Helvetica der Kulturen der Welt
Anfang August stellte ich (etwas versteckt) das neue Logo des Haus der Kulturen der Welt vor (das übrigens heute offiziell seine Wiedereröffnung feiert): Das Haus hat jetzt ein Logo. Inzwischen ist das Signet in den USA angekommen, beim Armin Vit, der das Gebäude als TYPO-2005-Sprecher gut kennt. Auf seiner Seite Brand New unterzieht er es nun einer kritischen Betrachtung: »A far cry from the idiosyncrasy of the building and an odd step backwards in the otherwise innovative visual landscape of Berlin … Helvetica’s neutrality and ubiquity functions as the perfect vessel upon which to create meaning for any institution, but when it dismisses its unique context, Helvetica can really be a drag.»Wenn Armin wüsste, was hier in der Zwischenzeit los war: Haus der Kulturen der Welt wird »das Haus«, Haus der Kulturen rudert zurück, Das Haus: Operation am offenen Herzen, …(Abbildung: Brand New/Fontblog)
37 Kommentare
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Tim
Pfffff … Was soll man dazu sagen? So ähnlich schon tausendmal gesehen und immer noch nicht schön. Eine totale Fehlentscheidung, wenn das alte Logo daneben so konkurrenzlos frisch und jung aussieht.
Bernd
Helvetica-Missbrauch!
HD Schellnack
Au Mann.
Ich LIEBE die Helvetica und ihre Schwestern ja und dieser blanke, nichtssagende, sterile Look ist so passend für unsere Zeit und das Design dazu – das gelangweilte Kaugummigesicht einer Prostituierten nach einer 48-Stunden-Dauerschicht. Auf eine perfide Art ist die Helvetica eben wieder die Schrift zur Zeit (seit den 90s eigentlich)… fin de siécle eben.
Schlimmer als die Schriftwahl finde ich, wie die Fläche (NICHT) genutzt wird. Brody schafft typographische Spannung mit einfachsten Handgriffen – obwohl so ein ausgewogener Blocksatz, der kaum jemals gesperrt wirkt, ja nur oberflächlich leicht erscheint. Der Neuentwurf hingegen ist heruntergetippt, unbalanciert,lieblos, neocon. Das Kerning, zumindest hier am Screen, wirkt auch strange.
Vielleicht schön für eine andere Sache. Das kalte klare, simple, reduzierte hat ja einen Charme, den ich innigst liebe. Nim mweg,was du wegnehmen kannst. Und oft haben andere Schriften einfach zu viel «Klang».
Aber nicht für ein Haus, das Reichtum, Impulsivität und globale Rhythmik, Feuer und Energie ausstrahlen will. Ist irgendwie dissonant, diese eisige Kälte und der Ort, die architektur, die Idee hinter der Sache.
Mann, schade irgendwie.
Und wirklich verblüffend… es ist DIE UMKEHR.
IN den 80er/90er haben sich die Designer aufgemacht, die Helvetica aus dem Alltag zu wischen und jetzt kommt der Rollback :-D. Es ist schon fast wieder Retro.
Um die Wahrheit zu sagen, wenn man die Reihenfolge UMDREHT, macht der Relaunch des Logos deutlich mehr Sinn in Sachen vorher (ihhh) und nachher (huiii).
Neville’s Ding ist schlicht, schön, zeitlos und hat trotzdem Druck. Why fix it, if it ain’t broken?
kux
helvetica hin oder her, aber die neue version ist einfach schwach.
das alte logo sieht viel besser aus.
jamie oliver
Ja es ist schade. Und Unsinnig. Sie hätten das Geld fürs Redesign lieber in die Website gesteckt. Ausserdem, vielleicht lieg ich da total falsch, sieht das Logo wie nach einer Verzweiflungstat auf die Reaktion des Pixellogos aus.
Kayzah
Der Kommentar vom HD Schellnack hat mir sehr gut gefallen.
