Die Zukunft der digitalen Zusammenarbeit
Wir müssen reden!
Eine Gruppe von Studentinnen an der FH Salzburg hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich durch neue Technologien die Methoden der gemeinsamen Ideenfindung und Diskussion visueller Dokumente verbessern lässt. Hierfür haben sie einen Touch-Screen-Tisch entwickelt, auf dem sich in bisher nicht gekannter Form Dokumente austauschen, bearbeiten und entwickeln lassen.
Als Ergänzung hat die Gruppe die Webseite sphera-discussion.com ins Netz gestellt, auf der die Kreativbranche das Thema bewerten bzw. kommentieren kann. Anschauen, mitmachen, lernen! Ich habe auch eben einen kleinen Kommentar eingereicht, in dem ich die zunehmende Bedeutung von Begegnungen unterstreiche, die aber anders stattfinden als zu Zeiten der Nichtdigitalisierung.
Gut, böse, hässlich: Supermarkt-Typografie
Ein jeder mache den Selbsttest: Was fällt dir zu Lidl ein? Was fällt dir zu Edeka ein? Was fällt dir zu Penny ein? Was fällt dir zu Netto ein? Es gibt Supermarktketten, die habe sich – visuell oder mit bestimmten Produkten – in unserer Erinnerung verankert. Andere lösen partout kein Bild in unserem Gehirn aus. Oder nur Puzzlesteine. Denke ich an Aldi (Nord), assoziiere ich eine Halle mit vielen Paletten, Kartons und Büchsen. Zu Penny fällt mir gar nichts ein. Rewe ist aufgeräumt, dort gibt es alles, neben der billigen Eigenmarke ja! sogar prima Premium-Produkte.
Zwei aktuelle und leseswerte Blogbeiträge (bei Faz.net/Supermarktblog und Fonts in use) beschäftigen sich mit dem Thema Lebensmittelketten und ihre Typografie. Mit dem Autor des Beitrags Netto verpasst seiner Eigenmarke ›BioBio‹ schon wieder ein neues Design, Peer Schader, habe ich kurz gesprochen. Wir haben gemeinsam die Schriften identifiziert, mit denen BioBio damals, zwischenzeitlich und heute wieder in Erscheinung tritt. Meine Vermutungen zur Schriftwahl sind in seinem Beitrag zitiert, aber nicht so scharf, wie ich es hier machen kann und werde:
Schader glaubt, dass der grauenhafte visuelle Auftritt von Netto System habe … man wolle eben billig aussehen. Ich dagegen glaube, dass sich der visuelle Auftritt von Netto (und manch anderer Billigläden) auf purem Unvermögen stützt. Bei der Schriftwahl von BioBio gehe ich von einer Zufallsentscheidung aus: Man hat genommen, was gerade auf dem Grafikrechner geladen war, nämlich die allgegenwärtigen Klassiker der Betriebssysteme bzw. der mit dem Grafikprogramm gelieferten Fonts. Anders kann ich mir die Beliebigkeit der Textgestaltung nicht erklären.
Billig sein ist eine wichtige Markenqualität im Discount-Bereich. Wie alle anderen Markeneigenschaften auch, muss sie professionell kommuniziert werden. Plus hat das einst mit den »kleinen Preisen« vorgemacht, auch MediaMarkt und Easy Jet verstehen es, preisbewusste Kunden gezielt anzusprechen. Darum bin ich verwundert, dass viele Menschen (durchaus auch Designer) die Eigenschaft billig mit minderwertig in der Kommunikation gleich setzen. Leider finden wir viel zu häufig Bestätigungen für die Gleichung billig = schlecht gemacht. Richtig und ökonomisch schmerzhaft ist aber die Gleichung: schlecht gemacht = schlechte Werbung.
