Fontblog Artikel im April 2007

Eine Website, in der Küche gestaltet

Wenn ich mehr Zeit zum Lesen hätte … ich würde das Buch »No one belongs here more than you.« von Miranda July sofort kaufen. Ihre poeti­sche Küchen-Webseite hat mich über­zeugt! (Via: Achtung Werbung)


Deutsche Entscheider: »Generation Web 0.0«

Thomas Knüwer schreibt im Handelsblatt: Über das Internet Bescheid zu wissen »ist keine Frage des Alters, sondern des Willens. Und deshalb gibt es auch so viel Aufruhr um Themen wie Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung: Sie greift in das Alltagsleben der Bürger ein. Doch dieser Alltag liegt den Entscheidern so fern, dass sie nicht mal ahnen, weshalb so viele Menschen erbost sind. Unsere Politiker und viele Manager bewegen sich hier in einer anderen Welt. Dumm nur, dass sie auf diesem Planeten, im Deutschland des Jahres 2007 wich­tige Positionen bekleiden.« Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Michael Glos lässt surfen und ist stolz darauf, gerade mal sein Handy bedienen zu können. Knüwer hat den sehr lesens­werten Beitrag soeben komplett in sein Weblog Indiskretion Ehrensache gestellt. (Abbildung aus: Parole, dem eben veröf­fent­lichten kosten­losen Polit-Font)


Kostenloser Agitprop-Font »Parole«

Garniervorschlag an Beton: Natürlich eignet sich die Schrift ›Parole‹ glei­cher­maßen für Drucksachen, T-Shirts, Wollpullover, Transparente, Banner, Fahnen, …

Zum dritten Mal mischt sich FontShop mit einem kosten­losen Font in eine gesell­schaft­liche Debatte ein. Nach Rettet das Ampelmännchen (1996) und der WM-2006-Einwechselschrift Trivia (2006) möchten wir heute einen typo­gra­fi­schen Beitrag zur Stasi-2.0-Diskussion leisten. Angeregt von der Schäublone bei Dataloo (Fontblog berich­tete: Grafischer ziviler Ungehorsam) fragten wir uns: Ist es nicht sinn­voll, einer breiten poli­ti­schen Debatte eine exklu­sive Schrift in die Hand zu geben, damit diese visuell geschlossen auftreten kann? Ein Kampagnen-Font für die Sicherheitsdebatte also, die demnächst nicht nur in Bundestag, Bundesrat und Bundespräsidialamt statt­finden wird, sondern auch auf der Straße.

Wir haben uns mit Dataloo kurz­ge­schlossen und gemeinsam einen Font entwi­ckelt, der ›Parole‹ heißt, auf der DIN Schablonierschrift von Marian Steinbach basiert und von FontShop erwei­tert wurde: Konvertierung ins OpenType-Format sowie Integration von Polit-Portraits und Stasi-2.0-Logo; als OT-Schrift läuft der Font auf Mac OS X und Windows.

Die Schrift enthält 19 Polit-Portraits und 1 Logo auf den folgenden Tasten-Positionen: , §, $, %, (, ), #, , *, +, /, , =, >, @, [, ], {, } und ^. Wer mit Parole in einem OpenType-fähigen Programm arbeitet und die kontext­sen­si­tive Ersetzung akti­viert hat, darf sich an einer Automatik erfreuen: tippt man die Tastenkombination <am, erscheint Angie, tippt man <eh erscheint Honni am Bildschirm und so weiter.

Was darf man mit Parole machen? Es gilt die Creative-Commons-Lizenz Namensnennung • Weitergabe unter glei­chen Bedingungen; Namensnennung ist nur bei kommer­zi­ellen Produkten im Rahmen eines Impressums oder einer Credit-Zeile erfor­der­lich, in der Form Schrift: »Schrift/Abbildung: Parole von www​.font​blog​.de« oder »Schrift/Abbildung: Parole von www​.dataloo​.de«).

Wie bekommt man den Parole-Font? Entweder hier im Fontblog down­loaden, oder bei Dataloo (.zip-Datei, bestehend aus 1 OT-Fontdatei und 1-Read-me-PDF).


