Zwei neue Monatshefte von Factor Design
Soeben hat das Designbüro Factor Design zwei neue Monatshefte (»FDMH«) veröffentlicht – gedruckt und als PDF. Ausgabe 19 trägt den Titel »Gleich pikst es mal ganz kurz« und feiert die wunderbaren Produktfotos des Hamburger Fotografen Frank Stöckel, die für den Katalog des Medizingeräte-Herstellers PFM Medical AG entstanden. Das zweite Monatsheft ist tatsächlich ein Poster und stellt die Frage »Bringt Praktikum den Prakti um?« Hintergrund: Factor Design bekommt zu wenig Bewerbungen für Praktikumsplätze. Warum dies ein Problem ist beschreibt Herausgeber Johannes Erler auf der Rückseite des Posters in seinem lesenswerten Essay »Das Factor-Design-Praktikum – Problem und Lösung« (siehe unten). Unterhaltsam garniert er seine Theorie des Praktikums mit den eigenen Erinnerungen an vier Praktika zwischen 1985 und 1992.
Produkte für die Medizin werden nicht hergestellt, um gut auszusehen, sondern um zu funktionieren. Genau das macht sie sehenswert. Als Factor Design im Sommer 2009 den Auftrag erhielt, das Corporate Design des Kölner Unternehmens PFM Medical AG zu überarbeiten, wurde schnell deutlich, dass Ästhetik allein kein guter Berater sein kann. Das Familienunternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Produkte für die Medizin und ist in einigen Bereichen Weltmarktführer. Trotzdem ist es nur Fachleuten bekannt, denn es handelt mit hochspezialisierten Produkten, die Kunden sind Chefärzte und Einkäufer in Kliniken und Praxen. In diesem beruflichen Umfeld müssen die Dinge vor allem optimal funktionieren. Primär wichtig sind – neben dem Preis – Nutzen, Benutzbarkeit und die Möglichkeit, sich ausreichend über das Produkt informieren zu können.
Für die Katalogfotografie bedeutet dies, dass ausschließlich das Produkt selbst und möglichst viele seiner technischen Details bildnerisch herausgearbeitet werden müssen, denn die Stärke der Produkte liegt in ihrer nüchternen Reduktion auf das Nützliche. Das klingt selbstverständlich, doch in der Vergangenheit hatte man den Produkten entweder ihre natürliche Überzeugungskraft nicht zugetraut (und sich in assoziative Fotografie geflüchtet), oder man fand die Geräte nicht schön genug und versuchte, sie attraktiv zu inszenieren (was ebenfalls oft schiefging).
Man merkt es den Bildern von Frank Stöckel kaum an, aber die Herstellung war aufwändig. Zunächst galt es über 600 Produkte zu sichten und sortieren, um sie anschließend mit originellen Positionierungshilfen wie Klebeband und Knetgummi vor der Kamera zu justieren. Auch die Lichtsetzung war delikat, denn viele Gegenstände sind aus glänzendem Metall oder transluzenten, reflektierenden Materialien. Dies war auch der Grund für die graublaue Hintergrundfarbe: nicht, weil es schöner aussieht, sondern, weil nur sie bestimmte Details sichtbar macht. Es ist ein langer Weg, um zu einem Foto zu gelangen, das so selbstverständlich aussieht, als hätte eben jemand einen Gegenstand auf den Tisch gelegt und den Auslöser gedrückt.
Aus Johannes Erlers Essay Das Factor-Design-Praktikum – Problem und Lösung: »Factor Design hat ein Problem: Wir bekommen zu wenig Bewerbungen für unsere Praktikantenplätze. Unser Büro ist auf die Mitarbeit von Praktikanten angewiesen, es wäre Quatsch, dies zu leugnen. Wenn man so was offen anspricht, treten gleich die Witzbolde auf den Plan: ›Ihr meint wohl eher Praktikantinnen, höhö?‹ oder ›Praktikum = KKK = Kaffee kochen, Kopien machen, Kohle sparen‹. Ja, kennen wir, haben wir schon 1000 Mal gehört, und deshalb gibt es dieses Heft.
Man muss ein Praktikum nicht nur wollen, man muss es sich auch leisten können. Hamburg ist eine teure Stadt. In dieser Hinsicht müssen wir unseren Praktikanten entgegenkommen, das wissen wir. Die stickige Strenge der neuen Studienordnung tut ein Übriges, denn es bleibt kaum Zeit, mal was auszuprobieren. Und das Pflichtpraktikum nach dem 2. Semester, wie es an einigen Hochschulen eingeführt wurde, kommt natürlich viel zu früh. Damit ist niemandem geholfen.
Was wir auch beobachtet haben, ist die zunehmende Tendenz vieler Bewerber, in letzter Minute abzusagen. Man hält sich gerne alle Optionen offen. Uns nervt das und gibt einem anderen Vorurteil Futter: dass nämlich die viel-zitierte ›Generation Praktikum‹ in Wirklichkeit eine Generation Larifari ist. Mit unseren Vorstellungen von Teamgeist und Kommunikation passt das nicht zusammen.
Die Lösung dieser Probleme sind klare Ansagen. Wir möchten das Factor-Design-Praktikum wieder dort positionieren, wo wir es immer schon wähnten: als eine zeitlich begrenzte, verbindliche Verabredung mit Rechten, Pflichten und viel Gewinn für beide Seiten. Was das bedeutet, reißen wir auf dieser Seite an. Falls Sie Interesse haben, wären die nächsten Schritte dann eine motivierte Bewerbung und ein Gespräch. Wir sind gespannt, was nach diesem Heft passiert.«
7 Kommentare
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RobA
Da fehlt ein E, oder ist das so gewollt?
Jürgen Siebert
Ist ganz bestimmt gewollt …
RobA
Okay, bin heute nicht der Schnellste.
:D
Johannes Erler
ist nicht nur gewollt, ist sogar der neuen rechtschreibung nach richtig (für mich sieht es mit ie übrigens auch immer noch vertrauter aus).
das wort kommt angeblich von pike.
Phil
In einem halben Jahr bekommt ihr meine Praktikumsbewerbung, ich sammle und sortiere noch. :)
burean
dann müsste man schonmal design studieren
Martina Nagell
Toll informativer Artikel! Leider, dass ich erst heute diesen tollen Blog finde.