Fontblog Artikel des Jahres 2010

Haus der Kulturen der Welt vs. Thilo Sarrazin

Beim Literaturfestival am 25. September 2010 wollte das Haus der Kulturen der Welt – die Heimat von FontShops jähr­li­cher TYPO-Berlin-Designkonferenz – um 18:00 Uhr eine kriti­sche Diskussion zum Thema Thilo Sarrazins Kassandrarufe zur Zukunft Deutschlands veran­stalten. Weil der jetzige Bundesbankvorstand jedoch einen kriti­schen Gesprächspartner abge­lehnt habe, droht Intendant Bernd M. Scherer mit Ausladung.

Wie viele andere Partner des HKW erhielten wir eben das folgende Statement:
»Das Haus der Kulturen der Welt steht für eine kriti­sche und zukunfts­ge­wandte Auseinandersetzung mit Fragen der Migration in unserer pluralen Gesellschaft. Thilo Sarrazins pole­mi­sche Thesen sind völlig konträr zur Grundhaltung des Hauses. Leider werden solche ausgren­zenden Positionen in der Gesellschaft immer wieder hoch­ge­spült. Daher halten wir eine kriti­sche Auseinandersetzung gerade an unserem Ort für notwendig. Festivalleiter Ulrich Schreiber hat uns gestern mitge­teilt, dass der Verlag und Thilo Sarrazin einen kriti­schen Gesprächspartner auf dem Podium ablehnen. Das können wir nicht tole­rieren: Die von uns gewünschte Form der Auseinandersetzung wird dadurch konter­ka­riert. Bleibt es bei dieser Haltung von Thilo Sarrazin und des Verlages, wird die Veranstaltung bei uns nicht stattfinden.«


Book of war, mortification and love

Unsere Freunde von Underware haben ein Buch gemacht. Mit »gemacht« meine ich nicht nur gestaltet, sondern sie haben es selbst verlegt und verkaufen es auch selbst. Es ist in ihrer Schrift Fakir gesetzt, die in dem Werk wunderbar zur Geltung kommt. Damit nicht genug. Dem Buch liegt eine CD bei, mit der kompletten Schriftfamilie – das sind immerhin 11 Schriftschnitte im Wert von 250 € (in diesem Fall zum persön­li­chen Ausprobieren gedacht, keine kommer­zi­elle Nutzung). Doch das Bemerkenswerte an diesem Buch: Es wurde mit dem Blut seines Autors gedruckt.

Das Making-of der Druckfarbengewinnung haben Underware in diesem Film fest­ge­halten (eben­falls auf der CD-ROM enthalten):

Der Titel des Buches ist übri­gens: »Book of war, morti­fi­ca­tion and love« (Buch vom Tod, Kränkung und Liebe). Sein Autor Ruud Linssen stellt Fragen wie »Warum setzen wir uns frei­willig Leid aus?« oder »Warum entscheiden wir und für Familienleben, eine Mönchszelle oder ein blut­ge­tränktes Schlachtfeld?«. Zwei Jahre arbei­tete der hollän­di­sche Schriftsteller und Journalist an dem Werk, das aus Essays über frei­wil­liges Leiden besteht. Hier kann man mehr erfahren und es bestellen … (Auflage 2000 Exemplare, handnummeriert)

Ruud Linssen: Book of war, morti­fi­ca­tion and love, 135 x 210 mm, 96 Seiten, Englisch, Leineneinband mit einge­branntem Titel, gedruckt mit dem Blut des Autoren, CD-ROM, ISBN 978-90-76984-09-4, 24,50 €


Die Geburtsstunde des Desktop Publishing

Wir schreiben das Jahr 1986. In einer Hamburger Erdgeschosswohnung in der Papenhuder Straße 13 sitzt eine drei­köp­fige Zeitschriftenredaktion und bastelt an der ersten Ausgabe eines Computermagazins. Sie feiert den Abschied von Cutter, Kleber und Reißschiene … denn es zeichnet sich eine Revolution ab für Zeitschriftenmacher, genannt Desktop Publishing, abge­kürzt DTP. Der Name des Magazins: PAGE.

