter seiner Werbeagentur Auweier Unhold & Partner ins Einzelgespräch bestellt. Man war in einem Café im Schöneberger Kiez verabredet. Herr Grabowski setzte sich dort ein-Getränk-bestellen-wollender-weise auf die Terrasse.
Grabowski: Eine Tasse Tee mit Milch, bitte.
Kellner: Gern. Tasse oder Kännchen?
Grabowski: Tasse, bitte.
Kellner: Milch dazu oder Zitrone?
Grabowski: Milch, bitte.
Wenig später servierte der Kellner ein Kännchen kalten Kaffee mit Zitrone. Perfekt! Wie Sie sehen, weiß Herr Grabowski dank seiner Jahre währenden Erfahrung als Gast, was und wie man bestellen muss, um in den Genuss des gewünschten Getränks zu kommen.
Und wiederum ein wenig später kam auch schon der besagte Mitarbeiter vorbei. Dazu ein Wort vorab: Es handelt sich dabei um ein langjähriges Agentur-Mitglied, von dem keiner so richtig weiß, über welche Qualifikation er verfügt und was konkret sein Aufgabenbereich in der Agentur ist. Bekannt ist nur, dass er immer dabei ist und alle ihn kennen. Das einzige auffällige Merkmal des ansonsten unklaren Mitarbeiters ist seine Eigenart, zwei Handys am Gürtel zu tragen. Dieser Tatsache verdankt er auch seinen Spitznamen, der da lautet »Pistolen-Pete«.
Jedenfalls stellte sich dann im Einzelgespräch schnell heraus, dass auch besagter Pistolen-Pete selbst nicht sagen konnte, über welche Qualifikation er verfügt und was sein Aufgabengebiet sein könnte.
Aber – hey! – kein Problem, dachte sich Grabowski und übertrug dem Kollegen den seit kurzem verwaisten Abteilungsleiter-Posten des Bereichs »Forschung & Entwicklung« der Agentur.
Bevor Pistolen-Pete nun bald seinen Dienst als Leiter der Labs antreten wollte, fuhr er mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind namens »Kind« an die Ostsee für einen kurzen Urlaub. Dort am Strand war ein reger Quallen-Alarm zu konstatieren, wovon insbesondere Kind schwer angetan war und wofür sich gleich auch der Vater begeistern sollte. Die beiden baldowerten nämlich noch am selben Strand ein interessantes Forschungsvorhaben aus.
Das Konzept von Kind und Pistolen-Pete basierte letztlich auf dem bekannten und bis heute ungelösten Problem der weltweiten, dramatischen Knappheit an Scherzartikelbrillen. Aber dieses Problem ließ sich doch mit einer einzigen kleinen Genmanipulation im Quallenbereich leicht beheben, wie Pistolen-Pete und Kind begeistert feststellten!
Eine spektakuläre Unterwasser-Aufnahme, die wir Ihnen hier exklusiv präsentieren, sollte mit einem wissenschaftlichen Aufsatz von Pistolen-Pete versehen bald für Furore sorgen in der Welt der Wissenschaft. Durch einen dezenten genetischen Eingriff nämlich können Quallen zur Produktion von Scherzartikelbrillen angeregt werden. Pistolen-Pete würde die neue Quallen-Art als »Medusa scherzkeksia pistolen-petensia«, bzw. umgangssprachlich »Scherzartikel-Qualle«, in die wissenschaftlichen Verzeichnisse eintragen und patentieren lassen.
Hier in einem der ersten Bilder der neuen Spezies sehen Sie eine Scherzartikel-Qualle exakt im Moment der Trennung von Wirtstier und Brille. Während sich das Tier nach der Brillenbildung und Abtrennung erholt, um sich auf einen neuen Zyklus vorzubereiten, treibt die Scherzartikelbrille an die Wasseroberfläche, wo sie abgeerntet werden kann. Die weltweite Versorgungslücke mit Scherzartikelbrillen kann endlich geschlossen werden. Tolle Sache!
Während sich der neue Forschungsleiter also schon im Urlaub als sehr innovationsfreudig erweist, ist Herr Grabowski in Berlin auch nicht untätig. Gerade eben kam er im Café mit einer Frau ins Gespräch.
Grabowski: Hallo, ich bin Grabowski.
Sie: Hallo, ich bin Susanne. Aber meine Freunde nennen mich Sabine.
