Fontblog Artikel im August 2007

X-Rite kauft Pantone

Die ameri­ka­ni­sche X-Rite, Inc. in Grand Rapids, Michigan, kündigt an, den Farb-System-Entwickler Pantone, Inc. (Carlstadt, New Jersey) zu einem Preis von 180 Millionen Dollar zu über­nehmen. X-Rite ist eines der führenden Hersteller von Lichtmess-, -misch- und -simu­la­ti­ons­ge­räten für den grafi­schen, medi­zi­ni­schen und indus­tri­ellen Bereich. Pantone soll eine eigene Business-Unit im X-Rite-Konzern werden. Mehr Informationen in der gemein­samen Pressemitteilung (PDF, 3 S).


Vier unfaire Designwettbewerbe prämiert

AGD Pressesprecherin Heide Hackenberg (links) verkündet die Ergebnisse des Wettbewerbs »Fidius Faire Designpreise«, unter­stützt von den Jury-Mitgliedern Tassilo von Grolman (Mitte) und Alexander Bretz (Create Berlin e. V.) 

Vor einem Jahr wurde in Düsseldorf der Verein Fidius gegründet, eine Initiative, die unfaire Design-Wettbewerbe entlarven möchte. (Fontblog berich­tete). Über zwölf Monate hat Fidius eine Vielzahl von Design-Wettbewerbe beob­achtet, die dem Verein nach und nach gemeldet wurden. Meistens gingen Beschwerden über unfaire Ausschreibungen ein, mit denen sich die Veranstalter die Arbeit profes­sio­neller Gestalter per Selbstbedienung aneignen wollen bzw. aus dem Wettbewerb vorwie­gend eigene Vorteile ziehen.

Auf einer Pressekonferenz eben in Berlin hat Fidius vier »Negativpreise« in den Bereichen Foto-, Mode- Produkt- und Kommunikationsdesign vergeben. Als Lichtblick gab es auch einen Sonderpreis für einen vorbild­li­chen Wettbewerb.

4 Fidius-Fliegenfänger für unfaire Ausschreibungen

Je ein Fidius-Fliegenfänger geht in den Bereichen Kommunikations- und Modedesign an die Brauereien Becks und Bitburger sowie im Bereich Fotodesign an den Automobil-Hersteller Mazda. In der Kritik stehen deren Wettbewerbe »Beck’s it« (Fontblog berich­tete) , »Passion is fashion« und »Zoom-Zoom«. Erschreckend sei bei allen drei Ausschreibungen die geringe Wertschätzung von Leistung und Urheberschaft, indem sich die Veranstalter allein durch die Einreichung sämt­liche Rechte an allen Arbeiten sichern.

Den vierte Fliegenfänger geht im Bereich Produktdesign sicherten sich das Ministerium für Wirtschaft und Technologie der Bundesrepublik Deutschland und der Rat für Formgebung als ausschrei­bende bzw. veran­stal­tende Institutionen des »Designpreises der Bundesrepublik Deutschland« (Fontblog berich­tete mehr­fach). Dieser als »Preis der Preise« hervor­ge­ho­bene Wettbewerb beinhaltet eine Fülle von Mängeln, welche die Veranstalter trotz öffent­li­cher Kritik und einer mehr­stün­digen Diskussion mit Fidius im Wirtschaftsministerium nur ansatz­weise behoben haben.

Tausende von Kreativen erhalten alljähr­lich die frohe Kunde, für diese beson­dere Auszeichnung „»nomi­niert« zu sein. Dafür zahlen sie in Unkenntnis der nomi­nierten Massen 210,– € und hoffen auf die in Aussicht gestellte Superchance, einer von 25 endgültig ausge­wählten Teilnehmern zu sein, die dann wirk­lich den »Designpreis der Bundesrepublik Deutschland« erhalten, wofür aller­dings noch einmal ein Betrag von 2 900,– € zugunsten des Veranstalters fällig wird. Auf diese Art und Weise kamen 2006 rund 270 000,– € zusammen, womit sich jeder der Auserwählten seinen Preis teuer erkauft hat. Die Frage von Fidius, wie groß die Zahl der »Nominierten« tatsäch­lich ist und auf welcher Grundlage diese »Nominierten« ermit­telt werden, wurde weder vom Ministerium noch vom Rat für Formgebung beant­wortet. Das Verfahren bleibt undurchsichtig.

