Veräppelung: The Beatles Reloaded

weisses_albumSeit langem verfolge ich die digi­tale Verfügbarkeit des Lebenswerks der Beatles, was im Fontblog bereits 4-mal seinen Niederschlag fand:
1/4 Beatles jetzt in iTunes (Mai 2007)
1/2 Beatles jetzt in iTunes (August 2007)
3/4 Beatles jetzt in iTunes (August 2007)
4/4 Beatles jetzt in iTunes (Oktober 2007)

Alle Solo-Projekte von Paul McCartney, John Lennon, Ringo Starr und George Harrison sind inzwi­schen legal down­loadbar. Was fehlt, sind die 13 Alben der Beatles (also ist 4/4 noch kein Ganzes.).

Die Fans der Fab Four fieberten jüngst dem 9. September entgegen. Dies war sowohl der Erstverkaufstag des erst­mals digital abge­mischten Beatles-Katalogs (auf 13 CDs) als auch der Launch von iTunes 9.0, mit neuen visu­ellen Features. Unter anderem lassen sich jetzt Alben mit Cover-Art, Texten und Bonusmaterial veröf­fent­li­chen. Während die Beatles-Fans bereits 1 + 1 zusam­men­zählten (= 2) und auf eine Wiedergeburt ihrer Idole im iTunes-Store hofften, ruderte die Plattenfirma EMI noch a selben Tag zurück und demen­tierte die Gerüchte. Und so blieb es beim armse­ligen Angebot von 6 Alben in neuer iTunes-LP-Ausstattung.

Auch ich war enttäuscht und kaufte mir nun doch mein Lieblingsalbum The Beatles (das »Weiße Album«) in der Remastered-Qualität als CD – defi­nitiv meine letzte. Und defi­nitiv das letzte Mal, das ich mich von einer Plattenfirma veräp­peln ließ. Keine Spur von Qualitätsverbesserung. Man höre nur mal das Piano-Intro von »Martha My Dear« und die ersten Takte des sich anschlie­ßenden »I’m So tired« – da rauscht es im Hintergrund immer noch so stark wie vor 40 Jahren auf Vinyl.

In einem engli­schen Forum zu diesem Thema habe ich dann den folgenden Kommentar gefunden, denen ich mich unein­ge­schränkt anschließe: »This remas­tered edition is one more example how big record compa­nies (in this case EMI) steal money from music lovers. A little bit of EQ, limi­ting and almost none of the noise reduc­tion (just listen to ›I Want You (She’s So Heavy)‹ from the album Abbey Road, with loads of tape hiss), that’s what Apple Corps has to offer to Beatles fans? They spent four bloody years (so they said) remas­te­ring the lousy stereo and mono masters, instead of remi­xing the multi­tracks like it was done for ›Anthology‹, ›Let It Be Naked‹ and ›Yellow Submarine Songbook‹.

Example – go to www​.bbc​.co​.uk (Radio 2) and find the show ›The Record Producers‹, episode with George Martin. Listen to the end of that show, when they’re analy­sing the mix of ›Come Together‹. You will hear the perfect clarity of that great recor­ding, channel to channel, then joined toge­ther in a mix… and then compare it with the new ›remas­tered‹ (yeah, right) version. Oh, what a diffe­rence, isn’t it?

So, now we have this … 22 years after the first appearance of Beatles on CD we get almost the same thing … this time with a touch of bass and treble enha­ce­ment and removal of some bad edits. Very, very disap­poin­ting. It’s shocking to read all the reviews and comm­ents prai­sing this box.

And what will happen next … in five or ten years they (EMI) will probably decide to do the real remixes, inclu­ding 5.1 versions … and we’ll have to pay again for some new box.«


16 Kommentare

  1. Dave

    Hmm also ich bin kein Beatles Fan oder Kenner… aber gibt es das „white album“ nicht in Mono und Stereo? Ich meine in der original Fassung von 68! Wenn nun jemand die alte Mono hat und sich die neue Stereo kauft… der sollte doch einen Unterschied merken oder liege ich da falsch?

