Tagesschau: 100 Sekunden kostenlose NPD-Werbung
Es waren genau 100 wertvolle tagesschau-Sekunden (hier noch mal anzusehen), in denen der öffentlich-rechtliche Moderator den mecklenburg-vorpommerschen NPD-Spitzenkandidaten Udo Pastörs von Sockel stoßen wollte … stattdessen schenkte er ihm einen Werbeauftritt im Gegenwert von rund 100.000 €. Zuvor starrten die handzahmen Parteigegner von SPD, CDU und FDP wie die Kaninchen auf die Schlange und heizten das Duell erst richtig an.
Dabei hatte sich der Elefantenrunden-Komoderator, dessen Namen ich nicht kenne, eine prima Eingangsfrage aufs Tablett gelegt: »Kann ich Sie als Neonazi bezeichnen …« legte er los, um Pastörs dann im selben Atemzug ein »eidestattlich versichertes« Hitler-Zitat in den Mund zu legen. Der griff den Spielball – innerlich triumphierend – auf, wiegelte natürlich ab und unterstellte der ARD indirekt schlechte Recherche. Dabei vergaß er nicht, sich als den echten Wahlsieger zu verkaufen und den »PDS-Kommunisten« vors Schienbein zu treten. Dumm gelaufen.
Der Moderator legte nach, und zwar mit der klassischen Rohrkrepierer-Folgefrage, die Mitte der 80er Jahre bereits die Zyniker Wolfgang Menge und Karl-Heinz Wocker bei der Radio-Bremen-Talkshow »3 nach 9« regelmäßig ins Abseits beförderte: »Dann haben Sie auch nicht gesagt …« und noch mal das Wort »Hitler«, noch mal braune Schei… . Jetzt scheute sich Pastörs nicht mehr zu applaudieren – »Das ist übrigens ein korrektes Zitat …« – und erneut ein paar nette Wahlkampof-Werbefloskeln abzuwerfen.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ein öffentlich-rechtliche Moderator liefert dem NPDler die Stichwörter für dessen Agitation … Vokabeln, die der Braune in dieser Runde selbst nie in den Mund genommen hätte. Derweil sitzen Mutti und Papa zu Hause vor dem Fernseher zählen 1 und 1 zusammen: »Ach so … NPD = Hitler … wieder was gelernt. Sollten wir das nächste mal unbedingt ankreuzen.«
15 Kommentare
Kommentarfunktion ist deaktiviert.
<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Nick Blume
Ich fasse es einfach nicht. Wie doof konnte der Moderator sein? Ich fasse es nicht…
Ich habe es mir aus Zeitgründen nicht angeschaut…
Failure
Nunja, so schlimm fand ich das jetzt nicht. Der ARD-Moderator hätte nur den „eidesstattlichen Ohrenzeugen“ weglassen sollen, der wirklich ein dummes Angebot an den NPD-Mann darstellte.
Axel Mattern
Bei dem Moderator handelt es sich um NDR-Chefreporter Christoph Lütgert, auch für seine kritische Berichterstattung z. B. über die Familie Bush bekannt. Er hatte es daher bei der ARD auch nicht immer leicht.
DANA
Ich denke auch, er hätte lieber nach dem Realitätsgehalt & der Finanzierung der NPD-„Foderungen“/Propaganda fragen sollen.
Nett aber, wie die ARD die Politiker gruppiert hat.
Christian
Der Chefredakteur des ZDF Herr Brender im Tagesspiegel vom 16.09.2006:
Wir haben aus den letzten Runden mit Parteienvertretern aber dazugelernt. In mehreren Workshops haben wir uns sowohl über Inhalte als auch über Verhalten und Taktiken der NPD und der Rechtsextremen kundig gemacht. Das Training von Reportern, Moderatoren und Redakteuren wird uns in die Lage versetzen, mit den Vertretern der Rechtsextremen sachkundig und situationsgemäß umzugehen.
