Das Geschäft mit den Buchstaben, heute: ß
Dieser Beitrag ist zugleich ein Test: Die Überschrift enthält ein ß (das WordPress in ss umwandeln wollte, was ich verhindert habe) und der Name der Abbildung ist »lindenstraße.de«. Damit lautet der Link zu diesem Beitrag https://www.fontblog.de/das-geschaeft-mit-den-buchstaben-heute-ß und die Abbildung hat diese Adresse: https://www.fontblog.de/wp-content/uploads/2010/11/lindenstraße.jpg. Ihr könnt mir ja mal schreiben, was Eure Browser damit anstellen.
Noch etwas vorweg: Ich bin ein großer Freund von Unicode. Darum liebe ich auch Twitter. Es war eines der ersten sozialen Netze, das von Anfang an 100 % sprachübergreifend arbeitete. Praktisch alle Schriftzeichen sind in Texten und in URLs zugelassen, so dass ich russische, arabische, chinesische Tweets und Links friedlich nebeneinander erleben kann. Eine gekürzte URL auf Twitter zu einem Fontblog-Beitrag sieht zum Beispiel so aus: http://➔.ws/paris. Der Pfeil ist aus Zapf-Dingbats. Dass ich ihn für eine URL nutzen kann, liegt an der Endung ws. Sie steht im Internet für den Top-Level-Domain-Landescode von (West-)Samoa und wird für das Außenministerium dieses Staates von einer Organisation namens SamoaNIC administriert. Es liegt in den Händen dieser lokalen Registrierstellen, welche Schriftzeichen – außer den Groß-, Kleinbuchstaben und Ziffern – »internetfähig« sind. Samoa erlaubt jede Menge Symbole aus dem Unicode-Bereich. Die Frankfurter Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft eG (DENIC) erlaubt seit dem März 2004 Umlaute in URLs, seit gestern auch das ß. Warum so zögerlich, warum stufenweise? Das hat technische Gründe, linguistische (ü=ue, ä=ae, ö=oe, ß=ss) und sicherlich auch kommerzielle. Dazu am Ende mehr.
Als die Umlaute vor 6 Jahren zugelassen wurden, habe ich mir natürlich sofort jürgensiebert.de gekrallt. Ich freute mich auf die private E-Mail-Adresse mail@jürgensiebert.de und merkte dann schnell, dass mein Browser zwar das ü verstand, aber nicht mein Mail-Programm. Es verweigerte schon das Anlegen eines Accounts mit Umlaut. Später funktionierte das zwar, dann kamen jedoch Mails als unzustellbar zurück, weil internationale Mail-Server mit der Absenderadresse nichts anfangen konnten. Merke: Erst wenn der letzte Knoten im weltweit verknüpften Netz ein »deutsches« Zeichen versteht, dann macht die Benutzung auch Spaß. Bis heute ist meine Domain jürgensiebert.de dauerhaft auf fontblog.de umgeleitet.
Gestern reimte also die DENIC in einer Pressemitteilung: »Mit Eszett jetzt komplett – das deutsche Alphabet im Internet.« Sicherlich ein guter Schritt, aber noch kein Grund zur Hektik auf Seiten der Anwender. Bereits seit dem 26. Oktober 2010 konnten .de-Domains mit dem Buchstaben Eszett registriert werden, im Rahmen einer Sunrise-Periode. Diese war der offiziellen Einführung vorgeschaltet und den Inhabern einer Domain mit Bestandteil Doppel-s vorbehalten. Über 5000 solcher Kunden registrierten nun, zusätzlich zur alten Domain, eine neue mit dem ß anstelle von ss. Warum zusätzlich? Kann man die alte nicht freigeben? Besser nicht … Vorsicht vor Domain-Grabbern.
