bukowskigutentag 14/13: Ach, Werbung …
Vorab folgende Fakten: Ich wurde in diesem Monat 45 Jahre alt. Seit etwa zwei Jahren habe ich nicht mehr getextet, sondern vergnüge mich seitdem mit Social-Media-Redaktion, bloggen, twittern, habe zwischendurch zum ersten Mal ein Roman-Manuskript zusammengelötet und dann war ich bei all dem Trubel sogar mal’n Eis essen … So weit also alles hübsch.
Plötzlich aber, ohne Zutun meinerseits, meldeten sich neulich verschiedene Kollegen, Kunden und Agenturen mit der Bitte, ob ich nicht mal wieder texten wollte. Alle auf einmal, als hätten die sich abgesprochen. Das ehrt mich natürlich und vielen Dank dafür. Trotzdem wundert es mich. Ich habe allesamt gefragt, was da eigentlich los sei. Nach meinen Berechnungen müsste ich in meinem vorgerückten Alter seit mindestens zehn Jahren zum alten Eisen gehören. Man fühlt sich ja fast um seinen verdienten Vorruhestand gebracht. Wo steckt denn bitte der Nachwuchs? Wo sind die jungen Wilden? … Keine Ahnung, sagten mir die Leute. »Wir finden irgendwie keine Texter mehr, schon gar keine jungen«, erklärte man mir. Na dann, denke ich, drehen wir mal wieder die eine Runde. Man ist ja auch neugierig zu sehen, ob der alte Motor wieder anspringt. Und immerhin dieses Genre des Schreibens habe ich bestimmt nicht verlernt:
"Und was schreiben Sie als freier Texter am liebsten?" – "Rechnungen."
— Michael Bukowski (@mbukowski) October 23, 2009
Warum fehlt denn nun der Nachwuchs? Einen schönen Beitrag dazu lieferte kürzlich mal wieder die Werbeagentur Jung von Matt. Mit ihrem Sixt-Mollath-Motiv haben die allseits beliebten »Kreativen« gerade ein neues, noch tieferes Kellergeschoss ihres Niveau-Untertagebaus erschlossen. (Ein beeindruckendes Worst-of Jung von Matt finden Sie hier bei Stefan Niggemeier.) Das Image der Werber in der Öffentlichkeit rangiert, so liest man, längst unter dem von Politikern und gerade noch vorm Versicherungsvertreter. Dementsprechend braucht man sich über ausbleibenden Nachwuchs keine Sorgen zu machen. Mir liegen natürlich keine Statistiken dazu vor, weswegen ich zu einem kleinen Trick greife. Nennen wir es mal: bloße Behauptung.
Aber lassen wir mal diese fürs Spektakel sorgenden Agenturen bei Seite. Die sind nämlich weder besonders interessant noch repräsentativ. Tatsächlich kenne ich viele fähige und intelligente Leute, die in der Werbung arbeiten. Diese Kollegen sind in der Regel weniger mit der eigenen Selbstbeweihräucherung beschäftigt als mit dem leidlich bekannten Problem, dass es einfach viel zu viele austauschbare und überflüssige Angebote und Produkte gibt, die zu bewerben der Quadratur des Kreises sehr nahekommt, weil es meist einfach nichts gibt, für das man werben könnte.
Etwas Hübsches mag man mittels Werbung noch etwas aufhübschen können. Aber eine Tüte heiße Luft bleibt eine Tüte heiße Luft, da hilft auch keine Werbung. Bemüht man sie trotzdem, sind die Ergebnisse bekanntlich oft einfach nur hilflos. (Ein Beispiel: Kürzlich habe ich ein paar Minuten über diese Anzeige von Blackberry gebrütet. Ich komme beim besten Willen nicht dahinter, womit und wie mich dieses Motiv für die beworbenen Produkte begeistern möchte.)
So weit, so bekannt. Aber deswegen muss es ja nicht so bleiben. Während ich also mal wieder eine Runde texte, schraube ich parallel an einem Plan, wie man es ganz anders und besser machen kann. Damit werde ich mich demnächst aus der Deckung wagen. Als Andeutung dazu diese Gesprächsnotiz: Ich hatte kürzlich einem Freund von meinem Plan erzählt. Der antwortete daraufhin, ich würde mich wie ein 20-Jähriger anhören, der auf Punk macht. “Mag sein”, sagte ich. »Der Unterschied ist nur, dass ich nicht 20, sondern 45 bin, das Business inzwischen kenne und trotzdem oder jetzt erst recht Lust auf Punk habe.« Mehr dazu demnächst.
Ach ja, natürlich gibt es auch Beispiele für gelungene Werbung. Über eine charmante Guerilla-Kampagne berichtete kürzlich hier der Postillon.
P.S.: Autoren, die diesen Beitrag geschrieben haben, haben auch diese Beiträge geschrieben.
2 Kommentare
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Brettone
Die gängige Arbeitshaltung und die Unterordnung unter „gesetzmässige“ und angeblich legale (von allen Beteiligten mitbestimmte, wo und wann,?) Gepflogenheiten, Regelungen und Usancen in der Arbeitswelt werden kommentarlos vorausgesetzt. Jede/r soll duldsam die herrschenden Arbeitsbedingungen als gegeben akzeptieren und sich allein nach jenen ausrichten, sich sogar „freuen“, in deren Rahmen an-ständig „Arbeit“ zu finden, also fremd bestimmt und instrumentalisiert zu „funktionieren“ und sich als „an-ständiger“ Zuarbeiter diesem System ungefragt, „alternativlos“, bereit-willig unterzuordnen.
Freie Selbstbestimmung, Mitsprache, Diskussion über Inhalten und Ausrichtung dieser fremdbestimmten Arbeitsbedingungen und -welten sind derzeit „zwecklos, unnötig, unerwünscht“ und stören den gesetzlich geregelten, wichtigen Arbeitsfrieden, ..!?
Gesetze wurden dazu geschaffen, um die allseitige Fremdbestimmung zu untermauern, zu legalisieren und jegliche Kritik und Infragestellung dessen, daran in unterwürfiges, devotes Bittstellertum umzuwandeln. Eine unterwürfige, ängstlichen Haltung in der man/frau/mensch sich gnädig und möglichst gegen Zahlung diverser Beiträge an Obrigkeiten und an bürokratische Stellvertreter wenden kann, die ähnlich despotisch und von oben herab daher, wie zu Kaisers Zeiten, gnädig „Auskünfte“ erteilen.
davodo
Also eine wirklich gelungene Guerilla-Kampagne war die 2009 in Japan durchgeführte Friseurkampagne. Die lief fast ein halbes Jahr. Die hatten aus Haarresten Zöpfchen gemacht und die dann als Haltergriffe in den Bussen eingesetzt. Eine Karte hing an jedem Haarbündel. Auch wenn sich das eklig anhört, in Japan kam das richtig gut an.