Das Twitter-Key-Visual ist vogelfrei oder …
Wenn ein Corporate Design gar keins ist
von Jürgen Siebert
Ich frage mich, wer sich mehr schadet: der Betreiber einer millionenschweren Marke, die auf rechtefreies Art-work aufbaut, oder ein Designer, der seine Ideen billig verscherbelt.
Das Twitter-Vögelchen stammt aus dem Micro-payment-Portal iStockphoto und liegt dort weiterhin zum Download bereit. Es kostet 10 iStockphoto-Dollar (= Credits), was einem Betrag von rund 12 US-Dollar entspricht, den sich das Portral und der Designer Simon Oxley irgendwie teilen. Als Twitter startete, soll der Piepmatz sogar nur 6 Dollar gekostet haben haben – ja, die Preise im Micro-Stock-Bereich sind am anziehen..
Man kann nicht gerade behaupten, dass der Erfolg von Twitter der Illustration Flügel verliehen hat. Sie wurde bis eben 431 mal gekauft, was einem Umsatz von vielleicht 4000 Dollar (in 2 Jahren) entspricht. Doch Oxley hat noch 3773 weitere Pferdchen (man muss angemeldet sein, um Oxley Portfolio zu sehen) – ähem Vögelchen – im Rennen, deren Downloads sich allerdings in den seltesten Fällen über 0 bewegen. Im Deutschen Urheberrecht soll es einen Bestseller-Paragraphen 32 geben, den ich nicht kenne, aber es ermöglichen soll, einen Designer am späteren Erfolg seiner Arbeit partizpieren zu lassen. Keine Ahnung, ob iStockphoto diesen Paragraphen kennt oder ihn aushebelt.
Über die geringe Verbreitung seines Markenzeichens könnte sich Twitter nun freuen, doch sein Corporate Design ist faktisch keins, sondern eine markenrechtliche Zeitbombe. Ich könnte – ohne Twitter zu fragen – T-Shirts, Tassen, Poster und andere Merchandising-Produkte mit dem Vögelchen entwerfen und verkaufen. Ich könnte sogar meine eigene Micro-Blogging-Plattform Zwitscher ganz legal wie Twitter aussehen lassen.
21 Kommentare
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robertmichael
ich weiss nicht was die twitter-firma selbst mit dem „maskottchen“ macht, aber theoretisch hätten sie doch eine erweiterte lizenz für (immerhin) 75 bis 125 istockphoto-dollar kaufen müssen, oder?
ist das vögelchen überhaupt teil des twitter-designs? der vogel ist doch nur auf der startseite von twitter zu finden, wie andere vogel-illustrationen auch. oder taucht der noch irgendwo in dieser form auf?
QWERTZwerker
Diese Diskussion lässt sich auf etliche Geschäftsfelder adaptieren. Sollte ein Interview-Partner, der während eines (kostenfreien) TV-Interviews ohnmächtig wird und für Einschaltquoten sorgt, dafür bezahlt werden? Kann der Entwickler eines freeware-Plugins, mit dem Coca-Cola einen Werbeauftritt offensichtlich aufgeblasen hat, im Nachhinein Geld verlangen? Natürlich nicht. Irgendwo müssen auch Grenzen gezogen werden. Und wenn jemand seine Bilder auf Billigportalen anbietet, dann muss er auch die Konsequenzen tragen und sich damit zufrieden geben.
Man sollte aber auch im Twitter-Fall differenzieren. Twitter verkauft sich nicht über den Vogel, sondern über die Möglichkeiten und die Geschäftsidee von Twitter. Die Rechtslage ist eine ganz andere, wenn du beispielsweise einen solchen Vogel auf ein T-Shirt, eine Tasse oder eine Postkarte druckst – dann ist der Vogel der hauptsächliche Kaufgrund. Auf Fotolia beispielsweise gibt’s dafür extra einen zusätzlichen Punkt in den Kaufoptionen: „Erweiterte Lizenz“.
robertmichael
ähnliches beispiel ‚opensource-logo‘ für alle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tux_(Maskottchen)
Gerrit van Aaken
Naja, diese spezielle Illustration ist nicht Teil von Twitters Corporate Design, sondern exakt das, was es ist: Eine Illustration für die Startseite, mehr nicht. Den Wal würde ich für definitiv schützenswerter halten, und natürlich den Namen.