  2. Ralf

    Also ich bin froh, wenn irgend­welche „remas­terte“ Musik nicht über-kompri­miert oder gar neu gemischt wird. 1:1 die LP, aber halt digital, finde ich wunderbar. So kenn ich die Titel, so liebe ich die Titel. Nur die vier Jahre versteht man wirk­lich nicht.

  3. Jürgen Siebert

    @Dave: Das Weiße Album war tatsäch­lich das letzte Beatles-Album, das sowohl in einet Stereo- als auch in einer Mono-Abmischung auf den Markt kam (in den USA aller­dings nur noch in Stereo veröf­fent­licht). Nach dem teils orches­tralen Sgt. Pepper’s (1967) wurde dem Stereo-Mix jedoch von da an mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Ich habe bei meinem Klangvergleich Stereo mit Stereo vergli­chen, und zwar Vinyl 1970, CD 1988 und CD 2009.

    @ Ralf: Ich finde es auch gut, dass der Charakter der Songs nicht ange­tastet wurde und frühe Artefakte der Stereophonie (Ping-Pong-Stereo, 100 % Kanaltrennung und Pseudo-Stereo) erhalten blieben. Kein Verständnis habe ich für Rauschen, Drop-outs und die verschenkte Chance, die Songs in ein zeit­ge­mä­ßeres (trans­pa­rentes) Stereo-Bild zu setzen.

  4. Michael Müller-Hillebrand

    Schönen Dank für den Report und das Zitat.

    Auch iTunes LP gehört zu den Versuchen uns etwas zu erneut verkaufen, was mancher schon einmal gekauft hat. Es zu berichten, dass seit heute 7 (sieben) Longplayer erhält­lich sind (neu ist MIKA). Meine eigene Einschätzung dazu habe ich anhand des Debüts von Norah Jones ermit­telt und bei schall​plat​ten​mann​.debeschrieben.

  5. Simon Wehr

    Letztens hat eine Frau im Deutschlandradio Kultur 20 min. lang die neue Box gelobt und gerade die subtilen Verbesserungen ange­priesen. »Auf einer guten Stereoanlage ist das schon ein Erlebnis« war so unge­fähr die Aussage. Dem anschlie­ßenden Direktvergleich inner­halb eines Stückes habe ich dann sehr aufmerksam gelauscht …
    … und keinen Unterschied fest­stellen können!
    Da habe ich laut gelacht und mich gefreut, dass auf meinem Küchenradio die neue Version genau so bril­liant klingt wie die alte!

    – Ok, es handelt sich um ein Mono-Schrebbelgerät von Tchibo ;-))

  6. bibo

    Oh jeh! Was erwartet ihr denn? Die Klassiker der Beatles sind eigent­lich unan­tastbar – komisch, dass es nur einen „über­kom­pri­miert!!!“ – oder sogar „neu gemischt!!!“- Kommentar hier gibt.
    „I’m So tired« – da rauscht es im Hintergrund immer noch so stark wie vor 40 Jahren auf Vinyl.“
    Tja – so ist das halt. Das Rauschen bekommt man nicht weg (ausser mit massiven Eingriffen, die alles andere kaputt machen). Das ist auf den Masterbändern so drauf. Das ganze Beatles -Zeug wird nie, nie, nie jemand besser mischen, als es damals gemacht worden ist. Es ist halt schon perfekt.

  7. Gerrit

    Man höre sich nur mal „Good Night“ (White Album) in der remas­tered-Fassung an, das ist ein wirk­lich neues, wunder­bares Klangerlebnis, beson­ders über Kopfhörer. Einfach gran­dios. Je ne regrette rien!

  8. Paul

    @bibo: Das Rauschen kann sehr­wohl entfernt werden ohne den Rest zu beein­träch­tigen. Das sind ganz unter­schied­liche Frequenzen welche dann jeweils “ausge­blendet” werden können.
    Es gibt für Tontechniker/Abmischer einige Werzeuge wie für den Grafiker das Photoshop.