Der Entwickler des Seitengestaltungsprogramms PageMaker, Aldus-Gründer Paul Brainerd, hatte ein Jahr zuvor den Terminus Desktop Publishing auf einer Konferenz in San Francisco geprägt. Seine Software, die im Juli 1985 für den Apple Macintosh auf den Markt kam, war der entschei­dende Baustein für die Umwälzung des Pre-Press-Marktes, nachdem Apple, Adobe und Linotype bereits im Frühjahr das Zusammenspiel des Hardware-Trios Macintosh ➔ LaserWriter ➔ Linotronic einge­fä­delt hatten, mit der Seitenbeschreibungssprache PostScript. PAGE holte Paul Brainerd andert­halb Jahre später zum 1. DTP-Kongress nach Frankfurt.

Warum schreibe ich das? Weil ich gestern in alten Fotos gekramt habe, für die Bebilderung eines Interviews anläss­lich des 20 Geburtstages des FontShop-Netzwerks, das Yves Peters Anfang dieser Woche mit mir führte (zu lesen im Fontfeed, englisch.) Er kramte ganz tief in meinem Gehirn, entlockte mir Berufsstationen, mit denen ich mich schon lange nicht mehr beschäf­tigt hatte.

Das oben abge­bil­dete Foto doku­men­tiert die Entstehung einer frühen PAGE-Ausgabe mit 3 Apple Macintosh Plus, Laserwriter, dem ersten Großbildschirm und Wechselplatten-Laufwerk. Wenn ich von »Entstehung« spreche, so meine ich das Ganzseiten-Layout mit Aldus PageMaker (nur Text, keine Fotos, keine Farbe), was trotz Kinderkrankheiten mehr Freude machte und schneller ging als mit den alten Werkzeugen. Auf dem Foto werkeln von rechts nach links der dama­lige Verlagsleiter Peter Drawert (heute Geschäftsführer von Interabo), der Textchef und Schlussredakteur Martin Peinemann (heute freier Texter) und links der (»junge« – danke, Nadine) PAGE-Chefredakteur Jürgen Siebert. Oberlippenbärte waren damals in.

Foto: Thomas Henning für PAGE, 1987


Zur Pflege der Tradition des Notizhefts

Trotz Smartphones und iPad: Die Gepflogenheit, ein Notizbüchleins bei sich zu tragen, ist so populär wie nie zuvor. Einer der Gründe hierfür ist die allge­gen­wär­tige Marke Moleskine. Sie hat ihr Sortiment in den letzten Jahren stark ausge­baut, so dass es inzwi­schen für jeden Zwecke ein Moleskine-Heftchen gibt – vom Kalender über den Organizer bis hin zum City-Notebook. Die ursprüng­liche Idee des schlanken Ideenspeichers ist darüber fast in Vergessenheit geraten.

Diese Entwicklung nervte die Designer von Draplin (Portland, USA) und Coudal Partners (Chicago, USA) irgend­wann, weil sie sich »beob­achtet fühlten« bei dem Gedanken, an öffent­li­chen Orten ein Notizheft zu zücken. »Da beruft sich ein 1997 gegrün­deter Hersteller, der in China produ­zieren lässt, auf die Tradition von Hemingway, Van Gogh und Matisse … das passt irgendwie nicht zusammen.« spöt­telten sie in ihrem Blog. Auf der Suche nach einem ehrli­chen, authen­ti­schen Notizheft, das es wert ist, mit guten Ideen gefüllt zu werden, entschlossen sie sich irgend­wann zur Selbsthilfe: Sie gestal­teten sich eines nach ihrem Geschmack. Die Field Notes waren geboren.

Die »Field Notes« haben nichts mit Feldpost oder Kriegstagebüchern zu tun, sondern knüpfen an die wissen­schaft­liche Tradition der Feldforschung an (vgl. Wikipedia.en-Artikel Fieldnotes). Unter Feldforschung versteht man die syste­ma­ti­sche Erforschung von Kulturen oder bestimmten Gruppen, indem man sich in deren Lebensraum begibt und das Alltagsleben der Menschen zeit­weise teilt. Mithilfe eines oder mehrerer Informanten und durch gezieltes Fragestellen sowie teil­neh­mende Beobachtung werden wissens­werte Informationen über die betref­fende Kultur oder Gruppe gesam­melt. Eine für Designer durchaus empfeh­lens­werte Strategie … Wer die TYPO 2010 besucht hat, wird sich viel­leicht an den Vortrag von Jan Chipchase erin­nern, der im Auftrage von Nokia solche Forschungen in entle­genen, nicht-indus­tria­li­sierten Regionen durch­ge­führt hat.