Ein Blick hinter die Technik der Namensverwaltung hilft, die richtige Entscheidung zu treffen. Entsprechend dem bisher geltenden IDN-Protokoll für internationalisierte Domain-Namen wurde das ß bisher in ein ASCII-kompatibles Format konvertiert, damit es vom Domain Name System (DNS) verarbeitet und bei der Registrierung von Domains verwendet werden konnte: Aus …straße.de wurde …strasse.de. Hat ein Internetnutzer versehentlich eine Domain mit ß in seinen Browser eingegeben, wandelte dieser automatisch in Doppel-s um. Ob dies in der Adresszeile für den Nutzer ersichtlich war, richtete sich nach dem verwendeten Browsertyp. Der neue IDN-Standard sieht nun vor, das ß als selbstständiges Zeichen zu führen, so dass eine Umwandlung von ß in ss nicht mehr stattfindet. Damit sind …straße.de und …strasse.de ab sofort zwei unterschiedliche Domains. Dies bedeutet auch, dass Anwendungen, die auf dem alten IDN-Standard beruhen, nicht mehr kompatibel mit dem neu eingesetzten Standard sind, sie sind nicht rückwärtskompatibel.
Und so weist auch DENIC darauf hin, dass die Einführung des ß im Internet in den kommenden Monaten zu unerwarteten Ergebnissen führen kann, weil »aktuelle Webbrowser und E-Mail-Clients zumeist noch auf dem alten IDN-Standard basieren«. Je nach eingesetzter Software gelangen Nutzer bei der Eingabe von ß innerhalb einer Domain demnach zu unterschiedlichen existierenden Domains. Während mit dem neuen Standard konforme Browserversionen den Nutzern die entsprechend ihrer Eingabe korrekte Seite anzeigen, werden die Nutzer älterer Versionen nach wie vor grundsätzlich auf eine Domain mit ss geführt. Diese muss jedoch – unabhängig davon, ob sie auf denselben Inhaber registriert ist – nicht notwendigerweise identisch mit der angefragten ß-Domain sein. »Wann die Browserhersteller die Neuerungen des DNS-Protokolls ebenfalls mit Updates unterstützen werden, liegt nicht im Einflussbereich von DENIC. Solange diese technische Unwägbarkeit fortbesteht, empfiehlt DENIC Interessenten an einer Domain mit dem Bestandteil ß daher, diesen Umstand bei der Nutzung der Domain zu berücksichtigen.« Mit anderen Worten: Nur nicht die alte Domainadresse aufgeben.
Bei der DENIC kostet die Registrierung einer Domain einschließlich Verwaltung durch DENICdirect und Konnektierung für ein Jahr 118,– €. Bei 1&1 gibt es so etwas sicher günstiger, dafür in Kombination mit kreativ formulierten Netzverträgen. Auch 1&1 rät übrigens dringend davon ab, E-Mails über die ß-Domain zu versenden.
21 Kommentare
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<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Henning Krause
Lustig: Safari 5.0.2 verwandelt die Linkadresse zu einer mit -ss,
Firefox 3.6.12 kann mit dem Eszett im Link umgehen
Jürgen Siebert
Google Chrome schluckt das ß anstandslos.
Georg Seifert
Ich kam von RSS auf die Seite und hatte „-ss“ in der Adresse. Wenn ich aber auf den Link in der Seite klicke, bleibt das „-ß“ erhalten. (RSS und HTML in Safari 5.0.2 Snow Leopard)
Jürgen Siebert
So geht Twitter im Web mit dem ß um (wird ignoriert):
Und so geht der Twitter-Client Echofon (Mac) mit dem ß um (wird erkannt):
Nadine
Von allen technischen Widrigkeiten mal abgesehen, ich freu mich riesig :-)
Henning Krause
@ Georg: Tatsache, bei mir auch so. Auch wenn Du auf die Kommentare klickst, erscheint -ss#comments in Safari 502.
Henning Krause
Liegt nicht an Safari oder Firefox. Klicks auf die Headline oder die Kommentare wandeln in beiden Browsern um, beim Klick auf den Link im Artikel bleibt das Eszett erhalten.
Rainer
Safari 4.1.2.: Vom RSS-Feed kommend wandelt Safari das ß in ss um. Interessanterweise kann man aber den Link mit ß händisch eingeben, wobei es dann bestehen bleibt.
Beim Klick auf den Link im Artikel bleibt das ß erhalten (Bestätigung von Henning).
Netnewswire light 3.1.7 wandelt ß auch in ss um.
