Creative Morning Pop-up: Auf in die Kunsthalle!
Der morgige Creative Morning taucht spontan an einem anderen Ort auf: In der anarchistischen Kunsthalle am Hamburger Platz, eine ehemalige Kaufhalle, die von Studierenden der Kunsthochschule Berlin Weißensee zum Event-Gebäude umfunktioniert wurde (Fontblog berichtete: Aktionsausstellung in der neuen Kunsthalle Berlin). Damit treten wir in die Fußstapfen der Creative-Morning-Erfinderin Tina Roth-Eisenberg (Swissmiss), die vor 14 Tagen mit ihrer Frühstücksvorlesung vom Stammplatz Brooklyn in eine Hochschule zog, der Rhode Island School of Design (RISD). Hintergrund: Zum ersten Mal in ihrer jungen Geschichte widmen sich in diesem Monat alle 29 Creative Mornings einem gemeinsamen Thema, der Schnittstelle von Kunst und Technik. Schirmherr dieser Initiative ist der legendäre »Designkünstler« John Maeda, Rektor der RISD.
Das Tolle an »unserer« Hochschule: Sie liegt in keinem anderen Bundesland, sondern mitten in Berlin. Und die Sprecherin unseres Creative Mornings ist zufälligerweise nicht nur die (Pro-)Rektorin der Kunsthochschule, sondern auch die Mitbegründerin der Kunsthalle … darüber hinaus eine angesehene deutsche Künstlerin.
Else Gabriel wurde 1962 in Halberstadt (DDR) geboren, studierte von 1982 bis 1987 in Dresden an der Hochschule für bildende Künste und war Mitbegründerin der Künstlergruppe der Auto-Perforations-Artisten. Seit 1990 ist sie unter dem Künstlerlabel (e.) Twin Gabriel bekannt, meist in Zusammenarbeit mit Ulf Wrede. Nachdem sie 1997 an Hochschulen in Hamburg, Kassel, Kiel und Saarbrücken lehrte, ist sie seit 2009 Professor in der Abteilung Bildhauerei an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Ausstellungen: Musée de la ville (Paris), County Museum of Art (Los Angeles), Deutsches Historischens Museum (Berlin), Palazzo delle Esposizioni (Rom), South London Gallery u.v.m.
Ihren Vortrag für den morgigen Creative Morning titelt Else Gabriel »Kunst ohne Knochen? (von Viren im Wahren)«. Sie schreibt dazu: »Mein Thema ist die Schwierigkeit, in einem oder mehreren Beziehungs-, Bedeutungs- und Wertesystemen zu agieren und sie gleichzeitig in ihrer Banalität zu durchschauen. Ich möchte anhand einiger Beispiele die Durchmischung von eigener Biografie mit künstlerischer Positionierung, Lehre und Administration, den Aufbau des Äthermuseums (als Grundlage für die Kunsthalle am Hamburger Platz) und die Definition von Performance als Kunstform der Peinlichkeit berichten.«
Oliver Reichenstein in Frankfurt
Wir freuen uns, einen Last-Minute-Sprecher für den TYPO Day am kommenden Freitag anzukündigen:
Oliver Reichenstein wurde 1971 in Basel geboren. Er studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik in Basel und Paris. Von 2000-2003 war er Interfacedesigner bei Interbrand Zintzmeyer & Lux. Reichenstein ist seit 2003 in Japan tätig, dort gründete er 2005 Information Architects Tokyo. Er arbeitete am Redesign vom Tagesanzeiger (2008), Krone.at (2009) und Zeit Online (2010). Er ist Writer für iPad (2010) und OSX (2011) und Entwickler der hochgelobten iA Writer App. Gerade erregten Information Architects Europa weites Aufsehen mit der Veröffentlichung eine neuen online Portals für das Schweizer Medienunternehmen Ringier.