Er hat es genau getroffen.
pixelpsycho
Oha … ich finde es das es ein Rückschritt ist. Wenn man «before» und «after» austauschen würde wäre es glaubwürdiger. ;-)
Brodys gefiel mir weitaus besser.
Simone
Wenn ich mich als reiner betrachter-nicht-designer dazu mal äußere: ich finde das neue logo nicht so schlecht. das alte find ich sehr ’50er‘ Jahre (und das ‚K‘ in Kulturen ist doch mal echt zu eckig… da könnte man was rein-interpretieren, nicht?). vielleicht ist es einfach der schwarze untergrund den ich austauschen würde. ich finde schwarz meist unpassend, hier zu hart im kontrast, vor allem im sinne des ‚haus der kulturen der welt’… ich glaube mit orange als untergrund sähe es schon viel besser aus (wobei es ja auch nicht unbedling orange sein muss). Und helvetica ist, wie man sieht, zeitlos und gut und die formen der schrift sind einfach sauber. Ich hätte die noch die wörter in den zeilen so verteilt, wie im alten logo – war doch sehr gut und prägnant.
microboy
helvetica ist vorallem zeitlos langweilig …
als wenn es keine anderen schriften gäbe!
Anke
Es ist sehr langweilig x-mal hintereinander zu lesen: „ach, schrecklich das neue Logo, ne?“. Diese Einigkeit im Niedermachen ist deprimierend. Und ich tue es mir auch nur an, um den seit langem gelungensten CI-Relaunch einer Institution zu verteidigen (das Logo ist ja nur ein Teil davon). Die Plakate, Karten, Broschüren usw. muss man in der Stadt erleben. Ich möchte nicht wissen, wieviele Leute, die sonst nie Plakate fotografieren, am Anfang die Plakate fotografiert haben. Weil sie so ungewohnt, interessant, auffällig, klar oder einfach nur schön waren. Weil sie aufgefordert und nicht überfordert haben, nicht blödsinnig für etwas geworben, sondern neugierig gemacht haben. Und zwischen den andern Plakaten extrem gut funktioniert und ihren Zweck genau erfüllt haben. Genau wie jetzt, in der Zwischenzeit, die anderen Werbemittel auch, über die ich mich nach wie vor freue, wenn ich sie entdecke. Und die es schaffen mich wieder neu für das Haus der Kulturen der Welt zu interessieren und den Staub der Jahre wegzupusten.
Hans
… die Farben sind wohl ad lib, nach den bisher beobachteten Einsatzmethoden (… Plakate, website). Kann orange sein, grün oder wie es der Kontext erfordert. HDs Kommentar hat ja eigentlich schon alles gesagt/zusammengefasst. Vielleicht sollte man gar nicht von einem Logo sprechen, sondern von einem »Gestaltungsmodul« (flexibel). Das alte Logo (von Cornel Windlin, nicht von Neville Brody, nach anderen Quellen, sonst wird er bald heilig gesprochen in diesem Kontext hier) hätte für das neue »Corporate Design«, das ja eher ein Kampagnen-Design ist, nicht notwendig redesignt werden müssen; sag ich mal ;-) cooler wärs allemal gewesen, auf ein quadratisches Pseudo-Logo im Legoraster zu verzichten. Damit wären sie auch dem berechtigten Vorwurf eines flauen/halbgaren Redesigns aus dem Weg gegangen.
Hans
@ Anke: Super Kampagnendesign, sag ich ja. Hier gehts aber ums »Logo«.
Simone
Danke, Anke!
tom
Redesign? Hoho. Ich dachte Redesign würde eine Verbesserung bedeuten.
Wie einfallslos und unnötig.
Ohne Profil, ohne Idee, keine Lösung – ganz im Zeitgeist der Aussagelosigkeit. Wie der Kommentar eines Politikers.
