Fontblog Artikel des Jahres 2007

Erstes Crowdsourcing für ein Buch-Cover

Kommenden Sommer erscheint beim briti­schen Random-House-Verlag die UK-Ausgabe des Buchs »Crowdsourcing«, heraus­ge­geben vom Wired-Autor Jeff Howe. Passend zum Thema des Buches laden Random House und das Designmagazin Creative Review inter­na­tio­nale »Designers, Kreative und Kritzler« dazu ein, den Schutzumschlag des Werks zu gestalten. Für den Wettbewerb wurde die Internetseite Coversourcing einge­richtet, wo bereits die ersten 5 Entwürfe zu beur­teilen sind. Besucher der Seite dürfen abstimmen. Der Gewinner bekommt 500 briti­sche Pfund und seine Arbeit wird das Buch zieren. Oder doch nicht?


Wkk 9: form

wkk form

Als ich heute die Weihnachtskarte der form-Anzeigenabteilung in meinem Postfach fand, erin­nerte ich mich daran, dass ich auch in den letzten Jahren eher enttäuscht von der form-Post war. Eigentlich sollte die Karte so funk­tio­nieren, wie das Heft: Es über­rascht mit jedem Erscheinen. Was den form-Machern mit der Titelseite gelingt muss einfach nur auf die Weihnachtskarte über­tragen werden. Ein paar weiße Zapf-Dingbats-Schneeflocken auf dunkel­blauem Grund sind einfach zu wenig für das ambi­tio­nierte deutsch­spra­chige Designmagazin.

Fazit:
+ kein Verstoß gegen die 10 Gebote, netter, persön­li­cher Gruß
– naive Gestaltung, nicht reprä­sen­tativ, (typo­gra­fisch) falscher Apostroph in »Season’s Greetings«
2 Punkte


Der SPIEGEL kann wohl nicht zielen

»Ein US-Soldat zielt auf einen Esel …« hieß es gestern in der Bildunterschrift zu diesem AP-Foto auf SPIEGEL Online. Wer jemals auf dem Rummel eine Rose geschossen hat sieht, dass der Soldat links am Esel vorbei­zielt, wahr­schein­lich auf das weiße, unde­fi­nier­bare Bündel. Ein zweiter Blick auf daen Monitor der Zielelektronik würde diese Vermutung bestätigen.Hey, SPIEGEL, warum nicht gleich so:(Foto: AP, Montage Fontblog)


Output-Award 2008, jetzt mit Preisgeld

Bei Output, dem größten inter­na­tio­nalen Designwettbewerb für Design- und Architekturstudenten, wird es im kommenden Jahr erst­mals Geldpreise hageln. Neben dem mit 3000 Euro dotieren :output Grand Prix und dem in Kooperation mit der Sternberg Stiftung ins Leben geru­fenen Print Creativity Award (eben­falls mit 3000 Euro dotiert) winken bis zu vier Auszeichnungen, die mit einer Anerkennung von jeweils 500 Euro verbunden sind. Die Bewerbungsphase hat bereits am 7. Dezember begonnen, Einsendeschluss ist der 15. Februar 2008. Weitere Informationen zum Wettbewerb …

Arbeiten von Design- und Architektur-Studierenden verschwinden für gewöhn­lich in den Schubladen der Autoren, nachdem sie einer kleinen Hochschulöffentlichkeit präsen­tiert worden sind. Diesem Misstand wirkt Output seit ber 10 Jahren entgegen. Die von einer Jury ausge­wählten Arbeiten werden im Output-Jahrbuch veröf­fent­licht. FontShop hat noch die Jahrbücher ab Ausgabe 4 im Angebot; vor kurzem erschienen ist Output 10, mit 84 Arbeiten aus 10 Ländern (39,80 €; versand­kos­ten­frei bei FontShop).