Als Reichenstein feststellte, wie unterschiedlich Schriften auf den Mac-Platformen iMac, iPad und iPhone dargestellt werden und allein in der Mac-Sphäre ein einheitliches Schriftbild kaum umsetzbar ist, kam er sich zunächst wie ein einsamer Rufer in der Wüste vor. Selbst professionelle Typedesigner wollten sich zunächst nicht mit dem Phänomen beschäftigen. Weil Reichenstein inzwischen selbst an einer Schrift arbeitete und sich als Quereinsteiger nicht mit Routine-Erklärungen zufrieden gab, legte er selbst Hand an, um die Schriftdarstellung des iA Writer zu perfektionieren.
Was er dabei gelernt hat, wurde auf einmal eine neue Disziplin in der digitalen Schriftlehre, die er Responsive Type bzw. Responsive Typography taufte. Auf dem TYPO Day in Frankfurt wird er den Besuchern Responsive Type praktisch und theoretisch erläutern. Es sind noch wenige Karten für den TYPO Day Frankfurt erhältlich …
Ausstellung: 100 Beste Plakate in Berlin
Vom 28. Juni bis 29. Juli 2012 werden die 100 besten Plakate des letzten Jahres im Berliner Kulturforum gezeigt. Die Eröffnung findet am 27. Juni 2011, 19 Uhr statt.
Der Wettbewerb »100 beste Plakate des Jahres – Deutschland Österreich Schweiz«, 2011 zum elften Mal im internationalen Maßstab ausgeschrieben, gilt über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus als wichtige Institution aktuellen Plakat-Designs. Es beteiligten sich über 500 Einreicher, darunter Grafik-Designer und -Designerinnen, Studierende künstlerischer Hoch- und Fachhochschulen, Agenturen, Büros sowie Auftraggeber.
Der Jury, bestehend aus Prof. Sascha Lobe (D Stuttgart, Vorsitz), Prof. Alex Jordan (F Paris/D Berlin), Elisabeth Kopf (A Wien), Giorgio Pesce (CH Lausanne) und Thom Pfister (CH Bern), lagen rund 550 Einzelplakate vor, die es von knapp 1 800 – entsprechend des erstmalig praktizierten zweistufigen Reglements (Online-Vorauswahl) – in die Endrunde geschafft hatten.
Nach Ländern gliedern sich die prämierten 100 Plakate und Plakatserien in 53 mal Deutschland, 45 mal Schweiz und 2 mal Österreich. Zu den Besonderheiten des Wettbewerbs gehört, dass sich Plakate aus unterschiedlichen Zusammenhängen gleichberechtigt der Auswahl als eines der 100 besten stellen. Erst zur Präsentation der Ergebnisse wird die Segmentierung offengelegt: im aktuellen Jahrgang 67 Auftragsarbeiten, 9 selbstinitiierte Plakate/Eigenwerbung und 24 aus dem Kontext studentischer Projektaufträge.
Die Ausstellung, in diesem Jahr von einem Team der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart konzipiert, findet zum sechsten Mal in Folge in Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin im Foyer des Kulturforums statt. Nach Berlin, der ersten Station der Ausstellung, werden die »100 besten Plakate 11« in Nürnberg, Essen, Luzern, Dornbirn und Wien gezeigt.
Zur Ausstellung erscheint das ebenfalls von Studierenden der ABK Stuttgart gestaltete Jahrbuch mit den Abbildungen aller prämierten Plakate sowie dem thematischen Sonderbeitrag »Schwarz und Weiß im Meer der Farben« von Anita Kühnel (Berlin) im Verlag Hermann Schmidt Mainz, erhältlich in der Ausstellung und im Buchhandel.
Oliver Reichenstein spricht auf dem TYPO Day FFM
Es gehört zur Tradition des TYPO Day, die angemeldeten Besucher mit einem (oder mehreren) Last-Minute-Referenten zu überraschen. In Berlin war das Ingo Hess, in Hamburg Stefan Kiefer (DER SPIEGEL) und Johannes Erler (stern), beim TYPO Day Frankfurt (22. Juni 2012) wird es Oliver Reichenstein sein (iA).