Der Architekt dieses Hauses hat sich da wirklich etwas einfallen lassen, schade dass es nun ein Logo bekommt, das eher zur Sterilität des Bundeskanzleramtes passen würde.
erik
Und helvetica ist, wie man sieht, zeitlos und gut und die formen der schrift sind einfach sauber.
es geht ja bei einer solchen wortmarke nicht um die schrift, sondern um die buchstabenformen. Und da fehlen den versalien der Helvetica einfach kontrast und rhythmus. Die strichstärke ist weder laut noch leise, das R ist das schlechteste R einer grotesk überhaupt, das wort HAUS ist zwangsläufig sehr dicht, KULTUREN ist löcherig. Die laufweite solcher zeilen muss man so einstellen, dass die engsten und die weitesten stellen berücksichtigt sind, denn ein kompromiss ist es immer. Natürlich sieht das alte logo (das Cornel gemacht hat während seines praktikums bei Neville, aus Brody buchstaben) maniriert und in die jahre gekommen aus, aber eine richtige wortmarke braucht etwas mehr sorgfalt. Wenn schon Helvetica, dann einen anderen schnitt (der 65er der Neuen ist prima, wird aber meistens ignoriert), denn die schrift steht negativ, und da wirkt bold wie extrabold. Und man könnte ja an den Rs etwas rumschrauben, damit sie nicht wie kaputte Bs aussehen.
Vielleicht hat mal einer zeit (ich gerade nicht) zu zeigen, wie zeitlos, unaufgeregt, unmodisch, cool, aber handwerklich geschickt diese marke aussehen würde in Futura, Akzidenz Grotesk, Gill oder so. Nicht Meta, Thesis oder Scala, das wäre ja modisch!
Aber – wie man auch in dieser diskussion lesen kann – geht es nicht um die schrift oder um die wirkung des zeichens, sondern um Helvetica als ideologie, als angebliches statement von neutralität und coolness. Alles quatsch: diese marke ist einfach lieblos und handwerklich schlecht gemacht, aber die gestalter verschanzen ihr unvermögen oder ihre langeweile hinter dieser pseudo-philosophie, dass sie das ja alles ganz bewusst gemacht hätten.
Dummheit, Faulheit und Eitelkeit sind die apokalyptischen reiter der gestaltung.
Anke
Uups, wußte nicht das „Niedermachen“ hier dazugehört, beim Kampf um gute Typo.
Oliver Adam
Ich finde nicht, dass hier »niedergemacht« wird. Oft wurden hier im Fontblog gute Gestaltungsarbeiten auch gelobt. Aber es muss auch erlaubt sein, konstruktive Kritik zu üben, was die meisten hier auch tun. Ich finde, man kann sogar sehr gut von den Kommentaren für seine eigene Arbeit lernen, wenn man sie reflektiert …
HD Schellnack
Hm, ich halte mich schon eher oft zurück :-D.
Aber hier ist vorher/nachher so falsch, dass man schon zuckt. Und ich mag ja diese coole Neo-Swiss-Welle, die derzeit überall schwappt und die Raffael Stüken auch mal brutal in mein Blog gefummelt hat. Es ist keine Kritik an den Designern an sich, sondern an der Frage, inwieweit dieser Ansatz authentisch und ehrlich zu dem passt, was das HdK de facto macht.
Anke
Wenn erik sagt: „diese marke ist einfach lieblos und handwerklich schlecht gemacht, aber die gestalter verschanzen ihr unvermögen oder ihre langeweile hinter dieser pseudo-philosophie, dass sie das ja alles ganz bewusst gemacht hätten. Dummheit, Faulheit und Eitelkeit sind die apokalyptischen reiter der gestaltung.“, dann ist das konstruktive Kritik, bei der die Gestalter was „lernen“ sollen? Hier herrscht eine völlig unverständliche Arroganz, die nicht nur die Gestalter, sondern auch die Kunden beleidigt.
Jürgen
Jürgen
@Anke
Ich stimme Dir zu, dass Begriffe wie »Dummheit«, »Faulheit« und »Eitelkeit« in einer konstruktiven Kritik nichts zu suchen haben.