Lesenswert: »50 Jahre Helvetica« (SpOn)

»Zu ihrem 50. Geburtstag widmet das New Yorker Museum of Modern Art der Schrift Helvetica eine Ausstellung. Denn Experten schätzen, dass sie die popu­lärste Schriftart der Welt ist.« schreibt Spiegel Online heute. Das wissen die Leser des Fontblogs natür­lich schon lange. Zum Beispiel durch diesen Beitrag (Erstes Font-Ranking) und durch diesen (Platz 1: Helvetica). Und nie war sie so preis­wert wie hier … Alles weitere: www​.100bes​teschriften​.de.


Design-Mitmachkampagne gegen Gewalt

Im März star­tete der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe eine Werbekampagne unter der Schirmherrschaft der Familienministerin Ursula von der Leyen mit dem Ziel, die Situation betrof­fener Frauen durch verstärkte Aufklärung zu verbessern.

Bei der Auftaktveranstaltung in der Akademie der Künste am Pariser Platz stellte die Promiköchin Sarah Wiener das erste Plakatmotiv vor. Die zentrale Idee besteht darin, Prominente aus den Bereichen Kultur, Medien und Gesellschaft zu ihrer Haltung zum Thema Gewalt gegen Frauen zu befragen. Diese »Standpunkte« werden mit Fotografien der jewei­ligen Beine oder Füße als Anzeigen veröf­fent­licht. Begleitend wurde die Homepage www​.frauen​-gegen​-gewalt​.de eingerichtet.

Heute startet auf der Marketing-Marktplatzseite www​.innup​.de ein Aufkleber-Wettbewerb. Kreative sind aufge­rufen, bis zum 09. Mai Motive für die bff-Kampagne unter dem Motto »Gegen Gewalt an Frauen« einzu­senden. Das Gewinnermotiv wird als A6-Aufkleber in einer Auflage von 10.000 Stück gedruckt, des weiteren erhält der/die Siegerin und die folgenden neun Teilnehmer/innen einen Preis in Form von Druck-Gutscheinen.


Schönste-Bücher-Katalog: dickes Ding!

Zunächst war ich scho­ckiert, als ich am Freitag den Katalog des Wettbewerbs »Die schönsten deut­schen Bücher 2006« aus der Post fischte: 424 Seiten, 3 Zentimeter Buchrücken. Wer soll das lesen? Seit 12 Jahren sammle ich den jähr­li­chen Katalog, der durch­schnitt­lich 160 Seiten auf die Waage brachte. Nun dieses Trumm, ein fettes Buch … aha: Ein Buch!

»Wie teilt man die Begeisterung über ein Buch, mit dem man sich Stunden oder Tage beschäf­tigt hat …? Indem man anderen ein Bild des Buches zeigt? Wohl kaum. Ich denke: Über diese Begeisterung muss man berich­tend erzählen, Worte verlieren.« mit diesen Sätzen lud der Katalogmacher Bernd Kuchenbeiser renom­mierte Autoren ein, um über eines oder mehrere der ausge­zeich­neten Bücher Texte zu verfassen, darunter Jean-Christophe Ammann, Rudolf Paulus Gorbach, Eckhard Henscheid, Klaus Hesse, Jost Hochuli, Victor Malsy, Manfred Sack und Roger Willemsen. So entstand ein volu­mi­nöser, radi­kaler und mutiger Katalog, ein Buch, das der Herausgeber, die Stiftung Buchkunst, unein­ge­schränkt unter­stützte. Der Katalog 2006 ist eine Hommage an das Lesen, das über die Lektüre einen leben­digen Zugang zu den vorge­stellten Büchern ermög­licht. Tatsächlich habe ich es in einem Rutsch – mit großer Freude – durchgearbeitet.

Teil 1: Titelabbildungen alle ausge­zeich­neten Bücher, vier­farbig auf Bilderdruckpapier 

Wie immer ist der Katalog reich­haltig ausge­stattet: drei Papierarten, 250 g/m²-Einband, Fadenheftung, vorzüg­liche Typografie aus Fred Smeijers Arnhem (Text), und Pau Renners Futura (Neufville-Version für Ordnungszahlen, Jurybegründung und Auszeichnung).