Mit Niederlassungen in Zürich, Tokyo und Berlin gehört sein Büro Information Architects zu den großen Kommunikationsdesign-Wegbereitern weltweit. Reichenstein berät Zeitungsverlage (Die Zeit, Salzburger Nachrichten) und internationale Marken (Freitag, Ringier). Seit fast zwei Jahren erregt iA durch eine Schreib-App die Aufmerksamkeit vieler Texter. Sie heißt iA Writer und besticht durch ihre Schlichtheit. Der Schriftentwerfer Matthew Butterick vergleicht das Interface von Writer mit Sushi: »Wenige elegante Zutaten, roh serviert, perfekt aufeinander abgestimmt.«
Bei der Entwicklung der iA-Writer-App, die zunächst auf dem iPad lief, dann am Mac und schließlich auf dem iPhone, fiel Oliver Reichenstein die inkonsistente Schriftdarstellung über alle drei Plattformen auf. Selbst wenn man das iPad um 90 Grad dreht bedarf es einer Anpassung der Schrift, damit Texte stets gleich groß und gleich kräftig erscheinen. Das Retina-Display verstärkte diese Unterschiede eher als dass es sie überspielt.
Oliver Reichenstein (Mitte) auf der TYPO Berlin im Gespräch mit Eva-Lotta Lamm und dem RoboFont-Entwickler Frederik Berlaen
Zunächst kam sich Reichenstein wie ein einsamer Rufer in der Wüste vor, als er die Fragilität des Schriftbildes im Apple-Ökosystem untersuchte. Selbst professionelle Typedesigner wollten sich zunächst nicht mit dem Phänomen beschäftigen. Weil Reichenstein inzwischen selbst an einer Schrift arbeitete und sich als Quereinsteiger nicht mit Routine-Erklärungen zufrieden gab, legte er selbst Hand an, um die Schriftdarstellung des iA Writer zu perfektionieren. Was er dabei gelernt hat, wurde auf einmal eine neue Disziplin in der digitalen Schriftlehre, die er Responsive Type bzw. Responsive Typography taufte. Auf der TYPO Berlin stellte er seine Erfahrungen erstmals einem kleinen Kreis von Experten vor. Auf dem TYPO Day in Frankfurt wird er den Besuchern Responsive Type praktisch und theoretisch erläutern.
Achtung: Noch wenige Karten für den TYPO Day Frankfurt hier erhältlich …
★ des Monats: – 20 % auf alle Font-Downloads
Wegen der regen Nachfrage machen wir aus dem Stern der Woche den Stern des Monats: Bis zum bis 30. Juni 2012 gibt es 20 % Preisnachlass auf alle Font-Downloads auf fontshop.com. Einfach beim Bezahlen den Promocode FS_Promo_FSD_2.0 eingeben. Das Angebot gilt nur für die Kunden von FontShop Deutschland.
Aktuelle Infos zu FF Scuba von Felix Braden
Schriftportrait im frisch renovierten FontShop-Blog: »Stille Wasser«
Interview mit Felix Braden: »Diese Schrift sollte sich Ikea mal ansehen …«
PDF mit Schriftmustern und erläuternden Texten: FF Scuba-Broschüre
Für kurze Zeit: FF Scuba OT Regular und Web (Std Western) als kostenloser Testfont.
FF Scuba auf fontshop.com (bis 30. 06. 2012 gibt es 20 % Rabatt mit Promocode FS_Promo_FSD_2.0)
Berliner Leitungswasser: Was bisher geschah
Die Berliner Medien schlagen sich gerade um unseren langjährigen Freitag-Kolumnisten Michael Bukowski. Was ist da eigentlich los. Warum will er bald Berliner Leitungswasser in Flaschen abgefüllt verkaufen? Hier eine kleine Zusammenfassung der Ereignisse, inklusive meiner Warnung für überregionale Leser: Achtung, das Berliner Leitungswasser kommt auch bald zu euch!