Do it yourself: das neue RAG-Logo

Vor drei Monaten debat­tierten wir hier den neuen Kunstnamen und das neue Logo der Essener RAG Beteiligungs-AG: Evonik Industries. Tatsächlich exis­tiert die RAG Aktiengesellschaft (die frühere Ruhrkohle AG) weiterhin und reprä­sen­tiert den soge­nannten schwarzen Bereich, zu dem die Deutsche Steinkohle gehört; ledig­lich die als weißer Bereich bezeich­neten Sparten Chemie, Energie und Immobilien versam­meln sich unter dem neuen Etikett Evonik AG.

Nun berichtet die WAZ unter der Überschrift »Suche nach neuem RAG-Logo kostete keinen Cent«, dass die RAG ab 2008 mit einem neuen Logo auftritt. Für das Redesign des alten Markenzeichens »setzte sich eine Arbeitsgruppe wenige Tage zusammen – fertig war das neue Logo. Kosten entstanden keine.« Und weiter: »Außergewöhnlich an dem neuen RAG-Logo ist das Bekenntnis zum Standort Deutschland. So finden sich unter den drei Buchstaben in schmalen Streifen die Farben schwarz, rot, gold – ein Novum im Logo eines größeren deut­schen Unternehmens.«

Wenn diese Arbeitsgruppe keine Kosten verur­sachte, kann sie sich eigent­lich nur nach Dienstschluss am heimi­schen PC eines Mitglieds getroffen haben, um dort mit einem Hobby-Grafik-Programm die entschei­denden Eingriffe am Logo vorzunehmen.


Rich Roat bloggt mit der Schreibmaschine

Rich Roat von House Industries schreibt seinen heutigen Post-Eintrag mit einer alten Smith Corona Galaxie Deluxe. War die Webseite des öster­rei­chi­schen Schauspielers, Autors und Talkmasters Hermes Phettberg nicht eben­falls komplett mit Schreibmaschinen geschrieben? Phettberg​.at ist gerade nicht erreichbar wegen einer »Tele-2-Server-Migration«.


Wkk 8: Jung von Matt’s EDV-Beichtstuhl

Springer AG Kalenderblätter

Das zeichnet den Meister aus: Gegen alle Regeln verstoßen und trotzdem über­zeugen. Eben erhielt ich meine Weihnachtsgrüße von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt. Eine E-Mail mit einem Link. Klarer Verstoß gegen Regel 1 meiner 10 pein­lichsten Weihnachtsgrußfehler. Der Link führt zu einem 1-minü­tigen YouTube-Filmchen, das JvM eigens für diesen Gruß gedreht hat. Man sieht die Firmengründer ange­spannt in einem kalt beleuch­teten Server-Raum sitzen, wo sie an einem Bildschirm gemeinsam mit Pfarrer Hans Bensdorp eine Weihnachts-Mail an ihre Kunden zusam­men­schreiben: der Texter Jean-Remy von Matt tippt, der Stratege Holger Jung darf den Senden-Button betä­tigen – nachdem der Pastor seinen Segen gegeben hat. Untermalt ist das Geschehen vom Rauschen der EDV-Lüfter.

Jean-Remy von Matt äußerte sich vor andert­halb Jahren abschätzig über Blogs, die er als »die Klowände des Internets« bezeich­nete. Damit löste er in der Online-Community einen Sturm der Entrüstung aus. Mittlerweile nutzt JvM selbst dieses Medium. Mir gefällt die Selbstironie, das (sicher­lich insze­nierte) hilf­lose Werkeln im EDV-Beichtstuhl. Und wer dachte, virales Marketing ist ein Auslaufmodell … einer Kreativagentur fällt dazu immer noch etwas ein.