HD Schellnack
Futura und Gill sehen – erik hat Recht – schon deutlich netter aus. Selbst die Akzidenz macht schon mehr her – as usual. Ist aber so abstrakt schlecht, weil diese Schriften tatsächlich nicht zu dem Rasterkastendesign des Gesamtauftritts passen würden.
Ich werde ja nach wie vor die Ahnung nicht los, das der zuerst gesehene Entwurf – nur «das Haus» und in dieser Blockschrift – die eigentlich Idee war. Und als es dann Kritik gab, kommt so eine Kompromisslösung. Insofern kritisieren wir vielleicht etwas, was der Designer selbst nicht mochte? Wie oft machen wir alle faule Kompromisse?
Ich selbst hätte an Cornells Entwurf bestenfalls ein paar exaltierte Besonderheiten rausgenommen – wenn man schon muss, eigentlich macht das russisch angehauchte K die Sache ja auch spannend, ebenso die sehr wienerisch anmutenden anderen Buchstaben.
Es ist schon seltsam.
Die Kunden mit den schlimmsten Logos wollen sie auf KEINEN FALL verändert haben – und man muss irgendwie sehen wie man mit dem Trumm dann leben muss. Da, wo man selbst eigentlich gar nichts ändern will hingegegen, verlangt der Kunde etwas neues.
Wir Designer sollten – wie Architekten – ein Gespür für Bewahrung und Respekt entwickeln. Lasst uns einstampfen, was Scheiße ist, Zeitgeistfragmente, miese Handarbeit… aber bewahren was gut und richtig und mit hoher Schöpfungskultur versehen ist. Das hat auch etwas mit grafischer Denkmalkultur zu tun, die hier durchaus angemessen ist.
Ohne es persönlich zu meinen, diese Verschlimmbesserung ist leider in den Basics nicht besser als das neue UPS- oder das neue DC-Logo. Etwas Gutes, Bewährtes wird abgerissen und durch etwas weniger überzeugenderes ersetzt.
Schaut euch den Durchschuss von dem Windlin/Brody-Design an, die Proportionen, in denen die Schrift in der Fläche steht, da ist so viel so intuitiv einfach richtig. Ich mag nicht mehr viel von Brodys alten Arbeiten (zu zeitgeistig, nicht so cool geklaut wie Saville, zu viel Haarspray und Shoulderpads), aber das HdK, den ORF und die Magnum-Sachen sind zeitlos gut, fast makellos. Da pinkelt man nicht einfach so drauf, oder???
Jürgen
HD ist wieder in Topform … ich freue mich. Der Urlaub muss ihm wohl bekommen sein ;-)
Etienne
interessante debatte dies – mit einigen ausrutschern zwar.
ich war gestern im hdkdw. lange gespräche mit meinen nicht-design-begleiterInnen, ob das programmheft stil vermittelt oder vor allem zu schlecht lesbar ist oder doch nur unübersichtlich – oder neugierig macht, ob die plakat- und postkartenmotive passend sind… in jedem fall zeigt sich ein großes interesse über die form zu sprechen – mir scheint, dann hat ein wichtiger teil der kampagne schonmal funktioniert. ich war ohnehin von den plakaten im stadtbild ähnlich angetan, wie anke es oben schreibt. ein echtes glanzstück, das ich dem hdkdw in seiner vor-umbau-phase nicht zugemutet hätte – das hatte nämlich unter gestaltungsgesichtspunkten seit der arbeit von cornel kontinuierlich abgebaut hatte. positive überraschung also. ich finde die block-schrift von vit dazu – spielerisch zwischen form und schrift – spannend und animierend.