Freitag, 6. Mai 2011: Michael Bukowski schreibt erstmals im Fontblog über ein Nonsenswasser, das sich die Helden seiner satirischen Buchreihe »Lektüre für Nichtleser« ausgedacht hatten, die Balla-Balla-Werbeagentur Auweier Unhold & Partner. Weil 3478 deutsche Wassermarken zu wenig seien, entwickelten die Werber eine neue Produktlinie in den drei gleich schmeckenden Geschmacksrichtungen »Wasser nass«, »Wasser flüssig« und »Wasser überflüssig«. Denn: »Die ›Nassness‹ von Wasser ist der Core-Benefit des Produkts.« Die entscheidende Marketing-Aufladung bekommt das Wasser, indem die leeren Flaschen plus Leitungswasser in Containern per Schiff nach Chile zum Abfüllen transportiert werden sollten. Mit dem Claim »Berliner Leitungswasser aus chilenischer Abfüllung« wolle Auweier Unhold & Partner auf den gegenwärtigen Irrsinn des globalen Transports von Gütern aufmerksam machen, die auch regional vorrätig seien.
Freitag, 23. 3. 2012: Bukowski erhielt vor einigen Tagen eine Anfrage per Mail, ob er mit seinem »Wasser aus chilenischer Abfüllung« als Sponsor bei einem Kongress einsteigen möchte. Nach kurzem Zögern rief er die Kongressveranstalter an und erklärte, dass es dieses Produkt eigentlich gar nicht gäbe. Das mache jedoch gar nichts, denn er »möchte die Anfrage gerne als Anregung nutzen, das ganze wahr werden zu lassen«. Das tat er dann auch. Es kam die Bestätigung des Kongress-Teams und schon konnte es losgehen! Bukowski rief Fontblog-Leser auf, ein schönes Etikett zu gestalten.
Freitag, 13. 4. 2012: Sechs Leser hatten sich Gedanken zum neuen Wasser gemacht. Als Nebenprodukt entstanden überzeugende Werbesprüche, denn aufmerksame Kunden wissen seit langem: Was zu Hause fast umsonst aus dem Hahn kommt, lässt sich auch im Supermarkt kaufen und eigenhändig nach Hause schleppen. Ein gutes Konzept. Aber Bukowski spricht es als erster klar aus: »Why drink at home for free, if you can buy and carry!« Pflichtbewusst kaufte unser Kolumnist 12 Kästen Markenwasser, löste in der heimischen Badewanne die Etikette ab, klebte die neuen drauf und lieferte alles zum Kongress auf den Gendarmenmarkt.
Freitag, 18. 5. 2012: Michael Bukowski kramt noch mal die Satire von 2011 heraus und entfernt alle Klamauk-Komponenten. Was bleibt übrig? Diese nüchterne Erkenntnis: Wasser erweist sich bei genauerer Betrachtung als absolut sinnvolles und marktfähiges Produkt! »Wie das, fragen Sie? Sehen Sie selbst hier auf unseres neuen Website. Außerdem freuen wir uns, wenn Ihnen dieFacebook-Page von Wasser gefällt.« Der Satiriker macht ernst und ab jetzt in Sachen Wasser.
Freitag, 8. Juni 2012: Ich sitze in meinem Wagen und fahre richtig Unter den Linden zu einer Besprechung, als ich auf Radio Eins die Ankündigung der Moderatorin vernehme, dass sie gleich mit jemandem sprechen werde, der Berliner Leitungswasser in Flaschen abfüllen und verkaufen möchte. Und tatsächlich folgt wenige Minuten später das Interview mit unserem Fontblog-Kolumnisten. Ebenfalls im Studie als Gast: der Stromberg-Schauspieler Oliver Wnuk (Ulf), der dieser Idee spontan die Wertung »genial« verleiht, eine »Superidee«, vor allem weil es eine »typisch Berliner Spinneraktion« sei. Werben will er dafür nicht unbedingt … hat er aber doch: Hier das Interview in voller Länge …
»Diese Schrift sollte sich Ikea mal ansehen …«
Ein Gespräch mit dem Kölner Typedesigner Felix Braden, der drei Jahre an seiner neuen Sans-Familie FF Scuba arbeitete
Er gehört noch nicht zu den großen internationalen Namen im Schriftdesign, was sich mit der gerade erschienenen FF Scuba sicherlich bald ändern wird. Felix Braden studierte an der Fachhochschule Trier bei Prof. Andreas Hogan Kommunikationsdesign, war einer der Gründer von Glashaus Design und hob bereits 2000 seine eigenes Schriftenlabel Floodfonts aus der Taufe. Seine Lizenzschriften erschienen zuletzt bei Fountain (Capri, Sadness), URW++ (Supernormale), Volcano Type (Bikini) und kürzlich bei FontFont. Wir sprachen mit Felix Braden, um mehr über sein typografisches Wirken in den zurückliegenden Jahren zu erfahren.