Erinnern wir uns noch mal an das heftig diskutierte Schrottschild für die Berliner Fahrschule Edelweiß: Ronald W. ist sauer auf uns Typografen. Es blieben drei überraschende Erkenntnisse, nach 137 Kommentaren:
- der Schöpfer wusste nicht, was er (typografisch) tat
- weniger (Effekte) wäre mehr gewesen und damit:
- gute Typografie ist billiger als schlechte Typografie
Die Autorin des zweiten lesenswerten Beitrags zur Supermarkt-Typografie ist die Hochschullehrerein und TYPO-Moderatorin Indra Kupferschmid. Für das englischsprachige Blog Fonts In Use hat sie sich mit der Schriftwahl der nordhessischen Handelskette Tegut auseinandergesetzt, deren Erfolgsgeschichte in ihrer Heimatstadt Fulda begann und im Handelsmarketing als Vorbild taxiert wird. Ich schätze mich glücklich, just in der letzten Woche zum ersten Mal einen Tegut betreten zu haben, dessen Filialen sich inzwischen bis in meine südhessische Heimat ausgebreitet haben. Das Einkaufen hat richtig Freude gemacht. Ich fühlte mich als Kunde ernst genommen, was viel mehr mit Regalen, Wegen, dem Angebot und Tageslicht aus Fenstern zu tun hatte als mit der – in der Tat vorzüglichen – Typografie. Aber lest selbst: Good groceries deserve good typography.
100-beste-Plakate–Ausstellung in Berlin
Vom 24. 6. bis 17. 7. 2011 werden die prämierten 100 besten Plakate des vorangegangenen Jahres aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin im Kulturforum Potsdamer Platz gezeigt. Die Eröffnung findet am 23. 6. 2011 um 19 Uhr im Foyer des Kulturforums statt.
Der Wettbewerb »100 beste Plakate des Jahres – Deutschland Österreich Schweiz«, 2010 zum zehnten Mal im internationalen Maßstab ausgeschrieben, gilt über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus als wichtige Institution aktuellen Plakat-Designs. Zahlreiche Grafikdesigner und -designerinnen, Studierende der Fachbereiche Grafikdesign künstlerischer Hoch- und Fachhochschulen, Agenturen, Büros sowie Auftraggeber und Druckereien beteiligen sich alljährlich – im aktuellen Jahrgang ca. 500 Einreicher mit über 1600 Plakaten.
Eines von »100 beste Plakate 2010«: entworfen von Ueli Kleeb und Caroline Lötscher (DNS-Transport) für Zuger Chriesiwurst, Auftraggeber war die Metzgerei Rinderli in Zug, Siebdruck, Format F4
Die 100 Preisträger-Plakate und Plakatserien (davon 53 mal Deutschland, 45 mal Schweiz und zwei mal Österreich) wurden durch die Jury unter Vorsitz von Claude Kuhn (CH Bern) mit 2×Goldstein (D Karlsruhe), Elvira Barriga (D Berlin), Erich Brechbühl (Mixer, CH Luzern) und Peter Klinger (A Wien) nominiert.
Entsprechend einer Neuerung im Reglement werden die gleichberechtigten Siegermotive in den Kategorien auftragsgebundene Plakate (63), Eigenaufträge bzw. freie künstlerische Plakate (14) und projektbetreute Plakate von Studierenden (23) präsentiert.
Heute: letzter Azuro-Aktionstag
Nur noch heute gibt es die Azuro als Printfont (.ttf) oder als Webfont (.eot/.woff) für je 19,90 € (statt 199,00 €, alle Preise zzgl. MwSt). Wir dürfen das, wie damals bei der Axel von Erik Spiekermann, weil FontShop der Herausgeber diese Schrift ist und den Preis – in Absprache mit dem Designer – selbst festlegen kann. Hier geht es zum Download von Azuro auf www.fontshop.com …
Typogravieh Lebt, Nr. 7: On Ink Trips
Bold geht’s los, in großen Schnitten, auf die Lettern, die die Welt bedeuten, als Blackpacker, nicht nur nach Egyptienne oder Italic, sondern in höchste Versalhöhen, blindtext drein auf Expedition in die laufweite Welt der analogen Schriftgestaltung … On Ink Trips.