  9. Jürgen Siebert

    Hört euch mal die BBC-Sendung an, und ihr wisst sofort, was ich meine. Die Demos des remixten »Come Together« sind beein­dru­ckend. In den Abbey Road Studios liegen für viele Songs noch die 4-Spur-Masterbänder vor, die später auf 8 Spuren über­tragen wurden.

    Auf dem »Love«-Album von 2006 übri­gens ist genau jene Abmischqualität von ComeTogether zu hören, wie man sie sich für alle Songs von »Abbey Road Remastered« und »The Beatles Remastered« erhofft hatte.

    @Gerrit: Mit »Good Night« hast Du recht, das ist aber auch der einzige Song auf dem Remastered-Album, der hörbar an Qualität gewonnen hat. Auf Vinyl war er uner­träg­lich, nicht nur weil das Symphonieorchester schlecht abge­mischt war, sondern der Titel als letzter Track der 4. LP-Seite die mieseste Abspielqualität aufwies.

  10. Zippo

    „(just listen to ›I Want You (She’s So Heavy)‹ from the album Abbey Road, with loads of tape hiss)“

    Sehr kompe­tent, der Schreiber:
    Das Rauschen am Schluss von „I Want You“ ist von den Beatles absicht­lich hinzu­ge­fügtes weißes Rauschen aus dem Rauschgenerator eines Moog-Synthesizers.
    Auch ohne diese Hintergrundinformation sollte jedem, der noch Ohren im Kopf hat und das Album nicht gerade im Autoradio oder über das Küchenradio hört, auffallen, dass das Rauschen an dieser Stelle Absicht ist.

    Zu den Remasters:
    Ich hätte mir auch lieber einen Remix gewünscht wie er im „Yellow Submarine Songtrack“ reali­siert wurde, aber laut Aussage der Beteiligten war das Ziel gewesen, die Neuausgabe so klingen zu lassen, wie es damals in der Abhöre des Abbey-Road-Studios geklungen hat, also so nah am Original wie möglich.

    Wem das nicht gefällt, der wartet auf die ulti­ma­tive Remix-BlueRay-Box , die spätes­tens 2019 erscheint … :-)

    Außerdem: Wenn da „Remastered“ drauf­steht, dann ist es eben nur „remas­tered“ und nicht „remixed“.

    Viele Grüße von Zippo

  11. Gerrit

    Man denke in diesem Zusammenhang an die Restauration der Deckengemälde Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle: Auch hier waren die Farben in den Augen Vieler plötz­lich unge­wohnt grell, nachdem die feinen Schichten aus Russ und Staub abge­tragen worden waren – was also ist jetzt die wahr­haft authen­ti­sche Farbe? Jene, an deren verhal­tenen Farbklang wir uns gewöhnt haben? Oder jene, die Michelangelo beim Malen gewählt hat? Womöglich ist eben genau der Klang der Beatles wirk­lich „echt“, der aus der einzigen Box eines billigen Dual-Plattenspielers kommt!

  12. Jürgen Siebert

    Womöglich ist eben genau der Klang der Beatles wirk­lich ›echt‹, der aus der einzigen Box eines billigen Dual-Plattenspielers kommt!

    Ich bin ganz Deiner Meinung. Doch neue Techniken erlauben eine Klangverbesserung, auf Basis der alten Quellen. Damit wird die frühere Anmutung zur Untermenge des heute mögli­chen. Wie schön ließe sich der alte Sound – mit digital aufge­wer­tetem Material – durch eine spezi­elle iTunes-Equalizer-Einstellung reali­sieren. Ich würde dann das Preset Loewe-Opta-Röhrenradio wählen.
    Gerrit: Mir geht es um den Etikettenschwindel: Alter Wein in neuen Schläuchen. Dieser wurde ganz offen­sicht­lich von der Plattenfirma veran­lasst, denn dass es anders gegangen wäre, beweisen nicht nur das BBC-Radiointerview sondern auch die Veröffentlichungen »Let It Be Naked« und »Love«.

  13. Dave

    Hinter all dem steckt eh Yoko Ono ;o)

  14. Sanddorn

    Vinyl rauscht nicht, Vinyl hat Charakter!

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