Fazit:
+ gute Idee, gute Ausführung, hohes Mund-zu-Mund-Propaganda-Potential, Selbstironie, vergleichs­weise preiswert
– viel Effekthascherei, wenig Weihnachten … eine Werbeagentur darf das
+ 8 Punkte


Geschenktipp 19: Fünf neue Weihnachts-Alben

Soundtrack zum Fest: Till Brönner – The Christmas Album
Die 2-minü­tige Ouvertüre »We Wish You A Merry Christmas/Joy To The World« insze­niert Till Brönner mit dem Deutschen Symphonie Orchester wie ein Hollywood-Film-Intro aus den 60er Jahren: kolos­saler Sound in Cinemascope. Sanft flie­ßend fügt sich ein jazziges »White Christmas« an, gefolgt vom munter swin­genden »Santa Claus Is Coming to Town« mit den famosen Vokalisten der New York Voices. »Ich hatte eigent­lich an ein entspanntes Album gedacht, mit vier, fünf Leuten im Studio, fast wie eine Jamsession«, meint Till Brönner schmun­zelnd gegen­über Focus Online. Es wurde ein abwechs­lungs­rei­ches Konzeptalbum mit 140 Mitwirkenden, darunter große Solisten. Die Online-Version zum Selbsthören, das schön gestal­tete Doppel-CD-Case zum Verschenken.

Kritische Töne: Michael Franks – Watching The Snow
Entspannende Begleitmusik für einen hekti­schen Dezember. Und tatsäch­lich besinn­lich, denn der Jazzmusiker Michael Franks wirft einen kriti­schen Blick auf die Auswüchse des Festes. Er macht das mit Humor statt mit erho­benem Zeigefinger. Das bissige »I Bought You a Plastic Star (For Your Aluminum Tree)« nimmt die Auswüchse rund um die Festtage aus Korn, während sich »Island Christmas« mit Weihnachten unter Mangobäumen beschäf­tigt. Das sorg­fältig produ­zierte Album wurde 2003 in Japan aufge­nommen, nun ist es auch hier zu haben. Zur Online-Version bei iTunes.

Für Klassikliebhaber: Verschiedene – Classical Christmas
Siebzig Minuten Weihnachtskonzert mit einer abwechs­lungs­rei­chen Mischung unter­schied­li­cher Ensembles: Symphonieorchester, Solosänger (Gerhard Schmidt), Blechbläser und Chöre. Wir hören die großen Klassiker – »Ave Maria«, »Wiegenlied«, »Es ist ein Ros entsprungen«, »Hallelujah« – aber erst die Mischung mit weniger bekannten Kompositionen sorgt dafür, dass es keine dieser typi­schen Kaufhaus-Untermalungsmusiken ist. Anhören und/oder down­loaden bei iTunes.

Für Unentschlossene: Shawn Lee’s Ping Pong Orchestra – A Very Ping Pong Christmas
Genau die rich­tige Musik für alle, die nicht wissen, ob sie Weihnachten lieben oder hassen. Der Multi-Instrumentalist Shawn Lee arbei­tete schon mit Coldcut, Thievery Corporation, Bomb The Bass, Jeff Buckley und den Spice Girls zusammen. Nebenbei produ­ziert er Musik für Werbespots und TV-Commercials. Für sein neues Album »A Very Ping Pong Christmas« nahm Shawn Lee mit dem Ping Pong Orchestra und Mick Talbot (The Style Council, Dexy’s Midnight Runners, Paul Weller) Cover-Versionen bekannter Weihnachtslieder auf, die er eigen­willig verfremdet​.Er nennt das: »Funky Treats from Santa’s Bag«.

Für Langeweiler: Xmas Chill – Winter Lounge Cafe Chillout
Die aktu­elle Nummer 1 unter den Weihnachts-Alben im iTunes-Store. Wer seine Gäste einschlä­fern möchte, greift zum Chillout-Mix. Oder man ist bereits Single. Die Interpreten dieser Kollektion sind weit­ge­hend unbe­schrie­bene Blätter. Jeder musi­ka­li­sche Zusammenhang mit Weihnachten könnte als Einbildung diagnos­ti­ziert werden. Pacebo-Musik. Aber viel­leicht liegt darin der Erfolg dieses Albums begründet: Herr lass es langsam und schmerzlos vorüber gehen. Weitere 13 Rezensionen im iTunes-Store.