Die Field-Notes-Heftchen bringen drei essen­zi­elle Werte unter einen Hut: Bescheidenheit, Ästhetik und – wichtig für die Fans in ihrem Geburtsland – »Made in USA«. Dass sie darüber hinaus nütz­lich sind (klein und flach, abge­run­dete Ecken, 3 Heftklammern, 48 Seiten), haltbar und erschwing­lich ist eine Selbstverständlichkeit – unter­scheidet sie aber nicht von vielen anderen Notizheften. Kein Wunder also, dass die Field Notes vor allem durch ihre inneren Werte binnen kurzem zum Kult bei den US-Designern wurden.

Wir haben uns bei FontShop gedacht: Warum sollen nur die Kollegen in den USA in den Genuss dieses sinn­vollen Tools kommen? Also haben wir Kontakt mit dem Hersteller aufge­nommen, das OK für den Vertrieb in Deutschland einge­holt und eine ordent­liche Erstbestellung abge­schickt. Jetzt gibt es die Field Notes auf www​.font​blog​.de, in unter­schied­li­chen Paketen, auf Wunsch auch mit passendem Schreib- oder Zeichenwerkzeug.  Ein 3er-Päckchen schlägt mit 10,00 € netto zu Buche, inkl. MwSt und Versand kostet ein Heftchen (88 x 139 mm) somit 6,75 € brutto (bei der gleich­zei­tigen Bestellung eines Buches bei FontShop entfallen übri­gens die 7 € Versandkosten). Sicherlich kein Schnäppchen, aber ange­messen für ein gut gestal­tetes, prak­ti­sches und vernünf­tiges Notizheft.

(Abb: fieldno​tes​brand​.com und Fontblog)


Business of Design Week 2011, Hongkong

Deutschland ist Partnerland

Die Business of Design Week (BODW) in Hongkong hat sich in den vergan­genen Jahren zu einer der bedeu­tendsten Design- und Markenveranstaltungen im asia­ti­schen Raum entwi­ckelt. Für 2011 wurde Deutschland als Partnerland der Veranstaltung einge­laden. Der Rat für Formgebung (Frankfurt am Main) über­nimmt in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Design Zentrum (Berlin) die Projektorganisation.

Unter dem Motto »Brand New Germany« wird sich Deutschland im Dezember 2011 als Land des inno­va­tiven Designs und der attrak­tiven Marken präsen­tieren. »Wir freuen uns sehr darüber, dass Deutschland einge­laden wurde, Partnerland der BODW 2011 zu sein«, erklärte Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Schirmherr des Partnerlandauftritts anläss­lich der Vertragsunterzeichnung. »Hongkong bietet eine hervor­ra­gende Business-Plattform für die Erschließung der asia­ti­schen Märkte. Die deut­sche Kreativwirtschaft bekommt hier die Chance, sich einer Region mit großem Zukunftspotential zu präsentieren.«

Als inter­na­tio­nales Forum für die Design- und Kreativwirtschaft wird die deut­sche Präsentation eine Vielzahl von Veranstaltungsformaten beinhalten, darunter eine Konferenz, eine Ausstellung, ein Pavillon sowie Foren für den Nachwuchs und die Hochschulen. In der Vergangenheit waren unter anderem Skandinavien, Italien, die Niederlande, Großbritannien und Frankreich als Gastländer vertreten. In diesem Jahr ist Japan das Partnerland.