über der bühne prangt dann das helvetica-quadrat und in der tat kratzt das sehr an meinem guten eindruck vom redesign zur wiedereröffnung. vor allem, was HD über die schlechte raumaufteilung schreibt, spricht mir aus der seele. nichts pauschales gegen helvetica, aber paßt es nicht besser zum haus und seinem themenspektrum auch über die im logo verwendete schrift einen charakter/eine stimmung zu etablieren?
auch in den schönen kampagnen-materialien zeigt sich bei näherem blick etwas unfertiges, unsauberes, das grob wirkt – als hätte die zeit nicht mehr gereicht. spannende titelbilder, die vor allem in ihrer gesamtheit gut funktionieren. im detail (auf den innen- und rückseiten) aber nicht mit genug liebe zuende gebracht?
aber: freude über eine auffällige kampagne, einen mutigen start in eine neue phase des hdkdw. und darüber, dass wir diesen ort zurück haben.
Etienne
farben: lt kampagne
font: foundry monoline
Matthias
in der Schlichtheit liegt die Kunst. Ich finde die neue Variante besser, obwohl sie zugegebenermaßen, wie schon hier mehrfach betont, nicht sensationell neu ist. Die Idee mit zwei Strichstärken zu hantieren kann aber einen zsl. Pepp bringen.
Hans
> Und man könnte ja an den Rs etwas rumschrauben, damit sie nicht wie kaputte Bs aussehen.
Erst mal Danke an Erik Spiekermann für diese Beobachtung, es gibt wohl wenige Menschen, die sich so eingehend mit dieser Schrift beschäftigt haben und ihre Abneigung auch genau begründen können.
Es gibt viele Arten, den Bandwurmbegriff Haus der Kulturen der Welt zu setzen. Als
HAUS
DER
KULTUREN
DER
WELT
stehen zwei kaputte Bs (in Helvetica) übereinander. Speziell in dieser Anordnung fällt der zweimal vorkommende Artikel DER erst recht auf.
Bin ich eigentlich der Einzige, den das nervt? Die Betonung des Wortes KULTUREN (weil es deutlich länger ist als die anderen) in dieser Anordnung könnte man ausnutzen, durch, na sagen wir mal einen zsl. Pepp (s.oben), schlicht und ergreifend. Der würde dann vielleicht von der Doppelung der Artikel ablenken. Das wär auch mein Kritikpunkt am redesign vom redesign mit foundry monoline: why fix it if it ain’t broken? Durch die unterschiedliche Strichstärke kriegen die beiden Artikel, die sich in der alten Anordnung ganz harmonisch einreihen, zusätzliche visuelle Aufmerksamkeit, die sie gar nicht kriegen sollen, oder?
HD Schellnack
Wie, das Ding von Etienne ist doch nur ein Beispiel gewesen oder? Nicht schon wieder ein Redesign des neuen Logos? Verstehe ich das falsch… ich dachte es sei, wie Jürgens Bilder, nur eine Demo, wie es anders wirken würde mit anderem Einsatzu von Schrift/Strichstärke usw.
Mir fällt gerade auf, die schwarze Helvetica-Variante hat irgendwie etwas vage 70s-DDR-mäßiges. Auch wenn die Helv dafür nicht ganz das richtige ist. Aber irgendwie dieses bräsig strenge… was ja manchmal cool ist. Nur denk ich da nicht an Abende voll Musik, Film, Lesungen, Performannce, sondern an Aktenschränke und staubiges Licht.
Marc
Irgendwie zieht sich das bei double standards wie ein roter Faden durch die Karriere. Sie haben das CD und Logo des Hebbel-Theaters zerhauen zu HAU1, HAU2 und HAU3 (www.hebbel-theater.de). Die Berlinale Plakate zermatscht. Und nun stochern sie mit Ihren Versalienkäse im Haus der Kulturen der Welt Logo herum! Ich kenne kein Berliner Büro das soviele Berliner Kultureinrichtungen in so kurzer Zeit bedient hat. Bewundernswert! Hat wirklich was von »apokalyptischer Reiterei«. Die/Der Nächste bitte!
