Nur weiße Ladenbeschriftung in Braunschweig
Die Braunschweiger Zeitung berichtet heute über eine kuriose Bauvorschrift in einer Einkaufsstraße: »Der Bohlweg soll vornehmer werden, dezenter. Der neue Bebauungsplan schreibt rigoros vor: Außenwerbung darf keine schrillen Farben mehr haben, Schriftzüge müssen weiß sein. Nicht alle Mieter sind begeistert. Einige sträuben sich gegen die Bevormundung.« Zum Beispiel Trung Lam von der neu eröffneten Filiale des Tigaa-Imbiss. Während benachbarte Wettbewerber Bestandsschutz genießen, musste er sein braunes Logo weiß färben; nur der i-Punkt durfte orange bleiben. (Foto: Braunschweiger Zeitung, Norbert Jonscher)
25 Kommentare
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robertmichael
so ein quatsch. wer kommt denn auf sowas, das ist ja fast schon wie zu … ach nein. ich sags anders:
»das ist eine gleichschaltung der wettbewerber« *hust*
;)
ich kann ja verstehen das es einigen bügern und bürgermeistern nicht gefällt das die städte immer voller werbung werden (vorallem bei altstädten extrem hässlich) aber solche lösungen bringen auch nix. lieber sollte man die größe und die art der werbeflächen verändern. wie würde denn der t-punkt laden aussehen? ich kenne braunschweig nicht aber ich denke auf kurz oder lang werden die großen ladenketten dort verschwinden. ich kenne das relegement eher von altstädten wo keine werbeplanen an gerüsten etc. aufgehangen werden dürfen, aber direkt die werbung weiss einzufärben sieht sehr nach schildbürgertum aus.
christoph
es müsste nicht unbedingt alles weiß sein, die tendenz ist aber richtig. und der t-punkt-laden sähe sicher nicht schlechter aus.
microboy
fragwürdig finde ich auch den „bestandsschutz“ in diesem kontext! entwerder alle oder keiner …
Christoph
Das „Logo“ sollte froh sein, etwas weniger auffällig sein zu dürfen …
Jens Kutilek
Hintergrundinfo: Der Bohlweg in Braunschweig war mal eine Straße mit 4 Autospuren plus zwei Straßenbahngleisen, auf der einen Seite 50er-Jahre-Fassaden, auf der anderen der grüne Schloßpark. Der Bohlweg hatte auch extrem schlechte Luft wegen der vielen Autos, der Begriff Feinstaub wurde hier erfunden ;)
Dann hat die Stadt sich entschieden, den Park plattzumachen und dort ein riesiges Einkaufszentrum mit Schloßattrappe/-fassade (früher stand dort das Residenzschloß) hochzuziehen und das als historisch wertvoll und der Stadtverschönerung und Bedeutungssteigerung dienend anzupreisen. (Braunschweig hat da traditionell Minderwertigkeitskomplexe gegenüber Hannover, Wolfsburg etc., die es durch irrwitzige Projekte wie Bewerbungen als Kulturhauptstadt, Weltkulturerbe für den Burgplatz, Stadt der Wissenschaft wettzumachen versucht.)
Da passen bunte Schriftzüge wohl nicht ins neue, »wertige« Image des komplett umgestalteten Bohlwegs.
Christian Büning
Beispiel aus Münster:
Der nach dem Krieg neugebaute Prinzipalmarkt darf nur mit Gold beschriftet werden. Alle Läden halten sich dran und sind zufrieden. Der Prinzipalmarkt sieht so zum Glück respektabel aus. Dort Magenta oder Cyan wäre echt zuviel.
Beispiel aus Sao Paulo:
Dort darf gar keine öffentliche Werbung mehr hängen, damit die Stadt nicht so schrill wird. Eine Kampagne der Regierung, um der Stadt ein besseres Image zu verschaffen.
Fazit: Farbe zieht das Image einer Stadt nach unten?
robertmichael
nicht farbe. aber die riesen werbetafeln.
fahrt mal nach prag das ist echt nicht mehr schön. ok, der kern der stadt mag ja noch gehen aber sobald man etwas außerhalb in der stadt ist, erschlagen einen die werbetafeln. ladenbeschriftung kann von mir aus gern mit vorschriften geregelt werden aber doch nicht ’nur weiss‘. sollen sie halt kleinere, dezentere werbung anbringen oder sich auf alte auslieger (nasenschilder) etc. besinnen und dafür bunte schaufensterbeschriftung irgendwelchen regeln unterziehen. oder diese einkaufstempel wie galeria und karstadt in das stadtbild besser einbinden.
Dominik Lenk
Alle oder keiner. Microboy hat völlig recht.
Auch weiß ich noch nicht ob die weiße Farbe denn wirklich einen Unterschied macht. Eigentlich finde ich die sehr starke Leuchtkraft einiger Werbeschilder viel nerviger.
