„Gute Typografie kostet nichts“

Das Thema des Forum Verlagsherstellung auf der Frankfurter Buchmesse war so nicht gedacht. Bertram Schmidt-Friderichs behaup­tete mal gegen­über Bernd Adam, Vorstand der Print & Media Forum AG und Veranstalter des gestern ange­kün­digten Podiumgesprächs, dass gute Typografie nicht mehr koste als schlechte. Daraus wurde dann der oben stehende provo­kante Titel, der über 70 Besucher an den Stand lockte … viele mussten stehen.
Schmidt-Friderichs hielt die Einführungsrede, aus der ich später exklusiv zitiere. Er stieß mit drei Gedanken die nach­fol­gende Diskussion an:
1. Gute Typografie rechnet sich, ist also eine Investition, die sich mehr als auszahlt.
2. Schlechte Typografie kostet viel mehr.
3. Die meisten Zielgruppen sehen den Unterschied deut­li­cher als manche denken.

„Mit den Kosten ist es wie beim Kochen: es kostet gleich viel, die Zutaten mit Phantasie, Kenntnis und den Regeln der Kochkunst zuzu­be­reiten, wie sie zu einem schau­er­li­chen Einheitsbrei zu verko­chen. Vielleicht nehmen Starköche etwas andere Zutaten, machen die Dinge manchmal etwas kompli­zierter … aber wir spre­chen hier von durch­schnitt­lich guter Gastronomie/Typografie. Beim einen schmeckt’s, beim anderen nicht, und da werden Sie nicht mehr hingehen.
Der Leser ist ein Buchgenießer. Der weiß zwar nicht, was eine Prise Zimt zur Abrundung der Soße beiträgt, aber er weiß, dass es ihm besser schmeckt als ohne.“

„Es kommt vor, dass sich Autoren ihre Verlage nach der Qualität der Bücher aussu­chen … nach der Liebe und Qualität, mit der die Bücher gemacht sind. Wenn da der Controller seit längerem das letzte Wort hat, Korrekturgänge für über­flüssig und eine gute Typografie für zu teuer hält – wundert sich der Verleger eines Tages, warum die guten Autoren nur noch bei der Konkurrenz veröf­fent­li­chen. Das muss nicht an den Honoraren liegen. Wir sehen: Schlechte Typografie kostet Leser.

„Der meist gehörte Einwand lautet: Das sieht ja keiner! Mag sein, aber fast jeder spürt es. Und die Menschen sind sehr sensibel. Gute Typografie ist wie die Kleidung der Texte. Fast jeder spürt, wenn er einem Menschen begegnet: hat der sich geschmack­voll gekleidet oder einfach nur müde in den Kleiderschrank gegriffen? Ist der Gegenüber nobel oder schlampig, bewusst oder nach­lässig gekleidet? Wir analy­sieren dass nur selten, aber wir spüren es immer.

„,Data plus struc­ture is infor­ma­tion‘ … auf dieser Gleichung basiert das Geschäft der Typografie. Nur wenn wir diese Struktur – möglichst mit ästhe­ti­scher Raffinesse – in die Datenströme einbauen, haben die Daten eine Chance, Aufmerksamkeit zu erlangen.“


6 Kommentare

  1. robertmichael

    wo wir gerade bei gastro­nomie und typo­grafie sind:
    „Wenn du dich an die Form des Löffels erin­nerst, mit dem du die Suppe gegessen hast, dann war es eine schlechte Form. Löffel und Letter sind Werkzeuge: das eine nimmt Nahrung aus der Schale, das andere nimmt Nahrung vom Papierblatt. Die Schrift muss so sein, dass der Leser sie nicht bemerkt…“ Adrian Frutiger

    soviel zum »das sieht ja keiner« gute typo­grafie nimmt man unbe­wusst war, schlechte bewusst.

  2. Heinz

    Gab´s denn auch ernst­zu­neh­mende Beiträge zum Forum, in denen anders­lau­tende Meinungen formu­liert wurden? Eher unwahr­schein­lich, oder; denn wenn man gund­le­gend defi­niert, dass gute Typo funk­tio­nie­rende Typo ist – wer käme dann noch auf die Idee zu sagen, dass es sich lohnt, wenig Geld für etwas Nicht-funk­tio­nie­rendes auszu­geben und nicht etwas mehr Geld für eine Sache, die klappt.
    Aber gibt es denn tatsäch­lich „schlechte“ Typo? Oder liegt das Problem nicht eher darin, dass man Schriften einzig nach Preiskriterien auswählt und nicht nach Passung – dann wäre aber nicht Typo gut oder schlecht, sondern die Auswahlkriterien. ..

  3. Peter Reichard

    Das war biss­chen das Manko der Zusammensetzung der Podiumsteilnehemer. Im Grund war man sich ja einig und vom Publikum gab es nur einen Beitrag. Da es nicht zu einer wirk­li­chen Diskussion kam und verschie­dene Meinungen konträr gegen­über­standen, machte es schwer etwas aus dem Publikum beizu­steuern. Auch der Moderator war da nicht wirk­lich eine Hilfe um es höflich zu formulieren.

  4. Jürgen Siebert

    Natürlich waren sich alle einig … auf dem Podium und im Publikum. Trotzdem werden tausende schlechter Bücher und Broschüren produ­ziert, weil sich die Produktioner oft nicht gegen­über den Controllern durch­setzen können. Den Produktionern sollte durch das Forum – mit alten und neuen Argumenten – der Rücken gestärkt werden. Gespräche nach der Podiumsdiskussion sagten mir, dass dies durchaus gelang.

  5. S. Brand

    Bei allem Respekt: Die Auswahl einer guten Schrift macht noch lange keine gute Typografie, die Qualitätsansprüche und das Können des Produktioners machen das zum größten Teil aus. Und da scheint wohl auch ein Grund für schlechte Typo zu liegen, leider einige schlecht oder gar nicht ausge­bil­dete Produktioner. Wenn ernst­haft versucht würde, den Ausbildungsstandard in Typofragen für ange­hende Mediengestalter zu heben, würde künftig viel­leicht nicht mehr so viel Mist produziert.

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