Chris Rehberger
Liebe Blog-Teilnehmer,
Zermatscht, zerhauen, Versalienkaese und vieles andere in frueheren Beitraegen… man fasst kaum mit welchen Mitteln und welcher Hochnaesigkeit Kommentare auf unterstem Niveau geaeussert werden. Wie sich klaeglichster Privatgeschmack ohne Wirkung in die erste Reihe zu draengeln vermag. Achtung, auch Hippies draengeln. Erbaermlich. Mit Verlaub, darauf kann sich niemand ernsthaft einlassen.
Der springernde Tiger endet als Sofadecke im Nebenzimmer.
Ja, es gibt noch viel zu tun … und schon geht es weiter.
Herzlichen Dank.
Hans
Gern geschehen. Danke vor allem für den springernden Tiger, der nun unseren kleinen Zoo bereichert und direkt in den Käfig neben den apokalyptischen Reitern gesperrt wird. Lyrisch auf jeden Fall top, vielleicht sogar ein wenig over the top.
HD Schellnack
Chris, weniger dünne Haut haben. Ihr macht viele gute Sachen – HAU finde ich exzellent, das Tabataicover ist schön, lots of good stuff… aber man muß auch mal ne blutige Lippe kriegen. Wir wissen alle nicht, in welchen prozessen das Logo entstand, wie zufrieden ihr selbst mit dem Ergebnis seid. Statt zurücktreten, einfach mal teilhaben lassen und den Prozess transparent machen, austauschen. Design ist kein Vakuum mehr. Sei froh, wenn solches Feedback kommt, nimm mit, was du brauchen kannst, ignorier den Scheiß, der dich anfrisst. Ich find zB die auf eurer Site gezigten Plakate strukturell dufte, aber das «Logo» nach wie vor unglücklich gemacht. Nicht mal an sich – ich steh ja auf so minimalhouse. Aber es passt nicht zur Party, die da bespielt wird.
Und für alle betreffenden hier gilt, glaube ich… es geht nicht um PrivatGESCHMACK. Wir alle wissen als Designer, dass man über Geschmack eben nicht streiten KANN.
robertmichael
also hau123 habe ich gerade zum ersten mal gesehen und ich fands auf anhieb auch großartig …
Anke
Da wird jemand völlig fertiggemacht, sowohl persönlich (Dummheit, Faulheit usw), als auch die Arbeit (zermatscht, Käse usw) und dann wird auch noch in merkwürdig gönnerhafter Arroganz eine Zusammenarbeit eingefordert (einfach mal teilhaben lassen… den Prozess transparent machen…) Das ist keine Atmosphäre des Austausches, sondern der Indoktrination (du mußt dich hier mal kurz schlagen lassen (blutige Lippe) damit du auch brav was von uns lernst!). Woher kommen die ganzen Lehrer und woher nehmen Sie sich das Recht? Hier kriegt man gar keine Luft mehr.
erik
Unsere arbeit ist öffentlich, darin liegt ihr sinn und dafür werden wir bezahlt. Ich habe mir auch schon böse kritik anhören müssen, egal, ob ich sie gerechtfertigt fand oder nicht. Und natürlich ist immer ein wenig neid dabei. Aber ich habe in erster linie handwerklich argumentiert.
Die nennung der apokalyptischen reiter der gestaltung ist ein aperçu, den ich schon öfter gebraucht habe. War als generelle anmerkung gedacht und stimmt auch so. Wer das persönlich nimmt, muss mit seinem schlechten gewissen leben. Oder sollte eine arbeit machen, die nicht jeder sieht.
Da geht es in der musik- und filmkritik wesentlich herber zu. Leider gibt es ja keine designkritik, sondern normalerweise nur lobhecheln von leuten, die sich den (vermeintlichen und momentanen) stars anbiedern wollen oder auf jobs hoffen.