Fidius-Leuchtturm für eine faire Ausschreibung

Als leuch­tendes Beispiel wurde heute die Ikea-Stiftung von Fidius mit einem Sonderpreis bedacht. Sie hatte zu ihrem 25-jährigen Bestehen einen Wettbewerb zum Thema »Wohnen in der Zukunft« ausge­schrieben, der die wich­tigsten Voraussetzungen für einen vorbild­li­chen – kate­go­rie­über­grei­fenden – Wettbewerb erfülle. Und es wurden nach Auskunft der Institution 10 mal 25 000,– € ausge­geben, so dass die prämierten Konzepte auch reali­siert werden können. Somit habe die Ikea-Stiftung aus Sicht von Fidius den Positivpreis in Form eines Leuchtturmes klar verdient.

Fidius kann mit seiner erst­mals statt­fin­denden Negativ- bzw. Positiv-Proklamierung sicher nicht von heute auf morgen unfaire Wettbewerbe verhin­dern. Der Verein werde die jähr­liche Bewertung und Vergabe so lange fort­führen, bis sich ein für beide Seiten
– ausschrei­bende Unternehmen und Designer – ausge­wo­genes Verhältnis einge­stellt hat. Der Stoff wird den Preis-Wächtern sicher nicht ausgehen. Langsam wächst der Unmut vielen Kreativer über das Crowdsourcing.


Typografisch inszenierte Ikea-Sprüche

Unter der Devise »Zieh mal deinem Zuhause was neues an.« klebt das Möbelhaus Ikea in deut­schen Städten typo­gra­fisch gestal­tete Großflächen-Plakate mit gewohnt frechen Sprüchen. Beispiele: »Kommode kommt von Mode«, »Sitzen perfekt, unsere neuen Sessel«, »Mode für die Küche: Hauptsache geschmack­voll« und »Deine Gardinenstange ist eitler, als du denkst« (den mag ich sehr).


Helvetica der Kulturen der Welt

Anfang August stellte ich (etwas versteckt) das neue Logo des Haus der Kulturen der Welt vor (das übri­gens heute offi­ziell seine Wiedereröffnung feiert): Das Haus hat jetzt ein Logo. Inzwischen ist das Signet in den USA ange­kommen, beim Armin Vit, der das Gebäude als TYPO-2005-Sprecher gut kennt. Auf seiner Seite Brand New unter­zieht er es nun einer kriti­schen Betrachtung: »A far cry from the idio­syn­crasy of the buil­ding and an odd step back­wards in the other­wise inno­va­tive visual land­scape of Berlin … Helvetica’s neutra­lity and ubiquity func­tions as the perfect vessel upon which to create meaning for any insti­tu­tion, but when it dismisses its unique context, Helvetica can really be a drag.»Wenn Armin wüsste, was hier in der Zwischenzeit los war: Haus der Kulturen der Welt wird »das Haus«, Haus der Kulturen rudert zurück, Das Haus: Operation am offenen Herzen, …(Abbildung: Brand New/Fontblog)


Wir robust ist Akzidenz-Grotesk?