Frank Meier
ich meine … das es anscheinend entweder zu viele Politiker gibt oder eben jene zu viel Zeit haben …
… wer bestimmt denn was Geschmack ist… Politiker? … wer entscheidet darüber wie etwas auszusehen hat …
ist es nicht gerade die Vielfalt die uns anlockt? … und unsere Politiker fordern Einheitlichkeit … das ist der erste Schritt in Richtung Biederkeit … und das ist verdammt bitter …
und eines darf mal nicht vergessen, es ist unser freier Wille und auch unsere Freiheit, auch die noch so große Sch… draußen an die Wand zu hängen …
wie soll sich denn das gute vom schlechten unterscheiden, wenn alles gleich aussieht?
!! Nieder mit bigotten Verwaltungsbeamten und Politikern, die ihre persönliche Modelleisenbahn durchboxen wollen!!!
P.S.: Es gab mal eine Zeit da sind tausende durch stacheldrahtbehangene Grenzen getürmt um endlich Farben zu sehen.
robertmichael
ich finde den beitrag über das werbefreie london (oder war es new york) nicht mehr. dort wurde anhand gelber tafeln (fotomontage) jede werbung ‚überklebt‘. der beitrag ist schon einige monate alt… finde ihn leider nicht in der suche.
dafür diesen:
https://www.fontblog.de/no-logo-in-sao-paulo
Jens
Dieser Erlass zielt auf die Individualität der Geschäfte ab und fordert eine farbliche Gleichschaltung der Aussenwerbung. Sie sollten doch froh sein, ein bisschen Farbe im grauen städtischen Alltag zu haben. Aussenwerbung kann durch Größe, massvolle Proportionen, passende Ausführungen usw. auch auf weniger restriktive Art geregelt werden. Solche Ideen entspringen gerne verbeamteten Architekten.
Benjamin Cyprian Sindram Mueller
Ich finds gut!
Wenn man durch die Städte läuft wird einem schlecht (lost in translation feeling). Es ist ein Experiment und obwohl ich CDs wichtig finde und Sie meine Arbeit sind, finde ich es echt interessant. So müssen die Gestalter die Herausvorderung annehmen und Alleinstellung durch Innovation versuchen. Man darf gespannt sein.
Thomas
ich bin schon lange dafür dass alle Gestalter mal ein Jahr nur in Schwarz/Weiss gestalten. Das wäre mal was…
robertmichael
gibts nicht auch ein buch wo die besten arbeiten in/mit weiß gezeigt werden?
Thorsten Schmidt
Ja, das gibt es:
http://www.amazon.de/Black-White-Graphics-Andrea-Lugli/dp/1584231491
und das Buch ist sehr gut!
Allerdings sollte ein öffentlicher Raum nicht durch ein „Stadtteile-CI“ gleichgeschaltet (hier im Zusammenhang schon oft verwendet, aber einfach der treffendste Ausdruck) werden. Auf so eine Idee ist bestimmt eine gelangweilte Stadtrat-Gattin gekommen, deren Gucci-Tüte wohl nicht mit der Nanu-Nana-Ausstattung harmonisierte.
charly
@ robertmichael: das war mal bei uns in wien in der neubaugasse.
http://www.s44.at/_f_blogged/index.php/s44/permalink/delete_bilder_aus_der_neubaugasse/
robertmichael
@ charly, danke. in wien war das, wirklich? hmm. ich liebe wien eigentlich und hatte dort nicht das gefühl das mich die werbung erschlagen hat (im zentrum). diese ganzen kleinen läden mit ihren holzverschlägen und diese alten schriftzüge und ladenschilder sind genial.
@ thorsten schmidt, dank dir. ich glaube ich meinte dieses: http://www.amazon.de/White-Graphics-Power-Graphic-Design/dp/1564967247/ref=sr_1_11/028-0740197-4402141?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1192624531&sr=1-11
renko
Ein ähnlich geartetes Kunstprojekt ist »Hidden Town«, das im Rahmen der Kunsthauptstadtaktionen von Linz09 mit dem Ars Electronica Future Lab von Gregor Graf umgesetzt wurde.
»Mit der fotografischen Arbeit hidden town (… bietet sich der …) Blick auf eine von Zeichen gereinigte Stadt. Durch die künstlerische Bearbeitung werden die architektonischen und strukturellen Kennzeichen der Linzer Stadtmotive verstärkt ins Blickfeld gerückt, die schon längst als gewohnte Muster, wie wir Stadt erfahren oder uns in ihr bewegen, in unser Unterbewusstsein eingewachsen sind. (…) Diese Bilder (…) präsentieren die ausgewählten Straßenzüge als zeichenentleert und ohne die gewohnten Anhaltspunkte. Sie wirken dadurch unwirklich, kulturell austauschbar und fremd, bieten aber gleichzeitig einen Blick auf sonst verbaute Architektur und „geklärte“ Raumsysteme. In den bearbeiteten Bildern finden wir uns in einem „realen“ System wieder, aus dem alle gewohnten Anhaltspunkte systematisch entfernt wurden.«
Diese Aktion wurde von ihm auch schon in Warschau umgesetzt.