Christian
die illustration gibt es doch schon länger als postkarten, tassen etc. zu kaufen. zum beispiel im tate shop in london usw. twitter wird natürlich verstärkt mit dem vögelchen in verbindung gebracht, gerade weil es vor einiger zeit nicht nur als reine illustration eingesetzt wurde, sondern fast wie ein logo bestandteil wirkte (soweit ich mich erinnere) … vielleicht ist es jetzt deswegen auch etwas zurückgenommen. es gab auch mal ein etwas anderes vögelchen, oder? who knows.
Mart
hihi
Mercedes hat das ja damals auch gut hinbekommen:
http://das.blogsport.de/2008/06/06/mercedes-soundlogo-its-all-in-the-preset-baby/
Tommy
@robertmicheal: aber bei Linux handelt es sich nicht um eine Firma oder Marke, sondern um ein freies Projekt. Es ist auch durch die GNU Lizenz vor kommerzieller Übernahme (nicht Nutzung!) geschützt. Das macht dort auch Sinn, weil jeder Benutzer sich theoretisch seine eigene Linux Version basteln kann und damit machen kann, was er möchte. Sollte man die Nutzung des Logos dort einschränken ist das ganze OpenSource-Prinzip ja sinnlos. Tux wurde zudem auch noch speziell für Linux entworfen und nicht ausm Stock gekauft. Weder der Entwerfer, noch die Nutzer des Tux-Pinguins machen damit Gewinn.
drossmedia.com
Ich nutze istockphoto sehr gerne. Die Qualität der Fotos und Illustrationen, das Design der Seite, die Benutzerführung und die Verschlagwortung sind sehr gut und teilweise besser als bei den Teuer-Anbietern.
Als Fotograf oder Illustrator wird man sicherlich nicht reich, wenn man über istockphoto, sxc.hu, photocase, fotolia etc. veröffentlicht.
*nicht Teil von Twitters Corporate Design* – doch, finde ich schon. Ich war da zwar noch nie drauf, aber würde es stark damit identifizieren.
Wahrscheinlich haben die Twitter-Macher zum Start ihres Projekts auch einfach nach einem kostengünstigen Motiv gesucht, ohne zu ahnen, dass sie mal etwas stärker schützbares für eine so erfolgreiche Plattform brauchen.
Abstrakte Retro-Vögel gab es übrigens auch schon in einer Mail-Vorlage von Apple. Und diese jetzt modischen Locken werden sich irgendwann überlebt haben.
Moritz
Hab mal ne Frage: Darf man eigentlich iStockphotos so wie oben einfach so veröffentlichen, wenn das Wasserzeichen darin enthalten ist?
Martin H.
Ist doch eher ein Vorteil, wenn sich das von Twitter bekannte Vögelchen möglichst weit verbreitet. Jeder wird an Twitter denken. Eine bessere kostenlose Werbung kann man sich doch gar nicht wünschen. : )
bulldrinker
Hinter einem Corporate Design steckt aber mehr als nur eine Grafik!
David
Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass die Verbindung von Twitter und Vögelchen hauptsächlich auf das Icon von Twitteriffic zurückzuführen sei und viele glauben, Twitter nutze einen Vogel im Logo (dem ist ja nicht so). Kann aber natürlich auch sein, dass das Humbug ist :)
Benjamin Hickethier
Die Nachbarstadt des norwegischen Stavanger, Sandnes, leistete sich jüngst ein Logo zur 150-Jahr-Feier des Erhalts der Stadtrechte (etwas kompliziert, mit einem Überschlag in die Zukunft, also ›Sandnes 2160‹). Die beauftragte Agentur, procontra, entwarf ein (unglaublich hässliches) Logo, das auf einem Bildelement basiert, das von einem amerikanischen Designer auf dessen Website zum freien download, mit Einschränkung der kommerziellen Nutzung, angeboten wurde. Als die Stadtoberen mit dem Entwurf an die Öffentlichkeit gingen und ihn als endgültiges Logo präsentierten, war die Aufregung groß – die ›Designer‹ von procontra hatten nicht nur vergessen, den ursprünglichen Gestalter zu erwähnen, sondern auch, ihm etwas von den 27000 Kronen (ca. 2700 €) abzugeben. Inzwischen hat man sich geeinigt, und das Logo wird in all seiner Häßlichkeit verwendet, und der Designer der ›Murmel‹ wurde entlohnt (wie hoch, wurde nicht öffentlich). Einerseits eine peinliche Situation für die Agentur procontra, die mit viel Häme bedacht wurde, andererseits ein halbwegs interessanter Ausgangspunkt für eine Debatte über Weiterverwendung von ›creative commons‹-lizenzierten Werken [auch wenn in diesem Fall das Werk nicht cc-geschützt war, was die Sache bestimmt übersichtlicher gemacht hätte].
http://is.gd/nBtQ
hier die Original-Grafiken: http://is.gd/nBzo
Robert
Ich selber finde ja, dass iStock regiert. Und das Portfolio von Simon Oxley habe ich schon gerne durchstöbert, bevor ich das vom Vögelchen wusste.