Der Kölner Student Tobias Battenberg (Pixelgraphik​.de) ließ sich vom Portrait der Schrift Akzidenz Grotesk in unseren 100-Beste-Schriften-Ranking inspi­rieren, das zu dem Resümee kam: »… eine Charakterschrift, die viel aushält«. Dieser Behauptung wollte er auf den Grund gehen: »Ich möchte die Schrift in Situationen bringen, in denen sie sich noch nicht behaupten musste.« schreibt er in einem Kommentar auf www​.100bes​teschriften​.deMit einem Videoprojektor (Beamer) proji­zierte Battenberg Buchstaben der Akzidenz Grotesk auf verschie­dene Gebäude und Gegenstände in der Stadt. Kriterien für die zur Wahl stehenden Gebäude und Einzelbuchstaben waren zum Beispiel Größe, Format und Untergrundstruktur sowie die Möglichkeit, mit Perspektiven zu spielen, um Brüche und andere Effekte erzeugen zu können. Die span­nendsten Projektionen hielt er foto­gra­fisch fest.Die entstanden Bilder sind in einem gehef­teten Magazin gesam­melt, das auf der letzten Seite durch ein Satzmusterplakat berei­chert wurde. Das Heft kann an der Rückseite des Umschlags aufge­hangen werden, dadurch ist eine Bildprojektion und das Plakat als Streifen als Wandbild nutzbar. Alle hier gezeigten Abbildungen sind dem Magazin entnommen, das sich hier mit einem Klick down­loaden lässt (PDF, 21 S., 4,1 MB).Robust: Akzidenz-Grotesk-a auf einem geka­chelten Industriegebäude Unzerstörbar: Akzidenz-Grotesk-Lettern auf Maschendraht und Lagerwand Nicht klein­zu­kriegen: ein Akzidenz-Grotesk-e umfängt eine Wellblechhütte ohne Schaden 


Jung-Blogger Pflüger malt Teufel an die Wand

Obwohl ich Friedbert Pflüger (CDU), der Klaus Wowereit (SPD) als Regierender Bürgermeister von Berlin beerben möchte, hier schon mal in Schutz genommen habe, langsam reichts. Der CDU-Spitzenkandidat bloggt seit 3 Tagen (»Schwarzer Blog«,) und da fällt ihm nichts besseres ein, als vor einem neuen Hitler zu warnen: »Ich habe die große Sorge, dass der voran­schrei­tende Vertrauensverlust in die Politiker eines nicht all zu fernen Tages erneut den Wunsch nach einem ›starken Mann‹ wach werden lässt. Das wäre furchtbar!« Überhaupt nicht furchtbar scheint in seinen Augen die Strategie, mit dieser Polemik auf Wählerfang zu gehen. Das Hauptstadtblog gibt ihm kontra: Sie lügen! Wer bei Pflüger direkt kommen­tieren möchte, sollte wissen, dass er nur ein Möchtegern-Blogger ist: »Ich werde nicht auf jede Zuschrift indi­vi­duell antworten können, aber lesen kann ich Ihre Kommentare zu diesem Blog alle male.«


Drei-Meilen-Bleistift

Mal eine ganz andere Art, die Leistung eines Bleistifts anzu­preisen: »Der Stift misst sowohl Wörter als auch Meilen. Lesen Sie ihre Schreibleistung einfach von der mitge­lie­derten Skala ab. Sie könnten einen Tennisplatz 70 mal umranden, einen Roman verfassen oder 25 Stunden am Stück schreiben. Die Werke Shakespeares ließen sich mit 22 dieser Bleistifte nieder­schreiben.« Erhältlich, zum Beispiel bei eBay UK. (Abbildung mit freund­li­cher Genehmigung von Jens-Christof Niemeyer/Schönes Blog)


Fotografie: Vergesst doch mal die Technik …

… und konzen­triert euch aufs Gucken. Das Online-Fotomagazin File (Untertitel: A Collection of Unexpected Photography) hat eine 10 Jahre alte Bilderserie des New Yorker Fotografen Robert Vizzini ausge­graben, Alcatraz – Five Hours On The Rock. Seine Begleiter im Sommer 1997 waren ein Stativ, eine 4×5-Großbildkamera und der chine­si­sche Spielzeug-Fotoapparat Diana. Am Ende siegte die Billigkamera, denn das Wetter viel zu schön für diesen düsteren Ort.

Die Alcatraz-Bildergalerie erin­nert uns daran, wie unwichtig Pixel, Brennweite und Automatiken sein können, wenn ein geschultes Auge die Welt durch einen Kamerasucher betrachtet. Wenn also demnächst wieder mal ein Kollege mit Megapixel und Ultraweitwinkel protzt … Bremse treten und auf Robert Vizzinis Alcatraz-Besuch verweisen. (Via)