Wer auf der TYPO was zu sagen hat

Ein paar ausführ­liche Worte zur Programmplanung.

Wir bekommen eine Flut toller Vorschläge zu mögli­chen Sprecherinnen und Sprecher für die TYPO 2007. Vielen Dank dafür. Ich nehme das zum Anlass, ein paar Gedanken zur TYPO-Programmplanung aufzu­schreiben, die zwar in unseren Köpfen exis­tieren, aber noch nie so richtig fest­ge­halten wurden und vor allen nicht weiter erzählt.

Die TYPO ist primär eine Designkonferenz für typo­gra­fi­sche begabte/interessierte Entwerferinnen und Entwerfer, wie der Titel der Veranstaltung verrät (für die englisch­spra­chige Besucher bedeutet TYPO aller­dings »Tippfehler« – das war bisher auch kein Nachteil). Die Kernthematik der Konferenz ergibt sich aus der Kompetenz ihres Veranstalters FontShop und seiner Kunden. Doch weil wir keine Fachidioten sein oder werden wollen, blickt die TYPO stets in benach­barte Bereiche: Information, Brands, Humor, Play, Music … die jähr­li­chen Themen sorgen für die Erweiterung unseres Horizonts.

Die bevor­ste­hende Typo ist irgendwie anders, als alle zuvor. Noch nie gab es so schnell so viele Vorschläge für poten­ti­elle Sprecher. Darüber hinaus empfehlen sich uns im Wochenrhythmus profes­sio­nelle Entwerfer/innen und auch Studenten mit meist span­nenden Themen. Kurzer Einwurf hierzu, das haben wir auch noch nicht öffent­lich gesagt: Wer sich selbst einlädt und ins Programm aufge­nommen wird, erhält kein Redehonorar. Der Hintergrund ist ein ganz einfa­cher. Am Anfang, rund 9 Monate vor der Veranstaltung, steht eine Einladungsliste mit unseren 30 bis 40 Wunschrednern aus aller Welt, die wir dann anschreiben. Wir wissen aus Erfahrung, dass rund 25 defi­nitiv zusagen werden. Unser Etat für Honorare, Reisen und Hotels beträgt etwa 65.000 Euro – das ist viel­leicht auch mal inter­es­sant für alle die meinen, ein TYPO-Ticket dürfte nicht mehr kosten als ein Abendessen für 4 Personen. Und mit diesem Betrag jonglieren wir so lange, bis die von uns einge­la­denen und gewünschten Sprecher finan­zierbar sind.

Die Workshops und einige Slots in der TYPOshow halten wir frei für die sog. und oben erwähnten Auto-Empfelungen. Unsere Annahme: Wer sich selbst empfiehlt, hat ein massives Eigeninteresse an einem TYPO-Auftritt, was uns ehrt aber auch nicht so unver­schämt macht, dafür sofort die Hand aufzu­halten. Ein Honorar gibt es aller­dings auch nicht (even­tuell eine zusätz­liche Freikarte), weil der Topf für Honorare/Reisen/Hotel – drei Monate vor der Konferenz – schlicht und einfach leer ist.

Manche wollen einfach nur auf der TYPO spre­chen, um keinen Eintritt für die drei Tage zahlen zu müssen. Dagegen ist dann nichts zu sagen, wenn sie uns ein schlüs­siges Konzept vorlegen, das uns eine hoch­wer­tige Präsentation verspricht. In 80 Prozent der Fälle ist das Ansinnen (1) durch­schaubar und (2) das vorge­schla­gene Thema untaug­lich, so dass wir nicht zusammenfinden.

Das Thema Music hat, wie oben erwähnt, eine große Breitenwirkung, weil irgendwie jeder Designer mit Musik in Berührung kommt, und sei es, dass er sie während der Arbeit hört. Dies alleine quali­fi­ziert noch keine Gestalterin oder Gestalter für ein TYPO-Referat. Es reicht auch nicht, schon mal ein CD-Cover oder ein Plakat für ein Konzert entworfen zu haben. Dies trifft wahr­schein­lich auf 99 % der Konferenzbesucher zu, die sich dann zu Recht fragen: Hätte ich da nicht mehr zu sagen gehabt? Und hier stoßen wir auf den Kern unserer Programmplanung: Eine Referentin oder ein Referent auf der TYPO muss etwas zu sagen haben.

Dass man erst etwas zu sagen hat, nachdem einige Sprossen der Karriereleiter hinter einem liegen, dies ist eine unserer sichersten Erkenntnisse nach 12 Jahren TYPO-Konferenz. Wir haben schon einige soge­nannte Shooting-Stars der Design-Szene auf der Bühne gesehen, vom Web-Gestalter bis zum Editorial-Designer großer Life-Style-Magazine, die nicht nur nicht reden konnten: Sie hatten auch nichts zu sagen. Absolut nichts! Das war pein­lich für uns und für die Besucher, die entweder immer tiefer in ihre Sessel versanken oder aber den Saal verließen.


Der Verlust von Ed Benguiat ist für uns deshalb so schmerz­haft, weil er fast alles in einer Person vereint, was ihn zum TYPO-Star macht: er ist ein begna­deter Unterhalter, ein legen­därer Schriftentwerfer, ein erfah­rene Persönlichkeit (hat was zu sagen), steht immer noch – trotz seiner 80 Jahre – mit beiden Beinen im Berufsleben (siehe Abbildung) und Musiker ist er auch noch. Wie kann man so jemanden ersetzten. Wahrscheinlich gar nicht. Aber wir bemühen uns.

Warum ich das schreibe? Weil ich mir weiterhin Vorschläge von Euch wünsche. Versteht das oben Gesagte bitte als nach­ge­reichtes Briefing.


3 Kommentare

  1. Simone

    Lieber Jürgen, Danke. Deine ‚Thoughts on TYPO‘ finde ich noch besser als die ‚Thoughts on Music‘ von Steve Jobs.

  2. Jürgen

    Hat zufällig jemand auf dem Forum Typografie in Düsseldorf Dieter Gornys Vortrag gesehen und kann mir ein paar Zeilen dazu schreiben? http://​22ft​.de/​g​o​r​n​y​.​php

  3. Hans

    Noch ’n unqua­li­fi­zierter Vorschlag: ott + stein sollten was zu sagen haben – man denke an ihre wunder­schönen Plakate zu musi­ka­li­schen Veranstaltungen/Inhalten (auch wenn Sie als Grafik-Büro nur noch selten aktiv sind). Zur Persönlichkeit kann ich zumin­dest von Bernhard Stein aus eigener Erfahrung sagen: can kick ass!
    Und bei der Gelegenheit entschul­dige ich mich bei Nico Ott für eine spitze Bemerkung auf einer Eröffnung der transfer galerie anno 1987? 1988? tut mir sehr leid – war nur aus enttäuschter Liebe, weil ihr keinen Praktikanten haben wolltet ;-)

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