Graham Short, der Mikrograveur
Dies ist die Geschichte vom 64-jährigen Graveur Graham Short (Hands of Genius) aus Birmingham, der die Zeile »NOTHING IS IMPOSSIBLE« in die Kante einer Rasierklinge gravierte. Der SPIEGEL berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über dieses Kunststück: »Am Ende bedeckten 180 Klingen den Boden seiner Werkstatt. 180 Enttäuschungen. Aber eine Klinge kam fehlerfrei durch. ›Ich danke Euch für eure Unterstützung‹ schrieb Short auf Twitter, als die Mission erfüllt war. ›Es war überwältigend.‹«
Ich wollte mehr wissen über den Präzisionskünstler. Und vor allem wollte ich gut aufgelöste Bilder seiner Arbeit. Also schrieb ich eine E-Mail an seine Galerie White Space in London. Eben kam die Antwort mit faszinierenden Fotos.
Meister Graham Short wurde 1946 in Birmingham geboren, in eine Familie mit Gravur-Tradition. Einer seiner Vorfahren war Sir Francis Short, ein berühmter viktorianischer Kupferstecher. Nach einer sechsjährigen Lehre beim Graveurmeister Bill Evans im führenden Gravur-Unternehmen der britischen Insel, Efficiency Tool, gründete er 1974 im Juwelierviertel von Birmingham seine Ein-Mann-Werkstatt. Nach wenigen Jahren fanden sich bedeutende Namen auf Shorts Kundenliste, darunter der Royal Household, das Schottische Parlament, die National Gallery, Rolls Royce, die Büchsenmacher von James Purdey & Sons, Chanel und Vivienne Westwood.
Das Vaterunser auf einem Stecknadelkopf, aufgenommen mit einem Makro-Objektiv
Irgendwann faszinierte ihn die Idee Gravuren zu erstellen, die mit dem bloßen Auge nicht mehr zu erkennen waren. So entstand sein Meisterwerk, das ihn über Nacht weltberühmt machte: das Vaterunser auf dem goldenen Kopf einer Stecknadel. Lesen kann man den Text nur mit einem starken Mikroskop. Rund 300 Stunden brauchte Graham Short für dieses Werk, das aus 1841 separat gravierten Strichen besteht. Zunächst experimentierte er mit 200 Stahlstiften, doch die Buchstaben platzten weg auf dem spröden Untergrund. Der Vorteil von Gold: es ist stabil, lässt sich gut verarbeiten und korrodiert nicht.
Für seine Miniaturwerke benötigt Short allerlei Werkzeuge. Unverzichtbar dabei sind sehr feinen Nadeln die aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stammen. In den 1980er Jahren kaufte er einen ganzen Satz solcher Nadeln von einem Antiquitätenhändler. Beim Mikrogravieren stößt er die Nadel nicht, wie es in seinem Beruf üblich ist, sondern er zieht sie, was eine bessere Kontrolle erlaubt. Zuvor erhitzt er sie zweimal.
Das Vaterunser auf einem Stecknadelkopf (unter dem Mikroskop)
Wenn er für das britische Königshaus graviert, führt Short eine Jahrhunderte alte Arbeitszeit-Tradition der britischen Graveure fort: Er geginnt um 22:00 Uhr und graviert die Nacht durch. Der SPIEGEL hat ihn bei der Arbeit beobachtet: »Nachts fahren kaum Autos, alles ist ruhig, nichts kann ihn ablenken. Um den Hals trägt er ein Stethoskop, mit Klebeband auf seinem Herzen fixiert. So wartet er auf den richtigen Moment, auf die vollkommene Ruhe in seinem Körper, um dann eine winzige Bewegung auszuführen, den oberen Querstrich eines F etwa. Short arbeitet zwischen zwei Herzschlägen, denn auf dem Kopf einer Stecknadel ist kein Platz für Fehler.« Der Meister ist topfit, schwimmt täglich 1000 Metern was zu einem Ruhepuls von 30 Schlägen pro Minute geführt hat.
Auf die Kante einer solchen Rasierklinge gravierte Graham Short die Worte »NOTHING IS IMPOSSIBLE« (Foto: ©Zen Shui @ZOOM, Fotograf Yves Regaldi)
Die jüngste Arbeit von Graham Short, »Nichts ist unmöglich«, eingraviert in die Kante einer Rasierklinge … 19 Buchstaben, 80 Zugbewegungen
18 Kommentare
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David
Wow, danke dafür! Hab’s heute auch im Spiegel gelesen, der obige Blogeintrag ist die perfekte Ergänzung. Toll. Und irgendwie unvorstellbar.
Simon Wehr
Das ist kein Handwerk mehr, das ist pure Kunst! Und das meine ich höchst anerkennend!
Florian
Erstaunlich. Ich bin wirklich beeindruckt.
Thorsten Schmidt
grandios.
Andi D.
Unglaublich.
andi kissel
wunderbar.
Carla
wirklich faszinierend!
Oliver
PASSION!
Sven Gelhaus
Wirklich beeindruckend. Ich kenne da noch jemanden, der mich auf ähnliche Weise fasziniert hat. Sein Name ist Dalton Ghetti.
Dalton Ghetti – The Telegraph
anonymus
Er schwimmt 5km täglich, wie der Sektion „Technique“ auf seiner Internetseite zu entnehmen ist.
Stefan
Man stelle sich einmal vor, der geniale Mann würde in Österreich leben – er bekäme keine Arbeit: Schließlich gibt es bei uns die HTL (Höhere Technische Lehranstalt) auch für Graveure. Da haben sie zwar nur wenig praktische Arbeit, dafür lernen die auch Englisch, Geschichte, Deutsch … Ohne solches Zeugnis, keinen Job – da kannst du können was du willst. Solch ein Genie würd‘ bei uns verhungern!
Es ist aber auch ein Volk, das ständig nach Fachkräften sucht, nur können dürfen sie nichts – sonst hätten die Industriellen, die oft selbst keine besonderen Fähigkeiten besitzen, nämlich nichts zu jammern!
Freundlich Stefan (Student an der Karl-Franzens-Universität Graz)
mbti
Unglaublich was dafür für eine Geduld und Durchhaltevermögen nötig sein muss.
Auf dem Bild sieht der gute Mann allerdings eher aus wie 84, nicht wie 64.
Adolf
Aber die sind nicht alle gleich!
Jens
Scharf!
Kurt
Das ist Adolf, ein böser Mensch: :>=(
oder vielleicht auch nur ein komischer Vogel?
Augen (:), Nase/Schnabel (>), Bart (=) und Mund ((); das ist mein erstes Smiley, ein böses allerdings, so böse, wie der bekannte Österreicher gewesen ist, der mit Hilfe einiger Deutscher zu unedlem Weltruhm gelangte. Ich hoffe – so böse, wie dieses Smiley ist -, es tut mir nichts!
Da fällt mir doch noch ein zweites ein, falls es für den Imperativ „SCHWEIGE“ noch keines geben sollte: Augen (:), Nase (-), Mundpflaster (#). Schön, dass mir so etwas auch gerade beim Lesen eines Kreativblogs einfallen muss!
K. E.
:-#
K. E.
Ach, das gibt es schon und steht für „zensiert“. Dann muss „SCHWEIGE!“ wie folgt aussehen:
:>#
Oder vielleicht so: :-(#)
Wofür würdet ihr euch entscheiden?
Stefan
Hahaha, witzig! :-(#)
Myself
:-o
… und das von dir?!