Felix, deine Bekanntheit in der Designszene basiert vor allem auf deiner Website Floodfonts.com und deiner Twitter-Identität @floodfonts. Seit 12 Jahren gibt es Floodfonts, ab 2004 kamen einige deiner Free-Fonts im Netz groß raus, zum Beispiel Moby und Hammerhead. Wirst du diese Schriften auch demnächst ausgebaut neu veröffentlichen?
Den meisten Spaß am Schriftgestalten habe ich eigentlich mit den ersten 52 Zeichen. Die Chance, dass ich ein altes Alphabet ausbaue, ist eher gering: Da bleibt ja nur Fleißarbeit übrig (Grinsen). Es müsste sich schon eine besondere Gelegenheit bieten. Als vor kurzem der Webfont-Service Typekit auf mich zukam und anfragte, ob sie Moby, Hydrophilia und Bigfish in ihr Programm aufnehmen könnten, war dies eine solche Gelegenheit. Deren Konzept, das komplette Hosting der Webfonts zu übernehmen, hat mich sofort begeistert. Die überarbeiteten Print-Fonts mit den erweiterten Zeichensätzen biete ich trotzdem kostenlos auf Floodfonts an.
Du hast an der FH Trier studiert. In den letzten Jahren sind einige Schriftdesigntalente aus Trier bekannt geworden, zum Beispiel Stefan Hübsch und Sascha Timplan. Gibt es an der FH spezielle Kurse zu Schriftdesign?
Leider wurde Schriftdesign zu meiner Studienzeit in Trier nicht als Fach angeboten. Soweit ich weiß hat sich daran auch nichts geändert. Allerdings gibt es einen guten Lehrer im Fach Typografie, Prof. Andreas Hogan, der die Studierenden immer wieder animiert, sich mit Schriftgestaltung zu beschäftigen. Er hat mich bei der Gestaltung meiner ersten Alphabete sehr gefördert. Man hatte zu meiner Zeit wenigstens die Möglichkeit, im Fach Typografie eine selbst gestaltete Schrift als Semesterarbeit einzureichen.
Bevor du dich intensiv mit dem Schriftentwerfen beschäftigt hattest, erschienen bereits ersten digitalen Alphabete von dir. Waren das für dich auch so 90er-Jahre-Schriftexperimente, wie sie von vielen exerziert wurden, die zum ersten Mal mit der Software Fontographer Bekanntschaft machten? Oder lauerte da eine tiefere Liebe auf den ersten Blick?
Irgendwie beides: Nach meinem Abitur 1993 wollte ich unbedingt zeichnen und Grafik-Design studieren. Ohne davon eine richtige Vorstellung zu haben, suchte ich mir einen Praktikumsplatz in eine Werbeagentur. Mit Glück landete ich bei Gaga, einem ambitionierten Designbüro in dem genau die experimentierfreudige Aufbruchstimmung der Neunziger herrschte und mir wirklich eine ganz neue Welt eröffnete. Hier traf ich auf den Designer Jens Gehlhaar, mit dem ich schon vor meinem Studium einen richtig guten Lehrer in Schriftgestaltung hatte. Die Tatsache, dass Fontographer zu dieser Zeit gerade total angesagt war und jeder Designer damit ’rumspielte, war hilfreich um Hemmungen abzubauen. Mein erstes Alphabet habe ich innerhalb einer Woche für das Demotape einer befreundeten Metal-Band digitalisiert.
