Dufter Kumpel: die Biergartenschrift FF Prater
Prater damals: Das handgemalte Prater-Eingangsschild im September 2000, entworfen von Henning Wagenbreth und eBoy
Als kurz nach dem Mauerfall Berlins ältester Biergarten wieder öffnete, übernahm ein junger Designer die visuelle Ausstattung. Wie man Parolen auf hohem Niveau pinselt, lernte er schon in der Grundschule. Gepaart mit dem akademischen Geist der Kunsthochschule, servierte er dem Restaurant eine Beschilderung, deren Hauptdarsteller – die Schriften – bis heute in den Reiseführern von Typo-Fans als »sehenswert« vorgemerkt werden.
Prater heute: Umschlag des Romans Le Nazi et le Barbier von Edgar Hilsenrath, Design: Henning Wagenbreth
Es gibt nur wenige Kunstschulen, denen man einen eigenen Stil nachsagen kann. Die Kunsthochschule Berlin (KHB) in Weißensee gehört dazu. Auf den Gebieten Illustration und Grafikdesign pflegen ihre Absolventen eine klassische, unverwechselbare Handschrift. So auch der junge Henning Wagenbreth, der 1987 sein Diplom an der KHB ablegte.
Als kurz nach dem Mauerfall der Prater, Berlins ältester Biergarten, wieder öffnete, kümmerte sich Wagenbreth um die visuelle Ausstattung des zuletzt als Kreiskulturhaus genutzten Areals. Wie man Parolen und Wandzeitungen auf hohem Niveau pinselt, lernte man in der DDR bereits in der Schule. Gepaart mit akademischem Wissen bescherte Wagenbreth dem rustikalen Restaurant im Prenzlauer Berg eine Beschilderung, die weltberühmt wurde, denn der Prater reifte in den Berlin-Führern rasch zum Geheimtipp.
Noch immer im Einsatz für den Namensgeber: aktuelle Weihnachts-Homepage der Gaststätte Prater
Die Hauptrolle auf den Prater-Schildern spielte eine holzschnittartige Schrift in verschiedenen Stilen. Kurz nach Wiedereröffnung des Biergartens trafen sich der »eBoy« Steffen Sauerteig und Henning Wagenbreth, um über eine Digitalisierung der Schriftfamilie nachzudenken. Sauerteigs FF Typestar war zu dieser Zeit bereits ein Bestseller. Die Fonts der Prater-Familie sollten, trotz Digitalisierung, ihren handgezeichneten Charakter behalten, also die unregelmäßigen Strichstärken, die wechselnden Strichrichtungen und die stolpernden Buchstabenabstände.
Sommer 2004: handgemaltes Prater-Biergarten-Schild
Weil das lebendige Schriftbild seine Glaubwürdigkeit verliert, wenn zwei identische Buchstaben mit genau denselben Unregelmäßigkeiten nebeneinander stehen, wurde zu jedem Erstfont (gekennzeichnet mit dem Namenzusatz »One«), ein Zweitfont »Two« gestaltet, dessen Unregelmäßigkeiten von denen des Erstfonts abwichen. Viel Arbeit, mit der damals gängigen PortScript-Font-Technik, aber im Ergebnis sehr überzeugend; heute erledigen OpenType-Automatiken eine Menge der Handarbeit. Im Sommer 2000 erblickte die ins PostScript-Type-1 digitalisierte FF Prater als FontFont das Licht der Computerwelt.
Für die Benutzer der Schriftfamilie bedeutet das damals, dass sie munter zwischen Prater One und Two wechseln sollen und dürfen. So erhält jede Prater-Zeile einen wahrhaft handgezeichneten Charakter. Beim Setzen größerer Texte ist die Verwendung beider Fonts Pflicht. Da unser Auge die Unregelmässigkeiten der Schrift in kleineren Graden jedoch kaum wahrnimmt, brauchen hier die Fonts nicht gewechselt werden.
Erster Einsatz der Script-Version: Werbepostkarte der Prater-Gaststätte für ihren Hecht-Club, 2004
Kurz nach Erscheinen der Prater-Grundschriften (Sans und Serif) bekam die Familie bereits Nachwuchs: die Schreibschrift FF Prater Script inklusive Varianten kam hinzu sowie die 3D-Display-Schrift FF Prater Block, die sich sogar zweifarbig aufbauen lässt. Damit wuchs die temperamentvolle Familie zu einem Komplettsystem heran, das durch die Serifen-Version auch in kurzen Texten ausgezeichnete Sympathiewerte bringt.
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