HD Schellnack
Ehrenwerter fast gutmenschelnder Versuch, leider abgeglitten. Die Öffentlich-Rechtlichen in der Grätsche zwischen kritischer Berichterstattung und der Frage, wie man mit einer Partei umgeht, die eben gerade doch ja demokratisch gewählt wurde. Das will gelernt sein.
Ichfinde, nebenbei – Pastörs entlarvt sich, wie die anderen Politiker in der Runde – weitestgehend souverän selbst, der braucht dazu keinen Stcihwortgeber.
Ben
Wie schon öfters zu sehen bei vermeintlichen Wahlsiegen rechtsextremer Parteien, versuchen die Moderatoren Sie auf nicht all zu clevere Art zu attackieren, anstatt Sie einfach auf ihre Programminhalte anzusprechen, dann wäre nämlich nach wenigen Minuten die Luft raus und die Herren hätten sich höchstselbst zum Affen gemacht.
Benjamin Hickethier
Letzteres ist dem Moderator der Gesprächsrunde in den heute-Nachrichten am 17.09. wesentlich besser gelungen. Das ZDF-Training hat sich offenbar doch ausgezahlt. Die Frage, wie umzugehen ist mit NPD und Konsorten, teilt ja die Lager. Ich glaube, die Verbots-Strategie (bzw. im Falle von Fernseh-Interviews die plumpe Konfrontation mit Hitler-Zitaten) macht die inhaltsleere, antidemokratische und widerliche NPD für einige Mitbürger attraktiver. In den Fällen, in denen die selbsternannten „Nationaldemokraten“ die Fünfprozenthürde eines Landtages geschafft haben, dekonstruieren sie sich ja selbst, auf nahezu vorbildliche Weise; durch Alkoholexzesse, Gesetzesverstöße, Provokation, Selbstzerfleischung und vor allem die Beweisführung, dass hinter ihren Wahlkampfparolen wirklich keine Programmatik oder gar Konzepte stehen.
Traurig nur, den Bundespolitikern mit ihren Betroffenheitsminen zuzusehen, die sich telegen über die Erfolge der NPD beschweren, aber schon vor langem die Nichtverlängerung der Fördergelder für Projekte und Initiativen gegen Rechtsextremismus beschlossen haben.
Was muß noch passieren, damit auch Herr Schäuble und Freunde die Notwendigkeit der Unterstützung von zB. Vereinen wie »Opferperspektive«, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus etc. einsehen?
Ishar
Ganz schlimme Sache. Es ist wohl unverantwortbar, wie der NPD eine Opferrolle aufgedrängt wird. Leichter hätte man es ihm nicht machen können die Gott sei dank noch weit verbreitete Meinung zur NPD zu entkräften.
Jetzt denkt doch jeder: „Oh, der arme Mann. Wird in einer Demokratie so in die Ecke gedrängt und als Ausgestoßener behandelt und wenn sie dann kommen ihn zu fressen…wie ungerecht. Dafür hat er sich gut verteidigt.“ Dabei hat er doch gar nichts gesagt! Ich denke das viele Leute, auch aus dem gemäßigten Lagern, den so präzisen Angriff auf die Kommunisten (und an welcher Stelle sind das bitte Kommunisten?) als symphatisch empfunden haben, denn es suggeriert Aggression und Tatendrang, den viele vermissen.
Das Interview ist ein ganz klarer Sieg für die NPD, soviel Dummheit kann sich eine so gewaltig meinungsbildende Medienlandschaft nicht leisten.
Mich würde interessieren wie ihr gehandelt hättet?
Jürgen Siebert
Ich würde ihm die gleichen Fragen stellen, die man den anderen Parteien stellt:
• Opposition oder Koalition?
• Welches ist Ihr Rezept zur Verringerung der Arbeitslosigkeit
• Wünschen sie sich ein Koaltionsangebot?
Die journalistischen Angriffe müssten dann aus den Antworten heraus initiiert werden (anstatt sie in die Fragen einzubauen .. ein Anfängerfehler).