Man braucht übrigens nicht eingelogt zu sein um das Portfolio zu sehen. Schau hier: http://tinyurl.com/dk4frr Oder noch einfacher ist die URL istock plus username: http://www.istockphoto.com/simonox (dann gibt es rechts den Link zum Portfolio).
CookMal
Den T-Shirt-Twitter-Shop gibt es bereits schon http://tweetcouture.spreadshirt.com/us/US/Shop. Seine Erfinderin ist http://twitter.com/hophnung
Heiner
TinEye (eine „reverse image search engine“) findet das Vögelchen auf 55 Seiten. Viele davon benutzen es allerdings auch im Twitter-Kontext.
http://bit.ly/4biQe
jamie oliver
Ich finde vorallem tragisch, dass sich ein Dienst von der Grösse wie Twitter nicht mal bemüht einen Illustrator anzustellen und ihn entsprechend zu bezahlen. Die meisten wären ja wohl bereit für paar hunder Euro da was entsprechendes zu zeichnen. Selbst dies wäre ja eigentlich Ausbeutung aber die 6 $ sind ja ein Witz. Und da wären wir wieder einmal bei der Disskussion darüber warum der Wert von Illustrationen und Design so tief ist.
eugen
Ich habe keine Ahnung von Twitter, und nur wenig vom Markenrecht, aber soweit ich informiert bin (und unterstellt, es wäre deutsches Recht anwendbar), dann ist es grundsätzlich egal, von wo eine Bildmarke stammt (das ist dann ein urheberrechtliches Problem), sobald ein Unternehmen damit einen gewissen Bekanntheitsgrad (die Höhe des erforderlichen und tatsächlichen Bekannheitsgrades ist natürlich Einzelfallfrage) erlangt hat, genießt das Logo Markenschutz als nicht eingetragene Marke. Verwendet jemand anderes dann diese Bildmarke für vergleichbare Dienstleistungen, kann gegen diesen vorgegangen werden, insbesondere wenn er die Bekanntheit des anderen Unternehmens in unlauterer Weise ausnutzt.
Und hat überhaupt schon jemand überprüft, ob Twitter nicht inzwischen dieses Vögelchen vielleicht als eingetragene Marke hat schützen lassen?
marble
eugen: meinst du twitter hat als millionenschwerer konzern gestartet? bist du als erwachsener auf die welt gekommen?
Vermutlich haben sie sich am Anfang für kleines Budget (vorallem weil man ja in unserer schnelllebigen internetwelt, in der jeden tag 127 neue communities entstehen, nicht einmal weiß ob man mit seiner ultimativen idee erfolg hat) eine zu ihrem wunschnamen passende grafik gesucht. Nachdem aber sicherlich schlaue marketingleute bei twitter sitzen, die wissen wie gefährlich es ist, sein key visual mal eben so zu ändern, hat man sich vermutlich dafür entschieden das öffentlich zugängliche bildmotiv einfach für den wiedererkennungswert stehen zu lassen und sich dafür keinen eigenen illustrator zu suchen, der ein neues bild entwirft (hätte sicherlich auch viele nutzer etwas verstört oder geärgert, weil das neue motiv ihren twitter-vorstellungen nicht mehr entspricht).
marble
Sorry, das sollte natürlich an jamie oliver gehen.
Uwe Borchert
Hallo,
Das von Benjamin Hickethier genannte Beispiel Sandnes ist doch etwas belustigend. Besonders da im Paket eine Textdatei mit der Lizenzangabe: CCL 3.0 non-commercial zu finden ist. Allerdings sollte das auch in den MetaDaten der SVG-Datei drinnen stehen, tut es aber nicht. Die Originalseite macht übrigens keine Angaben über die Art der Lizenz, das ist nicht sehr freundlich.
Viele der angeblich freien Cliparts mit CCL sind entweder nur frei für nicht-kommerzielle Nutzung oder an eine Namensnennung geknüpft. Viel Spaß beim Lesen der Lizenzbedingungen! Diese Arbeit sollte man sich auf jeden Fall machen.
MfG