Das Typogravieh wurde 2004 vom damaligen Gastprofessor Alexander Branczyk ins Leben gerufen und lebt bis heute weiter – studentisch organisiert. Jedes Jahr bietet es den Studierenden in Weimar und Umgebung umfassende Einblicke in die Welt der Typografie. In diesem Jahr wird das Symposium am 24./25. Juni in Weimar stattfinden. Mit dabei sind Juli Gudehus, FriendsOfType, Zwölf, Dan Reynolds, Daniel Janssen, Typism und fromheretofame …
Einen Einblick in alle bisherigen Leben des Typograviehs gibts hier: www.typogravieh-lebt.de
Berliner Kunst-Leistungsschau von unten
Als »notwendige Ergänzung der Ausstellung ›Based in Berlin‹«, die vom 8. Juni bis 24. Juli im Atelierhaus Monbijoupark stattfindet (siehe Fontblog-Beitrag unten), stellt sich jetzt auch die Kunsthalle am Hamburger Platz (eine Zweigstelle der Kunsthochschule Berlin-Weißensee) einer tatsächlichen und ergebnisoffenen Bestandsaufnahme der Berliner Gegenwartskunstproduktion. Dabei sind alle Künstler mit Lebens- und Arbeitsschwerpunkt Berlin aufgerufen, eine Originalarbeit einzureichen. Die eingereichten Arbeiten müssen folgende formale Kriterien erfüllen: Das Kunstwerk darf die Paketgröße von 40 x 40 x 60 cm nicht überschreiten und nicht mehr als 10 Kilo wiegen. Zugelassen sind ferner: Konzepte (für vergangene, gegenwärtige, oder zukünftige Arbeiten) in schriftlicher/zeichnerischer Form (A4) Medienarbeiten auf CD, DVD, Audio-CD Performances in Form von Fotos, Texten, Videos. Die Anlieferung erfolgt per Post oder persönlich an die Adresse.
Weitere Informationen: http://tinyurl.com/artists-open-call
Die Kunst-Leistungsschau »Based in Berlin«
Berin selbst ist der eigentliche Star dieser Mammut-Kunstschau. In zwei Tagen, ab dem 8. Juni 2011, lädt Based in Berlin die Bewohner der Stadt und ihre Gäste dazu ein, im Atelierhaus im Monbijoupark und an vier weiteren Ausstellungsorten Berliner Gegenwartskunst zu erleben. Sechs Wochen lang zeigt Based in Berlin – beispielhaft für die dynamische Kunstproduktion in der Stadt – Werke von rund 80 sogenannten »emerging artists«, die von den fünf Kuratoren Angelique Campens, Fredi Fischli, Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Scott Cameron Weaver zusammengestellt wurden.
Viele der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern aus über 26 Nationen, die alle in Berlin leben und arbeiten, entwickeln im Dialog mit den Kuratoren neue Werke. Außerdem sind Berliner Projekträume eingeladen, im Rahmen der Ausstellung ihr eigenes Programm zu gestalten. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Künstlerprogramm DAAD entsteht eine große Skulptur im öffentlichen Raum am Alexanderplatz.
Das Atelierhaus im zentral gelegenen Monbijoupark an der Oranienburgerstraße in Berlin-Mitte erhielt eine 13 Meter hohe Plattform, die als schwebende Gerüstkonstruktion über dem Atelierhaus liegt und als Ausstellungsfläche und Terrasse genutzt werden kann. Seitlich neben dem Gebäude liegt ein ehemaliger Hochbunker, der ebenfalls einbezogen wird. In den KunstWerken (KW) werden die große Halle und die kompletten vier Etagen mit künstlerischen Positionen bespielt. In der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof wird based in Berlin im gesamten Ost-Flügel auf knapp 800 qm zu sehen sein; der Neue Berliner Kunstverein n.b.k. präsentiert die Ausstellung im Erdgeschoss sowie im Showroom im ersten Stock; die Berlinische Galerie erweitert Based in Berlin mit 160 qm Ausstellungsfläche.