Elegant: FontFont-Subsetter entschlackt Webfonts
Gestern startete FontShop einen cleveren Service für die Benutzer von Web-FontFonts … das sind inzwischen 6400 FontFonts in den Formaten .woff und .eot zum Einmallizenzieren und Selbsthosten (d. h. keine Abokosten): der Subsetter auf www.subsetter.com. Das Online-Tool ermöglicht auch Font-Technik-Laien, die Ausstattung ihrer Webfonts für die eigenen Zwecke maßzuschneidern. Dabei lässt sich die Größe eines Webfonts auf bis zu 10 % reduzieren, was bei den Empfängern eine Website für einen schnelleren Seitenaufbau sorgt und beim Betreiber der Website für drastisch reduzierten Traffic. Gleich ausprobieren … wer gerade keinen Web-FontFont zu Hand hat, lädt sich die kostenlose FF Nuvo Web.
Nachfolgend vier typische Szenarien aus dem Leben eines Webdesigners und wie der FF-Subsetter helfen kann:
Fall 1: Sie möchten die sprachlich gut ausgestattete Schrift FF Celeste für der Website eines englisch-ungarischen Verlags optimieren. Der Pro-Font im .eot-Format enthält die Schriftzeichen für Latin Extended, Cyrillic Extended und Neugriechisch.
Subsetting: Laden Sie die Fontdatei auf die Subsetter-Website, deaktivieren Sie das Kerning (Browser, die EOT unterstützen, ignorieren Kerning-Tabellen), wählen Sie die Option »Keep only a Subset of Specified Characters« und deaktivieren sie alle Sprachen außer Ungarisch und Englisch. So wird aus einer 316 K schweren CelesteWebPro-BookIta.eot eine 62 K leichte CelesteWebPro-BookIta_modified.eot … Ersparnis: 81 Prozent.
Fall 2: Sie sind vernarrt in die exzentrischen Ziffern der FF Amman Black und möchten diese im Kalender Ihres Weblogs einsetzen.
Subsetting: Laden Sie Amman SC Web Black in den Subsetter (der Small-Caps-Schnitt enthält die eleganten Mediävalziffern als Standardzahlen), klicken Sie »Keep only a Subset of Specified Characters«, entfernen Sie das Häkchen bei »uncheck all categories« und »uncheck all languages« und tippen Sie einfach die Zahlen 0123456789 in die Textbox. Während AmmanSansScWeb-Black.woff 33 K groß war, ist die neu entstandene AmmanSansScWeb-Black_modified.woff nur noch 8k groß … Ersparnis: 76 Prozent. Tip: Man kann auch einzelne Schriftzeichen aus der Tabelle im Subsetter in die Textbox kopieren.
Fall 3: Ich brauche eigentlich auf meiner Website nur die Buchstaben für einen statischen Text, dessen Sprache und Inhalt ich aber noch nicht kenne …
Subsetting: Wenn Ihnen der freigegebene Text vorliegt, klicken Sie auf »Keep only a Subset of Specified Characters«, danach »uncheck all categories« und »uncheck all languages«. Kopieren sie nun den Text in die Textbox und generieren sie einen mageren Web-FontFont, der genau die Zeichen enthält, die für die Darstellung des Textes benötigt werden.
Fall 4: Ich möchte im Moment keinen Web-FontFont modifizieren, sondern einfach mal nachschauen, welche Schriftzeichen enthalten sind und wie man auf sie zugreift.
Subsetter hilft: Laden sie den Web-FontFont auf die Subetter-Site, klicken Sie auf »Keep only a Subset of Specified Characters« und durchforsten Sie nun nach Herzenslust die Glyphentabelle. Beim Überfahren eines Schriftzeichens erscheinen dessen Unicode-Bezeichnung und der Code. Verwenden Sie den Hex-Code um einen html-Schnipsel für das gewünschte Zeichen zu generieren. Zum Beispiel gilt für die nach rechts zeigende weiße Hand in FF Scala: hex_0x261e –> html entity: ☞
25. Bundestreffen des Forum Typografie
Vom 18. bis 20. November wird in St. Gallen das 25. Bundestreffen des Forum Typografie stattfinden. Das Thema ist «Typisch Schweiz?». Mitveranstalter Roland Stieger teilt dazu mit: «Wir freuen uns sehr, dass das Forum Typografie für sein 25. Bundestreffen nach St. Gallen in die Schweiz kommt! Zum einen freut es uns, weil die typografische Arbeitsbibliothek von Jan Tschichold erst kürzlich in die Kantonsbibliothek Vadiana nach St. Gallen kam. Zum andern weil Jost Hochuli ein sehr guter Freund des langjährigen Forum-Typografie-Vorsitzenden Hans-Peter Willberg war. Auch wir jüngeren Typografen haben viele Freunde in Deutschland und schätzen den Austausch mit ihnen sehr.