Wenn Du einem Schriftdesig-Einsteiger einen Rat geben solltest, was würdest du empfehlen?
Nicht zögern, einfach machen! Beim Schriftgestalten rächt sich planloses Arbeiten zwar später auch mal, aber man muss ja nicht gleich mit einer Großfamilie starten.
Neben dem Schriftentwerfen arbeitest du vor allem als Grafikdesigner. Wir würdest du diesen Teil deiner Arbeit charakterisieren?
Ich bin froh, dass ich nicht nur Typedesign mache, sondern mich auch mit Editorial-Design, Corporate-Design und Illustration beschäftigen kann. Mir haben Ausflüge in andere Design-Bereiche immer sehr viel gebracht und auch der Austausch mit Leuten aus anderen Disziplinen. Wenn ich mich einordnen sollte, dann irgendwo zwischen Illustration und Typografie – meine gestalterischen Wurzeln liegen sicherlich im Zeichnen und Schrift ist das Thema, das mich in den letzten Jahren am meisten interessiert und beschäftigt hat. Letztendlich denke ich, dass mir beide Interessen beim Type- und Logo-Design sehr hilfreich sind und sich das, was ich jetzt tue, irgendwie zwangsläufig daraus ergeben hat.
Du wohnst und arbeitest in Köln. Wie erlebst du die lokale Designszene der Domstadt? Tickt sie anders als die der übrigen deutschen Design-Metropolen?
Ich weiß nicht, ob es in Zeiten von Behance und den immensen Möglichkeiten des Online-Austauschs unter Designern noch so etwas wie länderspezifische Stilrichtungen gibt, geschweige denn städtespezifische. Einen typischen Kölner Stil konnte ich jedenfalls noch nicht entdecken. Mir persönlich ist der direkte Austausch mit anderen Designern sehr wichtig. Leider ist die Typedesign-Szene in Köln sehr klein. Wir bekommen nur selten einen Typostammtisch hin, dem ich dann wochenlang entgegenfiebere. Dabei besuchen uns immer wieder mal interessante Gäste, wie Indra Kupferschmid, Dan Reyolds oder Alex Rütten, die mir eine große Inspirationsquelle sind. Manchmal schaue ich etwas wehmütig auf die Designszenen in Berlin und München, wo es fast wöchentlich ein solches Angebot gibt.
Was die Geschichte der Stadt angeht, finde ich Köln allerdings höchst interessant. Sobald jemand im Stadtgebiet ein Loch buddelt, kommt irgendein spektakulärer Fund zu Tage. Allein im Römisch-Germanischen-Museum finden sich viele großartige (typo)grafische Arbeiten aus der Antike, so dass sich ein Besuch unbedingt lohnt.
FF Scuba ist deine erste Schrift für die FontFont-Bibliothek. Zuvor erschienen bereits andere Familien bei Fountain, URW++ und Volcano Ttype. Was war anders bei FontFont?
Die Zusammenarbeit mit Fontfont war super. Die Intensität der Betreuung und auch der Aufwand, der in die Entwicklung von FF Scuba investiert wurde, waren bemerkenswert. Besonders dankbar bin ich dem typografischen Direktor bei FontFont, Andreas Frohloff, der mir unzählige Korrekturvorschläge gemacht hat und die Schrift einen Riesenschritt nach vorne gebracht hat. Während der zwei Jahre, in denen wir gemeinsam an Scuba gearbeitet hatten, habe ich enorm viel über Schriftgestaltung gelernt. Der Fairness halber muss ich ergänzen, dass ich bei den anderen Labels mit einem höheren Prozentsatz an den Verkäufen beteiligt bin. Ich denke, in der Summe haben beide Konzepte ihre Berechtigung.
Wenn du deine ersten Entwürfe auf Papier mit dem digitalisierten Endergebnis vergleichst, wie viel vom Original-Feeling steckt da noch drin?