Florian
Oje, ein weiterer Schildbürgerstreich!
Jens (K.) hat ja schon sehr gut die Geschichte der Braunschweiger Möchtegern-Champs-Élysées beschrieben, aber meine Lieblingsanekdote hat er dabei nicht erwähnt:
Als der Bohlweg vor einiger Zeit einen neuen, glamouröseren Bodenbelag erhielt, mehrten sich die Klagen rutschender Bürger, die sich auf dem glatten Pflaster nicht halten konten und scheinbar reihenweise zu Boden gingen.
Es stellte sich heraus, dass die Stadt keine Abhilfe – durch Streuen von Kies o.ä. – leisten durfte, da durch ein solches ›Verkratzen‹ des edlen Materials die Garantie-Ansprüche gegenüber dem Pflaster-Hersteller verloren gegangen wären. Eine Zeitlang schwirrten daraufhin verschiedene Gutachten durch die Lokalpresse, und ich durfte neue Abkürzungen wie SRT (Skid-Resistance-Tester; eine Maßeinheit für Griffigkeit) kennenlernen.
MiSc
http://www.steinbrener-dempf.com/delete/
Delete! war eine Aktion in einer der größten Einkaufsstraßen Wiens.
robertmichael
stimmt – ‚delete‘ war das. ich hatte mir wohl nur das startbild der webseite gemerkt, denn wien ist das dort nicht ;)
Phil
Interessant ist dass Farbige Logos offenbar bleiben dürfen. Laut Artikel ist die Stadt aber der Meinung ‚Tigaa‘ währe „ein Schriftzug und kein Logo“. ARRG!
Jens
also ich meine, ein Schild oder zumindest Schrift in der Öffentlichkeit hat doch auch einen informativen Sinn. Auf dem Foto schon lässt sich schon jetzt ersehen, wie schwach die Schriftwirkung rüberkommt. Ich glaube, da erweist sich die Stadt einen Bärendienst. Ein Aprilscherz im Oktober…
Karsten
Sollte wirklich für alle gelten und ich bin wohl der einzige, der dass keine schlechte Idee findet. Auf dem Tennisplatz war das schon immer normal – hat sich auch keiner beschwert.
Im Idealfall präsentiert so ein Stadtrat ja immer noch seine Wähler und vielen von denen geht die schreiende Werbung mächtig auf den Keks. Außerdem muss ja keiner Befürchten nicht mehr wahrgenommen zu werden, da alle ja ihre Lautstärke senken müssen bzw. sollten.
Frank Meier
@ Karsten; Ja Du bist der einzige! Und ob der Stadtrat seine Wähler repräsentiert glaube ich heutzutage zu bezweifeln. Geh doch lieber auf den Tennisplatz, wenn sich dort keiner beschwert.
Die Ausführungen von Florian und Jens Kutilek machen es ja schon allein deutlich, das dem ja wohl nicht so ist. Auch der Bau dieses monströsen Schlosses war keine Entscheidung der Bürger. So viel dazu.
Aber viel wichtiger, abseits von Gutmenschentum, Sinnästhetik und anderen, ist die Frage, wer darüber zu entscheiden hat, wie öffentlicher Raum auszusehen hat. Auch hier dreht es sich um subjektive Wahrnehmung. Wer bestimmt darüber, ohne mit Gutdünken zu regieren, wer die erste Geige spielt? Politiker? Das sollten wir denen weder zutrauen noch sie dazu ermuntern.
Spannen wir doch mal den Bogen weiter. In fast jeder Stadt gibt es einen Erlass, wie Häuser auszusehen haben, die in eben jener gebaut werden dürfen. Da haben sich unzählige Beamte und Würdenträger Gedanken gemacht, wie das auszusehen hat. Wo kämen wir ja auch hin, wenn sich ein jeder die Hütte selber gestalten würde. Und es ist ja auch schön, dass wenn man in Norddeutschland unterwegs ist, man genauso gut in Süddeutschland hätte sein können. Die meisten Städte gleichen sich nämlich, bis auf ein paar architektonische Besonderheiten (die auch noch meist aus vorangegangenen Jahrhundert stammen).
Solche Regeln braucht niemand ausser Menschen die einen starken Drang verspüren, geleitet zu werden. Vom übermächtigen Staat in der Rolle als fürsorglichen Vater.
Was mich aber zu tiefst beunruhigt, ist die Tatsache, das diesen Blog wohl in erster Linie Gestalter oder deren Umfeld lesen. Es müsste ihnen doch ein Graus sein, wenn sich Beamte voranstellen Geschmack abzuurteilen. Oder sind die meisten hier tagsüber damit beschäftigt, Werbetafeln zu entwerfen aber insgeheim nach Vater Staat rufen, nur weil sie keinen Mut haben ihren eigenen Kunden diesen Blödsinn auszureden?
Das sich dieser sozialistische Grundmüll sich immer mehr ausprägt, kann ich nicht verstehen. Wacht auf: Ihr sägt an Eurer eigenen Freiheit!