Zu Beginn unserer Idee, das 25. Bundestreffen in St. Gallen auszurichten, fragten wir uns, was die Typografie in St. Gallen von der in Zürich, Bern, Basel oder Lausanne unterscheidet. Bald stand die zentrale Frage im Raum: ‹Gibt es eine Schweizer Typografie überhaupt noch?› und ‹Was ist typisch schweizerisch in der heutigen Typografie?› Diesen Fragen möchten wir auf den Grund gehen – mit der Sicht von Aussen wie auch mit der Sicht von Innen.»
Als Sprecher zugesagt haben bisher: Jost Hochuli, Gerrit Noordzij, Bruno Monguzzi, Martin Tiefentaler, Paulus Dreibholz und Ursula Rautenberg.
Auf vielfachen Wunsch: mein Pecha-Kucha-PDF
Vor drei Wochen fand der 25. Berliner Typo-Stammtisch statt, mit einem amüsanten Pecha-Kucha-Vortragsreigen:
- Ole Schäfer »Rockdesign«
- Alex Branczyk »Keine Bahnhofs-, eine Flughafenschrift!«
- Jürgen Siebert »Die 10 größten Designjobmissverständnisse«
- Frank Rausch »Money, Money, Money«
- Georg Seifert »Glyphs (Teil 2)«
- Andreas Frohloff »Einblicke in meine Federsammlung«
- Christine Gertsch »Modono Mio«
- Silke Schaffrath & Ilja Wanka »Kultur gut stärken«
In meinem Beitrag habe ich versucht, binnen 6 Minuten ein überzeugendes Sanierungskonzept für die Kommunikationsdesignbranche anklingen zu lassen. Auf 20 Folien prangerte ich – in einem Countdown à la David Letterman – die 10 beständigsten Vorurteile der Designszene an, beginnend mit Platz 10 und endend mit Platz 1, dem Top-Jobmissverständnis der letzten Jahre. Eine Schnellumfrage unter einem Dutzend Design-Koryphäen hat mir dabei geholfen, die Thesen umfassend zu entwickeln. Jede der 10 Thesen wird auf 2 gespiegelte Sichtweisen präsentiert, als:
- entlarvendes, teils bereits verinnerlichtes Selbstbild der Designer
- als sprach-taktisches Manöver des Auftraggebers
Die Erkenntnisse dieser Recherche waren die Basis für meine aktuelle PAGE-Kolumne, die vor wenigen Tagen in der gedruckten Ausgabe erschien und seit gestern auch online nachzulesen ist. Wer keine Lust zum Lesen langer Texte hat, klicke sich einfach durch das PDF meines Vortrags. Dabei ist lediglich zu beachten, dass man die gelbe These heftigst ablehnen sollte, um die darauf folgenden Zitate auf Rot unmittelbar zu belächeln. Nach den 20 Folien seid ihr gerüstet für ein selbstsicheres Gespräch mit eurem Auftraggeber.
Diplomausstellung 2011 an der HGB Leipzig
Im Anschluss an die diesjährigen Diplomprüfungen zeigt die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig vom 19. Juli bis zum 13. August 2011 eine Auswahl der Diplomarbeiten. In der Galerie und im Lichthof der HGB sowie erstmals auch in der Werkschau der Spinnerei können sich Besucher einen Überblick über das weite Spektrum der künstlerischen Arbeiten der diesjährigen Absolventinnen und Absolventen verschaffen. Folgende Abteilungen stellen sich in diesen Tagen den Prüfungskommissionen: Malerei/Grafik, Fotografie, Buchkunst/Grafik-Design und Medienkunst.