Zur Premiere von FF Scuba habe ich einige alte Skizzen ausgegraben und war sehr überrascht, wie viel Ähnlichkeit das Endergebnis mit den Skizzen hat. Die Doppelseite »cobang« ist tatsächlich die erste Skizze, die ich zur Scuba – damals hieß sie noch Adria – gemacht habe. Einige Seltsamkeiten, wie die konisch zulaufende Oberlänge habe ich noch entfernt, aber ansonsten ist das doch recht nah an der Release-Version, oder?
Wie haben jüngst vernommen, dass eine der Inspirationen für Scuba der Wunsch war, einen Offline-Parter für Verdana zu schaffen. Wo gibt es eine Verwandtschaft zwischen Scuba und Verdana, wo liegen die Unterschiede?
Die größte Ähnlichkeit mit Verdana hat FF Scuba in der Fernwirkung, bzw. am Bildschirm in kleinen Größen. Doch selbst in diesen Fällen läuft sie enger, und ihre Buchstaben sind viel schmaler. Sobald die Lettern größer werden und die Details wie die konisch zulaufenden Enden der Stämme oder die ans Rechteck angenäherte o-Form erkennbar sind, besitzen die Schriften kaum mehr Ähnlichkeit. Gerade bei den fetteren Schnitten zeigen sich die Unterschiede sehr deutlich: Bei Verdana Bold sind die Horizontalen – durch die Orientierung am Pixelraster – nur fast halb so schwer wie die Vertikalen. FF Scuba fehlt dieser Kontrast völlig, ihre Horizontale wirkt richtig massiv.
Manche Schriftentwerfer berichten von Blockaden, worauf sie wochenlang keine Buchstaben mehr sehen können oder wollen. Kennst du das Gefühl auch, wenn ja, wie überwindest du so was?
Leider gibt es immer mal wieder Phasen, in denen ich einfach keine Lust auf Buchstaben habe. Glücklicherweise ticken die Uhren im Typedesign langsam. In der Regel kann ich mein Projekt dann einfach zur Seite legen, etwas anderes machen und abwarten, bis der Drang wieder da ist. Meistens geht das recht schnell.
Gibt es deiner Ansicht nach Grafik-Jobs, bei den Scuba die erste Wahl sein könnte?
Ich denke, Scuba hat viel Charakter und ist für eine Mengensatz-geeignete Sans sehr eigen. Alleine das macht sie zu einem guten Tool zur Markenbildung. Ich glaube, mit Scuba ist es mir gelungen einen warmen, menschlichen Aspekt in einen sehr kühlen, technischen Designansatz einfließen zu lassen. Ein Kontrast, der meiner Meinung nach das Besondere der Schrift darstellt. Somit wäre Scuba perfekt geeignet für Unternehmen mit einer hohen technischen Affinität, die trotzdem den Menschen im Mittelpunkt ihres Handelns sehen, zum Beispiel in der Medien- und Computerbranche.
Jeder Designer träumt von einem Idealauftrag oder -kunden. Wenn du die freie Wahl hättest … wem würdest du mit FF Scuba ein Redesign verpassen?
Wie wahrscheinlich viele andere Type-Designer war ich vor einigen Jahren von der Nachricht schockiert, dass Ikea Verdana als neue Hausschrift durchgängig für alle Medien verwenden werde und somit Bequemlichkeit und Kostenersparnis über alle Designkriterien stellt. Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern, aber ich glaube irgendwann in dieser Zeit habe ich mit der Arbeit an Scuba begonnen. Ich würde mich extrem freuen, wenn sich Ikea die Schrift mal genauer ansehen würde, um sie irgendwann als Hausschrift für Print und Verdana weiterhin am Bildschirm einzusetzen – von mir aus auch für die Korrespondenz.
Vielen Dank für das Gespräch, Felix.
Für kurze Zeit gibt es FF Scuba OT Regular und Web (Std Western) als kostenlosen Testfont.
Bezugsquelle: FF Scuba auf www.fontshop.com (bis 30. Juni 2012 gibt es 20 % Rabatt mit dem Promocode FS_Promo_FSD_2.0)
PDF mit vielen Schriftmustern und erläuternden Texten: FF Scuba-Broschüre