Popikonen: The Who »I’m Free«
Die neu Reihe »Popikonen« erzählt persönliche Erinnerungen an Popsongs, die musikalisch und visuell Maßstäbe setzten (angeregt durch Radio Eins’ »Bermudadreieck – Versunkene Songs«).
Als ich am 27. September 1969, wie jeden letzten Samstag im Monat, um 15:30 die Fernsehsendung »Beat Club« einschaltete, war ich nach wenigen Minuten ziemlich enttäuscht. Statt einer gewohnt bunten Musik- und Newsmischung aus den Hippie-Metropolen, widmeten sich Dreiviertel der Sendung einer einzigen Band: The Who. Erst ein paar Wochen später begriff ich, dass sie ein Dutzend Songs ihrer Wochen zuvor erschienenen Rock-Oper »Tommy« aufführten … darunter das bemerkenswerte »I’m Free.«
Gestern schaute ich mir die 40 Jahre alte Sendung noch mal an (iTunes-Link), und mir wurde klar, dass Beat-Club-Regisseur Mike Leckebusch ein Musikvideo-Meisterwerk geschaffen hatte, zu einer Zeit, als es noch keine Musikvideos gab. Er war dafür bekannt, die damals möglichen analogen Schwarzweiß-Effekte bis zur Grenze – ja Übertreibung – auszureizen. Bei »I’m Free« inszenierte er die Musiker als Schattenrisse, mit sanften Hell-Dunkel-Überblendungen.
Diese Abstraktion reduzierte den visuellen Auftritt der Who auf ihre Körpersprache. Wir sehen einen statischen John Entwistle († 2002) am Bass, den charismatischen Lockenkopf Roger Daltrey (traditionell in Fransenjacke) das Mikrofon am langen Kabel herum schleudernd und einen entfesselten Keith Moon († 1978) an den Drums, der mit den Schlagstöcke wie ein Torrero auf die Becken einsticht. Geradezu atemberaubend ist die Choreografie des genial-ungezügelten Rhythmus-Gitarristen Pete Townshend. Sein aggressiver Stil, die Saiten mit dem rotierenden ausgestreckten rechten Arm anzuschlagen, beeinflusste wenig später die Entwicklung der Musikstile Hard Rock und Heavy Metal (eine schlechte Kopie des Beat-Club-Videos auf YouTube).
6 Kommentare
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Jürgen Weltin
War und bleibt die beste Rockband aller Zeiten!
jAnsen
zu dem zeitpunkt gab es bereits musikvideos. ist ein sehr interessantes thema->
http://en.wikipedia.org/wiki/Music_video
Jürgen Siebert
Es gab keine, glaube mir, sonst hätte ich sie mir angesehen. Es gab Musik-TV-Shows, Musikfilme und natürlich Vorläufer auf Zelluloid für das, was später ein Massenmedium wurde. Der Begriff »Musikvideo« wurde erst Anfang der 80er Jahre geprägt, als MTV den Sendebetrieb aufnahm.
smid
zumindest schön, dass der stil (so oder so ähnlich zumindest) sich bis heute gehalten hat ;)
ganz neu und doch alt?
http://www.youtube.com/watch?v=YYvWpVz770k
Deusi
ja.. the who….
die besseren beatles.
es gab in den sechzigern nicht viele bands (abgesehen von den kinks) die gegen sie anstinken konnten. und sie heben meines wissens keinen musiker gegen eine publikumswirksame luftnummer ausgetauscht. ;)
Hans Schumacher
Grundsätzlich stimmt das wahrscheinlich, aber Vorläufer gabs schon, die waren aber so rar wie die popmusikalische Untermalung bewegter Bilder (erinnere mich da an einen Lehrfilm im Bio-Unterricht, der mit »Crawling King Snake« einer Version der Doors von einem John Lee Hooker Stück unterlegt war, das blieb hängen, der Rest eher nicht – ich glaub es ging um Aufklärung) – zum Thema: erstes erinnertes Video vor MTV war Heatwave von XTC, hab es hier sogar auf You Tube gefunden. Weniger eindrucksvoll als in der Erinnerung (liegt aber auch an der technischen Qualität), ist es doch ein genialer Clip der auf der simplen Idee beruht, das Studio aufzuheizen während die Band den Song spielt: gabs im Fernsehen, Sendeplatz weiss ich leider nicht mehr, wahrscheinlich vor oder nach Daktari