Wie im vergangenen Jahr wird auch 2011 der »DAAD-Preis für ausländische Studierende« an der HGB Leipzig vergeben. In diesem Jahr wird Christina Werner für ihre herausragenden Leistungen geehrt. Preisvergabe ist am 15. Juli 2011 im Rahmen der feierlichen Verabschiedung der Diplomanden durch die Rektorin Prof. Dr. Ana Dimke
Eröffnung: Zum HGB-Sommerfest am 15. Juli 2011, 17.00 Uhr
Dauer: 19. Juli bis 13. August 2011
Ausstellungsorte:
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Wächterstraße 11, 04107 Leipzig
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 12.00 – 18.00 Uhr, Samstag 10.00 – 15.00 Uhr
Werkschau der Spinnerei, Spinnereistr. 7, 04179 Leipzig
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14.00 – 18.00 Uhr, Samstag, 11.00 – 18.00 Uhr
Heute morgen im Bergmann-Kiez
In dieser Stunde startet die Berliner Fashion Week durch. Die Messen öffnen ihre Pforten und die großen Laufstegschauen beginnen. Den Auftakt im Zelt am Brandenburger Tor bestreitet der Nachwuchsdesigner Michael Sontag. Tausende Besucher strömen zu der auf Streetwear spezialisierten Messe Bread & Butter auf dem Flughafen Tempelhof, ein Steinwurf weg vom FontShop.
Die Straßen run um die Bread & Butter sind nicht nur mit Taxen und geschäftigen Mode-Menschen überfüllt: außergewöhnliche Werbemaßnahmen erregen die Aufmerksamkeit der Passanten. Das spanische Young-Fashion-Schuh-Label Coolway hat sich zum Beispiel eine hippe Guerilla-Marketing-Aktion ausgedacht. In den Fahrradständern des Bergmann-Kiez stecken 1:1-Pappkarton-Fahrradmodelle, beschriftet mit dem Coolway-Logo und dem Hinweis »Scan & Score«, die zum Einlesen eine QR-Codes auffordert.
An Ampeln hängen Karton-Ghettoblaster, an Laternenmasten Skateboards auf Pappe. Allein das Ziel der Barcode-Reise ist eher enttäuschend. Statt auf einer farbigen Produktseite landen die mobilen Surfer auf einer trostlosen Likify-Landing-Page, die zum Facebook-Liken auffordert. Da hätte ich mir aber einen spannenderen Abschluss gewünscht.
❤ der Woche: »I Love DIN«, 160 S, nur € 29,90
Beim Verlag ist dieses Buch bereits ausverkauft … das schrieb mir jedenfalls Grace Chan letzte Woche, die Herausgeberin bei Victionary: »We are excited to inform you that ›I Love DIN‹ is sold out.« Zum Glück haben wir sofort eine größere Menge beim deutschen Importeur Gingko Press geordert.
I love DIN ist der 4. Band einer Serie, die sich »I Love Type nennt«. TwoPoints.Net aus Barcelona entwickelt und gestaltet die Buchreihe für den Verlag Viction:ary aus Hong Kong. Zuvor sind bereits erschienen I Love Futura, I Love Avant Garde und I Love Bodoni. Die handlichen Büchlein sind liebevoll ausgestattet, mit Farbschnitt, Leuchtfarbe und geprägter Cover-Typografie. Wer sich tiefer mit der Geschichte einer dieser vier Schriften beschäftigen möchte, erhält ordentlich fundierte Informationen für gut investierte 30 Euro. Dabei geht es nicht nur um die Geschichte der vorgestellten Schriften, sondern auch um wegweisende Anwendungsbeispiele.
Der Verlag schreibt über die neueste Ausgabe: »Standing for the German national organisation for standardisation, DIN was first introduced in 1923 by Frankfurt foundry, D. Stempel AG, and acclaimed for its legibility and bluntness that would best represent or suit the fields of engineering, technology, traffic and administration. The design later lent the basis for the more recent redesign, FF DIN, followed by a growing popularity with international designers and brands.« Und so kommt natürlich auch »Mister DIN« (so nennen die Herausgeber den FF-DIN-Designer Albert Jan Pool) in einem Interview ausführlich zu Wort.
Eine Unmenge von internationalen DIN-Fans haben Beispiele für das Buch zur Verfügung gestellt, darunter Adrian Newell, Atelier Poisson, Birch Studio Ltd., Blotto Design, Blow, Caroline Fabès, Chris Sherron, Commune, Cypher13, designliga, Didier Quarroz at Ecal, Estudio Ritxi Ostáriz, formdusche, Gaël Hugo & Edwin Sberro, George Strouzas, Joe Hinder, Julien Arts & Maarten van Gent, L2M3 Kommunikationsdesign, Lucy Gibson, martinmartin, Marvin Boiko, Moshik Nadav, Nano Torres, Neil Wengerd, Neue Design Studio, Paulus M. Dreibholz, Ragged Edge Design, StudioSpass, Superatelier, SuperBruut, thisislove studio, TwoPoints.Net und Why Not Associates.