HD Schellnack
Anke, gönnerhafte Arroganz liegt mir völlig fern. Wenn man als Designer etwas produziert, ist es heute – vor allem online – so, dass man damit auch mal riskiert, eins auf die Backe zu kriegen. Da kann man dann beleidigt sein, oder man sieht es so wie immer im Design: Irgend einer meint immer, es besser zu wissen. Dein Prof, eine Jury, der Kunde sowieso. Was hier aber passiert, ist ein Austausch unter Peers, hitzig vielleicht, aber unter Gleichgesinnten. Niemand will hier irgend wen eintüten und jeder von uns weiß, wie viel Kompromisse und Schwierigkeiten in einem Job stecken. Ich krieg gerade die Ohren dicke für das Redesign meines privaten Blogs, und die Sachen die ich mag, versuche ich zu verteidigen, bei anderen Sachen höre ich zu und ändere was. Diskurs ist immer gut. Und wenn er in streitbarer Form ausgetragen wird, hey… dann hängen wenigstens Gefühle mit drin und alle haben auch Spaß dabei. Mit Lehrerhaftigkeit hat das am allerwenigsten zu tun und – ganz im Ernst – so eine Mimosenhaftigkeit gibt unsere Branche, wie die Kunstbranche und schon gar nicht die Architektur, wo immer Blut im Wasser ist, einfach nicht her. Du machst was, es wird kritisiert (weil öffentlich) und dann stehste da und verteidigst dein Baby mit Fug und Recht oder machst dir Gedanken, ob die anderen vielleicht mal Recht haben.
Erik hat – nebenbei – Recht. Wenn du ein Buch schreibst, einen Film drehst, kannst du Kiloweise überall Leute haben, die dich kritisieren, egal wie viel Liebe du in das Werk gesteckt hast. Jeder Zuschauer, egal wie wenig Ahnung er von Regie, Produktion, Drehbuch oder Schauspielern hat, ist ein Kritiker. Jeder einzelne erzählt seinen Freunden: «Ey, Meister, den Film solltest du dir ersparen». Oder:«Hammer. Geh da rein.» Völlig normale Sache. Und nur ein Zeichen der Gesundung unserer schrecklich abgekapselten, kulturentwachsenen kleinen Inzestgruppe von Gestaltern, dass es wieder, wie in den Zwanzigern und Fünfzigern, brennende Debatten über Schön und Würg gibt. Kann niemanden schaden, auch wenn mal auf ein Ego getreten wird, was sicher im Einzelfall immer weh tut.
Diese Peer-Critic zu haben, ist ein ganz wichtiges Werkzeug, wenn wir als Branche Qualitätssicherung haben wollen. Da geht es nicht nur «Meinung», sondern tatsächlich um «Geschmack», im Sinne des geschulten, informierten neutralen Gespürs für Richtig und Falsch von Profis, nicht im Sinne des privaten «find ich aber dufte jetzt, irgendwie so». Das ist ein großer Unterschied.
Wir sind derzeit full circle. Die Helvetica, vor wenigen Dekaden noch der Inbegriff von Piefigkeit und Bürokratie, ist wieder hip geworden, weil ihre scheinbare Neutralität so gut zu allem passt. Ich mag sie ja auch. Und es gibt phantastische Beispiele dafür, dass sie funktioniert. Nur eben nicht als eine Art Schweizermesser in jedem Fall, so wie Baumann und Baumann semipauschal zur Rotis greifen. Es gibt derzeit ein Wiederaufblühen eines bürokratisch neutralen Looks, viel Müller-Brockmann, aber ohne dessen Herz und Künstlerseele, viel Schweiz. Raffinerie, 123… selbst Raffael Stükens Remix meines Blogs ist Helvetica und Striche. Aber das geht ja auch wieder vorbei :-D.
Nur in diesem einen Falle, für diesen Ort, passt es nicht. Es ist legitim, darauf hinzuweisen.
Heike Sperling
Na, hier geht es ja mit Sachverstand und Respekt zur Sache. Richtig gemuetlich bei Euch.
Chris: Nobody does it better! Mit Sachverstand, Herz und Intelligenz. Meinen allergroessten Respekt fuer meinen Lieblingstypographen.
You know what happens to those standing in the middle of the road…
;-)