Alles auf Macosx 4, Tiger.
jan
firefox 4 beta 7,
permalink = ss
bildlink = ß
Detlef D. Seiner
Was ich mich gerade Frage, wie schaut das in anderen europäischen Ländern aus? In Schweden sind die Buchstaben Å,Ä und Ö ganz normal im Alphabet vertreten. Und das Å wird aber ähnlich wie das deutsche O ausgesprochen. Die Schweden sprechen also die Wörter mit å immer falsch aus im Web, weil sie ja nicht erkennen ob es sich um ein a oder å handelt.
Das ä oder ö Kann man ja noch mit ae oder oe lesbar machen.
robertmichael
firefox 3.6.12
klick auf die headline bringt mich zu -ss
das bild wird korrekt dargestellt.
klick auf den ß-link im beitrag bringt mich korrekt zu -ß
IE 8.x
hat euch keine probleme mit dem zeichen
ich denke die umwandlung in der headline liegt sicher an wordpress.
drossmedia.com
Danke für den Hinweis, ich habe mir gerade schnell meinen Familiennamen mit ß +.de registriert. Wird aber zur Zeit noch umgeleitet zu dem vorwitzigen Englischlehrer, der damals bei ss schneller war.
Man kann das dann nur bei http://www.denic.de/ -> whois überprüfen.
Mal sehen, wann die Browser es können.
Kai
Opera 10.6 – keinerlei Probleme mit dem ß
Selben
Tweetie auf dem Mac kann mir deinen Pfeil-Links übrigens gar nichts anfangen und ich ärgere mich jedesmal wenn ich im Nirvana lande.
Thomas Hühn
@10: und das aring wird als „aa“ umschrieben.
Axel Becker
1und1 ist ja auch die Bude, die nach 2 Wochen meine »dringende« Supportanfrage damit beantwortet hat, dass sie weitergeleitet wurde ;-) Das ß in der URL funktioniert unter Windows 7 in Safari, Chrome, Firefox und Opera (jeweils aktuelle Version). Der IE8 macht ein gepflegtes »%C3%9F« aus dem ß.
drossmedia.com
Mit 1&1 habe ich auch nur schlechte Erfahrungen gemacht. – Bei meinem neuen Provider kostet die neue Domain (nur Registrierung) 6,60 im Jahr, nicht 118,-.
Denic aus meiner Sicht nur zum Überprüfen.
Mick Jacker
Vielleicht hilft es ja ein wenig dabei, die Verwirrung aufzulösen:
1) Der Artkel ist per RSS (bei Feedburner) mit ss verlinkt, nicht mit ß. Unterschiedlich angezeigte URLs rühren also daher und liegen nicht an einer eigenmächtigen „Umwandlung“ durch den Browser (die auch falsch wäre).
2) Jeder Browser kann selbstverständlich URLs mit ß auflösen, sonst würde ja schon eine Google-Suche nach einem Begriff mit ß scheitern. Allerdings müssen Nicht-ASCII-Zeichen URL-kodiert werden (also in UTF-8 „%C3%9F“). Insofern kann sich der hier im Fontblog proklamierte „Test“ nur auf die Fehlertoleranz des Browsers beziehen – der Link ist immerhin nicht standardkonform.
3) Ob nach dem Klick auf den Link „%C3%9F“ oder „ß“ in der Adresszeile steht, ist eine Frage der Kosmetik des Browsers – am Server angefragt wird in jedem Fall „%C3%9F“.
fritz
Ich find’s auch prima, dass auf der Ebene endlich Bewegung reinkommt, allerdings werde ich mir nicht das ö kaufen und das hat Tastaturgründe.
Als ich eine Zeit in Brasilien studierte musste ich zum Mailschecken immer in Internetcafés gehen, in denen Windows-PCs mit portugiesischen Tastaturen standen. Nicht meine Webadresse, einfach nur mein Passwort für meinen Mailaccount hatte ein ß drin. Jetzt find das mal in Brasilien auf der PC Tastatur. Ich habs einmal gesucht, gefunden und sofort mein Passwort geändert !
Also nochmal anders herum gefragt: wie kommt der Chinese auf meine Website, wenn er meine ös und äs und ße nicht auf der Tastatur findet? Gibts dafür schon eine Lösung?
onesocia
hatte mit opera ebenfalls nie probleme mit dem ß..
hilfe
Wenn unicode in de/com/org etc domains zugelassen werden, geht’s mit dem internet zu ende..
bekanntes beispiel:
http://mashable.com/2010/01/01/idn-phishing/