Zu der Ausstellung gehört ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm, mit Filmen, Performances und Künstlergesprächen. Von Berliner Kunst- und Stadtmagazinen gestaltete Abende gehören ebenso dazu wie Open-Air-Konzerte. Es gibt eine Bar, die jeden Tag bis 24 Uhr geöffnet ist. Zur Eröffnung, am 7. Juni 2011, ab 18 Uhr, stehen gleich drei besondere Höhepunkte auf dem Programm: die Perfomance der Künstlerin Sunah Choi, die Tanz- und Akrobatik-Darstellung der Künstlerin Helga Wretmann, sowie die Party-Perfomance von Aleksandra Domanovic mit M.E.S.H.
Weitere Informationen: www.basedinberlin.com
Nichtlesen #27: Vivantes viral – ›Machsdu misch was?‹
or kurzem startete eine der erfolgreichsten viralen Kampagnen überhaupt, aus dem Hause Auweier Unhold & Partner für den Klinikkonzern Vivantes. Die Kampagne basiert auf der in Berlin weit verbreiteten Redewendung »Isch mach Disch Krankenhaus«.
Moment mal: Krankenhaus? Das ist doch total unpersönlich, dachte man sich bei Auweier Unhold & Partner. Würden die Leute, wenn man es nur richtig kommuniziert, andere Leute nicht viel lieber in eine bekannte, vertrauensvolle Adresse machen als herzlos und anonym Krankenhaus?
Genau! Denn siehe da: Die Kampagne zündete umgehend und statt »Isch mach Disch Krankenhaus« hört man auf den Straßen Berlins eigentlich nur noch das weit freundlichere »Isch mach Disch Vivantes«.
Jetzt galt es, im Sinne des Kunden die Wirkung der Kampagne zu quantifizieren. Zur Messung der Real-Life-Engagements und -Likes stellte die Agentur einige hundert studentische Meinungsforscher ein, die mit einer klaren Ansprache für eine Straßenumfrage instruiert wurden. Dabei wurde die Popularität durch die offensive Kontrastierung mit dem Vivantes-Wettbewerber, der Charité, gestützt.
Aufgabe der Studenten war es, ihre Umfrage mit den Worten »Ey, isch mach Disch Schariteh« einzuleiten. Hier das Ergebnis: In einhundert Prozent der Fälle wurde die Ansprache der Studenten mit »Machsdu misch was? Schariteh? Hahaha!« beantwortet. Der weitere Verlauf der Interviews gliedert sich dann in drei verschiedene Ergebnisgruppen:
– 73 von 100 Studenten wurden nach dem Interview von den Interviewten konkret Vivantes gemacht.
– Nur 9 von 100 wurden Schariteh gemacht, was aber von Seiten der Machenden nicht beabsichtigt war und nur aus der zufälligen räumlichen Nähe zur Charité resultierte.
– Die restlichen 18 von 100 Studenten wurden leider ohne Umweg über einen Klinikaufenthalt Friedhof gemacht. Das ist natürlich ärgerlich, weil es nicht auf die Marke Vivantes einzahlt. Trotzdem handelt es sich prozentual gesehen um einen erstaunlich geringen Streuverlust.
Fazit: Obwohl die Berliner Charité der weit größere Krankenhauskonzern ist, liegt Vivantes nicht nur in der Bekanntheit weit vor dem traditionsreichen Wettbewerber. Auch im Bereich des handfesten Verhelfens anderer Mitbürger zu stationären Klinikaufenthalten mit entsprechender Umsatz-Generierung für den Konzern hat Vivantes eine führende Position erreicht.
Übrigens erweisen sich sogar die Ärzte der Vivantes-Krankenhäuser als spontan infiziert von der viralen Auweier-Kampagne. Immer öfter hört man bei Patientenvisiten oder Operation: »Ey, isch mach Disch Vivantes wieder raus».
Obwohl es noch viel über die genaue Ausgestaltung der Kampagne zu berichten gäbe, müssen wir leider schon zum Ende kommen, da Agentur-Chef Grabowski terminlich verhindert ist. Eben antwortete er auf die Anfrage unserer Redaktion nach mehr Infos zum Thema mit dieser SMS: »Jetze nich. Mach isch misch gerade Kampagnen-Award-Entgegennehmung.«