Durchgehend zwei­spra­chig (deutsch, englisch) glie­dert sich das Werk in 3 Teile, die sich bereits beim ersten Durchblättern durch unter­schied­liche Papiere haptisch ankündigen:

a) S. 1 – 70: Die Titelseiten der Bücher – eines pro Seite –, vier­farbig, auf Bilderdruckpapier
b) S. 71 – 312: Die Jurybegründungen, tech­ni­sche Daten sowie Essays zu ausge­wählten Büchern auf Werksatzpapier
c) S. 313 – 424: Der Anhang, mit Jurybericht, Innenansichten der Bücher, 1:1-Satzmuster, Listen und Verzeichnisse auf Recyclingpapier

Teil 2: Juryberichte, tech­ni­sche Daten und Essays renom­mierter Buchkenner über die ausge­zeich­neten Titel, einfarbig auf Werksatzpapier 

Der Anhang enthält eine aufschluss­reiche Bildstrecke, die eine typi­sche Doppelseite der prämierten Bücher (stark verklei­nert, schwarz­weiß) zeigt, jedoch ein Satzmuster in Originalgröße darunter stellt. Für letz­teres hätte man sich eine bessere Auflösung gewünscht (2500 lpi 1-Bit-SW-Scan), doch mit tole­rantem Blick lässt sich die typo­gra­fi­sche Qualität der meisten Bücher gut bewerten.

Teil 3: Innenansichten der Bücher und 1:1-Satzmuster, einfarbig auf Recyclingpapier 

Ohne die groß­zü­gige Hilfe von Sponsoren und der Fördermitglieder der Stiftung Buchkunst wären weder der Katalog (nur 15,00 €, hier bestellen), noch der Wettbewerb finan­zierbar. Ich kann nur jedem empfehlen, der sein Geld mit der Gestaltung und Herstellung von Büchern verdient, Mitglied des Freundeskreises der Stiftung Buchkunst zu werden, damit die verdienst­volle Arbeit weiterhin gesi­chert ist. FontShop ist bereits seit 10 Jahren Förermitglied, und ich bin eigent­lich etwas verwun­dert, damit zu einem über­ra­schend kleinen Kreis von 12 fördernden Firmenmitgliefern zu gehören (darunter zwei Frankfurter Geldinstitute). Glücklicherweise ist der Kreis persön­liche Fördermitglieder doppelt so groß. Die Beiträge zahlen Druckereien und Verlage aus der Kaffeekasse: Firmen 1.100 € jähr­lich, fördernde persön­liche Mitglieder 260 €, einfache Mitglieder nur 75 €.


Die falschen Flaschen der Uni Wuppertal

Produktverpackungen in Flaschenform waren im vergan­genen Wintersemester Thema eines Projektkurses im Fach Visuelle Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal (Leitung: Prof. Hans Günter Schmitz). Das Motto des Projektes: Fake – Lüge – Täuschung – Illusion.

22 Studentinnen und Studenten analy­sierten im Supermarkt Texte und Bilder von Verpackungen. Anschließend agierten sie als Produkt- und Markenmanager, als Texter, Werber und Designer. Sie konzi­pierten neue, provo­kante Produkte, um die Mechanismen der Markenwelt unter die Lupe zu nehmen. Dabei sollten Grenzen über­schritten, sollte provo­ziert und Zukünftiges vorweg­ge­nommen werden. So entstanden 82 fiktive Pullen – einschließ­lich der Werbung dafür –, »von denen einige hoffent­lich nie Realität werden« ( Schmitz).

Im Rahmen des Designmai in Berlin wird das Wuppertaler Projekt am 15. Mai vorge­stellt, beim DesignCampus, veran­staltet von MetaDesign.

Die Entwürfe – von oben nach unten – stammen von Tobias Wienholt, Christina Beckedahl, Andreas Roffmann und von Jaroslaw Byra. (Via: Page Online)


Die hohe Kunst des Radierspiels

In den USA ist das Zeichenbrett Etch A Sketch in jedem Kinderzimmer zu finden. Die Technik erin­nert an ein Wachs-Radierung, wobei man das Kratzwerkzeug mittels zweier Drehrädchen in der Horizontalen und der Vertikalen bewegt. Wer jemals versucht hat, auf Etch-A-Sketch einen Kreis zu zeichnen weiß, dass die Erfolgskurve sehr, sehr flach ist.

Ein wahrer Meister ist ist der Etch-A-Sketchist alias Elliot Sharron. Auf der eigenen Website und auf Flickr zeigt er seine schönsten Werke, die er kurio­ser­weise über­wie­gend vom Fernseher oder dem Computer-Bildschirm abzeichnet. Ganz ehrlich: Ich glaube, dass es sich bei den Abbildungen um Fotomontagen handelt.

Wer selbst mal eine Radierung anfer­tigen möchte, kann dies auch online versu­chen (mit den Pfeiltasten der Computer-Tastatur). (Via tuaw​.com)