Als Kooperationspartner der Veranstaltung hat der Rat für Formgebung die Corporate-Design-Agentur MetaDesign mit der Entwicklung des Logos beauf­tragt. MetaDesign arbei­tete mit einem inter­na­tio­nalen Team an dem Entwurf. Für maßgeb­li­chen Input sorgte die Niederlassung in Peking. Die Agentur entwi­ckelte ein Logo, das ein »frisches und posi­tives Bild von Deutschland« trans­por­tiere. Man habe bewusst auf den Einsatz typi­scher und klischee­be­haf­teter Symbole verzichtet. Die Bildmarke arbeitet mit den Buchstaben BNG (Brand New Germany), deren Überlagerung den Facettenreichtum der Kreativbranchen und ihre gegen­sei­tige Inspiration wider­spie­gele. Die Farben orien­tieren sich an die deut­schen Landesfarben an, Schrift (FF Meta Bold) und der verwen­dete Goldton sind an das Corporate Design des Rat für Formgebung angelehnt.

Weitere Informationen …


Weltkarte des Internets

Gordon Lyon, auch bekannt unter dem Pdeudonym Fyodor Vaskovich, lebt und arbeitet in Palo Alto, Kalifornien, ist Experte für Netzsicherheit, Open-Source-Programmierrer, Autor und Hacker. Sein wich­tigstes Produkt ist der Open-Source-Sicherheitsscanner Nmap. Lyon ist Vizepräsident der Vereinigung Computer Professionals for Social Responsibility.

Vor einigen Wochen jagte Gordon Lyon seinen Nmap-Scanner über eine Million Top-Websites (gemäß Alexa-Ranking www​.alexa​.com/​t​o​p​s​i​tes) und sammelte deren Mini-Icons ein, auch Favicons genannt. Insgesamt waren das am Ende 328.427 verschie­dene Icons, davon 288.945 echte Abbildungen. Aus diesen baute er eine Art Internet-Weltkarte (Icons of the Web), in der die Größe eines jeden Icons die Bedeutung (Reichweite) der dazu­ge­hö­rigen Webadresse wider­spie­gelt. Weitere Informationen, die inter­ak­tive Karte und eine Suche dazu auf nmap​.org/​f​a​v​i​con. Und siehe da, das Fontblog-Favicon (Alexa-Rang 77.521) ist auch drin:

(Abb.: nmap​.org und Wikipedia)


Unbedingt vormerken: Webfontday 2010 in München

Am Samstag, den 13. 11.2010 veran­staltet die Typographische Gesellschaft München e.V. (tgm) das welt­weit erste Symposium, das sich ausschließ­lich dem Thema Webfonts widmen wird. Der Webfontday 2010 (kurz: #wbfntdy) bringt Webdesigner, Schriftgestalter und Distributoren zusammen und will mit ihnen heraus­finden, wie die Zukunft der typo­gra­fi­schen Gestaltung im Web aussehen könnte. Die Teilnehmer erfahren in verschie­denen Vorträgen aktu­elle und künf­tige Trends zu Technik, Gestaltung und Lizenzierung von Webfonts.

Als Referenten zuge­sagt haben unter anderem: Gerrit van Aaken (prae​gnanz​.de), Tim Ahrens (Just Another Foundry), Erik van Blokland (LettError), Ivo Gabrowitsch (FontFont), Ralf Herrmann (open​type​.info), Marc Tobias Kunisch (mind​garden​.de, Google), Brian Mason (Typekit), Jörg Schweinsberg (Linotype), Fred Smeijers (Ourtype) und Gerard Unger.

Weitere Informationen zu den Referenten, den Anmeldegebühren, dem Veranstaltungsort und dem vorläu­figen Programm auf http://​www​.webfontday​.de/


✪ 1000 Bar & Cafe Graphics, für 14,– statt 37,– €

Gaststätten, Bars und Cafés gehören zu jenen Geschäften, die ihre Kunden über­wie­gend mit visu­ellen und emotio­nalen Mitteln anspre­chen. Ein durch­dachtes Marketing und über­zeu­gendes Branding sind für Lokale über­le­bens­wichtig. Dieses Buch liefert Anregungen sowie Dos & Don’ts für gestal­te­ri­sche Ideen im Gaststättengewerbe. Es bietet Entwerfern eine sichere Orientierung inkl. Argumente für Promotion, Menukarten, Flyer, Installationen, CI und das ganze Drumherum. Nicht nur für Restaurantbesitzer ein Muss.
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