Im übrigen gebe ich Benjamin absolut recht, und so habe ich das auch schon mehrfach erlebt, zuletzt bei Schill: Sie erledigen sich meist nach wenigen Monatne selbst, weil niemand in diesen Parteien in der Lage ist, zu moderieren und die extremen Positionen auf einen Nenner zu bringen. Das ginge nur mit Gewalt, durch das »Beseitigen« von Kontrahenten … so wie es die NSDAP praktiziert hat … aber das kann sich heute auch keine NPD erlauben.
/sms ;-)
warum kopierst und verbreitest du das, was du schlecht findest? (inkl. video ~:-]
im übrigen irritieren mich deine gradlinigen bezüge: schätzt du mutti und vati (= „die stimmung im volk“) so ein, dass sich nur jemand wieder getrauen muss den namen *hitler* in den mund zu nehmen und alle würden wieder das dazugehörige *heil* rufen? könnte es nicht auch sein, dass es ganz gut war, dass dieser engagierte frager deutlich machte, wem und was diese partei nacheifert? vielleicht gibt es menschen, welche einfach gesehen haben, dass die npd zb „nachbarschaftshilfe“ ganz konkret packt und dafür dankbar waren, ohne gross weitere fragen zu stellen… vielleicht war das auch damals so: viel singen, viel turnen, viel natur: eigentlich ganz hübsch… vielleicht ist *die strategie* ganz ähnlich geblieben. und dann wäre christoph lütgert auf einem ganz sinnvollen weg gewesen. odr? (he: ich weiss es doch auch nicht… ich überlege hier bloss laut ;-))
HD Schellnack
Der richtige Weg: Die Titanic-Redaktion muß solche Interviews führen dürfen. Nicht informativer, aber lustiger.
Das Problem, nebenbei, ist nicht der poltische Arm der NPD – der sich, das sehe ich wie Benjamin meist kaum gewählt als allzu normale, vielleicht noch einen Hauch schlimmere Parteifritzen entlarvt. Das Problem ist nicht der Stimmenfang qua ortsnaher Nachbarschaftshilfe, es ist einfach die Schuld der etablierten Parteien, den Grassroots-Aspekt völlig aus den eigenen Augen verloren zu haben, die neonazis nutzen nur das Vakuum. Das echte Problem für mich ist die nach wie vor gewaltbereite Jugend, die sich hier bündelt und ventiliert. Mir ist ehrlich gesagt wurst, ob jemand an Adam Smith oder an Adolf Hitler glaubt, und die NPD ist nicht mehr oder weniger wählbar als die PDS… aber rechtsradikal motivierter Gewalt muß seitens des Staates ohne jede Softness und falschverstandene Nachsicht ein Riegel vorgeschoben werden.
Frank
Unter http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,438136,00.html spricht sich Uwe-Karsten Heye für Gewalt gegen Andersdenkende und Andersaussehende, sprich Regelverletzer aus:
„Wichtiger wäre dagegen, wenn ab sofort Staat und Gesellschaft Regelverletzungen oder gar Gewalt nicht mehr dulden würden – sondern mit aller erdenklichen Härte dagegen vorgingen.“
Also gehen wir (Gesellschaft) mit aller erdenklichen Härte gegen die Regelverletzer vor!
Schöne Heye-Rassisten-Welt.
Frank K.
Lieber Frank,
Herr Heye spricht sich dafür aus, dass sich die Demokratie gegen diejenigen wehrt, die gegen ihre Grundwerte verstoßen. Von „Rassismus“ oder „Gewalt“ gegen „Andersdenkende“ (mit denen Du ja offensichtlich die gewaltbereite Rechte meinst) kann gar keine Rede sein. Dass sich die Rechte in letzter Zeit gerne als „Opfer“ staatlicher Gewalt, Intoleranz, usw. darstellt, ist nichts neues, aber immer noch plump.